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Schwangerschafts- und Wochenbettdepression

Zusammenfassung

  • Definition:Peripartale Depressionen umfassen die antenatale, in der Schwangerschaft auftretende, sowie die postpartale Depression, die meist innerhalb von 4 Wochen nach der Geburt auftritt.
  • Häufigkeit:Prävalenz ca. 10–15 % aller Schwangeren/Gebärenden.
  • Symptome:Niedergeschlagenheit, Weinanfälle, Freudlosigkeit, Schlaflosigkeit, Erschöpfung, Essstörungen, Suizidgedanken sowie wiederkehrende Gedanken an den Tod.
  • Befunde:Die klinischen Befunde sind sehr vielfältig und meist Folge der psychischen Belastung.
  • Diagnostik:Insbesondere eingehende Anamnese, ggf. gestützt durch Fragebögen, sowie klinische Untersuchung. Weitere Untersuchungen sind insbesondere zum Ausschluss von Differenzialdiagnosen von Bedeutung.
  • Therapie:Entlastung und Unterstützung, ggf. Psychotherapie und Antidepressiva. Stationäre Behandlung bei schwerer Depression.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Depressionen mit peripartalem Beginn umfassen antepartale (in der Schwangerschaft beginnende) und postpartale Depressionen mit Beginn bis zu 12 Wochen nach Entbindung.1-2
    • Abzugrenzen ist die postpartale Depression vom „Post Partum Blues“ (Stimmungsschwankungen in den ersten Tagen nach der Entbindung bei ca. 50–80 % aller entbindenden Frauen) und von „Post-Partum-Psychosen“ mit abruptem Beginn innerhalb eines Monats nach Entbindung.
    • Ca. 1/3 aller Geburtsdepressionen beginnen während der Schwangerschaft.3
  • Die postpartale Depression ist die häufigste Geburtskomplikation.2,4-5
  • Der Zustand variiert zwischen leichten Beschwerden bis hin zu schwerer Depression.
  • Symptome umfassen:6-7
    • Niedergeschlagenheit, Weinanfälle, Freudlosigkeit, Schlaflosigkeit, Erschöpfung, Essstörungen, Suizidgedanken, wiederkehrende Gedanken an den Tod
    • Das Suizidrisiko ist erhöht.5

Häufigkeit

  • Prävalenz in der Schwangerschaft ca. 10–12 % und für postpartale Depressionen ca. 10–15 %1-4,6-8
  • Häufig übersehenes Krankheitsbild
  • Inzidenz scheint bei Teenagermüttern überdurchschnittlich hoch zu sein.9-10

Ätiologie und Pathogenese

  • Ursachen der peripartalen Depression sind vermutlich multifaktoriell.3,7
  • Als mögliche Auslöser oder verstärkende Faktoren werden diskutiert:
    • erniedrigte Östrogenspiegel
    • Dysfunktion der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse
    • Schilddrüsendysfunktion
    • schnelles Absinken der Schwangerschaftshormone nach der Geburt11
    • Stress
    • frühere Depressionsepisoden
    • geringe soziale Unterstützung
    • schwierige partnerschaftliche Verhältnisse
    • familiäre Disposition sowie12-15
    • physische und psychische Gewalt.16
  • Niedriges Geburtsgewicht und Tabakkonsum während der Schwangerschaft gelten als weitere Risikofaktoren.8
  • Folgende Faktoren scheinen eher eine untergeordnete Rolle zu spielen:
    • Bildungsgrad der Mutter
    • Geschlecht des Kindes
    • Ob gestillt wird.
    • Geburtsart
    • Ob die Schwangerschaft geplant war.17

Disponierende Faktoren

  • Folgende Risikofaktoren gelten als prädisponierend:7,18
  • Die Inzidenz postpartaler Depression scheint erhöht zu sein bei Frauen, die unter Todesangst während der Geburt litten.19

ICPC-2

  • P76 Depressive Störung

ICD-10

  • F53 Psychische und Verhaltensstörungen im Wochenbett, nicht anderweitig klassifiziert
    • F53.0 Leichte psychische und Verhaltensstörungen im Wochenbett, nicht anderweitig klassifiziert (einschließlich postnataler Depression und postpartaler Depression)
    • F53.1 Schwere psychische und Verhaltensstörungen im Wochenbett, anderenorts nicht klassifiziert
      • Inkl.: Puerperalpsychose o.n.A.
    • F53.8 Sonstige psychische und Verhaltensstörungen im Wochenbett, anderenorts nicht klassifiziert
    • F53.9 Psychische Störung im Wochenbett, nicht näher bezeichnet

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Analog zur Depression außerhalb von Schwangerschaft und Wochenbett1,7
  • Zustand muss mindestens über 2 Wochen angedauert haben und darf kein direktes Ergebnis einer somatischen Erkrankung oder von Drogenmissbrauch sein.
  • Mindestens 2 der 3 Hauptsymptome:
    • depressive Stimmung
    • Interessen- und Freudlosigkeit
    • verminderter Antrieb oder erhöhte Müdigkeit
    • plus mindestens 2 der 7 Nebensymptome:
      1. verminderte Konzentrationsfähigkeit und Aufmerksamkeit
      2. vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen
      3. Schuldgefühle und Gefühle von Wertlosigkeit
      4. negative und pessimistische Zukunftsperspektiven
      5. Suizidgedanken oder Suizidhandlungen
      6. Schlafstörungen
      7. Appetitminderung.

Leichte depressive Episode

  • 2 Hauptsymptome + mindestens 2 Nebensymptome, keines der Symptome zeigt eine schwere Ausprägung.
  • Üblicherweise gelingt es den Patientinnen noch, unter größten Anstrengungen im sozialen und beruflichen Umfeld zu funktionieren.

Mittelgradige depressive Episode

  • 2 Hauptsymptome + mindestens 4 Nebensymptome, mehrere der Symptome zeigen eine schwere Ausprägung.
  • Üblicherweise gelingt es den Patientinnen nicht mehr, im sozialen und beruflichen Umfeld zu funktionieren.

Schwere depressive Episode

  • Alle 3 Hauptsymptome + mindestens 6 Nebensymptome, mehrere der Symptome zeigen eine schwere Ausprägung.
  • Den Patientinnen gelingt es in der Regel nicht mehr, im sozialen und beruflichen Umfeld zu funktionieren; bereits einfache alltägliche Verrichtungen bereiten große Schwierigkeiten.

Differenzialdiagnosen

  • Postpartale Niedergeschlagenheit (Baby Blues)
  • Postpartale Psychose (häufig affektive Erkrankung)
    • Beginnt meist 2–3 Tage nach der Geburt.
    • Häufig bipolares Bild mit manischen (Unruhe, Schlaflosigkeit und Reizbarkeit) im raschen Wechsel mit depressiven (Niedergeschlagenheit) Episoden.
    • Mutter hat häufig Wahnvorstellungen im Hinblick auf das Kind.
    • Hohes Risiko für Infantizid und Suizid.
  • Hypothyreose
  • Hyperthyreose

Anamnese

  • Einstiegsfrage: „Fühlten Sie sich in letzten zwei Wochen überwiegend niedergeschlagen oder bestand ein geringeres Interesse oder verminderte Freude an Aktivitäten?“
    • Falls Patientin bejaht, besteht starker Verdacht auf eine Depression.
    • Angstzustände sind häufig vorherrschend, insbesondere Unruhe und Zwangsgedanken in Bezug auf das Kind.
  • Evaluation des Schweregrades: „Fühlen Sie sich zunehmend eingeschränkt in Bezug auf die Bewältigung Ihrer Arbeit, häuslicher Aufgaben oder die Interaktion mit anderen Menschen?"
  • Nutzung des PHQ9-Fragebogens
  • Wichtig ist eine Abgrenzung zur Niedergeschlagenheit, die viele Mütter in den ersten Tagen nach Geburt erleben (Baby Blues):
    • Häufigkeit des Baby Blues wird mit 40–80 % angegeben.20
    • Mögliche Symptome sind Weinkrämpfe, Niedergeschlagenheit, Reizbarkeit, Angstzustände sowie Verwirrung.
    • meist um den 4. Tag nach der Geburt am stärksten und im Laufe einiger Tage bis Wochen abnehmend
  • Differenzialdiagnostisch sollte eine postpartale Psychose bedacht werden.
  • Bei leichten depressiven Gefühlen Kontrolle nach 2–4 Wochen
    • Unmittelbar sind Behandlungsmaßnahmen in Form von Entlastung und Unterstützung durch Familie und Hebamme sinnvoll.
  • Edinburgh Postnatal Depression Scale
    • International validiertes Screening-Instrument zur Beurteilung, ob eine Depression vorliegt (Selbstbeurteilungsbogen).21-23
  • Einschätzung des Suizidrisikos
    • Bestehen Suizidgedanken oder konkrete Suizidpläne?

Klinische Untersuchung

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • In der Regel nicht indiziert

Indikation zur Überweisung/Klinikeinweisung

  • Überweisung an Psychiatrie bei:
    • bei Unsicherheit bezüglich Diagnose und/oder Therapie.
  • Einweisung, wenn akute Gefahr für Wohl der Mutter und/oder des Kindes besteht.
    • Suizidgedanken oder Gedanken, dem Kind Schaden zufügen zu wollen.
    • mangelnde Fähigkeit der Selbst- und Kindesfürsorge
    • Gemeinsame Aufnahme von Mutter und Kind hat einen günstigen Effekt auf die Entwicklung der Mutter-Kind-Beziehung.21

Einweisung gegen den Willen der Patientin

  • Einweisung ohne Einverständnis der Patientin kann in folgenden Fällen möglich sein:
  • Rechtfertigender Notstand (Paragraf 34 StGB): Erlaubt ärztlich indizierte Behandlungsmaßnahmen zur Abwendung von Gefahr im Notfall auch ohne Einwilligungsfähigkeit des Patienten.22
  • PsychKG („Psychisch-Kranken-Gesetz“) regelt die Unterbringungsmodalitäten („Zwangseinweisung“)
    • bundesländerspezifisch
    • Einweisung kann bei Eigen- oder Fremdgefährdung durch jeden Arzt und Bürger beim Gericht angeregt werden, die Unterbringung erfolgt durch einen richterlichen Beschluss.22
  • BtG (Betreuungsgesetz): Bei krankheitsbedingtem Unvermögen der Patientin, ihre Angelegenheiten zu regeln, kann eine Betreuung eingerichtet werden.
    • Besteht diese bereits, kann der Betreuer hinzugezogen werden.
    • Antrag hierfür kann beim zuständigen Gericht eingereicht werden und wird meist nach fachärztlichem (psychiatrischem) Gutachten entschieden, wobei die Betreuung zeitlich und für umschriebene Wirkungsbereiche (z. B. Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsort) begrenzt wird.22

Therapie

Therapieziele

  • Rasche Normalisierung der Stimmungslage und Vorbeugen eines Rückfalls
  • Verhinderung von Suizid, Selbstverletzung und Gefährdung des Kindeswohls
  • Verbesserung der Interaktion zwischen Mutter und Kind
  • Vorbeugen weiterer depressiver Episoden

Allgemeines zur Therapie

  • Eine Psychotherapie ist die Behandlungsmethode der Wahl bei Depressionen in der Schwangerschaft und postpartalen Depressionen.1,7
  • Leichte bis mäßige Depressionszustände
    • Entlastung und Unterstützung vonseiten der Familie
    • unterstützende Behandlung oder häufige Hausbesuche von medizinischem Fachpersonal, z. B. einer Hebamme
    • Eine solche Behandlung kann ohne sichere Diagnose begonnen werden.
    • Leichte Formen erfordern keine medikamentöse Behandlung.
  • Schwere postpartale Depression
    • Einweisung ohne Wartezeiten für die Patientin erwägen.
    • Kognitive Therapie oder interpersonelle Psychotherapie ist auch für diese Gruppe die 1. Wahl.23
    • Die Behandlung mit einem Antidepressivum kann ebenfalls indiziert sein.1-2

Medikamentöse Therapie

  • Der Abschnitt basiert, sofern nicht anders gekennzeichnet, auf dieser Referenz.1
  • Gabe von Psychopharmaka während Schwangerschaft und Stillzeit nur nach sorgfältiger Nutzen- und Risikoabwägung in Kenntnis
    • der individuellen Vorgeschichte (Rezidivrisiko)
    • des bisherigen Ansprechens auf Medikamente
    • der Verfügbarkeit und des potenziellen Nutzens alternativer Maßnahmen (Psychotherapie)
    • und der Präferenz der betroffenen Frauen.
  • Grundregeln
    • Prüfung der Medikamente in Schwangerschaft und Stillzeit mittels Embryotox
    • Monotherapie sollte bevorzugt werden.
    • Selektive Serotonin-Reuptake-Inhibitoren (SSRI) und trizyklische Antidepressiva (TZA) können angeboten werden.
    • Geringste effektive Dosis wählen.
    • Einfluss fluktuierender medikamentöser Plasmaspiegel während der Schwangerschaft ist zu berücksichtigen.
    • regelmäßiges Monitoring der Wirkstoffspiegel und Anstreben eines niedrigen wirksamen Wirkstoffspiegels
    • Abruptes Absetzen der Medikation vermeiden.
  • Sämtliche Psychopharmaka können Schwangerschaftsverlaufs- und Geburts-komplikationen hervorrufen und zu zentralnervösen, gastrointestinalen und respiratorischen Anpassungsstörungen beim Neugeborenen führen.
    • Bei intrauteriner Exposition des Fetus zu Psychopharmaka sollte die Geburt in einer Klinik mit angeschlossener Neonatologie erfolgen.

SSRI

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der gesamte Abschnitt auf dieser Referenz.1
  • Sertralin und Citalopram gehören zu den Mitteln der Wahl bei pharmakologisch therapiebedürftiger Depression in der Schwangerschaft.24
    • Paroxetin nur dann akzeptabel, wenn dieses sich bei einer Patientin nach schwieriger Einstellungsphase als vorteilhaft erwiesen hat.25
  • Studienlage SSRI allgemein
  • Dosierung
    • Als Startdosis wird die Hälfte der Standarddosis (siehe Fachinformation des jeweiligen Medikamentes) über 4 Tage empfohlen, danach eine vorsichtige Erhöhung unter Kontrolle möglicher UAW bis komplette Remission erreicht ist.
  • Dauer
    • Spricht die Patientin binnen 6–8 Wochen auf die Therapie an, sollte die Dosierung für 6 Monate beibehalten und danach ausgeschlichen werden.
    • Ist nach 6 Wochen keine Besserung eingetreten, kann eine Überweisung an Psychiatrie sinnvoll sein.

Trizyklische Antidepressiva

  • Amitriptylin, Imipramin und Nortriptylin Mittel der Wahl1,24,29
    • Monotherapie mit der geringsten effektiven Dosis anstreben (siehe Fachinformation des jeweiligen Medikamentes).
    • regelmäßiges Monitoring der Wirkstoffspiegel
    • Medikation nicht abrupt absetzen.

Weitere Medikamente

  • Weitere Antidepressiva
    • Nur nach individueller Risikoabwägung, falls die Patientin bereits gute Erfahrungen mit einem anderen Typ eines Antidepressivums gemacht hat.
    • Rücksprache mit Psychiater*in sinnvoll.
  • Johanniskraut
    • Wird aufgrund des erhöhten Vorkommens von Nebenwirkungen nicht bei stillenden Frauen empfohlen.30

Antidepressiva und Stillen

  • Sämtliche Antidepressiva gehen in die Muttermilch über.
  • Bei Gabe der niedrigsten wirksamen Dosis und fehlenden Anzeichen für eine Beeinflussung des Kindes durch das Medikament besteht keine Kontraindikation für das Stillen.2

Hausärztliche Therapie

  • Soweit nicht anders gekennzeichnet, basiert der gesamte Abschnitt auf dieser Referenz.7
  • Ansprechpartner*in für die Patientinnen in Kenntnis der biopsychosozialen Hintergründe
    • Regelmäßige Gesprächsangebote bereits während der Schwangerschaft, z. B. im Rahmen der Kontrollen von TSH, Blutbild und Blutdruck.
    • möglichst umfassende Aufklärung über medizinische Aspekte und Informationsmöglichkeiten für die (werdenden) Eltern
    • explizite Befragung zu psychischem Befinden, ggf. Einsatz von Fragebögen (z. B. PHQ-9).
    • Elternberatung mit dem Ziel der Unterstützung frühestmöglicher familiärer Reorganisation nach der Geburt
  • Lotsenfunktion
    • Zusammenarbeit und Kommunikation mit Gynäkolog*in
    • frühzeitige Vermittlung oder Einbeziehung familiärer, sozialer, psychologischer oder psychotherapeutischer Unterstützung
  • Kontrolle und Überwachung der medikamentösen Therapie
    • ggf. Spiegelkontrollen der antidepressiv wirksamen Medikamente
    • Überwachung von Blutbild, TSH, Kreatinin, GOT und GPT.
    • Überwachung der frequenzkorrigierten QT-Zeit mittels EKG
  • Verbindliche und regelmäßige Folgetermine vereinbaren.

Supportive Maßnahmen

  • Unterstützung und Entlastung für häusliche Tätigkeiten empfehlen.
  • Auf ausreichende Pausen und genügend Schlaf hinweisen.
  • Auf sozialmedizinische Nachsorge hinweisen.7
    • Die Leistungserbringung ist mit den Krankenkassen zu vereinbaren und jeweils ein Einzelantrag zu stellen.
  • Leichtes bis moderates aerobes Training lindert nachweislich leichte bis mittelschwere depressive Symptome.31 
  • Psychotherapie hat sich auch bei postpartaler Depression als effektiv erwiesen.32-34
  • Elektrokrampftherapie (EKT)35
    • Bei schwerer Erkrankung kann EKT erwogen werden.
    • Gefahr einer vorübergehenden reduzierten Herzfrequenz des ungeborenen Kindes sowie erhöhtes Risiko einer Frühgeburt.
    • Bei schwerer behandlungsresistenter Depression (z. B. vitale Bedrohung) in der Schwangerschaft kann eine EKT angeboten werden.1

Prävention

  • Soweit nicht anders gekennzeichnet, basiert der gesamte Abschnitt auf dieser Referenz.7
  • Frühere postnatale Depression
    • Bei früherer schwerer postpartaler Depression beträgt das Risiko für eine erneute Episode ca. 25 %.
    • Bei Frauen mit früherer Depression kann eine prophylaktische Behandlung mit SSRI-Präparaten wirksam sein.36
    • Eine engmaschige Beobachtung in den ersten Wochen nach der Geburt ist ratsam.
  • Gespräche und Beratung37
  • Präventive Maßnahmen38
    • Programm zur Schulung des medizinischen Fachpersonals
    • erhöhte Aufmerksamkeit im Hinblick auf Anzeichen einer Depression
    • psychosoziale oder psychologische vorbeugende Intervention39
      • intensive, professionelle Unterstützung nach der Geburt
      • Stabilisierung des familiären Systems sowie langfristige Sicherung medizinischer Behandlungserfolge40
    • Keine Dokumentation darüber, ob Ernährungsmaßnahmen mit Selen, Docosahexaensäure (DHA) oder Eicosapentaensäure (EPA) der Entwicklung einer postnatalen Depression vorbeugen.41

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Im Durchschnitt dauert eine unbehandelte postpartale Episode mit Depressionen 7 Monate.42
  • Die meisten Episoden enden innerhalb von 3–6 Monaten von selbst43, allerdings ist 1 von 4 betroffenen Müttern zum Zeitpunkt des ersten Geburtstages ihres Kindes nach wie vor depressiv.44

Komplikationen

  • Beim Kind
    • Beeinträchtigung der Mutter-Kind-Beziehung insbesondere im 1. Lebensjahr, das für die kindliche Entwicklung besonders wichtig ist.6
    • mögliche negative Beeinflussung der kognitiven und emotionalen Entwicklung des Kindes45-47
  • Bei der Mutter
    • Bei Frauen, die an einer schweren psychiatrischen Erkrankung in der postpartalen Phase leiden, besteht im 1. Jahr nach der Geburt ein erhöhtes Suizidrisiko.48
    • Daher ist ein regelmäßiges und langfristiges klinisches Follow-up insbesondere im 1. Jahr nach der Geburt wichtig.

Prognose

  • Rezidiv49
    • 50–85 % der Frauen, die phasenweise an einer schweren Depression litten, erleben nach Beendigung der Behandlung mindestens eine neue Episode.
    • Das Risiko nimmt mit der Anzahl der früheren Episoden zu.
    • Daher sollte bei Frauen, die 3 oder mehr schwere Episoden einer Depression erlebt haben, eine Langzeitbehandlung empfohlen werden.

Verlaufskontrolle

  • Regelmäßiges und langfristiges Follow-up ist wichtig.
    • hausärztliche/gynäkologische Gesprächsangebote
  • Insbesondere im ersten Jahr nach der Geburt besteht ein erhöhtes Suizidrisiko.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Leitlinien

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Autor*innen

  • Moritz Paar, Dr. med., Facharzt für Allgemeinmedizin, Münster/W.
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
F53; F530; F531; F538; F539
postpartum depresjon; depresjon; svangerskaps- og barselsdepresjon; postpartumdepresjon; Peripartale Depression
P76
Postpartum Depression; Depression; Schwangerschaftsdepression; Wochenbettdepression; Postnatale Depression; Postpatale Depression; Peripartale Depression; Post partum blues; Geburtsdepression; Geburtskomplikation; SSRI
Schwangerschafts- und Wochenbettdepression
U-NH 02.01.18
BBB MK 19.10.2021 umfassend revidiert, aktuelle LL. check GO 7.2.
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Definition:Peripartale Depressionen umfassen die antenatale, in der Schwangerschaft auftretende, sowie die postpartale Depression, die meist innerhalb von 4 Wochen nach der Geburt auftritt.
Schwangerschaft/Geburtshilfe
Peripartale Depression
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Peripartale Depression
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