Über mindestens 1 Woche gehobene, expansive oder gereizte Stimmung, die der Situation unangemessen ist und dadurch auffällt.
Mindestens 3 der folgenden Merkmale (mindestens 4, wenn die Stimmung nur gereizt ist) treffen zu und verursachen eine schwere Störung der alltäglichen Lebensführung:
oder Halluzinationen, meist Stimmen, die unmittelbar zur betroffenen Person sprechen.
Die Erregung, die ausgeprägte körperliche Aktivität und die Ideenflucht können so extrem sein, dass der Betroffene für eine normale Kommunikation unzugänglich wird.
Bipolare affektive Störungen äußern sich in Form depressiver sowie manischer, hypomanischer oder gemischter affektiver Episoden, die von asymptomatischen Phasen unterbrochen werden.
Eine bipolare Störung liegt dann vor, wenn mindestens 2 affektive Episoden auftreten, davon mindestens eine hypomanische, manische oder gemischte Episode.
Manische Episoden treten meist im Rahmen einer Bipolar-I-Störung auf, d. h. im Wechsel mit depressiven Episoden und nur selten unipolar, d. h. als alleinige Manie oder nur mit leichten depressiven Symptomen.
In einer repräsentativen Bevölkerungsstichprobe von 14- bis 24-Jährigen aus den 1990er Jahren lag die kumulative 10-Jahres-Inzidenz für manische Episoden bei 2,9 %, für hypomanische bei 4,0 %.2,5
Die Lebenszeitprävalenz für die bipolaren Störungen I und II zusammen wird auf ca. 1 % geschätzt.
gesamtes Bipolar-Spektrum inkl. leichtere Formen: ca. 5 %2,6
Von Bipolar-I-Störungen sind Männer etwas häufiger betroffen als Frauen.6
Der Männeranteil ist bei unipolar manischen Episoden noch etwas größer als bei Bipolar-I-Störungen.7
Unipolar manische Störungen und manische Störungen mit leichten depressiven Symptomen gehen weniger häufig als Bipolar-I-Störungen einher mit:7
Stabilisierung in der manischen oder hypomanischen Episode?
Abgrenzung von nur scheinbar manischen Zuständen, die durch Drogen, körperliche Erkrankungen oder Medikamente verursacht sind.
Konsultationsgrund
Evtl. werden Betroffene vorstellig, wenn die von früher bekannten Symptome erneut auftreten. Häufig wird der Arztbesuch von Personen aus dem Umfeld der Betroffenen veranlasst.
Dies gilt in aller Regel auch für das erstmalige Auftreten einer manischen Episode.
Ausschlussvorbehalt: Die Episode ist weder auf die Einnahme psychoaktiver Substanzen (F10–19) noch auf eine organisch-psychische Erkrankung (F00–09) zurückzuführen.
Die Stimmung ist überwiegend in einem für die Person eindeutig abnormen Ausmaß gehoben, expansiv oder gereizt. Dieser Stimmungswechsel muss dominieren und mindestens 1 Woche anhalten (es sei denn, eine Krankenhauseinweisung wird notwendig).
Es liegen mindestens 3 der folgenden Symptome vor (4, wenn die Stimmungslage lediglich gereizt ist), und diese führen im Alltag zu einer schweren funktionellen Beeinträchtigung:
erhöhte Aktivität oder motorische Ruhelosigkeit
gesteigerte Gesprächigkeit („Rededrang“)
Ideenflucht oder subjektives Gefühl, dass die Gedanken rasen.
Verlust der normalen sozialen Hemmungen, was unangemessenes Verhalten zur Folge hat.
vermindertes Schlafbedürfnis
überhöhte Selbsteinschätzung oder Größenwahn
Ablenkbarkeit oder ständige Tätigkeitswechsel oder Planänderungen
Törichtes oder rücksichtsloses Verhalten, dessen Gefährlichkeit nicht erkannt wird, z. B. Geldverschwendung, geschäftliche Verlustinvestitionen, rücksichtsloses Fahrverhalten.
gesteigerte Libido oder sexuelle Taktlosigkeit.
Fehlen von Halluzinationen oder Wahn, Wahrnehmungsstörungen können aber vorkommen, z. B.:
subjektive Hyperakusis
Wahrnehmung von Farben als besonders leuchtend.
Ausschlussvorbehalt: Die Episode ist weder auf die Einnahme psychoaktiver Substanzen (F10–19) noch auf eine organisch-psychische Erkrankung (F00–09) zurückzuführen.
Zusätzlich treten Wahn (zumeist Größenwahn) oder Halluzinationen (zumeist Stimmen, die unmittelbar zum Betroffenen sprechen) auf. In der Regel passen die psychotischen Symptome inhaltlich zur gehobenen Stimmung.
Die Erregung, die ausgeprägte körperliche Aktivität und die Ideenflucht können so extrem sein, dass der Betroffene für eine normale Kommunikation unzugänglich wird.
Gemischte Episode
Die Episode kann entweder durch eine Mischung hypomanischer, manischer und depressiver Symptome oder einen schnellen Wechsel (innerhalb weniger Stunden) dieser Symptome gekennzeichnet sein.
Depressive und manische/hypomanische Symptome müssen dabei gleichermaßen die meiste Zeit während einer mindestens 2-wöchigen Periode auftreten.
Zyklothymie (Zyklothymia)
Über einen Zeitraum von mindestens 2 Jahren muss eine instabile Stimmungslage mit mehreren depressiven und hypomanischen Episoden vorliegen, wobei diese von Phasen mit normaler Stimmungslage unterbrochen sein können, aber nicht müssen.
Keine Manifestation der Depression oder Hypomanie in diesem 2-Jahres-Zeitraum darf so schwer oder dauerhaft sein, dass weder die Kriterien einer manischen noch einer mittelgradigen oder schweren depressiven Episode erfüllt sind. Es können sich jedoch vor oder nach diesem Zeitraum der instabilen Stimmungslage manische oder depressive Episoden entwickelt haben bzw. entwickeln.
Mindestens 3 der folgenden Symptome müssen zumindest in manchen der depressiven Episoden vorliegen:
Die schizophrenen Störungen sind im Allgemeinen durch grundlegende und charakteristische Störungen von Denken und Wahrnehmung sowie inadäquate oder verflachte Affekte gekennzeichnet.
Die Bewusstseinsklarheit und intellektuellen Fähigkeiten sind in der Regel nicht beeinträchtigt, obwohl sich im Laufe der Zeit gewisse kognitive Defizite entwickeln können.
Die wichtigsten Symptome sind:
Gedankenlautwerden, Gedankeneingebung oder Gedankenentzug, Gedankenausbreitung, Beeinflussungswahn oder das Gefühl von Fremdsteuerung
Halluzinationen (hauptsächlich Stimmen, die in der 3. Person die betroffene Person kommentieren oder über sie sprechen, aber auch andere Denkstörungen)
Ausfall normaler Funktionen (Negativsymptome).
Der Verlauf der schizophrenen Störungen kann entweder kontinuierlich episodisch mit zunehmenden oder stabilen Defiziten sein, oder es können eine oder mehrere Episoden mit vollständiger oder unvollständiger Remission auftreten.
Die Diagnose Schizophrenie soll bei ausgeprägten depressiven oder manischen Symptomen nicht gestellt werden, es sei denn, schizophrene Symptome wären der affektiven Störung vorausgegangen.
Ebenso wenig ist eine Schizophrenie bei eindeutiger Gehirnerkrankung, während einer Intoxikation oder während eines Entzugssyndroms zu diagnostizieren.
Akut einsetzende psychotische Störung mit variablem klinischen Bild, das von Verwirrtheit, eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten, Halluzinationen sowie retrograder und anterograder Amnesie gekennzeichnet sein kann.
Menschen im manischen Zustand sind oft sehr unruhig, sodass sich ein normales Gespräch schwierig gestalten kann.
Mitunter sind die Betroffenen auch leicht reizbar oder aggressiv.
Wegen der oft fehlenden Krankheitseinsicht ist eine sorgfältige Fremdanamnese unverzichtbar, ggf. ergänzt durch standardisierte Fremdbeurteilungsverfahren.
In einer hypomanischen Phase können die Betroffenen im Gespräch nahezu unauffällig wirken. Auch dann ist die Fremdanamnese besonders wichtig.
Unspezifisches Symptom, das bei allen Differenzialdiagnosen auftreten kann. Die Therapie sollte auch eine Normalisierung des Schlafrhythmus beinhalten.
Klinische Untersuchung
Körperliche Untersuchung
Körperliche Untersuchung einschließlich neurologischer Untersuchung zum Ausschluss körperlicher Erkrankungen.
Zeigt eine Störung mit psychotischen Merkmalen an. Häufig müssen PatientenPatient*innen durch eine Krankenhauseinweisung und medikamentöse Therapie vor Selbstgefährdung geschützt werden.
Situationsinadäquates Verhalten während der Untersuchung
Vermutlich zeigt die betroffene Person auch in anderen Situationen ein inadäquates Verhalten.
Die betroffene Person sollte vor eigener Bloßstellung im sozialen Kontext geschützt werden.
Ergänzende Untersuchungen
In der Hausarztpraxis
Laboruntersuchungen
Untersuchungen dienen zum Ausschluss einer organischen Ursache:
Strukturiertes klinisches Interview nach DSM-IV (SKID)
Diagnostisches Interview bei psychischen Störungen (DIPS)
Diagnostisches Kurzinterview bei psychischen Störungen (Mini-DIPS)
Composite International Diagnostic Interview (CIDI oder DIA-X)
Internationale Diagnose-Checklisten für ICD-10 (IDCL)
Schedule for Clinical Assessment in Neuropsychiatry (SCAN).
Dimensionale Diagnostik
Sollte immer multimodal erfolgen, d. h.also u. a. mittels verschiedener Selbst- und Fremdbeurteilungsinstrumente.
Selbstbeurteilung Manie
Altman Self-Rating Scale (ASRM)
Manie-Selbstbeurteilungsskala (MSS)
Internal-State-Scale (ISS)
Allgemeine Depression und Manie-Skala (ADMS)
Fremdbeurteilung Manie
Young Mania Rating Scale (YMRS)
Bech-Rafaelsen-Manie-Skala (BRMAS)
Bei Spezialist*innen – hirnorganische Diagnostik
Zum Ausschluss oder zur Verifizierung einer hirnorganischen Ursache manischer oder hypomanischer Symptome, z. B. Gehirntumor oder multiple Sklerose:2
bildgebende Diagnostik (MRT oder CCT) – und/oder –
EEG – und/oder –
neuropsychologische Diagnostik – und/oder –
Bestimmung neuroendokrinologischer Parameter.
Maßnahmen und Empfehlungen
Indikationen zur Überweisung
Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.2
Personen, bei denen der Verdacht auf eine Manie oder Hypomanie besteht, sollten zur Diagnosesicherung an eine Fachärztin/neinen Facharzt/ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie überwiesen werden.
Ambulante Versorgung überwiegend im Gebiet Psychiatrie und Psychotherapie
Fachärzt*innen für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Ärzt*innen anderer Gebietsbezeichnung mit Zusatzbezeichnung Psychotherapie wie auch Psychologische PsychotherapeutenPsychotherapeut*innen übernehmen eine wichtige Funktion bei der psychotherapeutischen Behandlung von Menschen mit Manie oder Hypomanie.
Hausärzte*innen sind in vielen Regionen für die Basisversorgung von Menschen mit Manie oder Hypomanie unverzichtbar: Gerade im ländlichen Raum ist die ambulante psychiatrische Versorgung oft so ausgedünnt, dass eine kontinuierliche Betreuung der Betroffenen durch Psychiater*innen mangels Kapazitäten oder mangels Erreichbarkeit nicht realisierbar ist. Hier hat sich in vielen Regionen eine Kooperation zwischen Hausärzt*innen und Psychiater*innen bewährt.
Stationär, teilstationär oder ambulant? Relevante Faktoren:
Akute Eigen- oder Fremdgefährdung?
Schwere und Ausmaß der Symptomatik
das soziale Umfeld der PatientenPatient*innen.
Eine Einweisung in eine psychiatrische Klinik oder Abteilung sollte erfolgen, wenn
Eigen- oder Fremdgefährdung droht.
die Symptomatik und das daraus resultierende Verhalten sich derart verschlechtern, dass eine ambulante Behandlung als nicht ausreichend angesehen wird.
die Lebensumstände den Therapieerfolg massiv behindern.
Schwangere Patientinnen sollten engmaschig betreut werden.
Zwangsbehandlung?
Erfordert in der Regel die Unterbringung in einer geschlossenen stationären Einrichtung. Unter welchen Voraussetzungen dies auch gegen den Willen der betroffenen Person erfolgen kann, ist im Einzelnen in länderspezifischen Unterbringungsgesetzen (PsychKG oder UBG) geregelt.
in Behandlung der akuten Manie nachweislich wirksame Medikamente:
Lithium
Antikonvulsiva (Carbamazepin off label oder ggf. Valproat)
Neuroleptika
Benzodiazepine (wegen des Abhängigkeitsrisikos nur zeitlich begrenzt einzusetzen).
Psychotherapie
Kann bei leichten Manien und Hypomanien angeboten werden, z. B. kognitive Verhaltenstherapie, Psychoedukation und familienfokussierte Therapie.
In schweren manischen Phasen ist eine Psychotherapie im engeren Sinn kaum durchführbar. Das Bewahren und Stabilisieren der therapeutischen Beziehung ist dann oft die wichtigste psychotherapeutische Maßnahme.
Elektrokonvulsionstherapie?
Kommt nur bei schweren, therapieresistenten manischen Episoden infrage.
nur nach sorgfältiger Aufklärung der Behandelten über den zu erwartenden Nutzen sowie das Risiko von Komplikationen und Nebenwirkungen (Näheres siehe Artikel Bipolare affektive Störung)
Ein ggf. vorliegender Alkoholabusus oder Drogenkonsum ist zu beenden, ggf. im Rahmen einer qualifizierten Entzugsbehandlung.
Prüfen, ob die Betroffenen bei Bedarf durch Familienmitglieder oder FreundeFreund*innen von unbedachten Handlungen abgehalten werden können.
Patienteninformationen
Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?
Schützen Sie sichSich selbst vor unbedachten Handlungen schützen und lassen Sie sich dabei ggf. von Familienmitgliedern und FreundenFreund*innen unterstützen lassen.
Treffen Sie keineKeine finanziellen oder sonstigen wichtigen Entscheidungen treffen, solange die Episode andauert.
Es ist sehr wichtig, ausreichend und regelmäßig zu schlafen.
Nehmen Sie Ihre äÄrztlich verordnetenverordnete Medikamente regelmäßig eineinnehmen. Auch wenn diese eine gewisse Tagesmüdigkeit verursachen können, ist dies besser, als durch Schlaflosigkeit in der hypomanischen oder manischen Episode zu verharren.
Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen; Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde. S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie Bipolarer Störungen. AWMF-Leitlinie Nr. 038-019. S3, Stand 2019. www.awmf.org
Literatur
Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI): ICD-10-GM Version 2021. Stand 18.09.2020; letzter Zugriff 05.05.2021. www.dimdi.de
Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen; Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde. S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie Bipolarer Störungen. AWMF-Leitlinie Nr. 038-019. S3, Stand 2019. www.awmf.org
American Psychiatric Association. Diagnostic and statistical manual of mental disorders, 5th ed. (DSM-5). Washington, DC: American Psychiatric Publishing; 2013.
Price AL, Marzani-Nissen GR. Bipolar disorders: A review. Am Fam Physician 2012; 85: 483-93. American Family Physician
Beesdo K, Hofler M, Leibenluft E, Lieb R, Bauer M, Pfennig A. Mood episodes and mood disorders:patterns of incidence and conversion in the first three decades of life. Bipolar Disord 2009; 11, 6: 637-649. PMID: 19689506 PubMed
Merikangas KR, Jin R, He JP, et al. Prevalence and correlates of bipolar spectrum disorders in the world mental health survey intiative. Arch Gen Psychiatry 2011; 68: 241-51. PubMed
Angst J, Rössler W, Ajdacic-Gross V, Angst F, Wittchen HU et al. Differences between unipolar mania and bipolar-I disorder: Evidence from nine epidemiological studies. Bipolar Disord 2019 ; 21:437-48. PMID: 30475430 PubMed
Autor*innen
Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
Über mindestens 1 Woche gehobene, expansive oder gereizte Stimmung, die der Situation unangemessen ist und dadurch auffällt. Mindestens 3 der folgenden Merkmale (mindestens 4, wenn die Stimmung nur gereizt ist) treffen zu und verursachen eine schwere Störung der alltäglichen Lebensführung:
deutlich erhöhtes Erregungsniveau
Kann schnell in aggressive Erregung kippen.
Antriebssteigerung
Rededrang
Ideenflucht
reduzierte soziale Hemmungen
vermindertes Schlafbedürfnis
überhöhte Selbsteinschätzung
Ablenkbarkeit
riskantes Verhalten
gesteigerte Libido.