Definition:Symptomatischer Anstieg der Herzfrequenz (≥ 30 Schläge/Minutemin) nach dem Aufstehen bei Fehlen einer orthostatischen Hypotonie.
Häufigkeit:Prävalenz ca. 0,2 %. Beginn am häufigsten bei Jugendlichen und Erwachsenen zwischen 15. und 50. Lebensjahr, das Verhältnis w:m beträgt ca. 5:1. Mittlerweile ansteigende Prävalenz im Rahmen des Post-COVID-Syndroms.
Symptome:Benommenheit, Schwindel, Palpitationen, Schwitzen, Zittern, Verschwommensehen, Schwächegefühl. Nur sehr selten Synkope.
Befunde:Nach dem Aufstehen aus Rückenlage Anstieg der Herzfrequenz ≥ 30 Schläge/Minutemin. Kein signifikanter Blutdruckabfall.
Diagnostik:Im Allgemeinen durch Schellong-Test. Im Einzelfall Kipptisch-Untersuchung.
Therapie:Primär Allgemeinmaßnahmen (körperliches Training, Flüssigkeits- und Salzzufuhr, Kompressionsstrümpfe u. a.). Bei unzureichendem Erfolg ergänzend Medikation (z. B. Propanolol, Fludrocortison u. a.). Die Prognose ist in der Regel gut.
Allgemeine Informationen
Definition
Gemäß Definition einer internationalen Konsensusgruppe 2015 liegt ein posturales Tachykardie-Syndrom (POTS) vor, wenn folgende Kriterien erfüllt sind:1
häufige Symptome im Stehen wie Schwindel, Benommenheit, Palpitationen, Zittern, Schwäche, Verschwommensehen, Belastungsintoleranz
Anstieg der Herzfrequenz ≥ 30 Schläge/min nach dem Aufstehen aus der Rückenlage
≥ 40 Schläge/min bei Individuen zwischen 12 und 19 Jahren
mittleres Alter bei Krankheitsbeginn ca. 30 Jahre4
Möglicherweise müssen die Prävalenzzahlen im Rahmen des neuen Post-COVID-Syndroms angepasst werden, von Patient*innen mit Post-COVID scheinen ca. 30 % ein POTS aufzuweisen.5
Genetische Faktoren: Fälle mit familiärer Häufung weisen auf eine genetische Ursache hin.8
Pathogenese
Eine Reihe von pathophysiologischen Mechanismen trägt vermutlich zur Entstehung eines POTS bei.
POTS ist dabei die gemeinsame Endstrecke dieser z. T. überlappenden Mechanismen.69
Blutdruckstabilisierung im Stehen erfolgt bei POTS-Patient*innen stärker durch kardiale Stimulation als durch periphere Vasokonstriktion.710-811
Störung der Vasokonstriktion im Vordergrund: neuropathisches POTS710
Sympathikusaktivierung im Vordergrund: hyperadrenerges POTS912
Bis zu 70 % der POTS-Patient*innen weisen eine Hypovolämie auf (z. B. durch verminderte Flüssigkeitsaufnahme, starkes Schwitzen).1013
Autoimmunmechanismen: Bei manchen Patient*innen erhöhte Titer an Antikörpern, die mit adrenergen und cholinergen Rezeptoren interagieren.1013-1215
Der V. a. auf eine Häufung von POTS nach Verabreichung eines HPV-Impfstoffs erhärtete sich nach einer Analyse der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) nicht.1316
Es gibt zahlreiche pathophysiologische Hypothesen für Post-COVID-POTS, u. a. autoimmun, autonome Dysfunktion, direkte Toxizität von SARS-CoV-2 gegen das autonome Nervensystem, Befall des zentralen Nervensystems durch SARS-CoV-2.17
Dekonditionierung: Eine häufig vorliegende Dekonditionierung ist vermutlich kein eigenständiger Auslösemechanismus, trägt aber zu Exazerbationen von POTS bei.10
Die Diagnostik beruht vor allem auf der ausführlicherhrlichen Anamnese, klinischerder klinischen Untersuchung und einfacherder apparativereinfachen apparativen Diagnostik.
Extensive weiterführende Untersuchungen tragen im Allgemeinen wenig zur Behandlungsstrategie bei und sollten nicht routinemäßig durchgeführt werden.2024
Labortests (Blutbild, SD-Parameter) können bei ausgewählten Patient*innen in der Abklärung hilfreich sein (Klasse IIa).
24-Stunden-EKG kann bei ausgewählten Patient*innen erwogen werden (Klasse IIb).
Weitere Untersuchungen wie Kipptisch-Test, Tests der autonomen Funktion, Belastungstest, transthorakale Echokardiografie können bei ausgewählten Patient*innen erwogen werden (Klasse IIb).
Indikationen zur Überweisung
Bei unsicherer Diagnose evtl. Überweisung z. B. zur Kipptisch-Untersuchung
Es gibt wenig wissenschaftliche Evidenz zu den Behandlungsstrategien.1-2
Häufig ist eine Kombination aus mehreren therapeutischen Ansätzen notwendig.1
Komponenten der Behandlung sind:
Allgemeinmaßnahmen
medikamentöse Therapie.
Die Behandlung sollte zunächst mit Allgemeinmaßnahmen beginnen.1
Allgemeinmaßnahmen
Erläuterung der physiologischen Mechanismen, die einem POTS zugrunde liegen, und dass es sich um kein schweres Krankheitsbild handelt; dies kann bereits beruhigend wirken.2,2024
Ein Bewegungstraining ist wirksamer zur Pulssenkung als Betablocker.2327-2428
„Pacing“ bei Patient*innen mit PEM (Post Exertional Malaise) bei ME/CFS, auch im Rahmen von Post-COVID
Hier dürfen abweichend von der sonstigen Trainingsempfehlung keine fordernden, systematisch intensitätssteigernden Trainingsprogramme durchgeführt werden.
Die Patient*innen benötigen Energiemanagement im Sinne eines „Pacings“.19
Unter „Pacing“ wird das Einhalten eines individuell passenden Belastungsniveaus verstanden, sodass eine Überlastung und Verschlechterung der Symptome vermieden werden.
Es wird ausgelotet, welche Belastung ohne Symptomverschlechterung toleriert wird, und die Aktivität wird zunächst auf dieses Niveau beschränkt.
„Flare-ups“ der Symptome, induziert durch Überlastung, sollen so vermieden werden.
Verbesserung des venösen Rückstroms durch Kompressionsstrümpfe1
Bei therapierefraktären Patient*innen wurde über günstige Wirkung von intravenösen Immunglobulinen berichtet.2125,3034
Sonstige Therapieoptionen
Psychologische Unterstützung kann im Einzelfall sinnvoll sein.2024
Sinusknotenmodifikation durch Radiofrequenzablation ist nicht als Routinetherapie empfohlen wegen potenziell schädlicher Wirkung.1,1013
Leitlinie: Empfehlungen zur BehandlungTherapie eines POTS12
Nichtpharmakologische Maßnahmen
EinVermeidung regelmvon übermäßiges,iger strukturiertes,Bettruhe intensitätssteigerndesund Trainingsprogrammkörperlicher kann effektiv sein (IIa).Schonung
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Autor*innen
Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
Definition:Symptomatischer Anstieg der Herzfrequenz (≥ 30 Schläge/Minutemin) nach dem Aufstehen bei Fehlen einer orthostatischen Hypotonie. Häufigkeit:Prävalenz ca. 0,2 %. Beginn am häufigsten bei Jugendlichen und Erwachsenen zwischen 15. und 50. Lebensjahr, das Verhältnis w:m beträgt ca. 5:1. Mittlerweile ansteigende Prävalenz im Rahmen des Post-COVID-Syndroms.