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Polydipsie

Allgemeine Informationen

Definition

  • Polydipsie bezeichnet eine vermehrte Flüssigkeitsaufnahme durch ein gesteigertes Durstgefühl.
  • Eine harmlose Polydipsie ist manchmal reine Gewohnheit, allerdings könnenkann hintereine Polydipsie auch organische in organischen oder psychogenepsychogenen Erkrankungen dahintersteckenbegründet sein. 
  • Polydipsie führt zu einer übermäßigen Harnausscheidung (Polyurie).

Diagnostische Überlegungen

  • PatientenPatient*innen mit primärer Polydipsie trinken 3 oder mehr Liter Wasser am Tag, weil ihr Durstempfinden gestört ist. Es kommt zu einem Polydipsie-Polyurie-Syndrom.
  • Diabetes mellitus ist die häufigste Erklärung für Polydipsie in der Hausarztpraxisallgemeinmedizinischen Praxis.
  • GesteigertesZudem Durstgefühl mit Polydipsie kommt beikönnen Diabetes insipidus, einigeneinige endokrinologischen Erkrankungen, Elektrolytstörungen, Medikamentennebenwirkungen, psychiatrische Erkrankungen  oder Nierenerkrankungen vor.
  • Auchursächlich Medikamente können als Nebenwirkung eine Polydipsie hervorrufensein.
  • Infektionskrankheiten mit Fieber oder Durchfall, starkes Schwitzen oder Alkoholkonsum führen oft ebenfalls zu einem gesteigerten Durstgefühl.

Pathophysiologie

  • Durst ist das physiologische Bedürfnis, Flüssigkeit zu sich zu nehmen.
  • Ein gesteigertes Durstgefühl entsteht beispielsweise durch Flüssigkeitsverlust, wie bei Diarrhö, Fieber oder übermäßigem Schwitzen. 
  • Bei der primären Polydipsie (gesteigertes Durstgefühl ohne körperliche Ursache) führt die exzessive Flüssigkeitszufuhr zu einer ZunahmeVeränderung des Körperwassers, und dieder Serumosmolalität, Natrium, ADH-Sekretion und Urinkonzentration werden reduziert.1
    • Normalerweise kann die vermehrte Zufuhr durch eine vermehrte Diurese ausgeglichen werden und eine Überwässerung und Hyponatriämie ist selten.
  • Sekundäre Polydipsie kann als Symptom verschiedener Erkrankungen entstehen.
    • Beim Diabetes mellitus kommt es durch die hohen Zuckerausscheidungen über die Niere (Glukosurie) zu einer vermehrten Wasserausscheidung.
    • Endokrinologische Veränderungen wie ein Mangel an oder eine Resistenz gegenüber dem antidiuretischen Hormon (ADH, Vasopressin) (Diabetes insipidus), Cushing-Syndrom, Elektrolytstörungen durch Nieren- oder Lebererkrankungen, oder Hyperkalzämien (Hyperparathyreoidismus) können zu einer Störung der physiologischen Flüssigkeitsaufnahme führen.

ICPC-2

  • T01 Verstärktes Durstgefühl
  • T11 AustrocknungDehydratation

ICD-10

  • E86 FlüssigkeitsverlustDehydratation
  • R63 Symptome und Beschwerdebilder in Verbindung mit Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme
    • R63.1 Polydipsie
    • R63.8 Sonstige näher bezeichnete Symptome und Beschwerdebilder in Verbindung mit Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme

Differenzialdiagnosen

Diabetes mellitus Typ 1 oder Typ 2

  • Siehe die Artikel Typ-1- und Typ-2-Diabetes.
  • Ein verstärktes Durstgefühl besteht häufig schon in der Frühphase einer Diabeteserkrankung.
  • Durch die Zuckerausscheidung über die NiereGlukosurie kommt es zu vermehrter Urinausscheidung, es entsteht ein starkes Durstgefühl.

Diabetes insipidus

  • Beim Diabetes insipidus kommt es durch einen Mangel an antidiuretischem Hormon (ADH) zu reichlicheneiner Mengendeutlich verdünntenerniedrigten UrinsUrinosmolarität.2
  • Ursache hierfür ist entweder eine mangelnde Sekretion von ADH (antidiuretisches Hormon) (zentraler Diabetes insipidus) oder die mangelnde Wirkung von ADH in der Niere (renaler Diabetes insipidus).1
  • Symptome sind erhöhte Miktionsfrequenz, Polydipsie, nächtlicher Harndrang mit Schlafstörungen und Tagesmüdigkeit.  
  • DieDiagnostisch Urinosmolaritäthinweisend liegtist unterein 300Durstversuch mosmol/l.
  • Wenn die Patienten kompensatorisch nicht genug trinken, kommt es zu einem Anstieg des Serumnatriums.
  • Ein Wasserentzugstest (16 Stunden nicht trinken) führt nicht zu einemohne Anstieg der Urinkonzentration (Urinosmolarität).
  • Nach einer Infusion einer hypertone Salzlösung steigt bei Menschen mit zentralem Diabetes insipidus der Copeptinwert im Serum nicht an.3
  • Beim zentralen Diabetes insipidus sollte zum Ausschluss eines Hirntumors ein MRT oder CT des Kopfes gemacht werden.
  • Als Therapie kommen neben der Behandlung der Grunderkrankung Desmopressin bei zentralem Diabetes insipidus oder Thiaziddiuretika bei renalem Diabetes insipidus infrage.4

Hyperkalzämie

  • Siehe Artikel Hyperkalzämie

      .
    • Ist in der Hausarztpraxisallgemeinmedizinischen Praxis meist (80–90 %) auf einen primären  Hyperparathyreoidismus zurückzuführen.
    • Polydipsie ist neben Appetitlosigkeit, Übelkeit, und Erbrechen, Muskelschwäche und Knochenschmerzen eines der Leitsymptome beim Hyperparathyreoidismus.52
    • Als Komplikation können Arrythmien, Blutdruckerhöhungen und Niereninsuffizienzen auftreten.

    Niereninsuffizienz, chronisch

    • Bei einer chronischen Niereninsuffizienz kommt es im Frühstadium oft zu einer vermehrten Urinausscheidung mit Albuminurie.
    • FolgeKonsekutiv davon istentsteht eine vermehrte Trinkmenge durch übermäßigen DurstPolydipsie.

    Cushing-Syndrom

    • Cushing-Syndrom
      • Cushing-Syndrom bezeichnet die klinischen Folgen eines chronischen Hyperkortisolismus (endogen oder exogen bei einer Langzeittherapie mit hohen Glukokortikoiddosen)6.
      • Beim Cushing-Syndrom kommt es durch den Kortisol-Anstieg zu hohen Blutzuckerspiegeln mit Polydipsie und Polyurie.
      • Weitere Symptome sind Gewichtszunahme, Ermüdbarkeit, Amenorrhö und psychische Veränderungen (Depression), häufig kommen Stammfettsucht, ein rundes Gesicht, Hirsutismus, Hautblutungen, Striae, proximale Myopathie und Hypertonie vor.
      • Hyperglykämie, Hypokaliämie und ein erhöhter Kortisolspiegel im 24-Stunden-Urin sind die wegweisenden Laborparameter.
      • Häufig liegt eine Osteoporose vor.

      Hirnschädigung

      • DieSchädigungen Therapieder bestehtHypothalamusregion in(z. B. NormalisierungSchlaganfall, desInfiltration, HormonspiegelsInflammation) meist durchkönnen eine Operationzentral derbedingte HypophysePolydipsie auslösen.3

      Weitere Ursachen 

      • Eine Dehydrierung und damit eine Steigerung des Durstgefühls und Erhöhung der Trinkmenge auf über 3 Liter pro Tag kann entstehen durch:
      • Auch psychische Erkrankungen wie Zwangsstörungen, Schizophrenie oder Essstörungen können zu einem pathologischen Trinkverhalten führen.4
      • Medikamente können als Nebenwirkung (gesteigertes Durstgefühl oder auch Mundtrockenheit) eine Steigerung der Trinkmenge bewirken. Hierzu gehören Präparate aus verschiedenen Medikamentengruppen, z. B.:
        • Einige Antibiotika oder Neuroleptika führen über eine vermehrte Mundtrockenheit zu einer Erhöhung der Trinkmenge.
        • Diuretika
        • Anticholinergika
        • Chemotherapeutika
        • Antihistaminika
        • Lithium

      Anamnese

      • Beginn und Verlauf der Symptome
      • Begleitsymptome
      • Vorerkrankungen
      • Medikamenteneinnahme
      • Familienanamnese
      • Ggf. psychiatrische Basisevaluation

      Klinische Untersuchung

      • Neurologischer Status: Orientierung? Reflexe?
      • Inspektion: Stammfettsucht, Striae distensae?
      • Zeichen einer Dehydratation? Stehende Hautfalten, trockene Schleimhäute?
      • Ödeme? Sonstige Zeichen einer Überwässerung?

      Weitere Untersuchungen

      Indikation zur Überweisung

      •  Zur weiterführenden Diagnostik und Therapie bei V. a. entsprechende Grunderkrankung, z. B. an eine Praxis für Endokrinologie

      Indikationen zur Klinikeinweisung

      Maßnahmen und Empfehlungen

      • Therapie der Grunderkrankung
      • Ggf. Medikamentenumstellung
      • Patientenedukation

      Quellen

      Leitlinien

      • Deutsche Gesellschaft für Kinder-Kinderendokrinologie und Jugendmedizin. Diabetes insipidus neurohormonalis. AWMF-Leitlinie Nr. 027-031. S1, Stand 2011 (in Überarbeitung). www.awmf.org
      • Deutsche Gesellschaft für Kinderendokrinologie- und diabetologie (DGKED). Primärer Hyperparathyreoidismus. AWMF-Leitlinie Nr. 174-006. S1, Stand 2016www.awmf.org
      • Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie. Cushing-Syndrom. AWMF-Leitlinie Nr. 027-033. S1, Stand 2010 (in Überarbeitung)www.awmf.org

      Literatur

      1. Arafat A. Erkrankungen der Neurohypophyse. Harrisons Innere Medizin. 19. Auflage 2016 Thieme-Verlag . S2795ff.
      2. Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin. Diabetes insipidus neurohormonalis. AWMF-Leitlinie Nr. 027-031. Stand 2011 (in Überarbeitung) www.awmf.org
      3. Fenske W, Refardt J.A Copeptin-Based Approach in the Diagnosis of Diabetes Insipidus. N Engl J Med 2018; 379:428-439 www.nejm.org
      4. Khardori R. Diabetes insipidus. emedicine.medscape, Februar 2018. emedicine.medscape.com
      5. Deutsche Gesellschaft für Kinderendokrinologie- und diabetologie (DGKED). Primärer Hyperparathyreoidismus. AWMF Leitlinie Nr. 174-006. S1, Stand 2016. www.awmf.org
      6. DeutscheKotagiri Gesellschaft für Kinder- und JugendmedizinR, DeutscheKutti GesellschaftSridharan für EndokrinologieG. Cushing-SyndromPrimary Polydipsia. AWMF-Leitlinie[Updated Nr2022 Jul 25]. 027-033In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2023 www.ncbi.nlm.nih.gov
      7. Ahmadi L, StandGoldman 2010MB. Primary polydipsia: Update. Best Pract Res Clin Endocrinol Metab. 2020 Sep;34(in Überarbeitung5) www.awmfncbi.orgnlm.nih.gov

      AutorenAutor*innen

      • MonikaBonnie LenzStahn, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am RübenbergeHamburg
      • TerjeDie Johannessen,ursprüngliche professorVersion idieses allmennmedisin,Artikels Instituttbasiert forauf samfunnsmedisinskeeinem fag,entsprechenden NorgesArtikel tekniskim norwegischen hausärztlichen Online-naturvitenskapeligeHandbuch universitet,Norsk Trondheim
      • LarsElektronisk Backlund, med dr och distriktsläkare, Centrum för Allmänmedicin, Karolinska institutetLegehåndbok (MedibasNEL, https://legehandboka.no/).

       

E86; R63; R631; R638
T01; T11
Diabetes mellitus; Diabetes insipidus; Gastroenteritis; Austrocknung; Durst; Flüssigkeitsverlust; Polydipsie; Diuretikatherapie; Hyperkalzämie; Chronische Niereninsuffizienz; Cushing-Syndrom; Urinosmolarität
Polydipsie
DDD MK 17.11.2021 unlogischen Halbsatz nach Leserkritik entfernt.
BBB MK 16.05.2023 umfassend revidiert und umgeschrieben. Final German Version before review CCC MK 29.10.2018, komplett überarbeitet, neuer Titel Polydipsie
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Polydipsie bezeichnet eine vermehrte Flüssigkeitsaufnahme durch ein gesteigertes Durstgefühl. Eine harmlose Polydipsie ist manchmal reine Gewohnheit, allerdings könnenkann hintereine Polydipsie auch organische in organischen oder psychogenepsychogenen Erkrankungen dahintersteckenbegründet sein. 
Endokrinologie/Stoffwechsel
Polydipsie
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