Extrauteringravidität (EUG)

Zusammenfassung

  • Definition:Implantation des befruchteten Eis außerhalb der Gebärmutterhöhle. In 95 % der Fälle nistet sich das Ei in einer Tube ein.
  • Häufigkeit:Die Prävalenz beträgt schätzungsweise 1–2 % aller Schwangerschaften.
  • Symptome:Die klassische Symptomtriade umfasst Ausbleiben der Menstruation, Schmerzen und  Vaginalblutung  in der 6.–8. Schwangerschaftswoche.
  • Befunde:Vaginale Blutungen, Druckschmerz und lokale Resistenz auf bis hin zum akuten Abdomen.
  • Diagnostik:Sonografie und Bestimmung des Beta-hCG.
  • Therapie:Operativ oder medikamentös mit Methotrexat.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Extrauteringravidität oder ektope Schwangerschaft bedeutet, dass sich eine befruchtete Eizelle außerhalb der Gebärmutterhöhle einnistet.1
  • Meist geschieht dies im Eileiter (Tubargravidität), andere Implantationen (z. B. in der Bauchhöhle, in den Eierstöcken oder in Kaiserschnittnarben, sogar Milz oder Leber) sind möglich.2
  • Von einer heterotopen Schwangerschaft spricht man, wenn zu einer intakten intrauterinen Schwangerschaft noch eine ektope auftritt.3

Häufigkeit

  • Die Prävalenz beträgt schätzungsweise 1–2 % aller Schwangerschaften, Tendenz steigend, mehr als 90 % sind Eileiterschwangerschaften.4
  • Das Risiko für eine heterotope Schwangerschaft beträgt nach In-vitro-Fertilisation (IVF) 1:100.3
  • Die Extrauteringravidität ist eine der häufigsten Ursachen für mütterliche Mortalität im ersten Trimenon, durch verbesserte Diagnostik sinkt die Mortalität.1

Ätiologie und Pathogenese

  • Anatomisch-/funktionelle Obstruktion der Tuben, Störungen der Tubenmotilität und der Zilienfunktion sowie molekulare chemotaktische Faktoren führen dazu, dass sich das befruchtete Ei nicht in der Gebärmutterhöhle, sondern meist in den Tuben einnistet.5

Prädisponierende Faktoren

  • Ektopische Gravidität in der Anamnese
  • Vorausgegangene Eileiteroperation (z. B. Sterilisation)
  • Schwangerschaften, die bei liegendem Intrauterinpessar auftreten, sind zu 50 % Extrauteringraviditäten.
  • Z. n. Entzündungen im Bereich des kleinen Beckens (Pelvic Inflammatory Disease, PID).
  • Wechselnde Sexualpartner
  • Sämtliche Verfahren der assistierten Reproduktion bei unerfülltem Kinderwunsch erhöhen das Risiko einer Extrauteringravidität.
  • Nikotin
  • Alter > 40 Jahre

ICPC-2

  • W80 Ektopische Schwangerschaft

ICD-10

  • O00 Extrauteringravidität
    • O00.0 Abdominalgravidität
    • O00.1 Tubargravidität
    • O00.2 Ovarialgravidität
    • O00.8 Sonstige Extrauteringravidität, inkl. zervikal, im Uterushorn, intraligamentär oder intramural
    • O00.9 Extrauteringravidität, nicht näher bezeichnet

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Wenn klinisch der Verdacht auf eine Schwangerschaft besteht, im Ultraschall aber keine intakte Schwangerschaft im Uterus festgestellt werden kann.
  • Sonstige Symptome fehlen entweder völlig oder sind unspezifisch bis hin zu akuten Schmerzen bis zu einem hämorrhagischer Schock mit Atemnot, Hypotonie und Tachykardie.
  • Die Diagnose ist durch Sonografie und Bestimmung des Beta-hCG zu sichern.

Differenzialdiagnose

Anamnese

  • Anamnestisch V. a. Schwangerschaft wegen Ausbleiben der Menstruation, Übelkeit oder Vergrößerung der Brust
  • Beginn und Dauer der Beschwerden
    • Blutungen und Unterbauchschmerzen im 1. Trimenon sind die häufigsten Symptome einer Extrauteringravidität.
  • Vorausgegangene gynäkologische Interventionen (Operationen, IVF, Spirale)
  • Verhütungsmethoden

Klinische Untersuchung

  • Wichtig ist eine erste Einschätzung bezüglich:6
  • Gespannte Bauchdecken mit Abwehrspannung deuten auf eine Peritonitis hin.

Labor

  • Hb
  • Der Nachweis von Beta-hCG im Urin ist in der Regel, jedoch nicht immer, positiv.
  • CRP zu differenzialdiagnostischen Zwecken

Weitere Diagnostik durch Gynäkolog*in

  • Gynäkologische Untersuchung
    • Die Inspektion der Zervix bestätigt Blutabsonderungen aus dem oberen Genitalbereich.
    • Portioschiebeschmerz
    • Die bimanuelle Palpation ist aufgrund des Risikos einer Tubenruptur und lebensbedrohlicher Blutungen mit Vorsicht auszuführen.
  • Beta-hCG im Serum: wiederholte Messungen
    • Die Serumkonzentration von Beta-hCG ist bei ektopischen Schwangerschaften in der Regel niedriger als bei normalen Schwangerschaften gleicher Länge. Bei gleichzeitig ungenauen Angaben zur Menstruation ist der niedrige Titer bei einer einmaligen Untersuchung nicht hinlänglich aussagekräftig für eine Diagnosestellung. U. U. sinkt der Wert im Zeitverlauf.
    • Eine Verdoppelung der Beta-hCG-Konzentration innerhalb von 48 Stunden wird häufig als Anzeichen eines lebenden intrauterinen Embryos interpretiert.7
    • Der Rückgang oder eine langsame Zunahme der Beta-hCG-Konzentration reicht nicht aus, um eine ektopische Schwangerschaft zu diagnostizieren.2
  • Sonografie
    • Eine leere Uterushöhle im transvaginalen oder abdominalen Ultraschall lenkt den dringenden Verdacht auf eine extrauterine Schwangerschaft.8-9
    • Alternativ kommen eine intakte intrauterine Frühgravidität (Pregnancy of Unknown Location), die noch nicht sonografisch dargestellt werden kann, und ein Frühabort in Betracht.1
    • Ein sicheres sonografisches Zeichen ist ein pulsierender fetaler Herzschlag außerhalb des Uterus.6
  • Diagnostische Laparoskopie oder MRT kann in seltenen Fällen erforderlich sein, um eine ektope Schwangerschaft zu diagnostizieren.

Indikationen zur Überweisung/Klinikeinweisung

  • Bei klinischem Verdacht auf eine extrauterine Schwangerschaft ist eine unverzügliche gynäkologische Untersuchung angeraten.
  • Patientinnen mit einem akuten Abdomen sollten sofort ins Krankenhaus eingewiesen werden.

Therapie

Allgemeines zur Therapie

  • Welche Therapie infrage kommt, hängt entscheidend von der Art der Extrauteringravidität, der Serumkonzentration von Beta-hCG, dem Ausmaß der Blutung und dem Allgemeinzustand der Patientin ab.
  • Wenn möglich, sollte eine organerhaltenden Therapie angestrebt werden, um weitere unkomplizierte Schwangerschaften zu ermöglichen.
  • Manchmal ist eine Kombination verschiedener Verfahren sinnvoll.

Abwartendes Vorgehen

  • Etwa 1/3 aller extrauterinen Schwangerschaften bilden sich spontan zurück.
  • Liegt lediglich ein positiver Schwangerschaftstest vor ohne irgendwelche klinischen Symptome, kann unter sehr engmaschigen Kontrollen des hCG-Wertes
    und sonografischen Kontrollen ein abwartendes Vorgehen gewählt werden.

Operative Therapie

  • Bei starken Blutungen, starken Schmerzen, instabilen Patientinnen und/oder V. a. eine Tubenruptur sollte eine sofortige operative Revision erfolgen.
  • Mittel der 1. Wahl ist die Laparoskopie, wenn dies nicht möglich ist, kann eine Laparatomie erfolgen.
  • Auch hier sollte versucht werden, organerhaltend zu operieren; manchmal muss der Eileiter vollständig entfernt werden.
  • Befindet sich die ektope Schwangerschaft im Bereich einer alten Uterotomienarbe nach Sectio, kommt alternativ eine Dilatation und Kürettage, verbunden mit einer Uterusarterienembolisation, in Betracht.5
  • Auch bei Patientinnen ohne schwerwiegende Symptomatik kann das operative Vorgehen das Mittel der Wahl sein, alternativ medikamentöse Therapie mit MTX.

Medikamentöse Therapie

  • Bei Patientinnen ohne klinische Symptomatik und mit niedrigen hCG-Werten
    (unter 1.000 U/ml), kann eine Therapie mit Methotrexat (MTX) durchgeführt werden.10-11
  • Normalerweise reicht eine einmalige Dosis (50 mg/m2 Körperoberfläche i. m., entspricht ca. 1 mg/kg Körpergewicht) aus, manchmal – vor allem bei höheren Beta-hCG-Werten – ist eine 2. Dosis sinnvoll.12
  • Kontraindikationen1
    • Beta-hCG-Werten > 5.00013
    • gleichzeitige intrauterine Gravidität
    • Immunsuppression
    • Hämoinstabilität
    • fehlende Möglichkeit der Nachbeobachtung

Psychologische Mitbetreuung

  • Eine psychologische Mitbetreuung nach einer durchlittenen Notfalloperation, durch den Abbruch einer wahrscheinlich gewünschten Schwangerschaft und die Gefahr einer resultierenden Infertilität ist empfehlenswert.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Etwa 1/3 aller extrauterinen Schwangerschaften bilden sich spontan zurück, häufig bevor sie überhaupt bemerkt werden.
  • Kommt es zu klinischen Symptomen, kann ein abwartendes Vorgehen nicht empfohlen werden.
  • Nach jeder erfolgreichen Therapie kommt es zu schneller Rückbildung des Beta-hCG-Wertes.

Komplikationen

Prognose

  • Bei frühzeitiger Diagnose und Behandlung ist die Prognose gut.
  • Das Risiko einer erneute Extrauteringravidität ist bei Patientinnen, die dies bereits durchgemacht haben, bis zu 10 % erhöht.6
  • Besteht nach einer Extrauteringravidität nach wie vor ein Kinderwunsch, sollte möglichst 6 Monate bis zu einer erneuten Schwangerschaft abgewartet werden.10
  • Sind bleibende Schäden an den Tuben zu befürchten, kann evtl. die primäre Planung einer In-vitro-Fertilisation eine weitere Extrauteringravidität vermeiden helfen.10

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Schwangerschaft ausserhalb der Gebaermutter.jpg
Schwangerschaft außerhalb der Gebärmutter

Quellen

Literatur

  1. Taran FA, Kagan KO, Hübner M, Hoopmann M, Wallwiener D, Brucker S: The diagnosis and treatment of ectopic pregnancy. Dtsch Arztebl Int 2015 www.aerzteblatt.de
  2. Farquhar CM. Ectopic pregnancy. Lancet 2005; 366: 583-91. PubMed
  3. Panelli DM,Phillips CH,Brady PC, Incidence, diagnosis and management of tubal and nontubal ectopic pregnancies: a review. Fertility research and practice. 2015 www.ncbi.nlm.nih.gov
  4. Barash JH, Buchanan EM. Diagnosis and management of ectopic pregnancy. Am Fam Physician. 2014 Jul 1;90(1):34-40. PubMed
  5. Maheux-Lacroix S,Li F,Bujold E,Nesbitt-Hawes E,Deans R,Abbott J, Cesarean Scar Pregnancies: A Systematic Review of Treatment Options. Journal of minimally invasive gynecology. 2017 pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  6. Mummert T, Gnugnoli DM. Ectopic Pregnancy. [Updated 2020 Nov 20]. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2021 www.ncbi.nlm.nih.gov
  7. Barnhart KT, Sammel MD, Rinaudo PF, Zhou L, Hummel AC and Guo W. Symptomatic patients with an early viable intrauterine pregnancy: HCG curves redefined. Obstet Gynecol 2004; 104: 50-5. PubMed
  8. Crochet JR, Bastian LA, Chireau MV. Does this woman have an ectopic pregnancy?: the rational clinical examination systematic review. JAMA 2013 Apr 24;309(16):1722-9 . doi:10.1001/jama.2013.3914. DOI
  9. Kirk E, Bourne T. Diagnosis of ectopic pregnancy with ultrasound. Best Pract Res Clin Obstet Gynaecol. 2009;23(4):501–508. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  10. Ramsauer B. Extrauteringravidität: Immer noch ein Notfall in der Gynäkologie. gyne 2018 www.cme.mgo-fachverlage.de
  11. Hajenius PJ, Mol F, Mol BWJ, Bossuyt PMM, Ankum WM, Van der Veen F. Interventions for tubal ectopic pregnancy. Cochrane Database of Systematic Reviews 2007, Issue 1. Art. No.: CD000324. Cochrane (DOI)
  12. Mirbolouk F, Yousefnezhad A, Ghanbari A. Predicting factors of medical treatment success with single dose methotrexate in tubal ectopic pregnancy: a retrospective study. Iran J Reprod Med. 2015; 13(6): 351-4. pmid:26330849 PubMed
  13. Sagiv R, Debby A, Feit H, Cohen-Sacher B, Keidar R, Golan A. The optimal cutoff serum level of human chorionic gonadotropin for efficacy of methotrexate treatment in women with extrauterine pregnancy. Int J Gynaecol Obstet. 2012;116(2):101–104. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov

Autor*innen

  • Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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