Zusammenfassung
- Definition:Eine heterogene Gruppe von malignen Erkrankungen mesenchymalen Ursprungs, die von Muskeln, Fettgewebe, Bindegewebe, Blut- und Lymphgefäßen, Nervenscheiden und Knochen ausgehen. Es wird zwischen den beiden Hauptgruppen der Weichteil- und der Knochensarkome unterschieden.
- Häufigkeit:Jährliche Inzidenz ca. 6–8/100.000.
- Symptome:Bei Weichteilsarkomen häufig schmerzlose, progrediente Schwellung als Primärmanifestation. Bei Knochensarkomen als erstes Symptom häufig Schmerzen in der betroffenen Region.
- Befunde:Abhängig von der Lokalisation und der Art des Tumors. Zu achten ist auf Größe, Konsistenz, Verschieblichkeit des Primärtumors sowie auf Hinweise für Metastasierung (am häufigsten hämatogen in die Lunge).
- Diagnostik:Beruht auf klinischem Befund, bildgebenden Verfahren und schließlich Biopsie mit histologischer Untersuchung.
- Therapie:Abhängig von Art und Stadium des Sarkoms. Am häufigsten operative Resektion, ergänzt um ggf. eine Chemo- oder Strahlentherapie.
Allgemeine Informationen
Definition
- Heterogene Gruppe maligner Tumoren des Weich- und Stützgewebes (mesenchymaler Ursprung)1-4
- unterschiedliches pathologisches und klinisches Erscheinungsbild
- mögliches Auftreten in allen Körperregionen
Klassifikation
- Unterscheidung von über 100 histopathologisch definierten und z. T. molekulargenetisch charakterisierten Subtypen2
- In der WHO-Klassifikation 2020 Aufnahme zahlreicher neuer Subtypen, vorwiegend infolge neuer molekularer Erkenntnisse5
- hierdurch teilweise genauere Aussagen zu Biologie und Prognose mit therapeutischen Konsequenzen5
Weichteilsarkome
- Ca. 87 % der Sarkome6
- davon ca. 20 % gastrointestinale Stromatumoren (GIST) als Sonderform7
- Häufigere Weichteilsarkome bei Erwachsenen:1
- GIST-Tumoren (20 %)
- Leimoysarkome (12 %)
- Liposarkome (10 %)
- Angiosarkome (7 %)
- Fibrosarkome (5%).
Knochensarkome
- Ca. 13 % der Sarkome6
- Die häufigsten Knochensarkome sind:8
- Osteosarkom (40 %)
- Chondrosarkom (20 %)
- Ewing-Sarkom (8 %).
Häufigkeit
- Seltene Tumoren
- Inzidenz
- Alter
- Sarkome sind in allen Altersgruppen zu beobachten.8
- bei Weichteilsarkomen Zunahme der Inzidenz mit dem Alter2
- Osteosarkome und Ewing-Sarkome treten vor allem bei Kindern und Jugendlichen auf (Häufigkeitsmaximum in der 2. Lebensdekade).8,10
- Geschlecht
- Beide Geschlechter sind etwa gleich häufig betroffen.2
Ätiologie und Pathogenese
- Die Ätiologie ist weitgehend ungeklärt.11
- Bei einem Teil der Tumoren können spezifische molekulare Aberrationen nachgewiesen werden.2
- Einige Fälle treten im Rahmen spezifischer genetischer Syndrome auf.2
Lokalisation
- Grundsätzlich können Sarkome in allen Körperregionen entstehen.12
- Weichteilsarkome treten auf:13
- am häufigsten im Bereich von Extremitäten und am Körperstamm (55 %)14
- im viszeralen/retroperitonealen Raum (35 %)
- in der Kopf-Hals-Region (10 %).
- Knochensarkome
- Das Osteosarkom als häufigstes Knochensarkom betrifft meist die Metaphyse eines langen Röhrenknochens, bevorzugt in der Knieregion.3
- Das Ewing-Sarkom kommt vorwiegend im Bereich von Becken, Femur, Humerus, Rippen und Clavicula vor.10,15
Prädisponierende Faktoren
- Die Mehrzahl der Sarkome entsteht sporadisch ohne erkennbare Risikofaktoren.2
- Mögliche prädisponierende Faktoren sind:2,11
- iatrogene Faktoren
- St. n. Bestrahlung
- St. n. Chemotherapie
- berufliche Exposition
- Polivinylchlorid, Asbest (Angiosarkome der Leber)
- Infektionen
- EBV
- HHV 8
- hereditär
- einige genetische Syndrome.
- iatrogene Faktoren
ICPC-2
- A79 Malignom NNB
- L71 Bösartige Neubildung Knochen
ICD-10
- Zahlreiche Diagnosecodes, u. a.:
- C40–C41 Bösartige Neubildungen des Knochens und des Gelenkknorpels
- C45–C49 Bösartige Neubildungen des mesothelialen Gewebes und des Weichteilgewebes
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Klinisches Bild hochvariabel ohne spezifische Symptome6
- Erhärtung eines klinischen Verdachts durch Bildgebung (evtl. mit Gewebecharakterisierung)16
- Definitive Diagnosestellung durch histologische/molekulargenetische Untersuchung16
Differenzialdiagnosen
- Gutartige Tumoren mesenchymalen Ursprungs
Anamnese
- Sarkome werden häufig erst spät diagnostiziert.17
- anfänglich a- oder oligosymptomatisch, vor allem Weichteilsarkome
- Fehlinterpretation als – wesentlich häufigere – gutartige Tumoren
- Bei Schmerzsymptomatik (vor allem Knochensarkome) wird häufig zunächst eine andere Ursache vermutet.
- anfänglich a- oder oligosymptomatisch, vor allem Weichteilsarkome
Weichteilsarkome
- Häufig schmerzlose Schwellung als Erstmanifestation18
- Alarmsymptome sind:11
- schnelle Größenzunahme innerhalb von Wochen bis Monaten
- Schmerzen in der betroffenen Region
- Alter > 50 Jahre
- Schwellung in der Muskulatur der Extremitäten
- Schwellung größer als 5 cm.
- Bei großen Tumoren sind Symptome durch Kompression möglich (z. B. Parästhesien, distale Ödeme).18
Knochensarkome
- Als erstes Symptom häufig Schmerzen in der betroffenen Region
- Schmerzen werden nicht selten fälschlich auf ein Trauma zurückgeführt.
- Eine lokale Schwellung tritt meist erst später auf.3,15
- evtl. Bewegungseinschränkung im benachbarten Gelenk3
- bei einigen Patient*innen pathologische Fraktur als erstes Symptom3
- Allgemeinsymptome fehlen meist, bei Vorliegen sind sie ein Hinweis für Metastasierung.3
- Mediane Dauer von den ersten Symptomen bis zur Diagnose: 10–15 Wochen (Osteosarkom)3
Klinische Untersuchung
- Lokalisation des Tumors
- Größe
- Druckschmerzhaftigkeit
- Verschieblichkeit
- Konsistenz
- Lymphknoten
Ergänzende hausärztliche Untersuchungen
Labor
- Keine spezifischen Laborwerte für Sarkome
- Routinelabor im Hinblick auf mögliche medikamentöse Therapie
Sonografie
- Erstbeurteilung zur Abgrenzung nicht-malignomverdächtiger Weichteilbefunde (Lipom, Zyste, Abszess, Hämatom) gegen malignomverdächtige Raumforderung1
Röntgen
- Bei V. a. Knochensarkom Röntgen des betroffenen Knochens und der benachbarten Gelenke in 2 Ebenen15
- Beurteilung hinsichtlich osteolytischer Prozesse, Kortikalisdestruktion, Periostreaktion19
Diagnostik bei Spezialist*innen
Bildgebung
- Der radiologischen Bildgebung kommt eine besondere Bedeutung in der Sarkomdiagnostik zu.6
- MRT
- CT
- PET
- Skelettszintigrafie
- hohe Sensitivität (95 %) für Knochenmetastasen19
Biopsie
- Eine Biopsie sollte zur Diagnosesicherung immer durchgeführt werden.16
- Die Biopsie erfolgt nach der bildgebenden Diagnostik, nicht vorher.2-3
- Eine Feinnadelpunktion ist nicht ausreichend.1
Indikationen zur Überweisung
- Bei Verdacht auf die Erkrankung
- Diagnostik und Therapie sollten durch oder in Abstimmung mit einem zertifizierten Sarkomzentrum geschehen.7
Therapie
Therapieziele
- Therapieziele abhängig von Tumorart und -stadium:
- Heilung
- lokoregionale Tumorkontrolle
- Prävention/Therapie einer Fernmetastasierung
- Funktionserhaltung.
Allgemeines zur Therapie
- Die Therapie von Sarkomen erfolgt subtypenspezifisch, Bestandteile sind:
- Operation
- medikamentöse Therapie
- Strahlentherapie
- regionale Hyperthermie.
- Die Planung der Therapie soll im interdisziplinären Tumorboard erfolgen.1
- Neue Ansätze gehen in Richtung personalisierter Therapie, die Ergebnisse bisheriger randomisierter Studien konnten die Erwartungen allerdings noch nicht erfüllen.21
Spezielle Therapie
Weichteilsarkome
Operation
- Die Operation ist die Basis der lokalen Tumorkontrolle, Ziel ist die R0-Resektion.2
- Bei manchen Patient*innen sind ergänzende plastisch-rekonstruktive Verfahren notwendig.2
- Die Lunge ist das häufigste Zielorgan für eine Metastasierung, die Metastasenresektion stellt ein etabliertes Verfahren dar.2
Strahlentherapie
- Wesentlicher Stellenwert der Strahlentherapie im multimodalen Therapiekonzept, z. B. um extremitätenerhaltende Operationen zu ermöglichen.2
- Fallbezogen kann eine Strahlentherapie prä- oder postoperativ erfolgen.2
Chemotherapie
- 3 klinische Konstellationen kommen grundsätzlich zur chemotherapeutischen Behandlung von Weichteilsarkomen infrage:22
- adjuvante Therapie nach R0/1-Resektion
- primär inoperable oder nur marginal resektable Primär- und Rezidivtumoren (Induktionstherapie) sowie primär operable Primärtumoren (neoadjuvante Therapie)
- Metastasierung.
Regionale Hyperthermie
- Kann in Kombination mit adjuvanter oder neoadjuvanter Chemotherapie zu besserer Tumorkontrolle führen.6
Knochensarkome
Operation
- Ziel ist, wenn möglich, die R0-Resektion.
- Der Eingriff sollte von erfahrenen Operateur*innen durchgeführt werden für ein onkologisch und funktionell langfristig befriedigendes Ergebnis.8
Chemotherapie15
- Knochensarkome werden überwiegend ergänzend zur Operation chemotherapeutisch behandelt.8
- Es handelt sich üblicherweise um Protokolle mit mehreren Chemotherapeutika.3,15
Strahlentherapie
- Osteosarkome sind wenig strahlensensibel.8
- im Einzelfall interdisziplinäre Indikationsstellung3
- Das Ewing-Sarkom ist strahlensensitiv, die Indikation ist abhängig von der Radikalität der Operation und Ansprechen auf die Primärtherapie.15
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Komplikationen
- Notwendigkeit von Amputationen
- Nebenwirkungen von Chemo- oder Strahlentherapie
Verlauf und Prognose
Weichteilsarkome
- Die Prognose von Weichteilsarkomen ist von zahlreichen Parametern abhängig, z. B.:2
- Tumorgröße
- Malignitätsgrad
- histopathologischer Subtyp
- molekulare Charakterisierung
- Körperlokalisation.
- Beispielsweise beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate abhängig von der Körperlokalisation:2
- 70–75 % für Extremitätensarkome
- 50 % für retro-/intraperitoneale Sarkome und GIST
- 30–40 % für Sarkome der Kopf-Hals-Region.
- Abhängig vom Malignitätsgrad beträgt die 5-Jahre-Überlebensrate:2
- G1: 80–90 %
- G2: 65–77 %
- G3: 42–50 %.
Knochensarkome
- Das Überleben kann durch Chemotherapie deutlich verbessert werden.
- Osteosarkom
- Die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt bei ausschließlich operativ behandelten Patient*innen 20 %, bei zusätzlicher Chemotherapie 50–70 %.8
- Ewing-Sarkom
- Die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt bei ausschließlich operativ behandelten Patient*innen 10–20 %, bei zusätzlicher Chemotherapie 50–75 %.
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Patientenorganisationen
Illustrationen
Quellen
Leitlinien
- Deutsche Krebsgesellschaft. Adulte Weichgewebesarkome. AWMF-Leitlinie Nr. 032-044OL. S3, Stand 2021. www.awmf.org
- Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie. Weichgewebssarkome (maligne Weichgewebstumoren) des Erwachsenen, Stand 2019. onkopedia.com
- Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie. Gastrointestinale Stromatumoren (GIST), Stand 2019. onkopedia.com
- Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie. Ewing Sarkom, Stand 2020. onkopedia.com
- Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie. Weichteilsarkome. AWMF-Leitlinie Nr. 025-007. S1, Stand 2017. www.awmf.org
- Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie. Ewing-Sarkome des Kinder- und Jugendalters. AWMF-Leitlinie Nr. 025-006. S1, Stand 2021. www.awmf.org
- Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie. Osteosarkome. AWMF-Leitlinie Nr. 025-005. S1, Stand 2021. www.awmf.org
Literatur
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Autor*innen
- Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).