Endophthalmitis

Zusammenfassung

  • Definition:Infektion des Augeninneren sowie des umgebenden Gewebes, häufig als Komplikation einer Operation oder Perforation.
  • Häufigkeit:Selten, Inzidenz einer postoperativen Endophthalmitis scheint in Augenkliniken bei 0,10–0,25 % zu liegen.
  • Symptome:Es können Symptome in Form von akuten Sehstörungen und Schmerzen auftreten.
  • Befunde:Typisch sind stark ausgeprägte konjunktivale Hyperämie, ausgeprägte intraokulare Reaktionen und häufig Eiterbildung in der Vorderkammer (Hypopyon), fehlender roter Augenreflex sowie verminderter Visus.
  • Diagnostik:Die Diagnose wird in erster Linie klinisch gestellt und vorzugsweise durch eine Probeentnahme aus dem Corpus vitreum gesichert.
  • Therapie:Intravitreale Injektion von Antibiotika oder Vitrektomie.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Die Endophthalmitis bezeichnet eine intraokuläre Entzündung des Augeninneren und umgebenden Gewebes.1
  • Ursächlich sind meist Bakterien oder Pilze, aber auch Parasiten können Erreger einer Endophthalmitis sein.2
  • Die Endophthalmitis kann eine schwerwiegende Komplikation bei Kataraktextraktionen darstellen.3

Häufigkeit

  • Selten
  • Die Inzidenz einer postoperativen Endophthalmitis scheint in Augenkliniken bei 0,10–0,25 % zu liegen.4-6

Ätiologie und Pathogenese

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der Abschnitt auf dieser Referenz.3
  • Einteilung
    • endogen (Systemerkrankungen, Infektionen)2,7-8
      • Jede Septikämie kann grundsätzlich durch hämatogene Streuung eine endogene Endophthalmitis auslösen.
    • exogen (Schmier-, Tröpfcheninfektion)2,4,8
      • Ursächlich können Infektionen mit Bakterien, Pilzen oder Parasiten sein.
      • Am häufigsten nachgewiesen werden: koagulasenegative Staphylokokken, Staphylococcus aureus, β-hämolytische Streptokokken, S. pneumoniae und ∂-hämolytische Streptokokken.
  • Inkubationsphase, die klinisch unauffällig sein kann und mindestens 16–18 Stunden beträgt, jedoch bis zu 3 Tagen andauern kann.3
    • In dieser Phase findet eine starke Proliferation von Bakterien statt, die die Blut-Kammerwasser-Schranke schädigen.
  • Die akute Phase folgt auf die Primärinfektion des hinteren Augenabschnitts und führt zur Entzündung der Vorderkammer sowie einer systemischen Immunantwort.
  • Die Erkrankung ist eine seltene, aber gefürchtete Komplikation.
    • nach Augenoperationen (z. B. Kataraktoperationen),5
    • nach Perforationsverletzungen
    • oder infolge der Verbreitung von Mikroorganismen aus lokalem oder systemischem Fokus.

Prädisponierende Faktoren

  • Verschiedene Faktoren können für die Entwicklung einer Endophthalmitis prädisponieren:2-3,7
    • Diabetes mellitus
    • Immunsuppression
    • Atopie
    • manifeste Hauterkrankungen (z. B. Rosazea)
    • filtrierende Glaukomoperation
    • Linsenimplantation
    • schlechte oder verzögerte Wundheilung
    • Patient*innen, die unmittelbar vor einer Augenoperation eine Blepharitis oder Infektion der Augenlider aufweisen.

ICPC-2

  • F73 Augeninfektion/-entzündung, and.

ICD-10

  • H44.0 Purulente Endophthalmitis
  • H44.1 Sonstige Endophthalmitis

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Typische Anamnese und typischer klinischer Befund2
  • Postoperative Endophthalmitis wird als entweder akut – innerhalb von 6 Wochen nach einer Kataraktoperation – oder chronisch – nach diesem Zeitraum auftretend – definiert.3
  • Die Diagnose sollte durch eine Probenentnahme gesichert werden, vorzugsweise aus dem Corpus vitreum.

Differenzialdiagnosen

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der Abschnitt auf diesen Referenzen.3,7
  • Uveitis anderer Genese
  • Chorioretinitis
  • Systemische Sarkoidose
  • Neoplastische Läsionen
  • Sympathische Ophthalmie
  • Toxisches Syndrom am vorderen Augensegment (TASS)
    • sterile postoperative Entzündungsreaktion

Anamnese

  • In den meisten Fällen treten akute Symptome in Form von Sehstörungen und Schmerzen auf.2
  • Patient*innen mit einer akuten postoperativen Endophthalmitis stellen sich meist innerhalb von 1–2 Wochen nach der Operation mit Anzeichen und Symptomen einer rasch fortschreitenden intraokularen Entzündung vor.3
  • Zuweilen kann eine postoperative Endophthalmitis einen langwierigen, hartnäckigen Verlauf nehmen.
    • Bei Infektionen mit niedrigvirulenten Mikroben können Symptome sich bereits am Tag des Eindringens der Mikroben in den Bulbus, aber auch erst Wochen später bemerkbar machen.
    • Staphylokokken und Propionibakterien sind sehr häufig ursächlich, zuweilen auch Pilze.
    • Die Erkrankung kann spontan heilen, aber auch rezidivieren, und ist dann oftmals nur schwer von einer „sterilen Uveitis“ (Autoimmunreaktion) zu unterscheiden.

Klinische Untersuchung

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der Abschnitt auf dieser Referenz.3
  • Typische Befunde sind:
    • geschwollene Augenlider
    • stark ausgeprägte konjunktivale Hyperämie
    • zunehmende intraokuläre Reaktion
    • Druckschmerzempfindlichkeit des Bulbus
    • ausgeprägte intraokuläre Reaktion mit Abzeichnung des Lichtweges sowohl in der Vorderkammer als auch im Corpus vitreum
    • häufig Eiterbildung in der Vorderkammer (Hypopyon).
  • Eine akute infektiöse postoperative Endophthalmitis ist eingangs eine klinische Diagnose.2
    • typischerweise Patient*in nach Kataraktoperation mit plötzlicher Einbuße an Sehschärfe, Schmerzen und Anzeichen einer diffusen intraokularen Entzündung
    • endgültiger Nachweis durch positive Gram-Färbung, Kultur oder PCR.
  • Chronische Endophthalmitis
    • Chronische, schleichende und periodisch wiederkehrende granulomatöse Iridozyklitis, die anfänglich auf topische Steroide anspricht, jedoch rezidiviert, sobald die Steroide ausgeschlichen werden.

Weitere Untersuchungen bei Augenärzt*in

  • Mikrobiologische Probeentnahme auf Bakterien und Pilze
    • Die Diagnose sollte durch ein Kammerwasseraspirat für eine Kammerwasserprobe und ein Nadelaspirat, eine Glaskörperpunktion oder Pars-plana-Vitrektomie für eine Glaskörperprobe gesichert werden.3
    • Die schnelle und adäquate Verarbeitung des Probenmaterials ist entscheidend für die mikrobiologische Diagnostik.
  • Im Falle eines fehlenden mikrobiellen Wachstums kann es schwierig sein, eine Endophthalmitis von einer Uveitis zu unterscheiden.
  • B-Scan-Ultrasonografie kann eine sinnvolle zusätzliche Maßnahme sein, um die Beteiligung des Glaskörpers zu bestätigen und Komplikationen wie Netzhautablösung auszuschließen.3

Indikationen zur Überweisung

  • Eine vermutete Endophthalmitis sollte als medizinischer Notfall eingestuft werden.3
  • Bei folgenden Symptomen sollte eine zügige ophthalmologische Überweisung zur Diagnostik und Therapie erfolgen:
    • reduzierter Visus, Schmerzen, gerötete Augen
    • mögliche Perforationsanamnese
    • Beschwerden im Augenbereich nach vorangegangener Augen-OP.

Therapie

Therapieziele

  • Sehkraft erhalten.
  • Das Auge retten.

Allgemeines zur Therapie

  • Intravitreale Injektion von Antibiotika
  • Der Nutzen systemischer Antibiotika ist nicht sicher belegt.
  • Anpassung der Therapie im Verlauf an die Ergebnisse von Kultur bzw. PCR wird empfohlen.

Medikamentöse Therapie

  • Intravitreale Antibiotika2,8-9
    • 1. Wahl: Vancomycin (1 mg) plus Ceftazidim (2 mg) oder Tobramycin, danach je nach mikrobiologischen Testergebnissen und Resistenzbestimmungen3
    • 2. Wahl: Vancomycin (1 mg) plus Amikacin (0,4 mg)3
    • Bei posttraumatischer Endophthalmitis mit Fremdkörpern empfiehlt sich Clindamycin in Kombination mit Ceftazidim.
    • Von Aminoglykosiden ist wegen ihrer toxischen Wirkung auf die Netzhaut abzusehen.
    • Bei Verdacht auf niedrigvirulente Mikroben werden mikrobiologische Proben entnommen. Vancomycin scheint als intravitreale Monotherapie ausreichend zu sein.
      • Bei einem Rezidiv sind eine Pars-plana-Vitrektomie und die Entfernung der Linsenkapsel in Erwägung zu ziehen.
  • Bei Pilzendophthalmitis ist 5–7,5 μg/0,1 ml Amphotericin B intravitreal geeignet.7
  • Die Wirkung von systemischen Behandlungen ist unsicher.
    • Eine schwere akute, eitrige Endophthalmitis kann mit zusätzlicher systemischer Antibiose mit denselben für die intravitreale Therapie verwendeten Arzneimitteln behandelt werden.3
    • Bei chronischer Endophthalmitis kann eine orale Gabe von
      Clarithromycin 500 mg über 2–4 Wochen plus ggf. zusätzlich Moxifloxacin 400 mg tgl. für 1 Woche erwogen werden.3
  • Steroide sind individuell zu bewerten.

Weitere Therapien

  • Therapeutische Vitrektomie im Ermessen der Vitreoretinalchirurg*innen3
    • zunehmend umstrittene Therapieoption
    • Eine therapeutische Vitrektomie und der Einsatz von Amphotericin B können bei Pilzinfektionen indiziert sein.
    • Eine Vitrektomie kann erwogen werden, wenn 48 Stunden nach Behandlungsbeginn keine deutliche Besserung eingetreten ist.
    • Wenn die therapeutischen Vitrektomie primär und unverzüglich ausgeführt wird, können sich die Ergebnisse der Endophthalmitis-Behandlung in besonders schweren Fällen verbessern, in denen der Visus nur noch aus der Wahrnehmung von Lichtschein besteht.
    • Eine Entfernung des Corpus vitreum kann das weitere Mikrobenwachstum begrenzen.

Präventive Behandlung

  • Vor einer elektiven intraokulären Operation sollten evtl. Fehlstellungen der Augenlider sowie vorbestehende Störungen der Anatomie der Tränenwege behandelt werden.
    • Präventiv wirksam im Rahmen intraokulärer Operationen sind die präoperative Desinfektion, die sterile Abdeckung des Operationsfeldes sowie eine aseptische Operationstechnik.
  • Intraokuläre Antibiotika können das Risiko einer Endophthalmitis reduzieren (Ia).10
    • Bei Kataraktoperation 1 mg Cefuroxim zu Operationsende intrakameral führt zu etwa 7- bis 28-fachem Rückgang der postoperativen Endophthalmitiden.3,6
    • Bei den üblichen intra- und extraokulären Eingriffen ist eine systemische Antibiotikaprophylaxe unüblich.7

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • In den meisten Fällen treten akute Symptome in Form von Sehstörungen und Schmerzen auf.
  • Vereinzelt langwierige, leichte Verläufe bei postoperativer Endophthalmitis

Komplikationen

  • Erblindung
  • Verlust des Auges

Prognose

  • Häufig sehr schlechte Prognose sowohl im Hinblick auf die Sehfunktion als auch auf die Möglichkeit, das Auge zu erhalten.2
    • selbst unter intensiver Antibiotikatherapie nicht immer heilbar
  • Die Prognose hängt von der Art der Endophthalmitis und dem ursächlichen Erregerspektrum ab.

Verlaufskontrolle

  • Regelmäßige Kontrollen von Visus und Augendruck bis zum Ende der Rekonvaleszenzzeit erscheinen sinnvoll.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

  • Repräsentative Abbildungen finden Sie hier (Sheu, S-J. Endophthalmitis. Korean J Ophthalmol. 2017).

Quellen

Literatur

  1. Egan DJ. Endophtalmitis. Medscape, last updated Apr 06, 2015. emedicine.medscape.com
  2. Durand ML. Bacterial and Fungal Endophthalmitis. Clin Microbiol Rev 2017. doi:10.1128/CMR.00113-16 www.ncbi.nlm.nih.gov
  3. Barry P, Cordovés L, Gardner S. Empfehlungen der ESCRS zur Prävention und Therapie der Endophthalmitis nach der Kataraktextraktion: Daten, Dilemmata und Schlussfolgerungen. 2013. www.escrs.org. www.escrs.org
  4. Connell PP, O'Neill EC, Fabinyi D, et al. Endogenous endophthalmitis: 10-year experience at a tertiary referral centre. Eye (Lond). 2011 Jan. 25(1): 66-72. www.ncbi.nlm.nih.gov
  5. Stein JD, Grossman DS, Mundy KM, Sugar A, Sloan FA. Severe adverse events after cataract surgery among medicare beneficiaries. Ophthalmology. 2011 Sep. 118(9):1716-23. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  6. Endophthalmitis Study Group, European Society of Cataract & Refractive Surgeons. Prophylaxis of postoperative endophthalmitis following cataract surgery: results of the ESCRS multicenter study and identification of risk factors. J Cataract Refract Surg 2007. doi:10.1016/j.jcrs.2007.02.032 journals.lww.com
  7. Deutschsprachige Gesellschaft für Intraokularlinsen-Implantation und refraktive Chirurgie (DGII). Leitlinie zur Prophylaxe und Therapie von Endophthalmitiden. 2005. www.dgii.org
  8. Sheu SJ. Endophthalmitis. Korean J Ophthalmol 2017. doi:10.3341/kjo.2017.0036 www.ncbi.nlm.nih.gov
  9. Clarke B, Williamson TH, Gini G, Gupta B . Management of bacterial postoperative endophthalmitis and the role of vitrectomy. Surv Ophthalmol 2018. doi:10.1016/j.survophthal.2018.02.003 www.surveyophthalmol.com
  10. Kessel L, Flesner P, Andresen J, Erngaard D, Tendal B, Hjortdal J. Antibiotic prevention of postcataract endophthalmitis: a systematic review and meta-analysis. Acta Ophthalmol 2015; 93(4):303-17. PubMed

Autor*innen

  • Moritz Paar, Dr. med., Facharzt für Allgemeinmedizin, Münster
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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