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Erste Hilfe bei Augenverletzungen

Zusammenfassung

  • Definition:Verletzung des Auges oder ans Auge angrenzender Körperteile.
  • Häufigkeit:Eine der häufigsten Ursachen für Akuteinweisungen in Augenkliniken.
  • Symptome:Visuseinschränkung, Doppelbilder, Schmerzen, Unfähigkeit, das Auge zu öffnen.
  • Befunde:Rötung, Einblutung, sichtbare Lazerationen, sichtbare Fremdkörper, Schwellung, Hämatom, Trübung der Hornhaut, irreguläre Iris, eingeschränkte oder schmerzhafte Pupillomotorik, gestörter Pupillenreflex.
  • Diagnostik:Klinisch und anamnestisch.
  • Therapie:Analgesie, Antiemese, Antibiose, Schutz des Auges mit Augenklappe.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Verletzung des Auges oder ans Auge angrenzender Körperteile
  • Augenverletzungen ereignen sich häufig im Rahmen der Arbeit oder beim Sport.1

Häufigkeit

  • Eine der häufigsten Ursachen für Akuteinweisungen in Augenkliniken.
  • Augenverletzungen treten in etwa 75 % der Fälle bei Männern auf und finden sich am häufigsten in jüngeren Jahren.2
  • Metaanalyse aus den USA: Prävalenz von Augenverletzungen 7,5/100, von verletzungsassoziierter Visusverschlechterung 4,4/1.000 und Erblindung nach Verletzung 5,1/1.0003

Ätiologie und Pathogenese

  • Häufig im Rahmen von Sport- oder Arbeitsunfällen2

Einteilung

  • Verletzungen des Auges4
    • geschlossene Augenverletzungen: ohne durchgreifende Verletzung der Augenhülle
      • durch UV-Strahlung bedingte Verletzung: Verblitzung, Schneeblindheit
      • Verletzungen durch Fremdkörper: Fremdkörper der Hornhaut-/Bindehaut- und/oder Sklera (siehe Artikel  Fremdkörper auf der Kornea oder Konjunktiva)
      • Kontusionen: durch stumpfes Trauma (siehe Artikel Augenkontusion)
      • chemische/thermische Verletzungen: u. a. durch Säuren, Laugen, ungelöschten Kalk, Peroxide, alkylierende Substanzen, heißes Metall (siehe Artikel Verätzungen des Auges)
      • lamellierende Verletzungen: an Hornhaut-, Bindehaut- und/oder Sklera
    • offene Augenverletzungen: durchgreifende Verletzung der Augenhülle
      • Ruptur: stumpfes Objekt als Auslöser
      • Lazeration: scharfes Objekt als Auslöser
      • Penetration: durchgreifende Verletzung durch einen Fremdkörper ohne Verbleib des Fremdkörpers (siehe Artikel Perforierende Augenverletzungen)
      • intraokulare Fremdkörperverletzung: intraokular verbliebener Fremdkörper
  • Verletzungen der Anhangsgebilde und der Orbita4
    • Tränenwegsverletzungen
    • Verletzungen der knöchernen Augenhöhle (z. B. Orbitabodenfraktur, Pfählungsverletzung)
    • intraorbitale Verletzungen mit/ohne verbliebenem Fremdkörper
    • Kontusion/Kompression des Sehnerven
    • Bissverletzungen (z. B. Hunde)
    • Verletzungen des Augenlids

ICPC-2

  • F75 Kontusion / Blutung im Auge
  • F76 Fremdkörper im Auge
  • F79 Augenverletzung, andere

ICD-10

  • S05.- Verletzung des Auges und der Orbita
  • S05.0 Verletzung der Konjunktiva und Abrasio corneae ohne Angabe eines Fremdkörpers
  • S05.1 Prellung des Augapfels und des Orbitagewebes
  • S05.2 Rissverletzung und Ruptur des Auges mit Prolaps oder Verlust intraokularen Gewebes
  • S05.3 Rissverletzung des Auges ohne Prolaps oder Verlust intraokularen Gewebes
  • S05.4 Penetrierende Wunde der Orbita mit oder ohne Fremdkörper
  • S05.5 Penetrierende Wunde des Augapfels mit Fremdkörper
  • S05.6 Penetrierende Wunde des Augapfels ohne Fremdkörper
  • S05.7 Abriss des Augapfels
  • S05.8 Sonstige Verletzungen des Auges und der Orbita
  • S05.9 Verletzung des Auges und der Orbita, nicht näher bezeichnet

Diagnostik

Anamnese 

Symptome

  • Verätzung? Sofortige Spülung, erst dann weitere Anamnese und Untersuchung
  • Mögliche Symptome 
    • Visuseinschränkung
    • Doppelbilder
    • Schmerzen
    • Unfähigkeit, das Auge zu öffnen.
    • bei kleinen Fremdkörpern Fremdkörpergefühl

Umstände der Verletzung4

  • Vorgeschichte des Auges
    • frühere Verletzungen
    • Operationen
    • bestehende Augenerkrankungen
    • Sehhilfen
  • Bestanden Schutzmaßnahmen (Schutzbrille)?
  • Zeitpunkt der Verletzung
  • Bewusstlosigkeit oder retrograde Amnesie?
  • Unfallmechanismus?
  • Unfall bei der Arbeit oder im privaten Umfeld? 
  • Verletzungsort?
  • Fremde Gewalteinwirkung?
  • Einfluss von Alkohol, Drogen, Medikamenten?
  • Nach dem Unfall erfolgte Maßnahmen?
  • Begleiterkrankungen?
  • Immer Überprüfung des Tetanus-Diphtherie-Schutzes.
  • Bei Tierbissverletzungen an Tollwut denken.

Klinische Untersuchung

  • Mögliche Befunde 
    • Rötung, Schwellung, Hämatom
    • Einblutung, sichtbare Lazerationen
    • sichtbare Fremdkörper
    • Trübung der Hornhaut
    • irreguläre Iris
    • eingeschränkte oder schmerzhafte Pupillomotorik
    • gestörter Pupillenreflex

In der hausärztlichen Praxis: prioritätenorientiertes Vorgehen

  • Verätzung? Dann sofortiges Spülen des Auges (siehe Artikel Verätzungen des Auges)
  • Weitere, ggf. lebensbedrohliche Verletzungen oder Gefährdung der Atemwege? z. B. Gesichtschädel- oder HWS-Verletzungen, Schädel-Hirn-Trauma, Gasinhalation, Verlegung der Atemwege
  • Druckanstieg der Augenhöhle (orbitales Kompartmentsyndrom): kann posttraumatisch rasch auftreten, klinische Diagnose. Folgende Symptome:5
    • plötzliche Sehverschlechterung
    • Doppelbilder
    • periorbitale Schwellung
    • Augenschmerzen
    • Hervortreten des Augapfels (Exophtalmus)
    • Notfall! Schnellstmögliche operative Dekompression erforderlich.
  • Visuseinschränkung?
    • Orientierende Untersuchung und gute Dokumentation, da bei schwereren Verletzungen die Patient*innen u. U. eine Analgosedierung benötigen, und so zu einem späteren Zeitpunkt keine Visusüberprüfung mehr erfolgen kann.
      • z. B. Lesen von Schrift, Erkennen von Fingern, nur Erkennen von Bewegungen, nur Erkennen von Licht
    • Der Grad des Visusverlustes korreliert sowohl mit der Verletzungsschwere/Prognose als auch mit der Akuität.
    • Plötzlicher Sehverlust? z. B. bei traumatischem Zentralarterienverschluss oder Optikuskompression, orbitales Kompartment
      • Notfall, sofortige Einweisung!
  • Untersuchung des gesamten Auges
    • Hämatom der Augenlider („blaues Auge"? in Kombination mit weiteren Symptomen/Befunden abklärungsbedürftig)
    • Konjunktiven und Tränenkanälchen: Lazerationen? Ptosis? periorbitales Ödem?
    • Sklera: Lazeration, Blutung, Fremdkörper, Austritt intraokulärer Substanz?
    • Kornea getrübt? Blutung in der vorderen Kammer?
    • Iris rund, irregular?
    • Pupillomotorik: wenn schmerzhaft oder (endgradig) eingeschränkt: v. a. Orbitabodenfraktur
    • Pupillenreflexe?
    • Druck auf das Auge ist unbedingt zu vermeiden. Wenn eine Untersuchung wegen Lidschwellung schwierig ist, in der Primärversorgung lieber verzichten.6
  • Doppelbilder?
  • Kontaktlinsen? Dokumentieren, ggf. entfernen, wenn gut möglich.
  • Immer Untersuchung beider Augen, zunächst des gesunden. 

Therapie

Allgemeines zur Therapie

  • Bei Verätzungen: sofortiges Spülen des Auges (siehe Artikel Verätzungen des Auges)
  • Ausreichende Analgesie, p. o. oder i. v.
    • z. B. Ibuprofen 600 mg p. o., Novaminsulfon 1–2,5 g langsam i. v.
    • ggf. Opioide, z. B. Morphin in 2–10 mg i. v., Piritramid 3,75–15 mg i. v.
  • Antiemesis, falls erforderlich
    • z. B. MCP 10 mg i. v., Dimenhydrinat 62 mg i. v.
    • Wichtig, da Erbrechen den intraokulären Druck erhöht.
  • Antibiose bei penetrierenden Verletzungen
  • Tetanus-Auffrischung, falls notwendig
  • Zu vermeiden sind:6
    • Augentropfen
    • Verbände, die Druck auf den Bulbus ausüben.
    • Schmerzen oder Erbrechen zulassen (erhöhter Augendruck).
    • MRT bei V. a. metallische FK.
  • Penetrierende Fremdkörper sollten belassen werden und weitere Manipulation vermieden werden.
  • Schutz des Auges mit Augenklappe oder einem fixierenden Gegenstand, der keinen Druck auf das Auge ausübt, und Transport zur Augenärzt*in/in die Augenklinik.6
  • Kleine Fremdkörper: Können häufig ausgespült oder mit einem Wattetupfer entfernt werden.

Indikation zur Überweisung/Klinikeinweisung

  • Immer zur ophtalmologischen Mitbeurteilung
  • Eher ambulant4
    • durch UV-Strahlung bedingte Verletzungen
    • oberflächliche oder eingespießte Fremdkörper
    • lamellierende Verletzungen der Bindehaut/Hornhaut/Sklera
    • leichtere Kontusionen ohne operativ behandlungsbedürftige Läsion im vorderen und hinteren Augensegment
    • leichtere chemische/thermische Verletzungen
    • leichtere Lid- und Tränenwegsverletzungen
  • Eher stationär4
    • offene Verletzungen des Auges
    • schwere Bissverletzungen
    • schwere chemische/thermische Verletzungen
    • schwere Lid- und Tränenwegsverletzungen mit Beteiligung der Tränenwege
    • schwere Kontusionen
    • Fremdkörperverletzungen der Orbita
    • bei Mehrfachverletzungen: je nach Konsens des behandelnden Ärzteteams
  • Bei Arbeitsunfall Vorstellung bei D-Ärzt*in notwendig und Meldung an die zuständige Berufsgenossenschaft, siehe Artikel Berufskrankheiten und Arbeitsunfälle.
  • Bei V. a. Orbitafraktur Einweisung zur weiteren Bildgebung und ggf. Mitbeurteilung durch MKG-Chirurg*in und Ophtalmolog*in

Verlauf, Komplikationen, Prognose

Verlauf

  • Je nach Schwere der Verletzung von völliger Ausheilung bis zum Visusverlust

Komplikationen

  • Akuter Anstieg des Augeninnendrucks mit Gefährdung des Visus (orbitales Kompartment): Kann zu jedem Zeitpunkt eintreten. Vermeidung jeglicher Maßnahme, die den Augeninnendruck erhöhen kann.6
  • Visusverlust
  • Entstellendes Äußeres mit psychischen Folgeerkrankungen

Prognose

  • Je nach Art und Schwere der Verletzung völlige Ausheilung bis zum Verlust des Visus

Weitere Informationen

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

 

Hyphäma nach einem stumpfen Trauma
Hyphäma nach einem stumpfen Trauma

 

Quellen

Literatur

  1. Kim T, Nunes AP, Mello MJ, Greenberg PB. Incidence of sports-related eye injuries in the United States: 2001-2009. Graefes Arch Clin Exp Ophthalmol. 2011 Nov;249(11):1743-4. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  2. Pandita A, Merriman M. Ocular trauma epidemiology: 10-year retrospective study. N Z Med J. 2012;125(1348):61. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  3. Swain T, McGwin Jr G. The Prevalence of Eye Injury in the United States, Estimates from a Meta-Analysis. Ophthalmic Epidemiol; 2020 Jun;27(3):186-193. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  4. Berufsverband der Augenärzte Deutschlands e.V. Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft e.V. Leitlinie Nr. 8 Verletzungen des Auges und seiner Anhangsgebilde. Stand August 2011. www.dog.org
  5. Lima V, Burt B, Leibovitch I, Prabhakaran V, Goldberg RA, Selva D. Orbital compartment syndrome: the ophthalmic surgical emergency. Surv Ophthalmol. 2009 Jul;54(4):441-9. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  6. Kroesen CF, Snider M, Bailey J, Buchanan A, Karesh JW , La Piana F, Seefeldt E, Egan JA, Mazzoli RA. The ABCs of Ocular Trauma: Adapting a Familiar Mnemonic for Rapid Eye Exam in the Pre-Ophthalmic Zone of Care. Mil Med 2020 Jan 7;185(Suppl 1):448-453. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov

Autor*innen

  • Franziska Jorda, Dr. med., Fachärztin für Viszeralchirurgie, Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Kaufbeuren
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
S05-; S050; S051; S052; S053; S054; S055; S056; S057; S058; S059
Etseskade; erste hilfe bei augenverletzungen; Augenverletzungen
F75; F76; F79
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BBB MK 22.09.2021 umfassend revidiert, gekürzt und umgeschrieben. Revision at 15.10.2015 10:12:04: German Version
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Definition:Verletzung des Auges oder ans Auge angrenzender Körperteile. Häufigkeit:Eine der häufigsten Ursachen für Akuteinweisungen in Augenkliniken. Symptome:Visuseinschränkung, Doppelbilder, Schmerzen, Unfähigkeit, das Auge zu öffnen.
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