Definition:Oberflächliche bakterielle Infektion der Schleimhäute von Harnblase und Urethra bei gesunden, nicht schwangeren Frauen. Die unkomplizierte Zystitis wird meist durch aszendierende Infektion mit E. coli verursacht.
Häufigkeit:Häufigste bakterielle Infektion der Frau und häufiger Vorstellungsgrund in der Hausarztpraxis. Die Hälfte aller Frauen hat in ihrem Leben mindestens einmal eine Zystitis und etwa 3 % leiden unter rezidivierenden Harnwegsinfektionen.
Symptome:Akuter Beginn mit Brennen und Schmerzen beim Wasserlassen (Dysurie), häufigem Wasserlassen (Pollakisurie) und vermehrtem Harndrang.
Befunde:Getrübter, stark riechender Urin ist ein häufiges Anzeichen. Auch kann eine Hämaturie vorliegen.
Diagnostik:Typische Anamnese und Urinteststreifen oft ausreichend für die Diagnosestellung. Urinmiksroskopie und Urinkultur als weiterführende Diagnostik, z. B. bei Therapieversagen oder komplizierenden Umständen.
Therapie:Infektion meist innerhalb einer Woche spontan selbstlimitierend. Behandlung mit Antibiotika zur Verkürzung der Symptomdauer empfohlen: Einsatz von Fosfomycin, Nitrofurantoin, Nitroxolin, Pivmecillinam oder Trimethoprim in Abhängigkeit der Resistenzlage.
Prüfungsrelevant für die Facharztprüfung Allgemeinmedizin1
Zunahme mit dem Alter und in Zusammenhang mit sexueller Aktivität3
5–6 % bei sexuell aktiven Frauen zwischen 20–40 Jahren
18 % bei > 70-jährigen Frauen.
Ätiologie und Pathogenese
Typisch ist ein aszendierender Verlauf.
Die uropathogenen Keime gelangen durch Schmierinfektion zur äußeren Harnröhrenöffnung und wandern die Urethra hinauf in die Harnblase und ggf. weiter ins Nierenbecken.
Die Keime können der Darmflora entstammen und/oder beim Geschlechtsverkehr übertragen werden.
Eine hämatogene Streuung in die Nieren kommt selten vor.
Erregerspektrum im hausärztlichen Versorgungsbereich für ambulant erworbene, unkomplizierte HWI:3,6
Bei der Urethritis handelt es sich oft um eine sexuell übertragbare Erkrankung, die durch Chlamydien, seltener durch Gonokokken, Mykoplasmen oder Ureaplasmen verursacht wird.
Rezidivierende Harnwegsinfektionen
Sind oft auf Reinfektion ohne andere prädisponierende Faktoren zurückzuführen.73
Prädisponierende Faktoren
Die wichtigsten Risikofaktoren sind Zystitiden in der Vorgeschichte sowie häufige oder kürzliche sexuelle Aktivität.87
Bei zunehmendem Östrogenmangel ab 65 Jahren und darüber wird die Schleimhaut trocken und dünn, die Laktobazillen-Flora in der Vagina wird durch die Darmflora ersetzt, und das Risiko für Zystitiden steigt insbesondere bei atrophischer Vulvovaginitis.
Sexuelle Aktivitität
Beim Geschlechtsverkehr und insbesondere bei Kompression der vorderen Vaginalwand können Bakterien aus dem periurethralen Bereich oder der distalen Urethra in die Blase hinauf befördert werden.9
Nach dem Geschlechtsverkehr ist innerhalb der folgenden 48 Stunden das Risiko für einen Harnwegsinfekt um das 60-Fache erhöht.
Bei Verwendung eines Pessars oder einer spermiziden Creme steigt das Risiko nochmals um das Zwei- bis Dreifache.10
Anatomische, pathologische oder funktionelle Faktoren
Liegt Folgendes vor, ist die Zystitis kompliziert:
Steine, Katheter, Tumoren oder andere Faktoren, die eine Schleimhautläsion verursachen.
Neurogene oder andere Störungen der Harnentleerung, Obstruktion, Missbildungen, vesikoureteraler Reflux, Blasendivertikel, vaginaler Prolaps oder andere Erkrankungen, die zu Restharn führen.113
Anamnese und Urinstreifentest reichen zur Diagnose Harnwegsinfektion normalerweise aus.
Behandlung meist auf Grundlage von Anamnese und Urinstreifentest3,15-17
Ausnahme sind Anzeichen für einen oberen Harnwegsinfekt oder eine komplizierte Infektion.
Bei Frauen mit Dysurie und häufiger Harnentleerung, aber mit für Nitrit- und Leukozyten-negativem Urinstreifentest, sprachen 3 von 4 auf Antibiotika an.1810
Weitere Urinuntersuchungen
Mikrobiologische Untersuchung (Urinkultur)
Bakteriologische Untersuchungen des Urins bei einem unkomplizierten unterenHarnwegsinfekt Harnwegsinfekt(Zystitis) sind selten indiziert.
Antibiotische Therapie dient der Verkürzung der Symptomdauer und der Vermeidung von Komplikationen.
Laut Leitlinien der DEGAM und DGU sollte eine antibiotische Therapie empfohlen werden.2-3
Bei nur leichten/mittelgradigen Beschwerden kann eine alleinige symptomatische Therapie als Alternative erwogen werden.
partizipative Entscheidungsfindung
Auswahl des Antibiotikums nach individuellem Risiko, Wirksamkeit (Erregerspektrum, orale Bioverfügbarkeit u. a.), Nebenwirkungen und dem vermehrten Auftreten von Resistenzen.
Akute unkomplizierte Zystitis in der Regel spontan selbstlimitierend innerhalb 1 Woche
nichtantibiotische Behandlung und Konzept der verzögerten Verschreibung bei Frauen akzeptiert und gewünscht
Alleinige symptomatische Therapie kann bei leichten oder mittelgradigen Beschwerden als Alternative angeboten werden.3
Symptomatische Therapie
NSAR (z. B. Ibuprofen) haben einen symptomlindernden Effekt, sind jedoch Antibiotika unterlegen.2012-2214
evtl. erhöhtes Vorkommen von Pyelonephritiden bei rein symptomatischer Therapie mit NSAR2113-2214
Behandlung der asymptomatischen Bakteriurie nur in Ausnahmefällen (z. B. bei Schwangeren mit einer Risikoschwangerschaft)3
ausreichende Trinkmenge (mind. 2 l/d; Kontraindikationen beachten, z. B. Herzinsuffizienz)
vollständige, regelmäßige Entleerung der Blase
Wärmeapplikation bei Schmerzen
Keine übertriebene Genitalhygiene, die die körpereigene Vaginalflora zerstört.
Miktion nach Geschlechtsverkehr
ggf. Wechsel der Verhütungsmethode (Vermeiden von Scheidendiaphragmen, Spermiziden).
Medikamentöse Therapie
Antibiotische Therapie
Für Fluorchinolone wurden von der Europäischen Arzneimittel-Agentur Anwendungsbeschränkungen empfohlen: Besondere Vorsicht bei Älteren und bei PatientenPatient*innen mit Nierenfunktionseinschränkung. Keine Kombination mit Kortikosteroiden. Nicht empfohlen als Mittel der 1. Wahl zur Behandlung leichter und mittelschwerer Infektionen.2315
Leitlinie: Antibiotika zur empirischen Therapie2-3
Allgemeines zur Antibiotikatherapie bei unkompliziertem Harnwegsinfekt
Bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen keine mikrobiologische Diagnostik empfohlen
In den Leitlinie der DEGAM und DGU werden folgende Antibiotika zur möglichen Erstlinientherapie bei unkomplizierter Harnwegsinfektion bei Frauen empfohlen:
Fosfomycin-Trometamol
Dosierung: Einmaldosis 3 g
konstant geringe Resistenzrate von E. coli
hohe Behandlungskosten
Kann in der Stillzeit verwendet werden (Embryotox).
Nitrofurantoin
Dosierung: 50 mg 4 x/d über 7 Tage oder Retardform 100 mg 2 x/d über 5 Tage
Ampicillin oder besser resorbierbare Ampicillinester und Amoxicillin
niedrige Empfindlichkeits- bzw. hohen Resistenzraten2-3,6
Ggf. Einsatz, wenn sensitive Bakterien nachgewiesen worden sind.
Symptomatische Therapie
Primär symptomatische Behandlung mit Ibuprofen
unter symptomatischer Behandlung nach 1 Woche 70 % beschwerdefrei (80 % bei antibiotischer Behandlung)
Bei leichten/mittelgradigen Beschwerden kann eine alleinige symptomatische Therapie angeboten werden.3
Spasmolytika haben keine kausale Wirkung, und ein Nutzen zur Symptomkontrolle ist nicht erwiesen.3
Phytotherapeutika
häufiger und traditioneller Einsatz von Phytotherapeutika bei Harnwegsinfektionen und Blasenreizzuständen, jedoch wenig wissenschaftliche Basis
Behandlung einer Harnwegsinfektion mit Heidekrautgewächsen (Preiselbeere, Moorbeere, Moosbeere [Cranberries])
aktuell keine Empfehlung aufgrund widersprüchlicher Ergebnisse und fehlendem Wirksamkeitsnachweis2-3,2618
meist Einsatz zur Verhinderung von Rezidiven
Bei häufigen Rezidiven können Phytotherapeutika (z. B. Präparate aus Bärentraubenblättern [max. 1 Monat], Kapuzinerkressekraut, Meerrettichwurzel) empfohlen werden.3
Rezidiv und Therapieversagen
Rückfall (Frührezidiv)
Persistenz der Erreger trotz anfänglichem Therapieerfolg innerhalb von 14 Tagen3
Mögliche Ursachen für ein Therapieversagen oder Rückfall
mangelnde Compliance
resistente Erreger
andere Risikofaktoren
Die Leitlinien der DEGAM und DGU empfehlen folgendes Vorgehen:2-3
körperliche Untersuchung
Beratung mit Diskussion der Ursachen
Urinuntersuchung einschließlich -kultur
ggf. Wechsel des Antibiotikums.
Neuinfektion (> 14 Tage) wird wie eine Erstinfektion behandelt.
antibiotische Behandlung wieder mit einer Kurzzeittherapie3
ggf. Wechsel auf ein anderes Erstwahl-Antibiotikum3
Prävention
Behandlung rezidivierender Harnwegsinfektionen
Gesunde Frauen mit häufigen Harnwegsinfektionen (> 3 pro Jahr oder ≥ 2 in den letzten 6 Monaten)
Prophylaktische Maßnahmen erwägen.
Akute Zystitis-Fälle sind als Neuinfektion zu behandeln.
Einnahme von Mannose kann zur Prophylaxe empfohlen werden.2-3,27
2Der gWirkmechanismus Mannose pro Tagbesteht in einemder GlasVerhinderung Wasserder senktebakteriellen Adhärenz an Urothelzellen.
Aktuelle Metaanalysen zeigen, dass Mannose, ggf. auch in Kombination mit Lactobacillus oder Polyphenolen, eine Rolle bei der Prophylaxe von rezidivierenden Harnwegsinfekten haben könnte, die RateDatenlage anist Harnwegsinfektionenaber signifikantnach wie vor nicht ausreichend, um die Wirksamkeit zu belegen.19-20
Phytopharmaka
z. B. PräPräparate aus BärentraubenbläBärentraubenblättern (max. 1 Monat), Kapuzinerkressekraut, Meerrettichwurzel2-3
Moosbeeren (Cranberries)
aktuell keine Empfehlung aufgrund widersprüchlicher Studien2-3,2621
In mehreren Studien konnte ein positiver Effekt auf die Rezidivrate festgestellt werden, aufgrund der Heterogenität der Studien ist die Evidenz nicht ausreichend, um Aussagen über die Wirksamkeit treffen zu können.22
Selbstbehandlung bei Infekt mit antibiotischer Stand-by-Medikation2-3
Postkoitale Einmalprophylaxe (falls Zusammenhang mit Geschlechtsverkehr besteht)
z. B. 50 mg Nitrofurantoin2 oder 100 mg Trimethoprim3
Die Leitlinie der DGU empfiehlt vor Beginn einer antibiotischen Prophylaxe:
In einer Studie von 2018 an 140 prämenopausalen Frauen mit rezidivierenden Harnwegsinfekten führte eine Erhöhung der täglichen Trinkmenge um 1,7 l im Verlauf von 12 Monaten zu einer Halbierung der Anzahl der Zystitiden und des Antibiotikaverbrauchs.2823
vollständige, regelmäßige Entleerung der Blase
Miktion nach Geschlechtsverkehr
Keine übertriebene Genital-„Hygiene“, die die körpereigene Vaginalflora zerstört (keine „Intimsprays“ u. Ä.).
ggf. Wechsel der Verhütungsmethode (Vermeiden von Spermiziden [Kondom, Diaphragma])
Abwischtechnik nach dem Stuhlgang von vorne nach hinten
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
Eine akute unkomplizierte Zystitis ist in den meisten Fällen selbstlimitierend.
Eine Kontrolle sollte erfolgen, wenn die Diagnose ursprünglich unklar war.
Wiedervorstellung und evtl. erweiterte Diagnostik bei fehlender Besserung im Verlauf von 4–5 Tagen oder bei frühem Rezidiv.
Rezidivierende unkomplizierte Zystitis
Wenn kein Verdacht auf komplizierende Umstände besteht, kann nach erfolgreicher klinischer Behandlung auf eine Kontrolle verzichtet werden.
Patienteninformationen
Worüber sollten Sie die Patientinnen informieren?
Akute untere Harnwegsinfekte sind in der Regel selbstheilend.
Antibiotika können den Verlauf abkürzen und Symptome lindern, es können aber Nebenwirkungen auftreten.
Selbstverabreichung von Antibiotika bei wiederholten Infektionen erwägen.
Empfehlungen zur Prävention und Verhaltensweisen bei Harnwegsinfektion
Wiedervorstellung, wenn die Symptome länger als 1 Woche andauern.
Zur Beratung der Patientinnen bezüglich Therapieoptionen: Siehe Anhang „Antibiotische oder symptomatische Behandlung bei einem Harnwegsinfekt“ der DEGAM-LL.3www.awmf.org.
Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM): Brennen bei Wasserlassen
Quellen
Leitlinien
Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Brennen beim Wasserlassen – S3-Leitlinie und Anwenderversion der S3-Leitlinie Harnwegsinfektion. AWMF-Leitlinie Nr. 053-001. S3, Stand 2018. www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Urologie e. V. (DGU):. Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten. AWMF-Leitlinie Nr. 043-044. S3, Stand 2017. www.awmf.org
Literatur
Lohnstein M, Eras J, Hammerbacher C. Der Prüfungsguide Allgemeinmedizin - Aktualisierte und erweiterte 3. Auflage. Augsburg: Wißner-Verlag, 2018.
Deutsche Gesellschaft für Urologie e. V. (DGU) Harnwegsinfektionen. Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten. AWMF-Leitlinie Nr. 043-044, S3, Stand 2017 www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Brennen beim Wasserlassen – S3-Leitlinie und Anwenderversion der S3-Leitlinie Harnwegsinfektion. AWMF-Leitlinie Nr. 053-001. Stand 2018. www.awmf.org
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Autor*innen
Franziska Jorda, Dr. med., Fachärztin für Viszeralchirurgie, Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Kaufbeuren
Jonas Klaus, Arzt, Freiburg im Breisgau
Dietrich August, Arzt, Freiburg im Breisgau
Klaus Gebhardt, Arzt für Allgemeinmedizin, Bremen (Review)
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
Definition:Oberflächliche bakterielle Infektion der Schleimhäute von Harnblase und Urethra bei gesunden, nicht schwangeren Frauen. Die unkomplizierte Zystitis wird meist durch aszendierende Infektion mit E. coli verursacht.