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Belastungs-EKG

Prüfungsrelevant für die Facharztprüfung Allgemeinmedizin1

Allgemeine Informationen

Definition

  • Das Belastungs-EKG ist ein Provokationstest zur Erkennung von kardialen Funktionsstörungen und Krankheiten, die in Körperruhe nicht nachweisbar sind.2
    • Ergometrie ist die quantitative Messung und Beurteilung der körperlichen Leistungsfähigkeit eines Menschen.2
  • Als häufigste Indikation dient das Belastungs-EKG speziell der Erkennung einer vermuteten oder Beurteilung einer bekannten koronaren Herzerkrankung.3

 Stellenwert für den HausarztHausärzt*innen

  • Die Durchführung und Auswertung von Funktionstests ist eine wichtige Kompetenz auch von Hausärztenrzt*innen und AllgemeininternistenAllgemeininternist*innen.4
  • Trotz neuerer Verfahren insbesondere der Ischämiediagnostik (Stressechokardiografie, Stress-MRT) hat das Belastungs-EKG einen unverändert hohen Stellenwert als 1. Schritt in der Diagnostik.2
    • Das Belastungs-EKG ist ein diagnostischer KHK-Test der 1. Wahl bei normalem Ruhe-EKG und körperlich belastbaren PatientenPatient*innen: breit verfügbar, geringe Kosten.5
  • Das Belastungs-EKG ist eine ausgereifte Methode, die auch von Nicht-KardiologenKardiolog*innen durchgeführt werden kann.2
  • Neben dem Wert für die Diagnostik haben die Ergebnisse des Belastungs-EKGsEKG auch eine prognostische Bedeutung.2

Indikationen und Kontraindikationen

  • Für das Belastungs-EKG sollte eine klare Indikation vorliegen.
    • Eine Routineuntersuchung von asymptomatischen PatientenPatient*innen ohne bekannte KHK sollte nicht erfolgen.6
  • Im Praxisalltag wichtigste Indikation ist die weitere Abklärung bei V. a. KHK, daneben gibt es aber zahlreiche weitere mögliche Indikationen.
  • Auch bei prinzipiell gegebener Indikation ist zu fragen, ob ein zur Beantwortung der klinischen Frage verwertbares Ergebnis zu erwarten ist.
    • Bei anamnestisch-klinisch erwartbar diagnostisch nicht verwertbarem Testergebnis (z. B. aufgrund schwerer Begleiterkrankung) sollte auf das Belastungs-EKG verzichtet werden.6
    • In einem solchen Falle sollten primär andere Verfahren (z. B. bildgebende Verfahren wie Stressechokardiografie oder Stress-MRT zur Ischämiediagnostik) zur Anwendung kommen.6

Indikationen

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.2

Diagnostik

  • Nachweis oder Ausschluss einer koronaren Herzkrankheit
  • Beurteilung der Schwere der koronaren Herzkrankheit
  • Nachweis symptomatischer oder stummer Ischämien
  • Chronotrope Herzfunktion
  • Nachweis belastungsinduzierter Arrhythmien
  • Abklärung eines Belastungshochdruckes
  • Abklärung des Schweregrades einer Herzinsuffizienz

Therapieüberwachung

  • Bei antiischämischer medikamentöser Therapie
  • Während Rehabilitationsmaßnahmen
  • Nach Interventionen wie PTCA oder koronarer Bypass-Operation
  • Nach Schrittmachertherapie (speziell bei aktivitätsgesteuerten Systemen)

Prognoseabschätzung

  • Nach Herzinfarkt zur Risikoabschätzung
  • Bei symptomatischen oder stummen Ischämien
  • Nach Interventionen (PTCA, ACVB)
  • Vor Training oder Herzgruppenteilnahme
  • Bei belastungsinduziertem Hochdruck
  • Bei Linksherzinsuffizienz

Objektivierung von Belastungsgrenzen

  • Sportärztliche Vorsorgeuntersuchung
    • Beurteilung der Leistungsfähigkeit vor Trainingsbeginn oder vor Freizeitsport
  • Objektivierung von Belastungsgrenzen nach Herzinfarkt, Herzoperationen oder PTCA
  • Bei PatientenPatient*innen mit kardialen oder pulmonalen Krankheiten (speziell bei Herzgruppenteilnehmern)
  • Zur Beratung von PatientenBetroffenen, die an Sportgruppen für Patienten teilnehmen wollen (Asthma, Diabetes, u. a.).

Indikation KHK-Abklärung: Bestimmung der Vortestwahrscheinlichkeit für KHK auf der hausärztlichen Versorgungsebene

  • Ein Belastungs-EKG ist vor allem bei einer mittleren Vortestwahrscheinlichkeit (15–85 %) für das Vorliegen einer KHK sinnvoll.7
    • Bei sehr niedriger Vortestwahrscheinlichkeit steigt die Anzahl falsch-positiver Befunde.
  • Für die Bestimmung der Vortestwahrscheinlichkeit empfiehlt die DEGAM auf der hausärztlichen Versorgungsebene den Marburger Herzscore (siehe auch Artikel Brustschmerzen)8 
  • Für die Einschätzung des Einzelfalls sollten die Ergebnisse des Scores mit der klinischen Einschätzung verknüpft werden.8
    • Bei in der Gesamtbewertung geringer Wahrscheinlichkeit für eine KHK sollte auf eine weitere Diagnostik verzichtet werden.8

Marburger Herzscore

  • Erfasst werden 5 Kriterien (jeweils 1 Punkt bei positivem Kriterium):
    1. Alter/Geschlecht (Männer ≥ 55 J. und Frauen ≥ 65 J.)
    2. bekannte vaskuläre Erkrankung
    3. Beschwerden belastungsabhängig
    4. Schmerzen durch Palpation nicht reproduzierbar
    5. PatientenPatient*innen vermuten Herzkrankheit als Ursache.
  • Wahrscheinlichkeit für KHK:7
    • 0–2 Punkte: < 2,5 %
    • 3 Punkte: 17 %
    • 4–5 Punkte: 50 %
  • Bei der Interpretation des Marburger Herzscore sollte immer auch das klinische Gesamtbild berücksichtigt werden7

Leitlinie: Indikationen für das Belastungs-EKG zur Abklärung einer KHK oder bei bekannter KHK (Empfehlungsgrade I und IIa)6 

Abklärung KHK

  • PatientenPatient*innen bei Erstuntersuchung mit Angina-pectoris-Symptomen und mittlerer Prätestwahrscheinlichkeit für eine KHK ohne antiischämische Medikation (Evidenz B)
  • PatientenPatient*innen mit klinischem Verdacht auf KHK oder mit gesicherter KHK und signifikanten Änderungen des klinischen Bildes (Evidenz B)
  • PatientenPatient*innen nach instabiler Angina pectoris und niedrigem Risiko (8–12 h nach stationärer Aufnahme) ohne aktive Ischämie oder Herzinsuffizienz (Evidenz B)

Bekannnte KHK

  • PatientenPatient*innen mit bekannter KHK unter Therapie zur Verlaufskontrolle (Evidenz C)

Nach Myokardinfarkt

  • Nach Myokardinfarkt früh nach Entlassung zur Beurteilung der Prognose, Belastungsfähigkeit und Beurteilung der medikamentösen Therapie (symptomlimitiert, 14–21 Tage nach Belastung) (Evidenz C)
  • Nach Myokardinfarkt spät nach Entlassung zur Beurteilung der Prognose, Belastungsfähigkeit und Beurteilung der medikamentösen Therapie und der kardialen Rehabilitation, sofern der frühe Test submaximal war (symptomlimitiert, 3–6 Wochen nach Belastung) (Evidenz C).

Nach Revaskularisation

  • Nach Entlassung zur Beratung über das Ausmaß der körperlichen Aktivität und/oder das Trainingsprogramm oder über das Ausmaß der Belastbarkeit im Rahmen der Rehabilitation nach einer Revaskularisation (Evidenz C)
  • PatientenPatient*innen mit hohem Risiko einer Restenose nach Revaskularisation (asymptomatische PatientenPatient*innen) (Evidenz C)

Kontraindikationen

Absolute Kontraindikationen6

Relative Kontraindikationen (Untersuchung ggf. beimbei SpezialistenSpezialist*in)9

  • Hauptstammstenose
  • Klappenerkrankungen mäßigen Schweregrades
  • Bekannte Elektrolytstörungen
  • Tachyarrhythmie oder Bradyarrhythmie
  • Hypertrophe Kardiomyopathie und andere Formen der Ausflussbahnobstruktion
  • Höhergradige AV-Blockierungen

Vorbereitung der Untersuchung

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.6

Räumliche Voraussetzungen6

  • Angenehme Temperatur zwischen 18 und 22 Grad
  • Luftfeuchtigkeit zwischen 40 und 60 %
  • Liege für Lagerung der PatientenPatient*innen, evtl. nach Belastungsende oder im Notfall
  • Möglichkeit zum Notruf

Apparative Voraussetzungen6

  • Für die Belastung am häufigsten Verwendung von Fahrradergometern
  • Gerät muss den Anforderungen der Medizingeräteverordnung (MedGV) genügen.
    • regelmäßige Wartung und Kalibrierung
  • 12-Kanal-EKG mit Standard-Extremitäten- und Brustwandableitungen
  • Monitor für kontinuierliche EKG-Überwachung
  • Notfallausrüstung einschließlich Defibrillator und Möglichkeit zur Sauerstoffgabe

Personelle Voraussetzungen6

  • Anwesenheit von geschultem Personal
  • Grundsätzlich ist ein Belastungs-EKG von nichtärztlicher Fachkraft durchführbar, Voraussetzungen sind:
    • Kenntnisse in der Belastungsphysiologie
    • Fähigkeit zur Erkennung von relevanten EKG-Veränderungen (Rhythmusstörungen, Repolarisationsstörungen).
  • Ein regelmäßiges Reanimationstraining ist für Fachkräfte obligat.
  • DerDie betreuende ArztÄrzt*in ist für die Durchführung und Auswertung des Belastungs-EKGsEKG verantwortlich.
  • DerÄrzt*innen Arzt mussmüssen, sofern nicht ohnehin selbst präsent ist, während der gesamten Testdauer verfügbar sein.
  • Die individuelle Entscheidung über eine Notwendigkeit der ärztlichen Präsenz während des Tests liegt in der Verantwortung desder ArztesÄrzt*innen.

Patientengruppen, bei denen während der Ergometrie eineine ArztÄrzt*in im Raum sein sollte6

  • Koronare Herzkrankheit
    • symptomatische PatientenPatient*innen mit erstmaliger Ergometrie
    • innerhalb der ersten 7 Tage nach ACS (akutes Koronarsyndrom)
  • Hämodynamisch relevante Vitien
    • mäßig- bis hochgradige Aortenklappenstenose (asymptomatische oder fraglich symptomatische PatientenPatient*innen)
    • mäßig- bis hochgradige Mitralstenose (asymptomatische oder fraglich symptomatische PatientenPatient*innen)
    • hämodynamisch relevante Shuntvitien
  • Kardiomyopathien
    • HOCM (hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie): Risikostratifikation
    • hochgradige linksventrikuläre Dysfunktion, insbesondere bei erstmaliger Ergometrie 
    • Herzinsuffizienz NYHA III
  • Herzrhythmusstörungen
    • Anamnese von belastungsinduzierbaren oder malignen Arrhythmien oder Zustand nach Reanimation
    • Verdacht auf belastungsinduzierbare Rhythmusstörungen
    • anamnestisch belastungsinduzierte Synkope
  • Schwere pulmonale Hypertonie

Anamnese und klinische Untersuchung

  • Aktuelles Befinden
    • Ausschluss von neu aufgetretenen Problemen, die den Belastungstest beeinträchtigen könnten (z. B. Infekt/Fieber, Gelenkbeschwerden).
  • Medikation
    • insbesondere Medikamente mit möglichem Einfluss auf das Ergebnis eines Belastungs-EKGsEKG: Betablocker, Ca-Antagonisten, Antiarrhythmika, Digitalis
  • Auskultation von Herz und Lunge
  • Blutdruck/Puls

Ruhe-EKG vor Untersuchung

  • Vor dem Belastungstest ist die Aufzeichnung eines Ruhe-EKGsEKG (12-Kanal-EKG) obligat.9
    • Akute Ischämiezeichen (ST-Hebungen)?
    • Bestehende ST-Streckensenkungen?
    • Arrhythmien? 

Ruhe-EKG-Veränderungen mit Beeinträchtigung der Aussagekraft eines Belastungs-EKGsEKG

  • Bei einigen Veränderungen im Ruhe-EKG ist im Allgemeinen eine aussagekräftige Bewertung des Belastungs-EKGsEKG im Rahmen der KHK-Abklärung nicht möglich:5-6
    • ST-Senkung ≥ 0,1 mV im Ruhe-EKG
    • kompletter LSB, intraventrikuläre Leitungsstörung mit QRS > 120 ms
    • permanente ventrikuläre Schrittmacherstimulation
    • Präexzitationssyndrom
    • digitalisinduzierte EKG-Veränderungen
  • Bei Vorliegen dieser Veränderungen sollte ein anderes Verfahren der Ischämiediagnostik gewählt werden.

Durchführung und Beurteilung

Durchführung

Prinzip

  • Prinzip des Belastungs-EKGsEKG im Rahmen der KHK-Diagnostik9
    • dynamische Belastung unter kontrollierten Bedingungen mit Steigerung von Schlagvolumen, Herzfrequenz und O2O2-Verbrauch
    • beimbei Gesundengesunden Menschen hierdurch weder subjektive Beschwerden noch objektive pathologische Befunde auslösbar
    • Bei hämodynamisch relevanter KHK kommt es zur myokardialen Minderperfusion.
    • hierdurch Auslösung von pathologischen ST-Strecken-Veränderungen und/oder pektanginösen Beschwerden

Belastungsmethode

  • In Deutschland wird überwiegend die Fahrradergometrie durchgeführt.
  • Alternative ist die Laufbandergometrie, sie ist das bevorzugte Verfahren in den USA.
  • Weitere mögliche Belastungsmethoden wie Handkurbel spielen keine praktische Rolle.

Untersuchungsprotokoll

  • Ziel ist eine Ausbelastung der PatientenPatient*innen in ca. 10–12 min
    • Grundsätzlich sollte die Belastung bis zur muskulären Erschöpfung der PatientenPatient*innen durchgeführt werden, sofern keine Abbruchkriterien erfüllt sind (s. u.).
    • Die zumindest anzustrebende Zielherzfrequenz errechnet sich aus: 220–Alter/min.9
  • Das Belastungsprogramm sollte gemäß der folgenden Richtlinien mit individueller Anpassung an die PatientenPatient*innen durchgeführt werden:2
    • Ruhephase vor Belastung
      • 3 min
    • Beginn der Belastung
      • Beginn allgemein mit 50 Watt
      • bei deutlich leistungsgeminderten PatientenPatient*innen Beginn mit 25 Watt
      • bei Trainierten Beginn mit 100 Watt und mehr
    • Belastungssteigerung, Drehzahl
      • stufenweise ansteigende Belastung alle 2 Minutenmin
      • Steigerung um 50 Watt bzw. 25 Watt (je nach Trainingszustand), im Ausbelastungsbereich ggf. Steigerung um 25 Watt
      • Drehzahl 60–90 U/min
    • Gesamtdauer der Belastung
      • nicht länger als 10–12 min
    • Nachbeobachtung
      • nach Belastung 6 min 

EKG-Aufzeichnung und klinische Überwachung

  • Kontinuierliche Monitorkontrolle von Extremitäten- und Brustwandableitungen, kontinuierliche Herzfrequenzmessung
  • Aufzeichnung eines 12-Kanal-EKGs nach jeder Belastungsminute (Schreibgeschwindigkeit 50 mm/s) bis einige Minuten nach Belastung (siehe auch Artikel Checkliste EKG, Grundlagen EKG)
  • Regelmäßige Blutdruckmessung
  • Permanente klinische Überwachung der PatientenPatient*innen während der Belastung und in der Nachbelastungsphase6
    • Inspektion: Hautkolorit, Schweißneigung, Tachypnoe
    • Erfassung von Symptomen: Brustschmerz, Luftnot, Erschöpfung
  • Verlassen des Untersuchungsraumes erst nach Erreichen des Zustands vor Belastung hinsichtlich:
    • klinischem Befinden
    • EKG.

Abbruchkriterien

  • Absolute (oder relative) Abbruchkriterien führen zur Beendigung der Untersuchung.
  • Bei relativen Abbruchkriterien liegt es im Ermessen desder ArztesÄrzt*innen, die Belastung zu beenden oder weiterzuführen.
  • Vereinzelte VES (ventrikuläre Extrasystolen) oder das Auftreten eines Links- oder Rechtsschenkelblocks während der Belastung sind Anlass zu erhöhter Aufmerksamkeit, per se aber keine Abbruchkriterien.9

Absolute Abbruchkriterien6

  • Ausbelastung mit Erschöpfung der PatientenPatient*innen
  • EKG-Befunde
    • ST-Strecken-Senkung ≥ 3 mm
    • ST-Strecken-Hebung ≥ 1 mm
  • Hämodynamische Befunde
    • Blutdruckabfall >10 mmHg (Vergleich zum Ausgangsblutdruck) mit Ischämiezeichen (Angina pectoris, ST-Senkung)
  • Klinische Befunde
  • Rhythmusstörungen
  • Sonstiges
    • technische Probleme mit der Aufzeichnung

Relative Abbruchkriterien6

  • Hämodynamische Befunde
    • hypertensive Entgleisung (RRsyst 230–260 mmHg, RRdiast ≥ 115 mmHg)
    • Blutdruckabfall > 10 mmHg (Vergleich zum Ausgangsblutdruck) ohne Ischämiezeichen (keine Angina pectoris, keine ST-Senkung)
  • Herzrhythmusstörungen

Mögliche Komplikationen

  • Das Belastungs-EKG bei korrekter Indikationsstellung und Durchführung ist insgesamt ein sicheres diagnostisches Verfahren.
  • Mit Ereignissen wie nicht lebensbedrohlichen Rhythmusstörungen, Angina pectoris, Dyspnoe ist abhängig von Vorerkrankungen und Risikoprofil allerdings jederzeit zu rechnen.
  • Die Morbidität mit < 0,05 % und die Mortalität mit < 0,01 % sind aber letztlich sehr niedrig.10

Kardiale Komplikationen10

Nichtkardiale Komplikationen10

Häufigkeit von Herzrhythmusstörungen10

Auswertung, Beurteilung und prognostische Bedeutung 

Auswertung und Beurteilung – folgende Parameter sind zu berücksichtigen

  • Körperliche Belastbarkeit
    • Welche Belastungsstufe haben die PatientenPatient*innen erreicht?
      • Belastung in Watt
      • Belastung in MET (MET = metabolisches Äquivalent)
    • Was war der Abbruchgrund?
  • Klinische Symptomatik
    • Pektanginöse Beschwerden? Inadäquate Dyspnoe (bereits auf niedriger Belastungsstufe)?
    • Von den PatientenPatient*innen angegebene belastungsabhängige Alltagssymptome reproduzierbar?
  • Blutdruckverhalten
    • physiologischerweise kontinuierlicher Blutdruckanstieg auf ca. 160–200 mmHg systolisch9
    • Ein unzureichender Blutdruckanstieg (< 120–130 mmHg) und insbesondere Blutdruckabfall unter den Ausgangswert sind mögliche Hinweise auf eine Pumpfunktionsstörung/relevante KHK (Mehrasterkrankung, Hauptstammstenose).
  • Herzfrequenzverhalten
    • physiologischerweise linearer Anstieg der Herzfrequenz
    • verzögerter Anstieg (sofern nicht medikamentös bedingt): möglicher Hinweis auf Sinusknotenfunktionsstörung, evtl. auch im Rahmen einer KHK9
    • schneller Anstieg: Trainingsmangel, Anämie, Hypovolämie, linksventrikuläre Dysfunktion9
  • EKG-Veränderungen
    • Arrhythmien?
    • ST-Streckensenkungen?

Signifikante ST-Streckensenkungen

  • Als Hinweis auf myokardiale Ischämie werden belastungsinduzierte ST-Streckensenkungen mit folgenden Kriterien betrachtet:6
    • Horizontale oder deszendierend verlaufende ST-Strecken-Senkung > 0,1 mV, die 60–80 msec nach dem J-Punkt (Übergang des QRS-Komplexes in die ST-Strecke) nachzuweisen ist.
  • Merke: Geringe Senkungen von ST-Strecke (< 0,15 mV) und J-Punkt mit aszendierendem Verlauf der ST-Strecke kommen auch bei Gesunden vor und können als normal angesehen werden.6 
  • Am häufigsten treten ST-Streckensenkungen in den Ableitungen V4–V6 auf.5
  • Bei ca. 5–10 % der Untersuchungen treten ST-Senkungen erst in der Nachbelastungsphase auf!5

Diagnostische Wertigkeit des Belastungs-EKGsEKG

  • Bei der Beurteilung sollten Sie sich der limitierten diagnostischen Genauigkeit bei der Abklärung einer KHK bewusst sein:
    • Sensitivität ca. 70 %, Spezifität ca. 70–85 %9
    • Frauen häufiger mit falsch-positiven Befunden!
    • Menschen, die an HypertonikerHypertonie  leiden, weisen ebenfalls gehäuft falsch-positive Befunde auf!
  • Die Lokalisation der ST-Streckensenkung erlaubt keine Lokalisation der myokardialen Ischämie oder der Koronarläsion.9
  • In der Regel ist mit einer ausgeprägteren KHK/ungünstigeren Prognose zu rechnen:2
    • Je früher eine ST-Senkung eintritt.
    • Je ausgeprägter (horizontal oder deszendierend) sie ist.
    • Je länger sie nach Belastungsende anhält.

Ursachen für falsch-positive Belastungs-EKGsEKG9

Leitlinie: Pathologische Kriterien hinsichtlich KHK-Abschätzung6

  • Horizontale oder deszendierende ST-Senkung
  • Signifikante ST-Senkung auf niedriger Belastungsstufe
  • Anhaltende ST-Senkung in der Erholungsphase
  • ST-Senkung in mehreren Ableitungen
  • Niedrige Belastbarkeit (< 75 W)
  • Unzureichender systolischer Blutdruckanstieg (< 130 mmHg)
  • Fehlender Blutdruckanstieg bzw. Blutdruckabfall bei ansteigender Leistung
  • Komplexe ventrikuläre Arrhythmien während Belastung (ventrikuläre Tachykardien)
  • Verzögerte Herzfrequenzerholung nach Belastungsende

Prognostische Bedeutung

  • Neben der Identifizierung von PatientenPatient*innen mit KHK sind die Ergebnisse des Belastungs-EKGsEKG aussagekräftig zur Beurteilung der Prognose von Patienten.11
  • Während eines Belastungs-EKGsEKG erhobene Marker der Prognose sind:6,12
    • körperliche Leistungsfähigkeit („Belastungskapazität“)
      • Die Angabe in MET (metabolische Äquivalente) kann aus Leistungsstufe in Watt und Körpergewicht abgeleitet werden (Umrechnungstabelle siehe Richtlinien Ergometrie, Tabelle 9).9
      • Ein MET entspricht dem Sauerstoffumsatz in Ruhe (3,5 ml/kg/min).
      • Die Belastungskapazität ist stärkster Prädiktor hinsichtlich Mortalität und Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse.6
    • belastungsinduzierte Ischämie (klinisch und elektrokardiografisch)
    • Blutdruckantwort
      • Belastungshypotonie ist mit ausgedehnter Ischämie, Arrhythmierisiko und erhöhter Sterblichkeit verbunden.5
      • Belastungshypertonie ist mit erhöhtem Risiko für Entwicklung einer arteriellen Hypertonie verbunden.5
    • chronotrope (In-)Kompetenz
      • Chronotrope Inkompetenz ist mit erhöhter Sterblichkeit verbunden.5
    • Druck-Frequenz-Produkt (DFP = systolischer Blutdruck x Herzfrequenz)
      • normal DFP > 25.000 bei Höchstbelastung5
      • DFP < 10.000 mit erhöhter Sterblichkeit verbunden5
    • Herzfrequenzverhalten nach Belastung
      • normalerweise Frequenzabnahme > 22 Schläge/min nach 2 Minutenmin in sitzender Position5
      • langsame Abnahme mit schlechterer Prognose verbunden5
  • Eine einfache Quantifizierung der Prognose ist mit dem Duke Treadmill Score möglich, der 3 Parameter für die Berechnung des kardiovaskulären Mortalitätsrisikos verwendet.
    • Belastungsdauer in min
    • ST-Streckensenkung in mm
    • Auftreten von Angina pectoris währen der Belastung (belastungslimitierend bzw. nicht-limitierend) 
  • Der Duke Treadmill Score hat einen hohen prognostischen Wert bei der Beurteilung des Belastungs-EKGs.13
  • Er ist allerdings für das Bruce-Protokoll (Laufbandergometer) validiert, somit bei Verwendung der Fahrradergometrie nur mit Einschränkung anwendbar.
    • Näherungsweise kann im Kalkulator für den Duke Treadmill Score statt der Belastungsdauer in Minuten die erzielte Leistung in MET eingesetzt werden.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Brustschmerz. AWMF-Nr. 053-023. S3, Stand 2011. www.awmf.org
  • Nationale VersorgungsLeitlinie Chronische KHK. AWMF-Nr. nvl-004. S3, Stand 2019. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Kardiologie. Manual zum Stellenwert der Ergometrie. Stand 2018. www.dgk.org
  • Deutsche Gesellschaft für Kardiologie. Leitlinien Ergometrie. Stand 2000. www.dgk.org
  • European Society of Cardiology. Guidelines on the management of stable coronary artery disease. Stand 2013. www.escardio.org

Literatur

  1. Lohnstein M, Eras J, Hammerbacher C. Der Prüfungsguide Allgemeinmedizin - Aktualisierte und erweiterte 3. Auflage. Augsburg: Wißner-Verlag, 2018.
  2. Löllgen H, Gerke R. Belastungs-EKG. Herzschr Elektrophys 2008; 19: 98-106. doi:10.1007/s00399-008-0009-2 DOI
  3. Fletcher GF, Mills WC, Taylor WC. Update on exercise stress testing. Am Fam Physician 2006; 74: 1749-54. PubMed
  4. Monti M. Die Durchführung und Auswertung von Funktionstests: eine wichtige Fähigkeit von Allgemeininternisten! Schweiz Med Forum 2012; 12: 524. doi:10.4414/smf.2012.01166 DOI
  5. Pantet O, Monney P, Aebischer N. Die Ergometrie in der Diagnostik der koronaren Herzkrankheit im Jahr 2012 – ein Überblick. Schweiz Med Forum 2012;12: 578-584 . doi:10.4414/smf.2012.01096 DOI
  6. Klingenheben T, Löllgen H, Bosch R, et al. Manual zum Stellenwert der Ergometrie. Kardiologe 2018; 12: 342. doi:10.1007/s12181-018-0265-2 DOI
  7. Nationale VersorgungsLeitlinie Chronische KHK. AWMF-Nr. nvl-004. Stand 2019. www.awmf.org
  8. Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Brustschmerz. AWMF-Nr. 053-023. Stand 2011. www.awmf.org
  9. Trappe H, Löllgen H. Leitlinien zur Ergometrie. Z Kardiol 2000; 89: 821-837. leitlinien.dgk.org
  10. Berent R, Auer J, von Duvillard S, et al. Komplikationen bei der Ergometrie. Herz 2010; 35: 267–272. doi:10.1007/s00059-011-3449-0 DOI
  11. Kligfield P, Lauer M. Exercise Electrocardiogram Testing - Beyond the ST Segment. Circulation 2006; 114: 2070-2082. doi:10.1161/CIRCULATIONAHA.105.561944 DOI
  12. European Society of Cardiology. Guidelines on the management of stable coronary artery disease. Stand 2013. academic.oup.com
  13. Garner K, Pomeroy W, Arnold J. Exercise Stress Testing: Indications and Common Questions. Am Fam Physician 2017; 96: 293-299A. www.aafp.org

AutorenAutor*innen

  • Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
  • TerjeDie Johannessenursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, professor i allmennmedisin, Institutt for samfunnsmedisinske fag, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, Trondheim
  • Gunnar Erikssen, dr https://legehandboka. medno/)., Hjertemedisinsk avdeling, Rikshospitalet, Oslo
Belastungs-EKG; Ergometrie; Ergometer; Fahrradergometrie; Koronare Herzkrankheit; Koronare Herzerkrankung; KHK; Angina pectoris; Brustschmerz; Marburger Herzscore; Vortestwahrscheinlichkeit
Belastungs-EKG
CCC MK 29.04.2021 Angaben zum Marburger Herzscore aus NVL, nach Leseranfrage.
BBB MK 04.02.2019 komplett umgeschrieben, LL berücksichtigt (Kardiologe); chck go 1.7.
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Indikation Kontraindikation Kriterien der Ausbelastung Abbruchkriterien
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