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Mundtrockenheit (Xerostomie)

Zusammenfassung

  • Definition:Subjektiv empfundene Mundtrockenheit mit oder ohne verminderter Speichelproduktion (Hyposalivation).
  • Häufigkeit:Inzidenz von 10–33 % pro Jahr. Häufiger mit fortgeschrittenem Lebensalter (Prävalenz 30 % bei Alter > 65 Jahre). 
  • Symptome:Gefühl eines trockenen und klebrigen Mundes, Schäden an Mundschleimhaut und Zunge, Schluck- und Sprechstörungen, Geschmacksstörungen, Halitosis, Zahnkomplikationen.
  • Befunde:Zeichen der intra- und extraoralen Folgeerscheinungen (z. B. Schleimhautulzerationen, Karies) sowie ggf. Hinweise auf Ursachen (Dehydratation, Sjögren-Syndrom).
  • Diagnostik:Diagnose ergibt sich aus der Anamnese.; Ggfggf. zusätzliche Untersuchung der Speicheldrüsenfunktion sowie ätiologische Diagnostik.
  • Therapie:Behandlung der Grunderkrankung. Darüber hinaus symptomatische Therapie mit Allgemeinmaßnahmen, Stimulanzien der Speichelproduktion sowie künstlichem Speichelersatz. Prävention von Komplikationen.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Xerostomie bezeichnet eine subjektiv empfundene Mundtrockenheit.1-4
    • Sie kann mit oder ohne Hyposalivation auftreten.
  • Hyposalivation bezeichnet eine reduzierte Produktion von Speichel.2-3,5
    • Der Speichel ist von entscheidender Bedeutung für die orale Gesundheit.

Häufigkeit

  • Inzidenz von etwa 10–26  % bei Männern und 10–33  % bei Frauen.3,5
  • Insbesondere Menschen mittleren und fortgeschrittenen Lebensalters sind betroffen.2-3
    • Prävalenz von 30  % bei Menschen über 65 JahrenJahre2

Ätiologie und Pathogenese

Ätiologie1-3,6-8

Pathogenese1-3,9-11

  • Speichelproduktion
    • groGroße Kopfspeicheldrüsen geben Sekrete vor allem nach Stimulation (Essen, Kauen) ab.
    • zahlreicheZahlreiche kleine Speicheldrüsen in Lippen und Wangen geben kontinuierlich Sekret ab.
  • Normaler Speichelfluss
    • interindividuell sehr variabel
    • etwa 1,5–2,0  ml/min bei Stimulation (z.  B. beim Kauen von Nahrung)
    • etwa 0,25–0,4  ml/min in Ruhe
  • Verminderter Speichelfluss (Hyposalivation)
    • unter 0,5–0,7  ml/min bei Stimulation
    • unter 0,1–0,16  ml/min in Ruhe
    • subjektive Mundtrockenheit meist ab einer Reduktion der Speichelproduktion um die Hälfte
  • Lokale Folgeerscheinungen des verminderten SpeichelflussSpeichelflusses
  • Häufige extraorale Begleiterscheinungen
    • Trockenheit der Nasenschleimhaut und Nasenbluten
    • Geruchsstörungen
    • Augentrockenheit mit Augenbrennen (Keratoconjunctivitis sicca)
    • Trockenheitsgefühl im Hals mit Heiserkeit und chronischem Husten
    • Hauttrockenheit
    • Verdauungsstörungen mit Sodbrennen, Verstopfungen, Appetitlosigkeit, Brechreiz oder Durchfall
    • Miktionsbeschwerden mit verstärktem Harndrang

ICPC-2

  • D20 Mund-/Zungen-/Lippenbeschwerden

ICD-10

  • K11 Krankheiten der Speicheldrüsen
    • K11.7 Störungen der Speichelsekretion [Xerostomie]
  • R68 Sonstige Allgemeinsymptome
    • R68.2 Mundtrockenheit, nicht näher bezeichnet

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Die Diagnose beruht im Wesentlichen auf der Anamnese.
  • Methoden zur Speichelflussmessung zum Nachweis einer Hyposalivation
  • Xerostomie ist keine normale Alterserscheinung und sollte weitergehend abgeklärt werden.2

Anamnese

Beschwerden1-3

Ursachen1-3

Klinische Untersuchung

  • Allgemeine körperliche Untersuchung1,3
  • Untersuchung des Mund-Rachen-Raums auf Zeichen der Xerostomie:2-3,11
    • Speichel mit zähflüssiger Konsistenz
    • fehlender Glanz der Mundschleimhaut
    • fehlende Speichelreste am Mundboden
    • rissige Lippen und Zunge
    • Schleimhautdefekte (Rissbildung, Fissuren, Ulzerationen)
    • Zahnfleischentzündung
    • orale Infektionen (v.  a. CandidiaCandida-Stomatitis).
  • Untersuchung der Speicheldrüsen3
    • Ohrspeicheldrüse (Glandula parotis) und Unterkieferspeicheldrüse (Glandula submandibularis)
    • ggf. vergrößert bei Speicheldrüsenerkrankungen, Sjögren-Syndrom, HIV
  • Siehe auch Artikel Läsionen der Mundhöhle.

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

Diagnostik bei Spezialist*innen

Prüfung des Speichelflusses2-3,7

  • Bei diagnostischer Unklarheit
  • Quantitative Erfassung der Speichelproduktion über einen festgelegten Zeitraum (z.  B. 15  min.)
    • Verfahren teilweise ungenau
  • Speichelfluss in Ruhe
    • physiologischer stimulierter Speichelfluss ca. 0,25–0,4  ml/min
    • pathologisch unter 0,1  ml/min
  • Stimulierter Speichelfluss
    • z.  B. durch Kauen von Paraffinwachs und Kollektion des Speichels
    • physiologischer stimulierter Speichelfluss ca. 1,5  ml/min
    • pathologisch unter 0,7  ml/min
  • In Einzelfällen bildgebende Verfahren zur Darstellung des Speichelflusses (Sialografie und Szintigrafie)

Indikationen zur Überweisung

  • Abhängig von der vermuteten Ursache ggf. weiterführende Diagnostik und Therapie (z.  B. HNO oder Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie)
  • Bei Verdacht auf ein primäres oder sekundäres Sjögren-Syndrom Überweisung an Rheumatolog*innen2

Therapie

Therapieziele

  • Beschwerden lindern.
  • Folgeerscheinungen vermeiden.
  • Behandlung mMöglichergliche Grunderkrankungen behandeln.

Allgemeines zur Therapie

  • Behandlung der Ursache anstreben2-3
    • z.  B. Medikamentenumstellung
  • Symptomatische Therapieoptionen:2-3
    • allgemeine unterstützende Maßnahmen
    • Substitution der Speichelflüssigkeit
    • Stimulation der Speichelsekretion
  • Maßnahmen zur Zahn- und Mundpflege sind äußerst bedeutend zur Prävention von Komplikationen.
    • z.  B. Desinfektion von ZahnersatzesZahnersatz

Allgemeine Maßnahmen2-4,12

  • Anwendung nichtalkoholischer Mundspüllösungen
  • Kauen von Kaugummis oder Lutschtabletten zur Stimulation der Speichelproduktion
  • Mund- und Lippenpflege (z.  B. Cremes)
  • Fluoridhaltige Zahncremes zur Kariesprävention
  • Gründliche Reinigung der Zähne, Zunge und Mundhöhle nach den Mahlzeiten
  • Ausreichende Flüssigkeitszufuhr
    • Wasser im Mund bewegen, bevor es geschluckt wird.

Xerostomie in der Terminalphase13

  • Sowohl Medikamente als auch Erkrankungen können zu Mundtrockenheit in der Terminalphase führen.
  • Symptome wie Durst und Mundtrockenheit korrelieren nicht unbedingt mit dem Hydrierungszustand des Körpers.
    • häufig Ausdruck von Angst und Depression oder Nebenwirkung von Medikamenten und Sauerstofftherapie
  • Lokale Behandlung der Beschwerden empfohlen
    • lassenLassen sich normalerweise nicht durch intravenöse Flüssigkeit lindern.
    • regelmäßig Befeuchtung der Mundschleimhäute, Zunge und Lippen
    • ggf. Bepinseln mit 75  % Glyzerol in Wasser aufgelöst, Speichelersatzmitteln oder Lippenpomade

Medikamentöse Therapie

Substitution der Speichelflüssigkeit2-3,12

  • Spraypräparate, Lutschtabletten oder Gele mit künstlichem Speichelersatz
  • Vielzahl verschiedener Präparate auf unterschiedlicher Basis
    • z.  B. Mucin, Celluloseverbindungen, Sorbitol, Leinsamenöl, Polyethylenoxid, Glycerin-Glycerylpolyacrylat oder Wasser
  • Die Wirkdauer ist abhängig von der Viskosität.
  • Sollten um die Mahlzeiten herum eingesetzt werden.
  • Im Idealfall zusätzlich antimikrobielle und remineralisierende Wirkung

Speicheldrüsenstimulantien (Sialogoga)

  • Pilocarpin8,14-15
    • Parasympathomimetikum
    • kannKann zur Verbesserung der Mundtrockenheit und verringertem Bedarf an künstlichem Speichelersatz führen.
    • Nebenwirkungen u.  a. Schwitzen, Verwirrtheit,  Bronchokonstriktion,  Blutdrucksenkung
    • Dosierung: 5  mg Pilocarpin 3- bis 4-mal tgl.17
  • Amifostin
    • zugelassen zur Prävention von akuter und chronischer Xerostomie nach Strahlentherapie im Kopf-Hals-Bereich18
      • niedrige Evidenz zur kurz- und mittelfristigen Wirksamkeit bis 3 Monate nach Radiatio in einer Cochrane-Metaanalyse8,16
    • hohe Kosten und zahlreiche Nebenwirkungen

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Komplikationen

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1-4
  • Dentaler Karies
    • Risikosenkung durch topische Applikation von Fluorid2
  • Parodontitis
  • Plaque-Ablagerungen
  • Ulzerationen
  • SchleimhaufinfektionenSchleimhautinfektionen (z.  B. orale CandidoseKandidose)
  • Schlafstörungen durch ständiges Durstgefühl
  • Gewichtsabnahme durch mangelnde Nahrungsaufnahme

Verlaufskontrolle

  • Bei chronischer Mundtrockenheit ist eine regelmäßige zahnärztliche KontrollenKontrolle empfohlen.2

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Literatur

  1. Guggenheimer J, Moore PA. Xerostomia: etiology, recognition and treatment. J Am Dent Assoc. 2003;134(1):61-119. doi:10.14219/jada.archive.2003.0018 doi.org
  2. Hahnel S, Bürgers R, Handel G. . Xerostomie – Ätiologie, Klinik, Diagnostik und Therapie. ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt 2008; 117(7/08): 349-356. doi:10.1055/s-0028-1085939 DOI
  3. Visvanathan V, Nix P. Managing the patient presenting with xerostomia: a review. Int J Clin Pract. 2010;64(3):404-407. doi:10.1111/j.1742-1241.2009.02132.x doi.org
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  6. Scully C. Drug effects on salivary glands: dry mouth. Oral Dis. 2003;9(4):165-176. doi:10.1034/j.1601-0825.2003.03967.x DOI
  7. Jensen SB, Pedersen AM, Reibel J, et al. Xerostomia and hypofunction of the salivary glands in cancer therapy. Support Care Cancer 2003; 11: 207-25. PubMed
  8. Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. Mundhöhlenkarzinom, Diagnostik und Therapie. AWMF- Leitlinie Nr. 007-100OL, Klasse S3, Stand 2012 (abgelaufen) www.awmf.org
  9. Peters H, Schmidt-Westhausen A-M.Orale Krankheitsmanifestationen. Harrisons Innere Medizin, Thieme-Verlag 19.Auflage 21016, S. 289f.
  10. Bardow A, Nyvad B, Nauntofte B. Relationships between medication intake, complaints of dry mouth, salivary flow rate and composition, and the rate of tooth demineralization in situ. Arch Oral Biol 2001; 46: 413-23. PubMed
  11. Altmeyer P. Altmeyer.E. Die Online Enzyklopädie der Dermatologie, Venerologie, Allergologie und Umweltmedizin. Xerostomie. Zuletzt aktualisiert: 14.11.2021. Letzter Zugriff: 20.07.2022. www.enzyklopaedie-dermatologie.de
  12. Furness S, Worthington HV, Bryan G, Birchenough S, McMillan R. Interventions for the management of dry mouth: topical therapies. Cochrane Database Syst Rev. 2011;(12):CD008934. Published 2011 Dec 7. doi:10.1002/14651858.CD008934.pub2 doi.org
  13. Oehmichen F, et al. Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin. Ethische und rechtliche Gesichtspunkte der Künstlichen Ernährung. Aktuelle Ernährungsmedizin 2013; 38: 112–117. www.dgem.de
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  15. Amerongen AVN, Veerman EC. Current therapies for xerostomia and salivary gland hypofunction associated with cancer therapies. Support Care Cancer 2003; 11: 226-31. PubMed
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  17. Fachinformation (Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels/SmPC) Salagen® 5 mg Filmtabletten Wirkstoff: Pilocarpinhydrochlorid. Novartis Pharma. Stand Dezember 2014. cmss3.deximedeu-central-1.deamazonaws.com
  18. Fachinformation (Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittel) ETHYOL® 50 mg/ml Wirkstoff: Amifostin. Clinigen Healthcare. Stand Januar 2016. s3.eu-central-1.amazonaws.com

Autor*innen

  • Jonas Klaus, Arzt in Weiterbildung, Neurologie, Hamburg
  • TerjeDie Johannessenursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, professor i allmennmedisin, Institutt for samfunnsmedisinske fag, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, Trondheim
  • Hermod Petersen, professor og overlege, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet og Medisinsk avdeling, Regionsykehuset i Trondheim https://legehandboka.no/).
K11; K117 Störungen; R68; R682
Muntorrhet; Mundtrockenheit; Mundtrockenheit (Xerostomie)
D20
Trockenheit im Mund; Klebriger Mund; trockener Mund; Durst; Durstgefühl; Halitosis; Mundbrennen; Hyposalivation; Speichel; Speichelflussstörung; Speicheldrüsen; Störung der Speichelsekretion; Bestrahlungsnebenwirkung; Strahlentherapie; Kopf-Hals-Bestrahlung; Bestrahlung; Radiatio; Anticholinerg; Anticholinergika; Dehydratation; Medikamenteninduzierte Mundtrockenheit; Sjögren; Sicca-Symptomatik; Sjögren-Syndrom; Xerotomie; Xerostomie; Mundtrockenheit; Speichelersatz; Substitution von Speichel; Mucin; Cellulose; Sialogoga; Pilocarpin; Amifostin
Mundtrockenheit (Xerostomie)
BBB MK 04.08.2022 revidiert und umgeschrieben. Revision at 07.12.2015 15:35:45: German Version, MK KI Pilocarpin korrigiert 27.01.17, MK 19.04.17, Palliativ-LL in Text
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Definition:Subjektiv empfundene Mundtrockenheit mit oder ohne verminderter Speichelproduktion (Hyposalivation). Häufigkeit:Inzidenz von 10–33 % pro Jahr. Häufiger mit fortgeschrittenem Lebensalter (Prävalenz 30 % bei Alter > 65 Jahre). 
Magen-Darm-Trakt
Mundtrockenheit (Xerostomie)
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