Zusammenfassung
- Definition:Steinbildung in der Speicheldrüse oder in den Ausführungsgängen der Speicheldrüse. Entstehung aufgrund von lokalen Faktoren, Sekretionsstörungen, Mikrolithen.
- Häufigkeit:Jährlich 1 Fall pro 15.000–30.000 Personen.
- Symptome:Lokale, durch Nahrungsaufnahme verursachte Schwellungen, Schmerzen und ein Spannungsgefühl über der betroffenen Speicheldrüse.
- Befunde:Ein palpabler Stein bzw. Konkrement im Ausführungsgang oder in der Drüse selbst.
- Diagnostik:Ultraschall, evtl. MR oder CT.
- Therapie:Manipulation und evtl. operative Entfernung des Konkrements.
Allgemeine Informationen
Definition
- Steinbildung in der Speicheldrüse oder in den Ausführungsgängen der Speicheldrüse1
- Es gibt 3 Speicheldrüsen:
- Ohrspeicheldrüse (Glandula parotis)
- Unterkieferspeicheldrüse (Glandula submandibularis)
- Unterzungenspeicheldrüse (Glandula sublingualis).
- Die Steine sind am häufigsten (80–90 %) im Ausführungsgang der Unterkieferspeicheldrüse lokalisiert.
Häufigkeit
- Die Inzidenz von symptomgebenden Speicheldrüsensteinen lag in einer englischen Untersuchung bei 1:15.000–1:30.000 Einw. im Jahr.2
- Die Steinbildung macht die Hälfte aller Erkrankungen in der Speicheldrüse aus.1
Ätiologie und Pathogenese
- Die Steinbildung steht in Verbindung mit der Stagnation des Speichelflusses und entsteht aufgrund von lokalen Faktoren, Sekretionsstörungen, Mikrolithen, möglicherweise unter Beteiligung von Bakterien.3
- Eine gleichzeitige Entzündung der Drüse ist nicht selten, evtl. Trauma/Verletzung.
- Die Glandula submandibularis hat einen langen und breiten Ausgangskanal, der für Sekretstau und Steinablagerungen anfällig sein kann.
- Eine Dehydrierung und der Gebrauch von anticholinergen Medikamenten kann eine Steinbildung begünstigen.
ICPC-2
- D83 Mund-/Zungen-/Lippenerkrankung
ICD-10
- K11 Krankheiten der Speicheldrüsen
- K11.5 Sialolithiasis
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Palpable Schwellung in den Speicheldrüsen oder ihren Ausführungsgängen
- Anamnese mit Schwellung und Schmerzen in den betroffenen Speicheldrüsen, typischerweise mit Anschwellen bei der Nahrungsaufnahme
- Ultraschall, evtl. MR oder CT3
Leitlinie: Sialolithiasis – Beschreibung und Auswahl des Therapieverfahrens3
- Relevant sind:
- Symptomatik (asymptomatisch bzw. verschiedene Symptomatiken)
- Größe, Anzahl und Fixation (mobil, fixiert) der Steine
- Lage (distaler Ausführungsgang, Hilusbereich, intraparenchymales Gangsystem)
- Art der Obstruktion (Steine, Fremdkörper, Stenosen, gemischte Geschehen).
Differenzialdiagnosen
- Mumps
- Sialadenitis
- Sjögren-Syndrom/Autoimmunerkrankung
- Tumoren
- Sarkoidose
Anamnese
- Schmerzen und Schwellung, Spannungsgefühl über der betroffenen Speicheldrüse nach dem Essen
- Häufig rezidivierende Sialadenitis (Schmerzen, Schwellung, Empfindlichkeit, Eiteraustritt)
- Auch evtl. nur schmerzfreie Schwellung
Klinische Untersuchung
- Klinische Untersuchung mit Inspektion und bimanueller Palpation der Kopfspeicheldrüsen, der Ausführungsgänge
- Palpabler Stein in der vorderen Mundhöhle (gilt für Steine in der Nähe des Ausführungsausganges der Glandula submandibularis)
- Evtl. palpabler Stein im Ausführungsausgang der Glandula parotis am Kinn (am besten bimanuell palpieren)
- Evtl. palpable Konkremente auch in der Speicheldrüse selbst
Diagnostik bei Spezialist*innen
Leitlinie: Sialolithiasis – Diagnostik3
- Die Sonografie ist nach der klinischen Untersuchung das diagnostische bildgebende Verfahren der 1. Wahl.
- Eine Ultraschalluntersuchung eignet sich gut zum Nachweis von Steinen und für die Darstellung des Drüsengewebes.
- Nachteilig an der Sonografie ist die unzureichende Beurteilbarkeit des tiefen Parotisanteils, hier ergeben sich alternativ Einsatzmöglichkeiten von Magnetresonanztomografie (MRT)/Computertomografie (CT).
- Steine können auch bei normaler Röntgentechnik sichtbar sein, jedoch ist ein Teil der Steine nicht röntgendicht.
- Die Sialendoskopie kann die Ursache der Obstruktion direkt sichtbar machen. Vorteil der direkt möglichen Intervention (Spülung, Extraktion, [Laser-]Fragmentierung, Dilatation, Instillation von Medikamenten, Probebiopsie).
Indikationen zur Überweisung
- Wenn die Schwellung einige Tage besteht, wird eine Überweisung zu Spezialist*innen für HNO empfohlen.
- Eine Überweisung ist auch bei einer rezidivierenden Erkrankung angezeigt.
- In der HNO-Praxis sollte der Ausführungsgang der betroffenen Drüse mit Speichelgangsonden oder Kunststoffkathetern ohne oder mit Speichelstimulation (Zitronensäure, Ascorbinsäure, Pilocarpin)3 sondiert werden.
Therapie
Therapieziele
- Symptome lindern.
- Komplikationen verhindern.
Allgemeines zur Therapie
- Die Behandlung besteht aus der Manipulation und evtl. operativen Entfernung, evtl. Behandlung einer Infektion.
- Die Patient*innen können selbst vorsichtig die Speicheldrüse und ihren Ausführungsgang massieren und versuchen, das Konkrement „auszumelken“.
- Wenn möglich, die Anwendung von anticholinergen Medikamenten beenden.
Medikamentöse Therapie
- Sialagoga, d. h. Substanzen, die die Speicheldrüse stimulieren.
- Die Leitlinie nennt keine bestimmten Wirkstoffe.3
- Bromhexin und Pilocarpin sind nicht für die Behandlung von Sialothiasis zugelassen.
- Piocarpin ist bei Strahlentherapie induzierter Mundtrockenheit und Sjögren-Syndrom zugelassen.
- Für Anetholtrithion, ein Bestandteil von Anis, fehlen noch aussagekräftige Studien.4
- Zum Beispiel können Kaugummikauen und das Lutschen von Zitrone den Speichelfluss anregen.
- Hydratation, Mundspülungen3
- Eine schmerzstillende Behandlung mit NSAR kann indiziert sein.
Antibiotikatherapie
- Bei einer bakteriellen Entzündung der Speicheldrüse
- Vor der Behandlung sollte eine Bakterienkultur angelegt werden.
- Eine empirische Initialtherapie kann mit Aminopenicillin plus Betalaktamase-Inhibitor erfolgen.5
- z. B. Amoxicillin + Clavulansäure 3 x 0,625 g bis 3 x 1.000 mg oral
- Alternativen5
- Cephalosporine (z. B. Cefalexin 3–4 x 1 g oral),
- Clindamycin (4 x 0,3 g oral),
- Flucloxacillin (3–4 x 1 g oral), ggf. plus Metronidazol (3 x 0,4 g oral)
- Die Antibiotikawahl soll nach der Kultivierung der Bakterien angepasst werden.
- Die Antibiotikatherapie sollte 10 Tage durchgeführt werden.
- In sehr schweren Fällen i. v. Therapie
Interventionelle Verfahren
- Gangschlitzung ohne/mit Marsupialisation sowie ohne/mit Gangrekonstruktion
- Interventionelle Sialendoskopie
- Intraduktale Manipulation unter Ultraschallkontrolle
- Kombinierter Zugang: Sialendoskopie der Gl. parotis und Eröffnung der Drüse von außen
- Extrakorporale Stoßwellenlithotripsie
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Komplikationen
- Sialadenitis
- Wiederholte Episoden und Störung des Speichelabflusses können zu einer obstruktiven Sialadenitis führen.
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Illustrationen
Quellen
Leitlinien
- Dt. Ges. f. Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Obstruktive Sialadenitis. AWMF-Leitlinie Nr. 017-025. S2k, Stand 2019. www.awmf.org
- Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Antibiotikatherapie der Infektionen an Kopf und Hals. AWMF-Leitlinie Nr. 017-066. S2k, Stand 2019. www.awmf.org
Literatur
- Wilson KF, Meier JD, Ward PD. Salivary gland disorders. Am Fam Physician. 2014 Jun 1;89(11):882-888. PubMed
- Escudier MP, McGurk M. Symptomatic sialoadenitis and sialolithiasis in the English population, an estimate of the cost of hospital treatment. Br Dent J 1999; 186: 463. PubMed
- Dt. Ges. f. Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Obstruktive Sialadenitis. AWMF-Leitlinie Nr- 017/025, Stand 2019 www.awmf.org
- Alessandro Villa, Christopher L Connell,and Silvio Abati, Diagnosis and management of xerostomia and hyposalivation,Ther Clin Risk Manag. 2015; 11: 45–51. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Antibiotikatherapie der Infektionen an Kopf und Hals. AWMF-Leitlinie Nr. 017-066. S2k, Stand 2019. www.awmf.org
Autor*innen
- Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
- Heidrun Bahle, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
- Die ursprüngliche Version dieses Artikel basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).