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Leptospirose

Zusammenfassung

  • Definition:Die Leptospirose ist eine Zoonose, die durch Bakterien der Familie der Leptospiren verursacht wird. Die Übertragung erfolgt durch infizierte Tiere und ihren Urin, am häufigsten Nagetiere wie Ratten und Mäuse.
  • Häufigkeit:Die Erkrankung kommt weltweit vor, insbesondere in den Tropen und Subtropen.
  • Symptome:In der Mehrzahl der Fälle milder Verlauf mit grippeartigen Symptomen und hohem Fieber, teilweise aber auch schwere Verläufe, die verschiedene Organsysteme betreffen und tödlich verlaufen können.
  • Befunde:Die klinische Untersuchung kann unauffällig sein. Möglich sind z. B. Fieber, Konjunktivitis, Exanthem, Ikterus, Hepatosplenomegalie, Hämorrhagien, neurologische Symptome oder auffälliger pulmonaler Auskultationsbefund.
  • Diagnostik:Erhöhte Entzündungsparameter, Leukozytose, ggf. Thrombopenie, Hyperbilirubinämie, erhöhte Retentionswerte. Diagnose mittels direktem (Kultur, PCR) oder indirektem (Serologie) Erregernachweis.
  • Therapie:In der Regel Behandlung mit Antibiotika.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Leptospirose ist eine Zoonose, die durch Bakterien der Familie der Leptospiren verursacht wird.1
  • Das wichtigste Erregerreservoir sind Nagetiere, vor allem Ratten und Mäuse, aber auch zahlreiche andere Tiere sind für den Erreger empfänglich.1-2
  • Die Infektion des Menschen erfolgt am häufigsten über direkten Kontakt zu infektiösem Tierurin oder kontaminiertem Wasser oder Schlamm. Die Aufnahme erfolgt über Schleimhäute oder Hautverletzungen.1
  • Die Erkrankung hat in der Mehrzahl der Fälle einen milderen, grippeartigen Verlauf mit hohem Fieber, es kommen aber auch schwere bis tödliche Verlaufsformen mit Manifestationen in verschiedensten Organsysteme wie z. B. ZNS, Leber, Niere, Herz oder Lunge vor.1 
  • Die Leptospirose wurde ausführlich erstmals 1886 von Adolph Weil beschrieben, allerdings finden sich in der Literatur schon früher in der Geschichte Hinweise auf die Erkrankung (z. B. im alten China und Japan sowie in militärischen Berichten über Napoleons Soldaten in Ägypten).
  • Die Leptospirose ist für bestimmte Berufsgruppen, z. B. Kanalarbeiter*innen, Feldarbeiter*innen und Tierärzt*innen eine anerkannte Berufserkrankung.1

Häufigkeit und Vorkommen

  • Die Leptospirose ist vermutlich eine der häufigsten Zoonosen weltweit mit geschätzten 1 Mio. Erkrankungen und 60.000 Todesfällen jährlich.3-5
  • Die Leptospirose ist am häufigsten in den Tropen und Subtropen, kommt aber auch immer wieder in Ländern mit gemäßigtem Klima wie Westeuropa vor.1,3,5
    • Hauptrisikogebiete sind Südostasien, Indien, Lateinamerika, Ozeanien und Afrika.
  • In den gemäßigten Breiten tritt die Erkrankung saisonal am häufigsten im Sommer und Frühherbst auf, in den Tropen vor allem während der Regenzeit.1-3,5
  • Ausbrüche werden insbesondere bei Naturkatastrophen wie Überschwemmungen beobachtet.5
  • In Deutschland liegt die Inzidenz bei etwa 0,1 Erkrankungen pro 100.000 Einw., mit ca. 120–130 gemeldeten Fällen pro Jahr (Stand 2018).2
    • Aufgrund der unspezifischen Symptomatik ist es wahrscheinlich, dass die eigentliche Inzidenz höher ist und viele Erkrankungen unerkannt bleiben.2
    • Bei etwa 40 % der Fälle ist Deutschland das vermutete Infektionsland, außerhalb von Deutschland wurde die Erkrankung am häufigsten in Lateinamerika und Asien erworben.2
  • Die Erkrankung kommt häufiger bei Männern vor (ca. zwei Drittel der Fälle).2
  • Die am häufigsten betroffene Altersgruppe sind die 20- bis 30-Jährigen.2  
  • Besonders häufig kommt die Erkrankung vor bei Berufsgruppen mit erhöhtem Risiko für Kontakte zu infizierten Tieren oder ihrem Urin (z. B. Kanalarbeiter*innen, Mitarbeiter*innen in Veterinärwesen, Landwirtschaft, Tierhaltung).1

Ätiologie und Pathogenese

Erreger und Reservoir

  • Die Erkrankung wird durch Bakterien der Familie der Leptospiraceae aus der Klasse der Spiro­chäten ausgelöst. Es handelt sich um bewegliche, obligat aerobe, korkenzieherartig geformte Bakterien. Es werden verschiedene Arten unterschieden.1
  • Der Erreger kann je nach Außenbedingungen in der Außenwelt in Süßwasser oder Erde über Wochen bis Monate überleben, insbesondere bei warmem und feuchtem Klima.1
  • Die Leptospirose ist eine Zoonose. Zahlreiche Tiere sind für den Erreger empfänglich, z. B. Hunde, Haus- und Wildschweine, Rinder und Pferde. Die größte Bedeutung als natürliches Reservoir haben Kleinsäuger, vor allem Nagetiere (Ratten, Mäuse).1,3
  • Die Reservoirtiere sind oft selbst nicht erkrankt, können den Erreger aber jahrelang über den Urin ausscheiden.1,3

Infektionsweg

  • Meist erfolgt die Infektion des Menschen über Kontakt zu infektiösem Tierurin entweder direkt oder über kontaminiertes Wasser, Schlamm oder Erde.1,3
    • Fälle im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen in freien Gewässern sind auch in Deutschland beschrieben, bei denen vermutlich durch Starkregen Abwasser in die entsprechenden Gewässer eingeschwemmt wurde.1
  • Auch direkter Kontakt zum infizierten Tier oder Tiergewebe sowie Tierbisse können die Erkrankung übertragen.3,6
  • Die Aufnahme des Erregers in den Körper erfolgt dann in der Regel durch kleine Haut­ver­letzungen, durch die Schleimhäute von Auge, Nase und Mund, durch Inhalation oder Aufnahme mit dem Trinkwasser.1,3,7-8
  • Hinweise für eine Übertragung von Leptospiren über kontaminierte Lebensmittel gibt es nicht.1,3,5,7-8
  • Eine Übertragung von Mensch zu Mensch kommt nur sehr selten vor. Das Risiko einer Übertragung von Mensch zu Mensch wird als so gering erachtet, dass eine Isolierung von Erkrankten als nicht erforderlich angesehen wird.1,3,7
    • Eine Ausscheidung im Urin ist möglich, die Ausscheidung kann insbesondere in den ersten 2 Wochen der Erkrankung erfolgen.
    • Eine Übertragung über Geschlechtsverkehr ist möglich.
    • Eine diaplazentare Übertragung ist ebenfalls möglich und kann zu einer Fehl- oder Totgeburt führen. Auch eine Infektion über die Muttermilch ist beschrieben. Insgesamt sind diese Fälle aber selten.1,3,7

Pathophysiologie

  • Die meisten Komplikationen der Leptospirose entstehen im Rahmen der Immunreaktion des Körpers.1
  • Es wird vermutet, dass eine diffuse Vaskulitis der Kapillaren viele der Manifestationen der Leptospirose verursacht.1

Prädisponierende Faktoren

  • Berufsgruppen, mit erhöhtem Risiko für Kontakt zu infizierten Tieren oder ihrem Urin, z. B.:1,7
    • Kanal- und Abwasserarbeiten
    • Veterinärwesen
    • Landwirtschaft
    • Tierhaltung
    • fleischverarbeitende Berufe
    • andere Tätigkeiten mit Kontakt zu möglicherweise kontaminiertem Wasser.
  • Laborpersonal1
  • Militärangehörige7
  • Überlebende von Naturkatastrophen, z. B. Überschwemmungen7
  • Kontakte zu möglicherweise kontaminiertem Wasser, z. B. Wassersport7

ICPC-2

  • A78 Infektiöse Erkrankung NNB, andere

ICD-10

  • A27 Leptospirose
    • A27.0 Leptospirosis icterohaemorrhagica [Weil-Krankheit]
    • A27.8 Sonstige Formen der Leptospirose
    • A27.9 Leptospirose, nicht näher bezeichnet

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Aufgrund der unspezifischen und variablen Symptomatik mit meist grippeartigem Beschwerdebild, aber Möglichkeit schwerer Manifestationsformen in verschiedenen Organsystemen, ist eine Diagnose nur über einen direkten oder indirekten Erregernachweis möglich.1 
  • Wichtig ist die Eruierung möglicher Risikofaktoren, um bei entsprechender Symptomatik eine Leptospirose in Betracht zu ziehen und eine entsprechende Diagnostik und Therapie in die Wege zu leiten.

Differenzialdiagnosen

Anamnese

Risikofaktoren

  • Aufgrund der unspezifischen Symptomatik ist es wichtig, Risikofaktoren zu erfassen, um ggf. an eine Leptospirose zu denken. Hierzu gehören vor allem:1,7-8
    • Berufsanamnese (z. B. Kanalarbeiter*in, Tätigkeit im Veterinärwesen, in Landwirtschaft, Tierhaltung oder Fleischverarbeitung, Laborpersonal, Militär)
    • Auslandsaufenthalte
    • Tierkontakt (auch Haustiere)
    • Kontakte zu möglicherweise verunreinigtem Wasser oder tierischem Urin (Beruf, Freizeit z. B. Wassersport, Trinkwasser)
    • Überlebende von Naturkatastrophen, z. B. Überschwemmungen

Inkubationszeit

  • Die Inkubationszeit liegt bei 7–14 Tagen, kann jedoch auch wenige Tage bis zu 1 Monat betragen.1

Symptomatik

  • Die Symptomatik der Leptospirose ist sehr unspezifisch mit variablem Krankheitsverlauf.1,3
    • Die Erkrankung kann subklinisch bis sehr milde mit grippeartigen Beschwerden verlaufen. Dies macht wahrscheinlich 90 % der Fälle aus.
    • Ein kleiner Anteil verläuft fulminant mit septischen Krankheitsbild und tödlichem Verlauf innerhalb weniger Tage.
    • Dazwischen liegt ein Spektrum variabler Krankheitsverläufe, die fast jedes Organsystem betreffen können.
  • Typisch ist ein biphasischer Verlauf, wobei es nach einer initialen akuten Infektionsphase ca. 1 Woche später zu einer schwereren 2. Krankheitsphase kommt, die durch die Immunreaktion des Körpers und die Erregerausscheidung im Urin gekennzeichnet ist. In der 2. Phase kommt es zu den meisten Komplikationen, die führend durch die Immunreaktion verursacht werden.1

Einteilung der WHO

  • Die WHO teilt die Leptospirose in 4 klinische Kate­gorien ein (WHO 2003):1,3,5,7
  1. grippeähnliche Symptome (Mehrzahl, vermutlich 90 % der Erkrankungen)
  2. Morbus Weil (ca. 10–15 % der Patient*innen)
    • eigenständig oder als 2. Teil einer biphasischen Erkrankung
    • Nierenversagen, oft polyurisch mit Hypokaliämie
    • Ikterus, oft als Hyperbilirubinämie mit keiner oder geringer Transaminasenerhöhung
    • Splenomegalie
    • Blutungsneigung z. B. Hämoptysen, gastrointestinale Blutung
    • Mortalität über 10 %
  3. Meningitis/Meningoenzephalitis
    • primär in der Immunphase 
    • Kopfschmerzen, Meningismus, Photophobie, Vigilanzänderung
    • neurologische Ausfälle
    • auch ohne Beteiligung anderer Organe
  4. Pulmonale Hämorrhagien mit respiratorischer Insuffizienz
    • diffuse pulmonale Hämorrhagien und Lungenversagen
    • auch ohne Beteiligung anderer Organe
    • hohe Letalität (50–75 %)

Weitere Symptome und Manifestationen1

Folgeerkrankungen und -beschwerden (insgesamt selten)1,5

Klinische Untersuchung

  • Die klinische Untersuchung kann unauffällig sein.
  • Mögliche Befunde sind je nach Verlauf z. B.:5

Ergänzende Untersuchungen

  • Bei entsprechendem Verdacht kann die Diagnose mittels direktem Erregernachweis oder Serologie bestätigt bzw. erhärtet werden.1,3-5,7
  • Die Erregerdiagnostik, insbesondere der direkte Erregernachweis, erfolgen in der Regel bei Spezialist*innen.
  • Eine Rücksprache mit dem Labor, ggf. auch mit dem zuständigen Konsiliarlabor wird empfohlen.
  • Wichtig ist aufgrund der unspezifischen Symptomatik je nach Kontext eine breite Differenzialdiagnostik, siehe Abschnitt Differenzialdiagnosen.5

Allgemeine Laboruntersuchungen

EKG

  • Bei Peri- oder Myokarditis: EKG-Veränderungen und Arrhythmien1,5

Urinuntersuchungen1,5

  • Im Verlauf der Erkrankung (etwa ab der 2. Krankheitswoche) kann der Erreger auch im Urin nachgewiesen werden.
  • Der Urin kann Gallenfarbstoffe, Eiweiße, Zylinder und Erythrozyten enthalten.

Diagnostik bei Spezialist*innen

Direkter Erregernachweis

  • Der direkte Erregernachweis stellt die sensitivste Methode zum Nachweis von Leptospiren dar und erfolgt entweder durch die Anzucht der Leptospiren aus Kör­per­flüs­sig­kei­ten oder Gewebe bzw. durch den Nachweis leptospiraler DNA in der PCR.3
  • Kulturelle Anzucht1,5
    • Komplexe, langwierige Anzucht, eine Rücksprache mit dem Labor sollte erfolgen.
    • Ergebnisse sind erst nach mehreren Tagen bis Wochen zu erwarten.
    • aus Körperflüssigkeiten oder Gewebe
      • in der 1. Krankheitswoche: Blut, Liquor
      • in der 2. Krankheitswoche: Urin 
  • Dunkelfeldmikroskopie
    • Sehr abhängig von der Erfahrung der Untersuchenden mit häufigen falsch positiven und negativen Resultaten, sodass ein weiteres Verfahren zur Bestätigung der Diagnose herangezogen werden sollte.1,7
    • Zeitpunkt und Material1
      • in der 1. Krankheitswoche: Blut (Liquor enthält meist zu wenig Erreger)
      • ab der 2. Krankheitswoche: Urin
  • Nachweis von Leptospiren-DNA mittels PCR1
    • aus Blut, Liquor, Gewebe oder Urin

Serologie

  • Goldstandard in der serologischen Diagnostik der Leptospirose: Mikroagglutinationstest1
    • Steht nur in speziellen Laboren zur Verfügung, da der Test auf der Agglutination lebender Leptospiren mit den Antikörpern im Serum der Patient*innen beruht.
    • In der Regel ist erst in der 2. Krankheitswoche ein positives Ergebnis zu erwarten.
    • Ein Titer ab 1:100 gilt als positiv.
    • Antikörper können noch mehrere Jahre nach der Infektion nachweisbar sein.
    • Zum Nachweis einer akuten Infektion sollte eine Folgekontrolle nach 1–2 Wochen erfolgen. Eine Serokonversion oder ein Anstieg des Titers auf oder über das 4-Fache weist auf eine akute Infektion hin.
  • Alternativ ist der Nachweis mittels ELISA-Assay möglich.1,5,7
    • Nachweis von Antikörpern, ggf. mit Differenzierung von IgG und IgM
    • Nachweis schon früher, d. h. innerhalb/gegen Ende der 1. Krankheitswoche möglich
    • Auch hier schließt ein negatives Ergebnis in den 1. Krankheitstagen eine Leptospirose nicht aus.
    • IgM-Antikörper sind etwas früher nachweisbar und können niedrigtitrig über Monate und Jahre bestehen bleiben. IgG-Antikörper-Titer sind sehr variabel, sie können nicht, nur für kurze Zeit, aber auch jahrelang nachweisbar sein.7
  • Wichtig ist, dass insbesondere früh im Erkrankungsverlauf eine negative Serologie die Erkrankung nicht ausschließt. Andererseits können Antikörper auch noch Jahre nach der akuten Erkrankung nachweisbar sein, sodass ein einzelner positiver Antikörpernachweis ohne Nachweis einer Serokonversion oder eines Titeranstiegs in einer Kontrolle eine akute Erkrankung nicht sicher bestätigt. Hohe IgM-Antikörpertiter machen eine akute Infektion wahrscheinlich, aber auch IgM-Antikörper können noch lange nach der akuten Infektion persistieren.1,7

Konsiliarlabor für Leptospiren

  • Kann bei Fragen zur Diagnostik kontaktiert werden.

Weitere Diagnostik

  • Je nach Klinik können z. B. sinnvoll sein:1,3 
    • Lumbalpunktion
    • Sonografie des Abdomens
    • Echokardiografie
    • Röntgenthorax
    • ggf. weitere Röntgendiagnostik, Schnittbildgebung.
  • Weitere Diagnostik je nach Verlauf und Organmanifestation

Indikationen zur Klinkeinweisung

  • Bei Verdacht auf die Erkrankung
  • Schwere Verläufe werden stationär, in der Regel auch intensivmedizinisch, behandelt.

Therapie

Therapieziele

  • Heilung der Erkrankung
  • Vermeidung von Komplikationen

Allgemeines zur Therapie

  • Einheitliche Therapieempfehlungen für die Therapie der Leptospirose gibt es bisher nicht.1 
  • Nach dem Ratgeber des Robert Koch-Instituts besteht insbesondere in der Frühphase der Infektion eine Indikation zur Antibiotikatherapie.1 
    • Insgesamt wird eine Antibiotikatherapie bei Leptospirose kontrovers diskutiert.3,7
    • Interessanterweise konnte ein Cochrane Review von 2012 keine signifikanten Vorteile einer Antibiotikatherapie bei Leptospirose nachweisen.6 Andere Studien legten jedoch nahe, dass eine Verzögerung der Antibiotikatherapie einen Risikofaktor für eine erhöhte Mortalität darstellt.5 
  • Bei klarem Verdacht sollte bei entsprechender Indikation die Antibiotikatherapie nicht verzögert werden, um auf eine diagnostische Bestätigung zu warten, da diese länger auf sich warten lassen kann.4,7

Medikamentöse Therapie

  • Mögliche empfohlene Antibiotikatherapie-Regime (für Erwachsene)
    • bei milder Erkrankung
      • Doxycyclin 100 mg oral 2 x tgl. für 7 Tage1,3-5
      • Weiterhin kommen Amoxicillin, Ampicillin, Azithromycin oder Chinolone (hierzu gibt es nur limitierte Daten) infrage.3-4,7
    • bei schwerer Erkrankung1,3-5,7
      • Penicillin G i. v. 4 x tgl. 1,5 Mio IE für 7 Tage – oder –
      • Ceftriaxon i. v. 1 x tgl. 1 g für 7 Tage
      • Vorteil gegenüber Penicillin ist, dass es in differenzialdiagnostisch unklaren Situationen ein größeres Spektrum anderer Erreger mitabdeckt.5
      • Alternativ kommen weiterhin Cefotaxim i. v. 4 x tgl. 1 g für 7 Tage oder auch Doxycyclin i. v. infrage.
    • Anmerkung d. Red.: Nur bei Doxycyclin und Penicillin werden Leptospiren in der Fachinformation erwähnt. Bei den übrigen Antibiotika gehören Leptospiren nicht zu den in der Fachinformation ausdrücklich angegebenen Anwendungsgebieten.
  • Wie bei allen Erkrankungen mit Spirochäten kann es nach Initierung der Antibiotikatherapie zur Entwicklung einer Jarisch-Herxheimer-Reaktion kommen (ca. 7–20 % der Fälle) mit Fieber, Schüttelfrost und Hypotension. Die prognostische Bedeutung ist unklar. Sie kann häufig schwer von einer Verschlechterung der Erkrankung selbst unterschieden werden. Eine engmaschige Überwachung der Patient*innen nach Therapieinitiierung ist daher empfehlenswert.5
  • Zusätzlich symptomatische Therapie mit Flüssigkeitsgabe, Schmerztherapie und ggf. Fiebersenkung.3
  • Bei schweren Verlaufsformen ist in der Regel eine intensivmedizinische Behandlung erforderlich, da es zu einer raschen Verschlechterung kommen kann.3
  • Eine Gabe von Steroiden wird kontrovers diskutiert. Bei schweren pulmonalen Komplikationen wurde in einer Studie eine positive Wirkung von Methylprednisolon vermutet.1,3,5

Prävention

Allgemeines1,3,5,7

  • Hygiene- und Sanitärmaßnahmen, insbesondere in Bezug auf Abwasser
  • Kontrolle der Erkrankungsausbreitung unter Tieren, insbesondere unter Nutz- und Haustieren, z. B. durch Impfung
  • Kontrolle der Ausbreitung von Ratten und Mäusen 
  • Wird bei einem Ausbruch eine Infektionsquelle in der Umwelt vermu­tet, z. B. bei Feldarbeiter*innen, sollte eine Untersuchung und evtl. Sperrung der vermuteten In­fek­ti­ons­quelle erwogen werden.

Isolation

  • Eine Isolation von Erkrankten ist nicht erforderlich, auf eine korrekte Basishygiene sollte geachtet werden.1

Expositionsprophylaxe

  • Für Risikogruppen wird eine Expositionsprophylaxe empfohlen.1
    • persönliche Schutzausrüstung mit (ggf. wasserdichter) Schutzkleidung, Handschuhen, ggf. Schutzbrille
    • wasserdichtes Abdecken von Wunden bei Kontakt zu potenziell kontaminiertem Wasser
  • Vermeiden von Kontakt zu möglicherweise kontaminiertem Wasser oder Schlamm/feuchter Erde, insbesondere nach starken Regenfällen oder Überschwemmungen4
    • Bei Sportereignissen in offenen Gewässern nach Starkregenfällen wird zu Vorsicht geraten, da hier Fälle von Leptospirose durch Einschwemmung von Abwässern beschrieben sind.1
  • Doxycyclin oral 200 mg 1 x wöchentlich können zur Prophylaxe genutzt werden, dies wurde u. a. bei Soldat*innen erfolgreich angewandt (Off-Label-Use). Es gibt keine offiziellen Empfehlungen hierzu.1,5

Nach Exposition1

  • Nach Kontakt zu infizierten Tieren zunächst Beobachtung, ob sich Symptome einer Leptospirose entwickeln. Eine Therapie erfolgt beim Auftreten von Symptomen.
  • Besondere Maßnahmen für Kontaktpersonen sind nicht erforderlich.
  • Es gibt keine Evidenz für eine Postexpositionsprophylaxe.

Impfung1

  • Eine Impfung steht für Hunde zur Verfügung, die regelmäßig geimpft werden sollten.
  • Für den Menschen steht in Frankreich ein Impfstoff zur Verfügung (SPIROLEPT®), der jedoch in Deutschland nicht zugelassen ist.5

Meldepflicht/Berufskrankheit

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1
    • Der direkte oder indirekte Nachweis von humanpathogenen Leptospiren ist namentlich meldepflichtig, wenn er auf eine akute Infektion hinweist.
    • Die Leptospirose ist für bestimmte Berufsgruppen, z. B. Kanal- oder Abwasserarbeiter*innen, Feldarbeiter*innen und Tierärzt*innen eine anerkannte Berufserkrankung. Bei Verdacht auf eine beruflich erworbene Infektion sollte eine Meldung an die entsprechende zuständige Stelle erfolgen.

    Verlauf, Komplikationen und Prognose

    Verlauf

    • Die Inkubationszeit liegt bei 7–14 Tagen, kann jedoch auch wenige Tage bis zu 1 Monat betragen.1
    • In vermutlich 90 % der Fälle kommt es zu einer grippeähnlichen Verlaufsform, die meist mild und selbstlimitierend verläuft. Sie ist fast nie tödlich.1,3
    • Häufig ist ein biphasischer Verlauf, bei dem es nach der akuten Krankheitsphase zu einer 2. Krankheitsphase kommt, die primär durch die Immunreaktion gekennzeichnet ist und in der die meisten Komplikationen auftreten.1
    • Die schweren Manifestationsformen können fast jedes Organsystem betreffen und tödlich verlaufen.1,3
    • Eine Ausheilung insbesondere der schwereren Formen kann langwierig sein, mit einer langsamen Besserung von Klinik und Befunden über bis zu 3 Monate.5

    Komplikationen

    • Der Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1,3,5

      Prognose

      • Während die milden Verlaufsformen selten tödlich enden, haben Morbus Weil und andere schwere Verlaufsformen eine hohe Mortalität.3
      • Die Rekonvaleszenz kann langwierig sein.5
      • Bei überlebenden Patient*innen schwererer Verläufe kann es zu Folgeerkrankungen und -beschwerden kommen (siehe Abschnitt Anamnese, Folgeerkrankungen und -beschwerden), z. B. chronischen Kopfschmerzen und neurologische Folgeschäden nach Meningoenzephalitis.1,3,5
      • Die Mortalität ist schwer abzuschätzen, da insbesondere milde Fälle oft nicht diagnostiziert werden.7
        • Die geschätzte Sterblichkeit liegt bei 5–20 %.4-5,8
        • Risikofaktoren für eine erhöhte Mortalität sind u. a.:1,3,5
          • Alter über 40 Jahre
          • neurologische Symptomatik
          • Nierenversagen
          • Morbus Weil (Mortalität 10 % und mehr)
          • Lungenbeteiligung (Mortalität 50–75 %).

      PatienteninformationPatienteninformationen

      Patienteninformationen in Deximed

      Quellen

      Literatur

      1. Robert Koch-Institut. Leptospirose. RKI-Ratgeber für Ärzte. Stand 2015. www.rki.de
      2. Robert Koch-Institut. Infektions­epi­de­mio­lo­gisches Jahrbuch 2018. 26.07.2019. edoc.rki.de
      3. Wang S, Stobart Gallagher MA, Dunn N. Leptospirosis. 2020 Aug 10. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2020 Jan–. PMID: 28722888. www.ncbi.nlm.nih.gov
      4. United States Centers for Disease Control and Prevention. Leptospirosis Fact Sheet for Clinicians. www.cdc.gov (23.10.2020). www.cdc.gov
      5. Le Turnier P, Epelboin L. Mise au point sur la leptospirose [Update on leptospirosis]. Rev Med Interne. 2019 May;40(5):306-312. French. Epub 2018 Dec 24. PMID: 30591382. www.sciencedirect.com
      6. Brett-Major DM, Lipnick RJ. Antibiotic prophylaxis for leptospirosis. Cochrane Database of Systematic Reviews 2009, Issue 3. Art. No.: CD007342. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
      7. World Health Organization, Regional Office for South-East Asia. (2009). Leptospirosis : Fact Sheet. WHO Regional Office for South-East Asia. apps.who.int
      8. Bundesinstitut für Risikobewertung. Leptospirose - eine seltene, aber immer häufiger auftretende Erkrankung. Mitteilung Nr. 040/2014 des BfR und des RKI vom 28. Oktober 2014. www.bfr.bund.de (23.10.2020) www.bfr.bund.de

      Autor*innen

      • Anneke Damberg, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, Berlin
      • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
zoonoseA27; leptospiroseA270; leptospirosA278; a78 annan infektiös sjukdom; spiroketA279
zoonose; leptospirose; leptospiros; a78 annan infektiös sjukdom; spiroket
zoonose; leptospirose; leptospiros; a78 annan infektiös sjukdom; spiroketA78
Zoonose; Leptospirose; Leptospira; Leptospirosis; Spirochäten; Erntefieber; Schlammfieber; Weil-Krankheit; Morbus Weil; Meningitis; Meningoenzephalitis; Pulmonale Hämorrhagie; Ikterus; Hepatosplenomegalie; Splenomegalie; Hepatomegalie; Polyurisches Nierenversagen; Jarisch-Herxheimer-Reaktion; Fieber; Fieber unklarer Ursache
Leptospirose
BBB MK 29.10.2020 umfassende revidiert, aktuelle Literatur. chck go 7.3.
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Definition:Die Leptospirose ist eine Zoonose, die durch Bakterien der Familie der Leptospiren verursacht wird. Die Übertragung erfolgt durch infizierte Tiere und ihren Urin, am häufigsten Nagetiere wie Ratten und Mäuse.
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