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Unerfüllter Kinderwunsch

Zusammenfassung

  • Definition:Es gibt keine einheitliche Definition der Begrifflichkeiten zum unerfüllten Kinderwunsch. Sterilität und Infertilität werden häufig synonym verwendet. Nach ICD-10 wird Sterilität auf das Nichteintreten einer Schwangerschaft begrenzt und Infertilität der Frau bezeichnet die Neigung zu habituellem Abort. Die WHO definiert Infertilität als Ausbleiben einer Schwangerschaft nach mindestens 12 Monaten regelmäßigem ungeschütztem Geschlechtsverkehr.
  • Häufigkeit:Ungefähr 10 % der Bevölkerung leiden phasenweise oder permanent an Infertilität. Der Grund dafür liegt zu ca. 30 % bei der Frau, zu ca. 30 % beim Mann, zu ca. 30 % bei beiden, und bei ca. 10 % der Fälle sind die Ursachen unbekannt.
  • Symptome:Ausbleibende Schwangerschaft trotz regelmäßigen Geschlechtsverkehrs in der fertilen Zyklusphase. Zusätzliche Symptome nur bei einem kleinen Teil der potenziell zugrunde liegenden Erkrankungen, z. B. urogenitale Entzündungen, Verletzungen oder Operationen, endokrine Erkrankungen, urogenitale Fehlbildungen, Amenorrhö durch Unterernährung (etwa bei Anorexia nervosa), Strahlen- oder Chemikalienexposition.
  • Befunde:Nur bei einem Teil der potenziell zugrunde liegenden Erkrankungen, z. B. Endometriose, polyzystisches Ovarialsyndrom, sexuell übertragbare Infektionen.
  • Diagnostik:Körpergröße/Gewicht (BMI), Hinweise auf endokrine Störungen?, Blutdruck, HF, evtl. EKG, abdominelle einschließlich digital-rektaler Untersuchung, bei sexueller Dysfunktion orientierende neurologische Untersuchung; ggf. Hormonbestimmungen. Die spezifische Fertilitätsdiagnostik erfordert eine gynäkologische Untersuchung der Frau und eine andrologische Untersuchung des Mannes bei den entsprechenden Spezialist*innen.
  • Therapie:Primär ursachenorientiert; ggf. reproduktionsmedizinische Interventionen wie intrauterine Insemination (IUI), In-vitro-Fertilisation (IVF) oder intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI). Psychosoziale Beratung vor, während und nach Diagnostik und Therapie einschließlich Unterstützung bei der Verarbeitung von unerfülltem Kinderwunsch sowie den damit einhergehenden Belastungen.

Allgemeine Informationen

Definitionen

  • Unerfüllter Kinderwunsch
    • Es gibt keine einheitliche Verwendung der Begrifflichkeiten zum unerfüllten Kinderwunsch.
    • Folgende Begriffe werden in der Fachliteratur häufig synonym verwendet: ungewollte Kinderlosigkeit, Sterilität, Infertilität.
    • Nach ICD-10 wird Sterilität auf das Nichteintreten einer Schwangerschaft begrenzt. Infertilität der Frau bezeichnet die Neigung zu habituellem Abort.1
  • Infertilität, Definition nach WHO2
    • Ausbleiben einer Schwangerschaft nach mindestens 12 Monaten regelmäßigem ungeschütztem Geschlechtsverkehr
  • Normale Fertilität
    • Es kommt innerhalb von 2 Jahren bei regelmäßigem Geschlechtsverkehr zu einer Schwangerschaft.3
  • Primäre und sekundäre Sterilität bei Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch
    • primäre Sterilität: keine früheren Schwangerschaften
    • sekundäre Sterilität: mindestens eine frühere Schwangerschaft
  • Subfertilität
    • eingeschränkte Empfängnisfähigkeit der Frau
    • eingeschränkte Zeugungsfähigkeit des Mannes

Häufigkeit

  • Prävalenz
    • Ungefähr 10 % der Bevölkerung sind phasenweise oder permanent von Infertilität oder Subfertilität betroffen.3
    • Der Anteil derjenigen, die ungewollt kinderlos bleiben, liegt bei ca. 5 %.
  • Es begeben sich deutlich mehr Paare als früher aufgrund von ungewollter Kinderlosigkeit in ärztliche Behandlung.
    • Eine in 2004 publizierte Studie – basierend auf einer telefonischen Umfrage unter Frauen im mittleren Westen der USA – zeigte, dass 39 % aller ungewollt kinderlosen Frauen medizinische Hilfe aufsuchten.4
    • In einer britischen Querschnittsstudie aus den Jahren 2010–2012 suchten 57 % der von Infertilität betroffenen Frauen und 53 % der Männer medizinische Hilfe.5
  • Der Grund für Infertilität liegt zu ca. 30 % bei der Frau, zu ca. 30 % beim Mann, zu ca. 30 % bei beiden, und bei ca. 10 % der Fälle sind die Ursachen unbekannt.

Ätiologie und Pathogenese

  • Der Abschnitt basiert auf diesendieser Referenzen.Literatur:6-7
  • Die häufigsten Ursachen bei der Frau sind:7
    • Ovulationsstörungen (27 %)
    • Schädigungen der Eileiter (14 %), z. B. durch sexuell übertragbare Infektionen, meist Chlamydien8
    • Endometriose (5 %)
    • Erkrankungen und Funktionsstörungen der Zervix
    • Myome
    • sexuelle Dysfunktion, Störungen des Sexualverhaltens8
    • genetische Ursachen.
  • Die häufigsten Ursachen beim Mann sind:7
    • mangelhafte Spermienqualität oder zu geringe Spermienkonzentration (19 %) (s. Artikel Azoospermie)
    • Ejakulationsstörungen
    • sexuelle Dysfunktion, Störungen des Sexualverhaltens8
    • genetische Ursachen 
    • frühere Sterilisierung.
  • Alter der Frau8-9 
    • Die Fertilität nimmt mit zunehmendem Alter deutlich ab, vermutlich bereits ab dem 25. Lebensjahr, spätestens aber, wenn die Frau das 35. Lebensjahr erreicht hat.8
    • Die Anzahl spontaner Aborte steigt mit zunehmendem Alter.
    • In der Mitte des 4. Lebensjahrzehnts ist die Fertilität gering.
  • Idiopathische Fertilitätsstörung
    • Bei etwa 10–15 % aller Paare mit unerfülltem Kinderwunsch kann weder eine organische noch eine psychische Ursache für die Fertilitätsstörung gefunden werden. Man spricht dann von idiopathischer Fertilitätsstörung.8

Fertilität

  • Die kumulierte Wahrscheinlichkeit für das Eintreten einer Schwangerschaft bei regelmäßigem ungeschütztem Verkehr in der fertilen Phase des Zyklus beträgt über einen Zeitraum von 6 Monaten 80 %.10
  • An einer prospektiven Studie an einem reproduktionsmedizinischen Zentrum in Deutschland nahmen 346 Frauen mit Kinderwunsch teil. Sie praktizierten ungeschützten Geschlechtsverkehr in den per Zeitwahlmethoden ermittelten Tagen hoher Fertilität. Die Frauen waren durchschnittlich 29,0 Jahre alt (20–44), ihre Partner 31,6 Jahre.6
  • Als fertil wurden die Paare definiert, bei denen nach 12 Zyklen eine Empfängnis eintrat. Das traf auf 92 % der Paare zu.
  • Von den fertilen Paaren erreichten 42 % innerhalb von einem Zyklus eine Schwangerschaft, 75 % innerhalb von 3 Zyklen, 88 % innerhalb von 6 Zyklen und 98 % innerhalb von 1 Jahr.

Ursachen für Anovulation11

  • Hypothalamische Ursachen
  • Hypophysäre Ursachen (siehe auch Artikel Hypophysenerkrankungen)
    • Hyperprolaktinämie
    • niedriger Gonadotropin-Releasing-Hormonspiegel (hypogonadotroper Hypogonadismus) z. B. bei Kallmann-Syndrom
    • postpartaler Hypopituitarismus (Sheehan-Syndrom)
    • intra- oder supraselläre Raumforderungen, z. B. Hypophysenadenom, Kraniopharyngeom
    • Hypophysektomie
    • ionisierende Strahlung, z. B. im Rahmen einer Tumorbehandlung
    • Schädel-Hirn-Trauma
  • Ovarielle Ursachen
  • Andere endokrine Ursachen

Disponierende Faktoren

  • Fehlbildungen, Erkrankungen oder Funktionsstörungen des weiblichen Genitales
  • Immunologische Faktoren, z. B. chronisch entzündliche Erkrankungen
  • Endometriose
  • Fehlbildungen, Erkrankungen oder Funktionsstörungen des männlichen Genitales
  • Psychische Faktoren8
    • Frauen und Männer mit unerfülltem Kinderwunsch leiden nicht häufiger unter psychischen Störungen als die Normalbevölkerung.
    • Hinweise auf eine Verbesserung der Ovulationsfunktion unter psychotherapeutischen Interventionen kommen aus kleinen Studien niedriger Qualität und lassen daher keine verlässlichen Schlussfolgerungen zu.
    • Gesichert ist, dass ein unerfüllter Kinderwunsch zu einer erhöhten Stressbelastung führen kann.
    • Bei 5 bis maximal 10 % aller betroffenen Paare ist die Fertilitätsstörung verhaltensbedingt und damit potenziell psychosozial mitbedingt. Potenziell fertilitätsschädigendes Verhalten liegt z. B. vor bei:
  • Gewicht11
    • Sowohl Über- als auch Untergewicht können mit einer Beeinträchtigung der Fertilität einhergehen.
      • Der optimale BMI liegt zwischen 18,5 und 25.
      • Untergewicht und -ernährung sowie extremes körperliches Training können zu hypogonadotropem Hypogonadismus (hypothalamische/hypophysäre Insuffizienz) und Amenorrhö führen.
      • Übergewicht in Kombination mit PCOS erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Anovulation.
      • Übergewicht verschlechtert die Spermienqualität.
  • Rauchen kann die Fertilität bei Frau und Mann beeinträchtigen. 
  • Medikamente, z. B.:
    • Antipsychotika
      • Hyperprolaktinämie
      • sexuelle Dysfunktion.
    • NSAR
      • Können bei Frauen zu reversibler Infertilität führen.
      • Hemmung der Prostaglandinsynthese kann zur Hemmung oder zur Verzögerung des Eisprungs führen.
      • Möglicherweise beeinträchtigen NSAR einschließlich Acetylsalicylsäure bei längerem Gebrauch die Spermienzahl und -qualität.12 
    • Zytostatika
      • Können die Fertilität bei Männern und Frauen nachhaltig schädigen.
    • Weitere Substanzen, die die Sexualfunktion oder Fertilität beeinträchtigen können:12-15
      • Thiaziddiuretika
      • Betablocker
      • Alphablocker
      • Kalziumantagonisten (funktionale Spermiendefekte)
      • ACE-Hemmer
      • antihypertensive Kombinationspräparate
      • Klasse III-Antiarrhythmika (z. B. Amiodaron)
      • Lipidsenker
      • Antidepressiva
      • Hypnotika (Benzodiazepine und andere)
      • Antihistaminika (H1- und H2-Blocker)
      • Antikonvulsiva
      • Opioide
      • Immunsuppressiva, z. B. Azathioprin, Methotrexat.
  • Schwere körperliche Erkrankungen und deren Behandlung
    • z. B. Operationen, Chemotherapie, Strahlentherapie oder endokrine Therapie bei onkologischen Erkrankungen

ICPC-2

  • W15 Ungewollte Kinderlosigkeit, Frau

ICD-10

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1
  • N96 Neigung zu habituellem Abort
    • einschließlich Infertilität
  • N97 Sterilität der Frau
    • N97.0 in Verbindung mit fehlender Ovulation
    • N97.1 tubaren Ursprungs
    • N97.2 uterinen Ursprungs
    • N97.3 zervikalen Ursprungs
    • N97.4 im Zusammenhang mit Faktoren des Partners
    • N97.8 sonstigen Ursprungs
    • N97.9 nicht näher bezeichnet
  • N46 Sterilität beim Mann
    • Inkl. Azoospermie o.n.A., Oligozoospermie o.n.A.
  • N48 Sonstige Krankheiten des Penis
    • N48.4 Impotenz organischen Ursprungs
  • F52 Sexuelle Funktionsstörungen, nicht verursacht durch eine organische Störung oder Krankheit
    • F52.0 Mangel oder Verlust von sexuellem Verlangen
    • F52.1 Sexuelle Aversion und mangelnde sexuelle Befriedigung
    • F52.2 Versagen genitaler Reaktionen
    • F52.5 Nichtorganischer Vaginismus
    • F52.6 Nichtorganische Dyspareunie

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Die Meinungen, ab wann Diagnostik und Therapie von Fertilitätsstörungen indiziert sind, gehen auseinander.
    • Während einige Autor*innen befürworten, dass diese in der Regel erst nach 1–2 Jahren mit unerfülltem Kinderwunsch indiziert sind und zuvor auch nicht die Diagnose „Sterilität“ gestellt werden sollte, raten andere dazu, diese u. U. schon nach 6 Monaten ungewollter Kinderlosigkeit zu erwägen.10
  • Bevor eine Kinderwunschbehandlung in Erwägung gezogen wird, sind spezielle fachärztlich durchgeführte Untersuchungen der Reproduktionsorgane und deren Funktion bei Frau und Mann notwendig, z. B. Spermienqualität, Ovulation, anatomische Voraussetzungen.

Differenzialdiagnosen

  • Vor allem im Hinblick auf die Ursachen der ungewollten Kinderlosigkeit (Näheres siehe Abschnitt Disponierende Faktoren).

Anamnese

Bei Frauen

  • Frühere Schwangerschaften
  • Frühere Infektionen der Beckenorgane
  • Frühere Bauchoperationen
  • Regelmäßige Menstruation oder Hinweise auf Anovulation
  • Schmerzen und Dysmenorrhö können auf eine Endometriose hinweisen.
  • Medikamente (z. B. NSAR)
  • Zeitpunkt des Eisprungs bekannt?
  • Regelmäßiger Geschlechtsverkehr in der fertilen Zyklusphase?

Bei Männern

  • Frühere genitale Infektionen oder Entzündungen, z. B.:

Bei beiden Geschlechtern

Leitlinie: Psychosomatisch orientierte Diagnostik und Beratung8 

  • Eine psychosomatisch orientierte Diagnostik sollte insbesondere im Erstgespräch (mit dem Paar) sowie in folgenden Situationen durchgeführt werden:
    • als Beratungs- bzw. begleitende Gespräche vor invasiven medizinischen Eingriffen, z. B.:
      • Übergang von der intrauterinen Insemination zur In-vitro-Fertilisation
    • bei chronischer Erkrankung eines Partners
    • bei Mehrlingsschwangerschaft
    • bei erfolgloser reproduktionsmedizinischer Behandlung (Nichteintritt der Schwangerschaft, Fehl- bzw. Totgeburt)
    • im Abschlussgespräch
  • Ausführliche Beratung zu medizinischen, psychosozialen und rechtlichen Aspekten
    • bei allen von einer Krebserkrankung Betroffenen im reproduktiven Alter, Kindern sowie deren Eltern: Beratung zur Fertilitätsprotektion auf biopsychosozialer Grundlage
    • bei > 40-jährigen Frauen und Männern: Aufklärung und Beratung bezüglich Chancen und Risiken
    • bei alleinstehenden Frauen mit Kinderwunsch: Beratung zu psychosozialer Versorgung, Absicherung und rechtlicher Situation des Kindes
    • mit allen Beteiligten einer geplanten „Co-Elternschaft“ (eine alleinstehende Frau oder ein lesbisches Paar einigt sich mit einem Mann darauf, eine Familie zu gründen, ohne mit diesem Mann eine Paarbeziehung einzugehen): ausführliche Beratung zu allen absehbaren und potenziellen Implikationen, auch zur juristischen Zuordnung der Elternschaft
    • Mit Frauen und Paaren, die im Ausland Formen der assistierten Reproduktion in Anspruch nehmen wollen oder genommen haben, die hierzulande unzulässig sind.
      • Kinder nach Leihmutterschaft (in Deutschland nicht zulässig) sollten frühzeitig altersgerecht aufgeklärt werden.
    • mit allen Transpersonen mit Kinderwunsch.
  • Der Einsatz von Screening-Instrumenten zur Erfassung vulnerabler Paare kann erwogen werden.
  • Bei Behandlung mit Gametenspende sowie vor Fetozid soll ein Beratungsangebot erfolgen.
  • Eindeutige psychische Kontraindikationen einer reproduktionsmedizinischen Behandlung liegen aus wissenschaftlicher Sicht (noch) nicht vor. Einzelfallentscheidungen sollten auf der Basis der reproduktiven Autonomie des Paares interdisziplinär betrachtet werden.

Schlüsselfragen

  • Der Gebrauch von offenen Schlüsselfragen erscheint sinnvoll, um den Paaren eine biopsychosoziale Sichtweise in der Lösung des Sterilitätsproblems zu ermöglichen.
  • Folgende Schlüsselfragen eignen sich für das ärztliche Gespräch:
    • Wie lange haben Sie den Wunsch nach einem Kind? Wie stark ist er? (Skala 1–10)
    • Seit wann sind Sie wegen Ihres unerfüllten Kinderwunsches in Behandlung?
    • Bei wie vielen Ärzt*innen waren Sie in Behandlung?
    • Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass Ihr Kinderwunsch bisher unerfüllt geblieben ist?
    • Wie sehr leiden Sie unter der Kinderlosigkeit? (Skala 1–10)
    • Welcher Partner leidet mehr unter dem Problem der Kinderlosigkeit?
    • Was hat sich in Ihrem Leben verändert, seit Sie von der Fertilitätsstörung wissen (Partnerschaft, Beruf, Selbstwertgefühl)?
    • Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Sexualität und Liebe (Häufigkeit des Geschlechtsverkehrs, Orgasmusempfinden, Sexualpraktiken, Lust, Zärtlichkeit, schmerzhafter Geschlechtsverkehr)?
    • Was hat sich in Ihrer Sexualität verändert?
    • Leiden Sie unter körperlichen Beschwerden (chronische Schmerzen, Magen-Darm-Beschwerden, Asthma, Hautveränderungen, Haarveränderungen) oder seelischer Belastung (z. B. depressive Symptomatik)?
    • Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Gewicht und Ihrem Körper?
    • Sind oder waren Sie in psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung (Lebenskrisen, Partnerschaft)?
    • Welche Therapie sollte Ihrer Ansicht nach durchgeführt werden?
    • Gibt es etwas, das sich Ihrer Meinung nach in Ihrem Leben ändern müsste, damit es zu einer Schwangerschaft kommt?
    • Wie stehen Sie zu alternativen Lebensperspektiven im Hinblick auf ein Kind (Adoption, Pflegekind, Leben ohne Kind)?
    • Kommen für Sie Behandlungen mit fremden Samen, fremden Eizellen (in D nicht zulässig), fremden Embryonen (in D nicht zulässig) oder eine Leihmutterschaft (in D nicht zulässig) in Betracht?
    • Wo gibt es für Sie Grenzen einer Therapie (Dauer, Behandlungsmethode)?
    • Wie geht es weiter im Falle eines „Misserfolgs“? Gibt es einen „Plan B“?

Klinische Untersuchung

  • Körpergröße/Gewicht (BMI)
  • Hinweise auf endokrine Störungen, z. B.:
  • Blutdruck, HF, evtl. EKG
  • Abdominelle einschließlich
  • Bei sexueller Dysfunktion orientierende neurologische Untersuchung (Analsphinktertonus, sensible oder motorische Ausfälle, Muskeleigenreflexe?)

Ergänzende Untersuchungen bei Spezialist*innen

Bei Frauen

  • Bei regelmäßiger Menstruation (26–34 Tage)
    • FSH, LH, Estradiol
    • Sollte in der frühen follikulären Phase, d. h. am 3. Tag (± 1) des Menstruationszyklus gemessen werden; wird in der Überweisung angegeben.
  • Bei Oligo- oder Amenorrhö
  • Testosteron, Androstendion und Sexualhormon-bindendes-Globulin (SHBG)
    • Wird bei Anzeichen von Hyperandrogenämie gemessen.
  • Serum-Progesteron
    • Werte über ca. 20 nmol/l werden als Anzeichen für eine stattgehabte Ovulation gewertet.
    • Das Progesteronmaximum ist in der Mitte der Lutealphase, d. h. etwa am 21. Zyklustag oder 7 Tage vor der erwarteten Menstruation zu erwarten.
  • Temperaturmessungen
    • Geben indirekten Aufschluss über den Eisprung.
    • Die Morgentemperatur über mindestens 2 Monate täglich messen.
    • Beim Eisprung steigt die Temperatur um ca. 0,5 Grad und bleibt bis zur Menstruation auf diesem Niveau.
  • Ggf. Tests auf sexuell übertragbare Infektionen, z. B. Chlamydien

Bei Männern

  • Bestimmung des Hämoglobin-, Kreatinin-, CRP-, FSH-, LH-, Testosteron-, Prolaktin- evtl. TSH-Werts
  • Auf Grundlage des LH-Werts wird bewertet, ob ein evtl. Testosteronmangel hypo- oder hypergonadotrop ist.

Weiterführende Diagnostik bei Spezialist*innen 

  • Vor der Durchführung einer Maßnahme der assistierten Reproduktion ist nach der einschlägigen Richtlinie der Bundesärztekammer bei der Frau eine gynäkologische, beim Mann eine andrologische Untersuchung vorgeschrieben.16
  • Transvaginaler Ultraschall
    • Um Uterus, Tuben, Ovarien, Follikel zu beurteilen: Anzeichen für polyzystische Ovarien?
    • ggf. mit Kontrastmittel (z. B. zur Prüfung der Eileiterdurchgängigkeit)
  • Evtl. umfassende endokrinologische Labordiagnostik
  • Evtl. Spermiogramm
    • mindestens 2 Proben im Abstand von 2–3 Wochen (Monaten)
    • Die Proben werden nach 2–7 Tagen sexueller Enthaltsamkeit genommen, da sowohl das Volumen der Samenflüssigkeit als auch die Spermatozoenkonzentration während der Abstinenz 3–4 Tage lang ansteigt.
    • Die Proben sollen innerhalb 1 Stunde analysiert werden.
    • Es werden Aussehen, Textur, Volumen, Ausprägung der Leukozytospermie und Spermatozoenkonzentration des Ejakulats sowie Motilität und Morphologie der Spermien bewertet.
    • Die Probe kann zu Hause gewonnen werden, sofern sie bei Körpertemperatur gelagert und innerhalb von 1 Stunde zum Labor gebracht wird.
  • Ggf. Laparoskopie mit Prüfung der Eileiterdurchgängigkeit (Chromopertubation)
    • Wird unter Berücksichtigung der Behandlungsalternativen, des Alters der Frau und der Dauer der Sterilität erwogen. Notwendig bei Wunsch einer gründlichen Diagnostik evtl. Tubenveränderungen.
    • Nicht erforderlich, wenn eine andere Ursache der Fertilitätsstörung identifiziert wurde, z. B. ungenügende Spermienqualität.
  • Hysterosalpingografie evtl. Hysteroskopie
    • bei Verdacht auf Veränderungen

Indikationen zur Überweisung

  • Wenn es nach 1 Jahr nicht zu einer Befruchtung gekommen ist, ggf. früher bei Bedarf.

Faktoren, die eine frühere Überweisung oder Untersuchung indizieren können9

  • Bei Frauen
  • Bei Männern
    • Z. n. Maldeszensus testis
    • frühere Urogenitalchirurgie, z. B. Orchidopexie
    • frühere Chemotherapie oder Bestrahlung
    • frühere Geschlechtskrankheiten
    • Varikozele

Therapie

Therapieziele

  • Kinderwunsch erfüllen.
  • Fertilität verbessern.
  • Ggf. unter Zuhilfenahme von künstlicher Befruchtung oder Stimulationsbehandlung der Frau zur Ovulationsinduktion, ggf. mit Gewinnung von Eizellen
  • Evtl. Unterstützung bei der psychischen Verarbeitung der Kinderlosigkeit, falls eine Behandlung nicht erfolgreich oder nicht zugänglich ist.
  • Bei Bedarf psychotherapeutische Unterstützung

Leitlinie: Psychosomatisch orientierte Diagnostik und Therapie8

  • Die psychischen Faktoren sollen im Kontext der reproduktionsmedizinischen Maßnahmen noch stärker Berücksichtigung finden und möglichst zusätzlich in begleitenden psychosomatisch orientierten Beratungen fokussiert werden.
  • Ungewollt kinderlos gebliebene Paare bzw. Frauen sollten über die überwiegend günstige Prognose bezüglich der Lebensqualität und Partnerschaft informiert werden, aber auch über mögliche Risikofaktoren (z. B. soziale Isolierung) und Schutzfaktoren (z. B. frühzeitige Entwicklung neuer Lebensziele und -konzepte).
  • Bei ungünstigen Verläufen sollte auf entsprechende psychosomatisch orientierte Beratungsmöglichkeiten hingewiesen werden.
  • Die ärztliche Betreuung im Rahmen der Sterilitätstherapie soll entsprechend der psychosomatischen Grundversorgung durchgeführt werden.
  • Eine niedrigschwellige psychosoziale Beratung soll – unabhängig von der reproduktionsmedizinischen Behandlung – jederzeit ermöglicht werden.
  • Alle Personen, die sich für eine Kinderwunschbehandlung entscheiden, sollen die Möglichkeit zur Information, Aufklärung und Beratung im Sinne emotionaler Unterstützung und Hilfe bei der Problembewältigung erhalten.
    • Ein behandlungsunabhängiges Beratungsangebot sollte sich an alle Frauen und Männer richten, insbesondere bei früheren negativen Erfahrungen mit der Subfertilität oder mehreren erfolglosen Behandlungsversuchen.
    • Die psychosomatischen Interventionen sollten primär auf die Vermittlung von Informationen, eine Verbesserung der psychischen Befindlichkeit und eine Reduktion von Stress abzielen
  • Kinderwunschpaare sollen über das erhöhte Risiko von Schwangerschaftsrisiken und das erhöhte Fehlbildungsrisiko nach IVF und ICSI aufgeklärt werden.
  • Mehrlingsschwangerschaften sollen nach Möglichkeit vermieden werden, auch wenn es dem expliziten Wunsch des Paares entspricht. Dieses betrifft auch die Problematik des „Vanishing Twin" (Verlust eines Zwillingsgeschwisters während der Schwangerschaft).
  • Über die erhöhten Risiken bei Mehrlingen soll vor Beginn einer Kinderwunschbehandlung eingehend aufgeklärt werden. Paare können dahingehend beraten werden, dass, wenn eine Zwillingsschwangerschaft eingetreten ist, die Schwangerschaftsrisiken nicht höher zu sein scheinen als nach Spontankonzeption von Zwillingen.

Allgemeines zur Therapie

In der Hausarztpraxis

  • Information des Paars darüber, in welcher Phase die Frau am fruchtbarsten ist.
    • Es kann bis zu 6 Tage vor der Ovulation zu einer Schwangerschaft kommen, am höchsten ist die Wahrscheinlichkeit 36–48 Stunden vor dem Eisprung (Konzeptionsoptimum).
    • Bei Geschlechtsverkehr alle 2–3 Tage pro Woche ist kein weiteres Timing erforderlich.
    • ggf. grundlegende Sexualaufklärung, z. B. bei Migrant*innen mit restriktiver Sexualerziehung8
  • Information über die Bedeutung eines gesunden Lebensstils8
  • Evtl. spezifische Behandlung disponierender Faktoren, z. B.:8
    • NSAR (Absetzen)
    • urogenitale Infektionen
    • endokrine Störungen, z. B. Schilddrüsenerkrankungen, Nebennierenrinden-Funktionsstörungen
    • Über- und Untergewicht.

Bei Spezialist*innen

  • Sterilitätsbehandlung außer künstlicher Befruchtung
    • Hyperprolaktinämie (Prolaktin > 1.000 IE) sollte entsprechend je nach Ursache behandelt werden.
    • Ovulationsstimulierung: Clomifen führt bei ca. 80 % der Patientinnen mit polyzystischen Ovarien zur Ovulation.
    • Tubarchirurgie
      • Fimbrioplastik und Lösen von Adhäsionen
      • ggf. zur Wiederherstellung mangelnder Eileiterdurchgängigkeit bei jüngeren Frauen mit regelmäßigen Menstruationen sowie bei normalem Spermiogramm
    • Entfernen von Myomen: intrakavitäre und submuköse Myome sollten ggf. operativ entfernt werden. Intramurale Myome, die das Endometrium affizieren oder eine Größe von über 5 cm haben, sollten operiert werden.
  • Männliche Sterilität
    • Antibiose nur bei Nachweis einer Infektion
    • Das operative Entfernen von Varikozelen bei reduzierter Samenqualität erhöht nicht die Chancen auf eine Schwangerschaft.
  • Assistierte Reproduktion
    • intrauterale Insemination
      • mit den Spermien des Partners oder eines Spenders
      • ggf. nach Vorbehandlung der Samenflüssigkeit
    • In-vitro-Fertilisierung (IVF)
    • intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI)
      • bei stark reduzierter Spermaqualität
    • in Deutschland nicht gestattet (Stand Oktober 2020)16-18
      • selektive Verwendung nur eines Teils der in vitro gezeugten Embryonen
      • Kryokonservierung von Embryonen
      • Eizellspende und Leihmutterschaft
      • anonyme Samenspende (das Kind hat ein Recht auf Auskunft über die Identität seines biologischen Vaters, dieser ist wiederum von Unterhalts- oder Erbrechtsansprüchen befreit).18

Medikamentöse Therapie

Bei Anovulation

  • Gebrauch eines Antiöstrogens wie Clomifen zum Auslösen der Ovulation
    • Ist indiziert bei Anovulation oder Follikelreifungsstörung mit verkürzter Lutealphase oder Corpus-luteum-Insuffizienz10
    • Kann über 6 Zyklen angewendet werden, die kumulative Schwangerschaftsrate beträgt 50 %.10
    • Erhöht bei idiopathischer Infertilität die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft (Ia).19
    • erhöhte Inzidenz von Mehrlingsschwangerschaften
    • Auslösen der Ovulation bei einer Follikelgröße von 17–18 mm mit einem hCG-Präparat möglich.10
      • Nicht obligat, da es die Schwangerschaftsraten nicht erhöht.20
      • Führt häufig zur Entlastung der Patientin, die dann beim Auslösen des Eisprungs das Konzeptionsoptimum nutzen kann.
      • Wird die Ovulation nicht medikamentös ausgelöst, sollte das Paar ab der Follikelgröße von 17–18 mm bis Zyklustag 22 alle 2 Tage Geschlechtsverkehr haben.
  • Nach fehlendem Ansprechen auf ein Antiöstrogen kann die Gabe von Gonadotropinen indiziert sein, insbesondere bei fehlender adäquater Entwicklung des Endometriums unter Clomifen.10

Bei PCOS

  • Clomifen zur Ovulationsinduktion21
  • Die Gabe von Metformin kann zur Ovulation und Gravidität führen, evtl. in Kombination mit Clomifen.
  • Der Aromatasehemmer Letrozol hat eine gute Wirkung bei PCOS-Patientinnen gezeigt, ist aber nicht für die Indikation zugelassen.22-23

Bei Sterilität des Mannes

  • Keine medikamentöse Behandlung, etwa mit Antiöstrogenen, ist zur Behandlung von Fertilitätsstörungen bei Männern zugelassen.
    • In einer Studie mit Männern, bei denen eine idiopathische Infertilität diagnostiziert wurde, führte die Gabe von Clomifen 25 mg täglich + Vitamin E 400 IU über 6 Monate zu einer verbesserten Spermaqualität und bei deren Partnerinnen zu einer erhöhten Anzahl von Schwangerschaften (Ib).24

Unterstützend bei IVF/ICSI

  • Es sind unterschiedliche medikamentöse Regimes zur Ovulationsstimulation möglich.

Sekundärbehandlung

Tubarchirurgie

  • Ist bei Tubenverschluss eine Alternative zur IVF.
  • Kann bei entsprechender Auswahl der Patientinnen gute Ergebnisse bringen.25
  • Bei geglücktem Eingriff hat dies den Vorteil, dass mehrere Schwangerschaften ohne weitere medizinische Intervention möglich sind.
  • Bei ausgeprägter Tubendysfunktion ist die Tubarchirurgie vor der IVF indiziert.26
  • Nach Tubarchirurgie ist das Risiko für eine extrauterine Schwangerschaft erhöht.26
  • Die Refertilisierung nach einer Tubensterilisation bringt häufig gute Resultate, je nachdem, welche Sterilisationsmethode verwendet wurde.

Intrauterine Insemination (IUI)10

  • Ist indiziert bei idiopathischer Infertilität sowie bei leicht reduzierter Spermienqualität.
  • Nach ovarieller Stimulation wird zum Konzeptionsoptimum die zumeist aufbereitete Spermienprobe in die Nähe des Tubenabgangs instilliert.
  • Erfolgschancen 15–20 % pro Zyklus, kumulativ maximal 35–40 % über 3–4 Inseminationszyklen

In-vitro-Fertilisierung (IVF)

  • Ist indiziert bei Tubarschäden, idiopathischer Infertilität nach Versagen der Insemination (IUI) sowie seit langer Zeit unerfülltem Kinderwunsch (> 5 Jahre).10
  • Es erfolgt die medikamentöse Ovulationsstimulierung, das Entnehmen von Eizellen, Fertilisierung, das Kultivieren der Embryos und das Einsetzen des Embryos in die Gebärmutter.27
  • Pro 100 Behandlungsversuchen kommt es zu ca. 20–30 Schwangerschaften. Bei Frauen unter 35 Jahren liegt die Erfolgsquote bei 40–49 %. Nach dem 35. Lebensjahr sinkt die Erfolgsquote um 2–6 % pro Jahr. Um das 43. Lebensjahr beträgt die Erfolgsquote nur noch 5 %.
  • Gleichzeitig erhöht sich das Vorkommen von Spontanaborten mit zunehmendem Alter, und um das 43. Lebensjahr endet die Hälfte der IVF-Schwangerschaften in einem Spontanabort.
  • Die Fehlbildungsrate ist nach IVF und ICSI in ähnlichem Umfang erhöht.8
    • Zwei Metaanalysen fanden vergleichbare Odds Ratios von 1,32 (95 % KI: 1,24–1,42) bzw. 1,37 (95 % KI 1,26–1,48).28-29
  • Bei Gebrauch von gespendeten Eizellen (in Deutschland nicht zulässig) von jungen Frauen ist die Erfolgsquote hoch und variiert etwas mit dem Alter der Frau, die das Kind austrägt.
  • Das Einsetzen von mehr als einem Embryo erhöht die Erfolgsquote, ist aber auch mit einem höheren Risiko für Mehrlingsschwangerschaften verbunden.

Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI)

  • Ist indiziert bei männlicher Subfertilität und bei Versagen der IVF-Methode.10
  • Das Spermium wird mit einer Mikropipette direkt in eine Eizelle injiziert, übriges Vorgehen wie bei IVF.
  • Die Methode ist vor allem bei niedriger Spermaqualität oder Azoospermie sinnvoll.
  • Bei Frauen der Altersgruppe unter 35 Jahren kommt es in etwa 1/3 der Fälle zu einer Schwangerschaft, bei über 35-Jährigen bei etwa 1/6. Die Fehlgeburtenrate steigt mit zunehmendem Alter stark an.
  • Es besteht ein gewisses Risiko, dass Erbkrankheiten oder genetisch bedingte Infertilität auf das Kind übertragen werden.
    • Vor einer solchen Behandlung ist u. U. eine genetische Beratung indiziert, in der die Möglichkeiten einer Gendiagnostik ergebnisoffen mit den Betroffenen besprochen werden.
  • Die Fehlbildungsrate ist nach IVF und ICSI in ähnlichem Umfang erhöht.8
    • Zwei Metaanalysen fanden vergleichbare Odds Ratios von 1,32 (95 % KI: 1,24–1,42) bzw. 1,37 (95 % KI 1,26–1,48).28-29
  • Es kann ein erhöhtes Risiko für Spontanaborte vorliegen, und es besteht international Bedarf an weiterer Überwachung und Forschung in Zusammenhang mit dieser Methode.

Spermiengewinnung

  • In der Regel werden die Spermien für eine assistierte Reproduktion aus dem Sperma entnommen, das meist durch Masturbation gewonnen wird.
    • Ist das nicht möglich, etwa bei einer Azoospermie, oder bei Patienten, die nicht in der Lage sind zu ejakulieren, können Spermien auch aus den Nebenhoden oder dem Testikel entnommen werden.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Für viele ist Infertilität ein vorübergehendes Problem; die Hälfte aller Patientinnen, die deswegen ärztlichen Rat suchen, werden zu einem späteren Zeitpunkt schwanger, die meisten davon ohne medizinische Behandlung.

Komplikationen

  • Infertilität und deren Behandlung können sich auf die Sexualität des Paares oder des Individuums auswirken.30
    • Beeinträchtigungen der Sexualität scheinen im Rahmen einer reproduktionsmedizinischen Behandlung vor allem dann aufzutreten, wenn diese an Geschlechtsverkehr nach Termin oder eine IVF-Behandlung geknüft ist.8
  • Ovarielles Hyperstimulierungssyndrom31
    • Ist eine potenziell lebensbedrohliche Nebenwirkung medikamentöser Ovulationsstimulation.
    • klinisches Bild
  • Angeborene Fehlbildungen bei Kindern, die nach einer Infertilitätsbehandlung geboren wurden.
    • Die Fehlbildungsrate ist nach IVF und ICSI um etwa den Faktor 1,3 erhöht (siehe Abschnitt Sekundärbehandlung)
  • Das Risiko für Placenta praevia ist bei Schwangerschaften nach IVF erhöht: 16 pro 1.000 Schwangerschaften gegenüber 3 pro 1.000 bei normaler Befruchtung.32
  • Psychische Überlastung8
    • ausgeprägte Ängste um die Schwangerschaft nach lange unerfülltem Kinderwunsch
    • Idealisierung der Elternschaft und hohe Selbstansprüche
    • Inwieweit Methoden der assistierte Reproduktion mit einem erhöhten Risiko für schwangerschaftsassoziierte Störungen einhergehen, ist unklar.
      • Nach bisherigem Kenntnisstand (Oktober 2020) scheint das Risiko für eine postpartale Depression nach assistierter Reproduktion nicht erhöht zu sein.

Prognose

  • Die Chance, schwanger zu werden, variiert je nach Ursache und Dauer der Infertilität, dem Alter der Frau, der bisherigen Fertilität des Paares und der Verfügbarkeit unterschiedlicher Behandlungsmethoden.33-34
  • In den ersten 2–3 Jahren mit idiopathischer Infertilität ist die kumulative Schwangerschaftsrate 27–46 %. Sie nimmt jedoch mit zunehmendem Alter der Frau und der Dauer der Infertilität ab.

In-vitro-Fertilisierung und Prognose des Kindes

  • Eine finnische Studie unterzog Kinder in den ersten 4 Lebensjahren regelmäßigen Kontrolluntersuchungen (III).35
    • Obwohl die Gesundheit der meisten dieser Kinder gut war, hatten sie mehr gesundheitliche Probleme als andere Kinder.
    • Die erhöhte Morbidität wird dem zugeschrieben, dass 35 % dieser Kinder aus Mehrlingsschwangerschaften stammen, im Gegensatz zu 2 % der Kontrollgruppe.
    • Es bestand somit ein erhöhtes Risiko für Zerebralparese, psychische Störungen und Entwicklungsstörungen.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Beratung und Selbsthilfe 

Verlaufskontrolle

  • Diagnostik, Behandlung und Verlaufskontrolle erfolgen an reproduktionsmedizinisch spezialisierten Zentren.

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe (DGPFG), Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). Fertilitätsstörungen, psychosomatisch orientierte Diagnostik und Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 016-003. S2k, Stand 2019. www.awmf.org

Literatur

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  8. Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe (DGPFG), Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). Fertilitätsstörungen, psychosomatisch orientierte Diagnostik und Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 016-003, Klasse S2k, Stand 2019. www.awmf.org
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Autor*innen

  • Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
F52; F520; F521; F522; F525; F526; N46; N48; N484 Impotenz; N96; N97; N970 in; N971 tubaren; N972 uterinen; N973 zervikalen; N974 im; N978 sonstigen; N979 nicht
Infertilitet; ufrivillig barnløshet; barnløshet; primær infertilitet; sekundær infertilitet; infertilitet; Infertilität; Unfruchtbarkeit
W15
Infertilität; Subfertilität; Reduzierte Zeugungsfähigkeit; Reduzierte Empfängnisfähigkeit; Sterilität; Zeugungsunfähig; Ausbleibung der Befruchtung; Ovulationsstörungen; Schädigungen der Eileiter; Alter der Frau; Anovulation; Ungewollte Kinderlosigkeit; Azoospermie; Sterilitätsbehandlung; Ovulationsstimulierung; Tubarchirugie; Künstliche Befruchtung; In-vitro-Fertilisierung; IVF; Intrazytoplasmatische Spermieninjektion; ICSI; Intrauterine Insemination; IUI; Embryonentransfer; Spermiengewinnung; Samenspende; Einzellspende; Leihmutterschaft
Unerfüllter Kinderwunsch
U-NH 14.11.17 + 04.04.18 U-MK 16.07.2018
CCC MK 20.10.2020 an neue LL angepasst. Revision at 04.12.2015 09:04:17: German Version CCC MK 21.08.2018. komplett überarbeitet, an D angepasst
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Definition:Es gibt keine einheitliche Definition der Begrifflichkeiten zum unerfüllten Kinderwunsch. Sterilität und Infertilität werden häufig synonym verwendet. Nach ICD-10 wird Sterilität auf das Nichteintreten einer Schwangerschaft begrenzt und Infertilität der Frau bezeichnet die Neigung zu habituellem Abort. Die WHO definiert Infertilität als Ausbleiben einer Schwangerschaft nach mindestens 12 Monaten regelmäßigem ungeschütztem Geschlechtsverkehr.
Gynäkologie
Unerfüllter Kinderwunsch
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SiteDisease
Unerfüllter Kinderwunsch
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