Als Retroperitoneum wird der Raum zwischen dem Peritoneum und der vorderen paravertebralen Muskulatur (M. psoas major, M. psoas minor, M. quadratus lumborum, M. obturator internus, M. pyriformis) bezeichnet.
Es erstreckt sich vom Zwerchfell bis zu seinem offenen Übergang in das Becken.1
Im Retroperitonealraum können verschiedenste pathologische Veränderungen entstehen. Dazu zählen verschiedene gutartige Tumoren, häufiger sind jedoch maligne Neoplasien primärer und metastatischer Art.
Raumforderungen, die von retroperitonealen Organen ausgehen (Nieren, Nebennieren, Lymphknoten, Pankreas), werden nicht zu den primären retroperitonalen Raumforderungen gezählt. 2
Einteilung
Raumforderungen im Retroperitonealraum können solide, zystisch, entzündlich oder infektiös sein.
solide
Tumor, der aus dem oder im Retroperitonealgewebe entsteht.
ausgenommen: Tumoren der Nieren, der Nebennieren, des Harnleiters und des Pankreas
Retroperitoneale Sarkome machen etwa 15 % der 2.000 jährlich registrierten, neu diagnostizierten Fälle von Weichteilsarkomen aus, d. h. etwa 250–300 Fälle.
Maligne Tumoren
Nach den unteren Extremitäten ist der Retroperitonealraum die zweithäufigste Lokalisation von malignen mesenchymalen Tumoren.
Bei 1/3 der retroperitonealen Tumoren handelt es sich um Sarkome, wobei die zwei dominierenden Unterarten das Liposarkom (70 %) und das Leiomyosarkom (15 %) sind.4
Benigne Pathologien
Zu den häufigsten gutartigen Pathologien im Retroperitonealraum zählen Lipome, neurogene Tumoren (Schwannom, Neurofibrom), Paragangliome (funktionelle und nichtfunktionelle), die Fibromatose sowie Angiomyolipome der Niere.5
Diagnostische Überlegungen
Häufig Zufallsbefund, manchmal abdominelle Beschwerden und/oder tastbare Raumforderung
Der Retroperitonealraum verfügt über keine wesentlichen anatomischen Barrieren.
Gefäße, Nerven und die Harnleiter verlaufen durch den Retroperitonealraum.
Er enthält eine große Zahl von Lymphknoten.
Retroperitoneale Neoplasien können wachsen und recht groß werden, bevor sie Symptome verursachen.
Die häufigste Ursache für Morbidität und Mortalität sind lokale Rezidive nach einem chirurgischen Eingriff. Bei weniger als 10 % der Patient*innen bilden sich Fernmetastasen, meist in Leber und Lunge.
Die WHO teilt die Liposarkome in 5 Untergruppen ein:
hoch differenzierte (am häufigsten)
myxoide (am zweithäufigsten)
dedifferenzierte
rundzellige und
pleomorphe.
wichtigste radiologische Differenzialdiagnosen: Lipom und Angiomyolipom
Leiomyosarkome
zweithäufigste retroperitoneale Sarkomart (30 %)
2/3 der betroffenen Patient*innen sind Frauen.
häufigste Art venöser intraluminaler Neoplasien und primärer Tumoren der Vena cava inferior
Radiologisch stellt sich der Tumor deutlich umschrieben dar und geht häufig mit Nekrosen und Blutungen einher.
Maligne fibröse Histiozytome (MFH)
dritthäufigste retroperitoneale Sarkomart (15 %)
2/3 der betroffenen Patient*innen sind Männer.
Perivaskuläre Epitheloidzelltumoren (PEComa)
Dabei handelt es sich um mesenchymale Tumoren mit unterschiedlichem malignem Potenzial.
Desmoidtumoren (hochdifferenzierte Fibrosarkome)
Diese machen weniger als 1 % der retroperitonealen Sarkome aus.
Östrogenabhängige Tumoren, die meist bei jungen Frauen in der 3. Lebensdekade auftreten.
Die Tumoren sind lokal aggressiv, und nach radikalen chirurgischen Eingriffen kommt es in 50 % der Fälle zu einem Rezidiv.
Neurogene Tumoren
Gehen von den Nervenscheiden (Schwannom, Neurofibrom), von Ganglienzellen (Ganglioneurom, Ganglioneuroblastom) oder von Paraganglienzellen (Phäochromozytom) aus.
Sie machen 10–20 % der primären retroperitonealen Tumoren bei Erwachsenen aus.6
Keimzelltumoren
Primäre Tumoren dieser Gruppe entstehen aus Keimzellüberresten, die nicht vollständig migriert sind.
Führen je nach Ursache schnell zu hämodynamischer Instabilität.
Eine aktive Kontrastmittel-Extravasation bei der CT deutet auf eine arterielle Blutung hin, was eine umgehende angiografische oder chirurgische Intervention erforderlich macht.8
Lymphozelen
Ansammlung von Lymphflüssigkeit infolge einer Leckage des Lymphsystems, meist iatrogen nach radikaler Lymphadenektomie (in bis zu 30 % der Fälle) oder akzidenteller Verletzung von Lymphgefäßen
CT: wassertypische Hypodensität
Die Behandlung symptomatischer Lymphozelen erfolgt durch eine perkutane Drainage, häufig in Kombination mit einer Sklerotherapie.
Seltene, gutartige, angeborene Anomalie, bei der es zu einer gestörten Entwicklung des tracheobronchialen Systems und einer abnormen Knospung der Atemwege kommt.
Nichtpankreatische Pseudozysten
Diese sind auf eine mangelnde Resorption vorausgegangener Hämatome oder Abszesse zurückzuführen.
Histologisch ähneln sie Pankreaspseudozysten und weisen keine Epithelauskleidung auf.
Kontrastmittelverstärkte CT von Abdomen, Thorax und Becken14
Untersuchung mit dem größten Nutzen
Gibt Aufschluss über Größe, Lokalisation, das Verhältnis zu umliegenden Organen und das Bestehen oder Nichtbestehen von Metastasen.
Raumforderungen, die unabhängig von den großen Blutgefäßen und den Harnleitern auftreten, deuten auf eine maligne Erkrankung hin.
Eine dichte Masse, die die großen Blutgefäße und die Harnleiter umgibt, ohne dass eine Lymphadenopathie vorliegt, deutet auf eine Retroperitonealfibrose hin.
Die Densität im CT gibt Aufschluss über die Menge an Fettgewebe.
Ein hochdifferenziertes Liposarkom besteht zum größten Teil aus Fettgewebe.
Weniger stark differenzierte Läsionen weisen eine erhöhte Dichte und eine erhöhte Kontrastmittelaufnahme auf.
MRT
Die MRT kann zusätzliche Informationen über das Verhältnis zu den umliegenden Organen liefern.
Sonografie
Sonografie der Hoden zum Ausschluss einer malignen Erkrankung
Ermöglichen die radiologischen Befunde keine Diagnose, ist eine präoperative CT- oder Ultraschall-gesteuerte eine perkutane Nadelbiopsie notwendig.
alternativ Biopsie im Rahmen einer Laparoskopie
Wird der Tumor als inoperabel eingestuft oder hat die Patientin/der Patient Metastasen, kann eine Biopsie zur Beurteilung möglicher alternativer Therapien indiziert sein.
Retroperitoneale Lymphome sind relativ verbreitet und können sich als Mittellinien-Raumforderungen darstellen, die die Aorta, die Vena cava oder die Iliakalgefäße umschließen oder verschieben können. Die Diagnose wird häufig anhand einer Nadelbiopsie gestellt.
Angiografie
Planung der chirurgischen Resektion größerer vaskulärer Neoplasien
evtl. präoperative arterielle Embolisation
Beurteilung der beidseitigen Nierenfunktion
Niere
Die Niere ist das Nachbarorgan, das bei der Resektion eines Sarkoms am häufigsten entfernt wird.
Die Funktion wird per kontrastmittelverstärkter CT und Nierenszintigrafie beurteilt.
Beurteilung von Metastasen
Knochenszintigrafie/CT/MRT
Thorax-CT
Metastatische Sarkome sind häufig peripher und auf dem Röntgenthorax nicht sichtbar.
Maßnahmen und Empfehlungen
Indikationen zur Krankenhauseinweisung
Bei Befunden, die für eine retroperitoneale Raumforderung sprechen.
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Autor*innen
Franziska Jorda, Dr. med., Fachärztin für Viszeralchirurgie, Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Kaufbeuren
Julia Trifyllis, Dr. med., Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, Münster/W.
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
Als Retroperitoneum wird der Raum zwischen dem Peritoneum und der vorderen paravertebralen Muskulatur (M. psoas major, M. psoas minor, M. quadratus lumborum, M. obturator internus, M. pyriformis) bezeichnet.
Es erstreckt sich vom Zwerchfell bis zu seinem offenen Übergang in das Becken.1