Starker Anstieg der Körpertemperatur durch anhaltende Wärmezufuhr bei ungenügender Möglichkeit der Wärmeabgabe
Es kommt zum Flüssigkeits- und Salzverlust mit Gefahr der Ausbildung eines Hirnödems.
Das Risiko für einen Hitzschlag steigt beträchtlich bei Temperaturen über 35 °C. Bei einer Luftfeuchtigkeit über 75 % ist die Fähigkeit des Körpers zur Kühlung deutlich verringert.
Bei einem Hitzschlag liegt eine durch äußere Hitzeeinwirkung bedingte über 40,0 °C erhöhte Kerntemperatur vor.
Ein beweisender diagnostischer Test existiert nicht.1
Betrifft oft ältere Menschen in Jahreszeiten mit hoher Umgebungstemperatur und hoher Luftfeuchtigkeit.
Entwickelt sich in der Regel über Tage.
Klassisches Beispiel ist aber auch der zu warm eingepackte, zurückgelassene Säugling im überhitzten PKW.1
anstrengungsbedingter Hitzschlag
Tritt in der Regel in Verbindung mit körperlicher Anstrengung bei hohen Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit auf.
Akut: Entwickelt sich über eine relativ kurze Zeit.
Betrifft oft jüngere Menschen (schwere körperliche Arbeit in heißer Umgebung, Sportler*innen).
Andere hitzebedingte Erkrankungen – Hitzeödeme, Hitzeerschöpfung, Hitzekrämpfe – werden im Artikel Hitzeschäden behandelt.
Häufigkeit
Die Inzidenz ist von den örtlichen Temperaturbedingungen abhängig. Wenn die Umgebungstemperatur über 35 °C ansteigt, erhöht sich die Mortalität in Abhängigkeit von der Temperatur und der Dauer der Hitzewelle.3
In den USA sind schätzungsweise 2.000 Todesfälle pro Jahr auf das Wetter und 31 % davon auf Hitze zurückzuführen.4 Bei älteren Menschen und Personen, die im Freien arbeiten, ist das Risiko eines Hitzschlags besonders hoch.5 Hitzschläge sind jedoch auch für 2 % der Todesfälle bei jungen Sportler*innen verantwortlich.6-7
Die Inzidenz des Hitzschlags ist abhängig von der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit. Bei Hitzewellen kann es zu regelrechten „Hitzschlagepidemien“ kommen.
Im Zuge des Klimawandels nimmt die Zahl der Hitzetoten zu. In Europa wird sie mittlerweile auf 25.000 pro Jahr geschätzt.8-10
Hitzebedingte Todesfälle in Deutschland im Jahr 20182,11
Kann der Körper überschüssige Wärme nicht ausreichend an die Umgebung abgeben, kommt es bei einer Körpertemperatur von über 40,5 °C zu Dysfunktionen mehrerer Organe.1
Starkes Schwitzen und ungenügende Flüssigkeitszufuhr führen zu Durstgefühl, Dehydratation und Elektrolytverlust.
Zunächst treten Schwäche, Benommenheit, Orientierungsstörungen, Ataxie sowie gastrointestinale oder psychische Symptome auf; im weiteren Verlauf kann es zu Lungenödem, Hirnödem, Herzrhythmusstörungen, Niereninsuffizienz und Multiorganversagen kommen.
Die Abgrenzung zu anderen lebensbedrohlichen Zuständen ist oft schwierig.
Anhand der Anamnese und der Trias aus Hitzeexposition, zerebraler Dysfunktion und einer Körperkerntemperatur über 40,5 °C wird der Verdacht auf einen Hitzschlag erhärtet.1
Bereits Temperaturen > 40,0 °C sprechen eher für einen Hitzschlag als für eine Hitzeerschöpfung.2
Hyponatriämie anderer Ursache, z. B. belastungsabhängig2
Therapie
Allgemeines
Der Hitzschlag ist ein lebensbedrohlicher Notfall.
Bei fast allen Patient*innen mit Hitzschlag ist eine intensivmedizinische Überwachung indiziert.1
Eine stationäre Einweisung ist in jedem Fall erforderlich, auch nach Besserung der klinischen Situation.2
Erste Hilfe
Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.2
Die betroffene Person soll sofort aus der Hitzezone entfernt werden.
Eng sitzende Kleidung sollte entfernt werden. Das kann aber auch später erfolgen, denn wenn eine sofortige Kühlungsmaßnahme verfügbar ist, geht die Kühlung vor.14
Eine rasche Abkühlung ist entscheidend, innerhalb von 30 min unter 40 °C.2,14
Wenn 38–39 °C erreicht werden, Kühlung unterbrechen. Unter zu langer Abkühlung kann es zu einer reaktiven Hypothermie kommen.
Reaktives Zittern und Vasokonstriktion können die Wirksamkeit der Kühlungsmethoden einschränken.
Intravenöse Verabreichung kalter (4 °C) Elektrolytlösungen2, z. B. 250 ml Ringer-Acetat-Lösung pro Stunde
Hypotone Lösungen sollten gemieden werden, da eine Hyponatriämie vorliegen kann.
Hitzschlag-Patient*innen sind nicht unbedingt dehydriert.
Durch die Infusion wird die Durchblutung der Nieren sichergestellt und die Entwicklung einer Rhabdomyolyse verhindert.
Eiswasserimmersion: Kühlung durch Eintauchen des gesamten Körpers in kaltes (Eis-)Wasser
wirksamste Methode zur Senkung der Körpertemperatur
Die Anwendung von Eiswasser bei Patient*innen mit Herzerkrankungen ist kontrovers. Bislang wurden jedoch keine kardialen Komplikationen der Methode berichtet.14
Führt beim Hitzschlag zu einer Überlebensrate von nahezu 100 %.
Wenn keine Wasserimmersion sofort verfügbar ist (Badewanne mit kaltem Leitungswasser?), wird die Haut – ggf. als Überbrückungsmaßnahme – mit kaltem Leitungswasser (ca. 12–16 °C) besprüht und per Ventilatoren mit einem kontinuierlichen Luftstrom gekühlt.1-2
Vermeidung der Aufheizung von Innenräumen durch bauliche Maßnahmen, Verschattungen oder Ventilatoren16
Kinder und ältere Menschen sollten sich nicht in sonnenexponierten geparkten Autos aufhalten.2
Ausreichende Flüssigkeitszufuhr (auf ausreichend Elektrolytersatz achten, große Mengen elektrolytfreier Getränke können in großer Hitze durchaus gefährlich werden)17
Wenn möglich, Hitzeakklimatisation (z. B. bei Reisen in heiße Klimazonen keine zusätzlichen körperlichen Anstrengungen in den ersten Tagen)
Bei Hitzeperioden können durch Anpassung der Medikation besonders gefährdeter Personengruppen (z. B. verminderte Glukosetoleranz bei Diabetes-Patient*innen bei Hitze, Reduzierung der Diuretika bei Betroffenen mit Herzinsuffizienz) Hitzeerkrankungen vermieden werden.16-17
Treten zusätzlich Symptome des Zentralnervensystems wie Bewusstseinsstörungen bis zum Koma oder Krampfanfälle auf, kann der Zustand schnell lebensbedrohlich werden.
Auch wenn die Behandlung Wirkung zu zeigen scheint, kann ein Hitzschlag noch zum Tod führen.
Komplikationen
Schock und Kreislaufkollaps, auch bei jungen, gesunden Menschen
Hirnödem
Irreversible Hirnschäden bei 20 %, mit schlechter Prognose assoziiert
Niereninsuffizienz infolge einer Rhabdomyolyse und einer Myoglobinurie, Risiko einer akuten tubulären Nekrose, möglicherweise erst mehrere Tage nach dem Vorfall
Verschiedene hämatologische Störungen, z. B. Koagulopathie
Flüssigkeits- und Elektrolytstörungen, häufig: Hyponatriämie
Multiorganversagen
Enzephalopathie, Rhabdomyolyse, akute Niereninsuffizienz, akutes Atemnotsyndrom, Myokardschädigung, Leberzellschädigung, intestinale Ischämie oder intestinaler Infarkt, Schädigung der Bauchspeicheldrüse und hämorrhagische Komplikationen, insbesondere Verbrauchskoagulopathie mit ausgeprägter Thrombozytopenie
Prognose
Der Hitzschlag geht mit einer Letalität von bis zu 10 % einher.
Die Letalität ist abhängig von etwaigen Grunderkrankungen, dem Alter, der Dauer und dem Ausmaß der Überhitzung.
Die Morbidität und die Mortalität stehen in direktem Verhältnis zur Höhe der Kerntemperatur.
Durch eine frühzeitige Diagnose und eine sofortige, effiziente Kühlung kann eine Überlebensrate von nahezu 100 % erzielt werden.6,18
Kommt es nur langsam zu einer Besserung der Bewusstseinslage, spricht dies für eine schlechte Prognose.
Bei älteren Menschen, die an Grunderkrankungen wie Herzerkrankungen, Lungenerkrankungen oder psychischen Erkrankungen leiden und/oder sozial isoliert sind, besteht ein erhöhtes Sterblichkeitsrisiko.
Patienteninformationen
Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?
Bei Aufenthalten in warmen Regionen sind besondere Vorsichtsmaßnahmen zu treffen (Sonnenschutz, ausreichend Zeit zur Akklimatisierung, ggf. vorheriges Training der Kreislauf- und Wärmeregulation, z. B. durch Saunagänge).19
Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Hitzebedingte Gesundheitsstörungen in der hausärztlichen Praxis. AWMF-Leitlinien-Nr. 053-052. S1, Stand 2020. www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM). Arbeit unter klimatischer Belastung: Hitze. AWMF-Leitlinien-Nr. 002-039. S1, Stand 2012 (abgelaufen). www.awmf.org
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Autor*innen
Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
Starker Anstieg der Körpertemperatur durch anhaltende Wärmezufuhr bei ungenügender Möglichkeit der Wärmeabgabe Es kommt zum Flüssigkeits- und Salzverlust mit Gefahr der Ausbildung eines Hirnödems.