Zusammenfassung
- Definition:Das Reizdarmsyndrom (RDS; Irritable Bowel Syndrome/IBS) ist eine chronische Erkrankung charakterisiert durch abdominelle Schmerzen und gestörte Darmfunktion.
- Häufigkeit:Genaue Daten zur Inzidenz und Prävalenz in Deutschland fehlen. Internationale Daten legen eine Prävalenz von bis zu 15 % nahe.
- Symptome:Bauchschmerzen/Unwohlsein, Völlegefühl, Diarrhö, Obstipation. Nicht selten psychische Komorbiditäten.
- Befunde:Meist wird bei der klinischen Untersuchung kein auffälliger Befund außer ein Meteorismus gefunden.
- Diagnostik:Es gibt keine spezifischen Labortests. Sinnvoll ist eine orientierende Blutuntersuchung, Calprotektin im Stuhl zum Ausschluss einer CED, bei Alarmsymptomen Magen-Darm-Spiegelung. Das RDS ist eine Ausschlussdiagnose.
- Therapie:Eine kausale Therapie existiert nicht. Spasmolytika, Probiotika, Antidepressiva, Laxanzien und Phytotherapeutika mit unterschiedlich guter Evidenz stehen zur Verfügung. Evtl. Off-Label-Therapieversuch mit z. B. Rifaximin (vor allem intestinal wirksames Antibiotikum).
Allgemeine Informationen
Definition
- Definition laut AWMF-S3-Leitlinie1
- Die Krankheit des Reizdarmsyndroms (RDS; Irritable Bowel Syndrome/IBS) liegt vor, wenn alle 3 Punkte erfüllt sind.
- Es bestehen chronische, d. h. länger als 3 Monate anhaltende oder rezidivierende Beschwerden (z. B. Bauchschmerzen, Blähungen), die von den Patient*innen und Ärzt*innen auf den Darm bezogen werden und in der Regel mit Stuhlgangsveränderungen einhergehen.
- Die Beschwerden sollen begründen, dass die betroffene Person deswegen Hilfe sucht und/oder sich sorgt und so stark sein, dass die Lebensqualität hierdurch relevant beeinträchtigt wird.
- Voraussetzung ist, dass keine für andere Krankheitsbilder charakteristischen Veränderungen vorliegen, die wahrscheinlich für diese Symptome verantwortlich sind.
- Empfohlene Definition laut aktueller britischer Leitlinie2
- abdominale Schmerzen oder Beschwerden assoziiert mit veränderten Stuhlgewohnheiten für mindestens 6 Monate und Fehlen von Alarmsymptomen
- In der Primärversorgung gegenüber der Rome-IV-Definition vorzuziehen.
- Diagnostische Rome-IV-Kriterien2-3
- abdominelle Schmerzen im Zusammenhang mit der Defäkation an mindestens 1 Tag pro Woche in den letzten 3 Monaten mit einem Symptombeginn 6 Monate vor Diagnosestellung, assoziiert mit Veränderungen von Stuhlfrequenz und/oder -konsistenz
- Untergruppen nach vorherrschenden Stuhlgangsymptomen
- RDS mit Obstipation (IBS-C)
- harte Stuhlkonsistenz in ≥ 25 % und weiche oder wässrige Stuhlkonsistenz in ≤ 25 % der Stuhlgänge
- RDS mit Diarrhö (IBS-D)
- weiche oder wässrige Stuhlkonsistenz in ≥ 25 % und harte Stuhlkonsistenz in ≤ 25 % der Stuhlgänge
- RDS mit gemischten Stuhlgewohnheiten (IBS-M)
- harte Stuhlkonsistenz in ≤ 25 % und weiche oder wässrige Stuhlkonsistenz in ≤ 25 % der Stuhlgänge
- RDS nicht klassifiziert: Veränderungen des Stuhlgangs erfüllen nicht die Kriterien für die anderen 3 Untergruppen.
- RDS mit Obstipation (IBS-C)
- RDS wird als Störung der Darm-Hirn-Interaktion definiert.
- Aufgeblähtsein ist kein Diagnosekriterium.4
- Das RDS beeinträchtigt die Lebensqualität der Betroffenen erheblich.4
- Verlauf: Das RDS ist bei einem Teil der Patient*innen spontan rückläufig, häufig aber auch chronisch oder chronisch-rezidivierend verlaufend.1
Häufigkeit
- Epidemiologie, Inzidenz und Prävalenz des Reizdarmsyndroms sind variabel, definitionsabhängig und werden von zahlreichen Faktoren beeinflusst.1
- Sehr unterschiedliche Angaben:
- Frauen sind doppelt so häufig betroffen.1,3
- Bei den meisten Patient*innen setzen die Beschwerden im Jugendalter oder jungen Erwachsenenalter ein.3
- Symptombeginn ab einem Alter über 50 Jahre ist ungewöhnlich.
- Symptome des unteren Gastrointestinaltraktes machen 1 von 12 Konsultationen in der Primärversorgung aus.2
Ätiologie und Pathogenese
- Die Ursache ist wahrscheinlich multifaktoriell. Es gibt Evidenz für motilitätsbedingte, entzündliche, genetische, immune, psychologische und ernährungsabhängige Faktoren.3
- Beim Reizdarmsyndrom sind gastrointestinale Motilität, Sekretion sowie Wahrnehmung der Darmtätigkeit durch die Patient*innen gestört.1
- Konsistent, aber immer nur jeweils in Subpopulationen, können nachgewiesen werden:1,6
- molekulare und zelluläre Alterationen auf Schleimhautebene
- Veränderungen der Darmflora
- erhöhte Prävalenzen psychischer Komorbiditäten.
- Laut der Rome-IV-Definition, der aktuellen britischen Leitlinie und der AWMF-Leitlinie wird das RDS als Störung in der Darm-Hirn-Achse definiert unter Berücksichtigung des komplexen Zusammenspiels biologischer, zellulärer, molekularer, genetischer, psychologischer und sozialer Faktoren.1-2
Pathogenetische Faktoren beim Reizdarmsyndrom1-4
- Entwicklung eines RDS durch eine bakterielle Enteritis (sog. postinfektiöses RDS)
- Das Risiko für ein RDS nach bakterieller Enteritis ist 8- bis 15-fach erhöht.
- Die Höhe des Risikos ist abhängig von der Schwere des akuten Krankheitsbildes.
- Veränderungen der Darmflora
- RDS ist assoziiert mit einem veränderten Mikrobiom (Darmflora).6
- Die bei RDS veränderte Darm-Mikrobiota kann mit dem Schweregrad der Erkrankung und mit dem Ansprechen auf Ernährungstherapie assoziiert sein.
- Ein bakterielles Überwucherungssyndrom wurde bei manchen Patient*innen mit RDS nachgewiesen, vor allem bei überwiegend Diarrhö, Schmerzen und Meteorismus.
- Entwicklung eines RDS nach Antibiotikatherapie
- teilweise Besserung der RDS-Symptome durch Probiotika oder nicht-resorbierbare orale Antibiotika
- Chronischer Stress, psychische Symptome, negative Vorstellungen bezüglich der Symptome und maladaptive Coping-Strategien können die Frequenz und Schwere der Symptome steigern.
- Psychische Komorbiditäten und Belastungen sind für manche Betroffene vermutlich eher Folge als Ursache der Schwere und Häufigkeit der Symptome.
- Mit dem RDS sind laut der britischen Leitlinie keine speziellen Persönlichkeitsprofile oder psychiatrischen Diagnosen assoziiert.
- Laut AWMF-Leitlinie ist das RDS gehäuft mit somtatoformen und psychischen Störungen assoziiert.
- Psychische Komorbiditäten und Belastungen sind für manche Betroffene vermutlich eher Folge als Ursache der Schwere und Häufigkeit der Symptome.
- Veränderte Darmmotilität
- beschleunigte Transitzeit bei Reizdarm vom Durchfalltyp
- verzögerte Transitzeit bei Reizdarm vom Obstipationstyp
- Störungen des Gastransits
- Mögliche Ursache ist ein veränderter Serotonin-Spiegel (erhöht bei RDS vom Durchfalltyp, erniedrigt bei RDS vom Obstipationstyp).
- Veränderte Schleimhautpermeabilität
- gestörte Barrierefunktion
- erhöhte Sekretion
- Neurale Komponenten
- Bei RDS-Patient*innen findet sich eine erhöhte Innervation der Schleimhaut.
- Die spinale Weiterleitung intestinaler Reize kann bei Patient*innen mit RDS gesteigert sein.
- Verändertes Schleimhaut-Mediatorprofil bei RDS führt zur Aktivierung des enterischen Nervensystems und der primär afferenten (nozizeptiven) Nerven.
- Die parasympathische Aktivität ist vermindert, die Sympathikus-Aktivität erhöht.
- Reduzierter Vagotonus kann durch Stress verursacht sein und Motilität und Empfindlichkeit des Darms sowie periphere Entzündungsvorgänge und Schleimhautpermeabilität beeinflussen.
- Bei RDS-Patient*innen führen viszerale Schmerzreize zur Aktivierung anderer und größerer Hirnregionen als bei Kontrollen.
- veränderte Sensitivität der Patient*innen in Bezug auf Darmaktivität
- erniedrigte Schmerzschwellen unter rektaler Ballondistension (Barostat)
- Genetische Prädisposition für RDS
- Störung des enteralen Immungleichgewichts
- bei RDS Zeichen einer Immunaktivierung in der Darmmukosa und systemisch
- Veränderungen der Muster kurzkettiger Fettsäuren im Stuhl
- veränderte Differenz zwischen Propionsäure und Buttersäure im Stuhl
- Gestörter Gallensäuremetabolismus
- bei einer Subgruppe (bis zu 50 %) von Betroffenen mit Diarrhö als Hauptsymptom – trotz fehlender vorangegangener Erkrankung des Ileums, abdominellen Eingriffen oder Cholezystektomie–assoziiert mit Polymorphosmen verschiedener Gene
- Hormoneller Einfluss
- RDS gehäuft bei Frauen im gebährfähigen Alter
ICPC-2
- D93 Reizdarmsyndrom
ICD-10
- F45 Somatoforme Störungen
- F45.3 Somatoforme autonome Funktionsstörung
- K58 Reizdarmsyndrom
- K58.0 Reizdarmsyndrom mit Diarrhoe
- K58.9 Reizdarmsyndrom ohne Diarrhoe
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom1
Allgemeines zur Diagnostik
- Für die positive Diagnosestellung sollen laut AWMF-Leitlinie grundsätzlich 2 Komponenten erfüllt sein:
- Anamnese, Muster und Ausmaß der Beschwerden sind mit einem Reizdarmsyndrom vereinbar.
- Andere relevante Krankheiten, die sich ebenfalls mit den Symptomen eines RDS manifestieren können, sind – symptomabhängig gezielt – ausgeschlossen.
- Es wird empfohlen, je nach Beschwerdemuster frühzeitig relevante Differenzialdiagnosen auszuschließen und danach weitere Diagnostik zu vermeiden.
- Eine möglichst frühe positive Diagnosestellung bzw. ein möglichst verlässlicher Ausschluss relevanter Differenzialdiagnosen sollte angestrebt werden.
- Hinweise auf andere schwerwiegende Erkrankungen/Alarmzeichen
- Fieber und andere Entzündungszeichen
- Anämie und/oder andere relevante Laborveränderungen
- kurze (< 3 Monate) Anamnese
- ungewöhnlich heftige Schmerzen
- zunehmende Beschwerden
- Gewichtsabnahme
- sichtbares oder okkultes Blut im Stuhl
- Zur positiven Diagnosestellung sollen insbesondere schwerwiegende, potenziell bedrohliche Krankheiten ausgeschlossen werden, die sich mit ähnlicher Symptomatik wie ein RDS manifestieren können.
- Besteht die RDS-Symptomatik erst seit weniger als 12 (bis 24) Monaten, so sind insbesondere auch maligne Ursachen zu erwägen bzw. aktiv auszuschließen:
- Auch bei u. U. schon jahrelang bestehender RDS-Symptomatik gibt es wichtige Differenzialdiagnosen, die ebenfalls grundsätzlich zu bedenken bzw. auszuschließen sind:
- CED (Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa)
- mikroskopische Kolitis
- Zöliakie.
- Zusätzlich sollten weitere potenziell kausal therapierbare Krankheiten und Störungen, die sich ebenfalls mit RDS-Symptomen präsentieren können, individuell und gezielt in die differenzialdiagnostischen Überlegungen einbezogen werden:
- symptomatische Laktose- oder Fruktosemalabsorption
- bakterielle Fehlbesiedelung des Dünndarms (SIBO)
- Gallensäuren-Malabsorption (chologene Diarrhö)
- Nicht-Zöliakie-Weizen-Sensitivität
- symptomatische unkomplizierte Divertikelkrankheit (SUDD)
- intestinale Ischämien
- Motilitätsstörungen, insbesondere auch Pseudoobstruktionen (Ogilvie-Syndrom, chronische intestinale Pseudoobstruktion [CIPO], idiopathisches Megakolon/-rektum, M. Hirschsprung, Slow Transit
Constipation [STC]) sowie anorektale Funktionsstörungen, Beckenbodendyssynergie, Anismus, Beckenbodenspastik. - gynäkologische Ursachen (insbes. Adnexitiden, Ovarialzysten etc.).
- Die Diagnose Reizdarmsyndrom sollte laut britischer Leitlinie gestellt werden:2
- auf der Basis von Symptomen
- bei fehlenden Alarmzeichen
- bei unauffälligen einfachen Blut- und Stuhluntersuchungen.
- Typische „Reizdarmbeschwerden“ sind bei 40–85 % der Betroffenen als erste bzw. einzige klinische Manifestation bei folgenden Erkrankungen zu finden:
- Zöliakie7-8
- chronisch entzündliche Darmerkrankungen
- Kolonkarzinome
- Ovarialkarzinome9-10
- chronische gastrointestinale Motilitätsstörungen, Malabsorptionserkrankungen.1
Differenzialdiagnosen
- Wichtige Differenzialdiagnosen des Reizdarmsyndroms bei Patient*innen mit chronischen „reizdarmtypischen“ Abdominalbeschwerden entsprechend der folgenden Leitsymptome1
Leitsymptom Diarrhö
- Darminfektion (infektiöse Enterokolitiden mit chronischem Verlauf)
- infektiöse Kolitis, pathogene Keime: Salmonellen, Shigellen, Yersinien, Campylobacter, Clostridien, Tropheryma Whipplei etc.
- Parasiten: Würmer, Giardia lamblia, Kryptosporidien bei HIV, Amöben oder Blastocystsis hominis nach Tropenreise
- Pilze: Histoplasmose bei HIV
- Viren: Zytomegalie-Virus (CMV) bei Immunsuppression
- Chronisch entzündliche Darmerkrankungen
- Zöliakie
- Symptomatische Kohlenhydratmalabsorption
- Chologene Diarrhö (besonders nach Cholezystektomie)2
- Motilitätsstörungen des Dünndarms
- Exokrine Pankreasinsuffizienz
- Autonome Neuropathie (Diabetes)
- Medikamentenunverträglichkeit
- Nahrungsmittelallergie
- Hyperthyreose
- Hormonaktive neuroendokrine Tumoren
- Kolorektales Karzinom (paradoxe Diarrhö)
Leitsymptom Schmerz
- Morbus Crohn
- Colitis ulcerosa
- Ulkuskrankheit
- Gallenwegserkrankung
- Gastrointestinale Tumoren
- Mesenteriale Ischämie
- Porphyrie
- Endometriose
- Ovarialtumoren
- Dünndarm-Stenosen (z. B. radiogen, Briden)
- Postoperative Funktionsstörungen (z. B. Briden)
- C1-Esterase-Inhibitor-Mangel
- Intestinale Motilitätsstörungen (z. B. chronisch intestinale Pseudoobstruktion)
Leitsymptom Obstipation
- Medikamentennebenwirkung
- Hypothyreose
- Kolorektales Karzinom (im Wechsel mit paradoxer Diarrhö bei Stenose-Symptomatik)
- Chronische Divertikulitis
- Motilitätsstörungen, z. B. neuropathische Kolonparese (Slow-Transit-Obstipation)
- Funktionelle oder strukturelle Stuhlentleerungsstörung
Leitsymptome Blähungen, Distension
- Bakterielle Fehlbesiedlung (Small Intestinal Bacterial Overgrowth, SIBO; oft sekundär z. B. bei Dünndarmdivertikeln, Motilitätsstörungen etc.)
- Kohlenhydratmalabsorption (z. B. symptomatische Laktose- und/oder Fruktosemalabsorption)
- Postoperative Funktionsstörungen (z. B. Briden)
Anamnese
Allgemeines
- Bei RDS deutliche Beeinträchtigung der Lebensqualität im Vergleich zur Normalpopulation und im Vergleich zu anderen chronischen Erkrankungen1
- RDS beginnt in der Regel in der Jugend oder im jungen Erwachsenenalter.3
- Beginn im Alter > 50 Jahre ist ungewöhnlich und sollte sorgfältig abgeklärt werden.
- Die Symptome sind geprägt von Bauchschmerzen und Blähungen, Durchfall und Verstopfung.
- Das Symptommuster ist von Person zu Person verschieden und ändert sich im Lauf der Zeit. Hinsichtlich des Leitsymptoms werden 3 Unterkategorien unterschieden:3
- obstipationsdominiertes Reizdarmsyndrom
- diarrhödominiertes Reizdarmsyndrom
- alternierendes Reizdarmsyndrom: abwechselnd Diarrhö und Obstipation.
- Am häufigsten ist Diarrhö und Obstipation im Wechsel.
Abdominelle Schmerzen
- Die Lokalisierung ist unterschiedlich und wechselnd.
- Zum Teil treten intensive Schmerzen in Schüben (krampfartig, brennend, stechend) auf.
- Druckgefühl im Unterbauch oder im Bereich der linken oder rechten Kolonflexur
- Sigma gelegentlich schmerzhaft tastbar
- Schmerz lässt häufig nach Abgang von Winden oder Stuhlgang nach.
Blähungen
- Häufig stark vorhanden
- Viele Patient*innen klagen, dass sich der Bauch im Laufe des Tages aufbläht.3
- Ballaststoffreiche Nahrung verstärkt oft den Meteorismus.
Mögliche Auslöser2
- Vorangegangene Magen-Darm-Infektion
- RDS kann in bis zu 30 % der Fälle nach einer akuten bakteriellen Gastroenteritis auftreten.
- (Wiederholte) Antibiotikaeinnahme
- Akuter oder chronischer Stress oder psychisches Trauma
- erhöhtes Risiko bei körperlicher Misshandlung oder sexuellem Missbrauch in der Vorgeschichte und bei PTBS3
- Stress kann die Symptome verschlechtern.3
- Komorbiditäten
- Frühere operative Eingriffe am Abdomen
- Medikation
- Einfluss von Ernährung
- Verschlechterung nach Konsum von Koffein, Kuhmilch, fruktosehaltigen Nahrungsmitteln, Zuckeraustauschstoffen oder Alkohol3
- Bei anamnestischen Hinweisen auf eine Nahrungsmittelunverträglichkeit sollte ein Ernährungs-Symptom-Tagebuch geführt und im Anschluss eine zunächst zeitlich befristete gezielte probatorische Eliminationsdiät versucht werden.1
- Familienanamnese
- RDS-Risiko ist um den Faktor 2,75 erhöht, falls eine erstgradig verwandte Person betroffen ist.
Alarmsymptome als Anzeichen von Malignität oder einer Entzündung
- Gewichtsverlust
- Blut im Stuhl
- Anämie
- Evtl. Malabsorption oder Nahrungsmittelunverträglichkeit bis hin zur Gewichtsabnahme
Klinische Untersuchung
- Oft wird bei der Untersuchung kein pathologischer Befund festgestellt.
- manchmal leichte Druckempfindlichkeit in den rechten und linken unteren Quadranten
- Laut britischer Leitlinie sind eine abdominelle Palpation und ggf. eine rektale Untersuchung indiziert.2
- Test auf okkultes Blut im Stuhl gehört nicht zur Routinediagnostik bei V. a. RDS.
- Bei entsprechendem Verdacht sollten aber ein kolorektales Karzinom oder ein Ovarialkarzinom durch weitere Diagnostik ausgeschlossen werden.
S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom1
Basisdiagnostik
- Vor der Festlegung der Diagnose RDS soll eine gründliche Basisdiagnostik durchgeführt werden.
- Untersuchungen, die bei der diagnostischen Erstabklärung einer klinischen RDS-Symptomatik im Rahmen der obligaten, grundsätzlich bei jeder Patientin/jedem Patienten indizierten Basisdiagnostik durchzuführen sind:
- detaillierte Anamnese (mit gezieltem Erfragen sog. „Alarmsymptome")
- körperliche (mit rektaler) Untersuchung
- Basislabor (inkl. Zöliakie-AK und Stuhluntersuchungen auf intestinale Entzündungsmarker (Calprotectin u. a.) sowie Erreger (u. a. Lamblien)
- Abdomensonografie
- gynäkologische Vorstellung.
- Anschließend sollten in der Regel noch zusätzliche, individuell ausgewählte Untersuchungen durchgeführt werden.
- Zusätzliche Untersuchungen, die bei der diagnostischen Erstabklärung einer klinischen RDS-Symptomatik zur positiven RDS-Diagnosestellung in der Regel erforderlich sind:
- Ileokoloskopie (Stufenbiopsien obligat bei Diarrhö)
- ÖGD (mit Duodenalbiopsien)
- individuell Funktionstests (bei entsprechendem klinischem Verdacht)
- individuell bildgebende Verfahren (bei konkretem klinischem Verdacht).
- Patient*innen mit typischen RDS-Symptomen ohne Diarrhö können – nach negativer Basisdiagnostik – probatorisch für max. 2 Monate symptomatisch behandelt werden, auch ohne dass eine positive Diagnosestellung erfolgt ist.
- Besteht Diarrhö als wesentliches Symptom, soll grundsätzlich eine umfassende diagnostische Abklärung einschließlich Erregerdiagnostik im Stuhl sowie endoskopischer (inklusive Stufenbiopsien) und funktionsdiagnostischer Untersuchungen durchgeführt werden.
- Tests zum Nachweis sog. „Disease Marker“ (Biomarker) als positive Diagnosekriterien des Reizdarmsyndroms können derzeit nicht empfohlen werden.
Basisdiagnostik bei typischer Reizdarmsymptomatik
- Körperliche Untersuchung mit ggf. auch gynäkologischer Untersuchung6
- Labor2-3
- Keine Indikation zur Testung auf exokrine Pankreasinsuffizienz bei typischer RDS-Symptomatik2
- H2-Atemtests
- Soll laut AWMF-Leitlinie grundsätzlich bei Diarrhö als wesentliches Symptom erfolgen. 1
- Bei eindeutigen Hinweisen auf symptomatische Kohlenhydratmalabsorptionen sollten diese mit geeigneten Methoden abgeklärt werden.
- keine Indikation für Atemtests auf bakterielle Dünndarmfehlbesiedelung oder Kohlenhydratmalabsorption bei typischer RDS-Symptomatik laut britischer Leitlinie2
- Laut BMJ Best Practice können Atemtests auf Laktoseintoleranz und Dünndarmfehlbesiedelung bei Betroffenen mit überwiegend Diarrhö und geblähtem Abdomen sinnvoll sein.3
- Soll laut AWMF-Leitlinie grundsätzlich bei Diarrhö als wesentliches Symptom erfolgen. 1
- Tests auf Lebensmittelallergien oder -unverträglichkeiten
- Bei eindeutigen Hinweisen auf IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergien sollten diese mit geeigneten Methoden abgeklärt werden.1
- Bei anamnestischer Auslösung oder Verschlimmerung der Beschwerden durch Getreideprodukte sollen zunächst eine Zöliakie und eine Weizenallergie ausgeschlossen werden. 1
- Bei reproduzierbarer Auslösung oder Verschlimmerung der Beschwerden durch Getreideprodukte kann nach Ausschluss einer Zöliakie und einer Weizenallergie eine zeitlich befristete weizen-/glutenfreie Diät erfolgen mit anschließender gezielter Re-Exposition (anzustreben als „placebo-kontrollierter Provokationstest“) zur Prüfung einer zugrunde liegenden Nicht-Zöliakie-Nicht-Weizenallergie-Weizen-/Gluten-Sensitivität (NCGS/NCWS).1
- Bei anamnestischer Auslösung oder Verschlimmerung der Beschwerden durch histaminhaltige Nahrungsmittel kann eine zeitlich befristete histaminarme Diät mit anschließender gezielter Re-Exposition zur Prüfung einer zugrunde liegende Histamin-Unverträglichkeit versucht werden.1
- Stuhldiagnostik auf pathogene Keime
- Mikrobielle Stuhldiagnostik auf pathogene Keime sollte laut AWMF-Leitlinie bei V. a. RDS vom Diarrhö-Typ oder Misch-Typ erfolgen.1
- laut US-amerikanischer Leitlinie keine Indikation für eine routinemäßige Stuhluntersuchung auf pathogene Keime bei Betroffenen mit typischen RDS-Symptomen4
- nur bei anamnestischen Hinweisen oder Risiken, z. B. für eine Infektion mit Giardia lamblia
- bei RDS mit vorwiegend Diarrhö Untersuchung auf fäkale Leukozyten, Wurmeier und Parasiten laut BMJ Best Practice
- Nicht indiziert sind:1
- Diagnostik auf nahrungsspezifisches IgG
- mikrobielle Analytik der kommensalen Darmmikrobiota.
Weitere Diagnostik bei Spezialist*innen
- Endoskopie
- Laut AWMF-Leitlinie sind bei der Erstabklärung einer klinischen RDS-Symptomatik in der Regel erforderlich:1
- Ileokoloskopie (Stufenbiopsien obligat bei Diarrhö)
- Ösophago-Gastro-Duodenoskopie mit Duodenalbiopsien
- dagegen keine Indikation für Ileokoloskopie bei Reizdarmsyndrom laut britischer Leitlinie, außer:2
- bei Alarmsymptomen
- Blutauflagerungen im Stuhl, Meläna, unbeabsichtigter Gewichtsverlust, chronisch entzündliche Darmerkrankungen oder kolorektales Karzinom oder andere bedeutsame Darmerkrankung in der Familienanamnese4
- bei Reizdarmsymptomen mit Diarrhö und atypischen Befunden oder relevanten Risikofaktoren oder erhöhter Wahrscheinlichkeit für eine mikroskopische Kolitis
- weiblich, über 50 Jahre, autoimmune Begleiterkrankung, nächtliche oder schwere wässrige Diarrhö, Diarrhö-Dauer über 12 Monate, Gewichtsverlust, Einnahme potenziell auslösender Medikamente, wie NSAR, PPI etc.
- Auch laut US-amerikanischer Leitlinie keine Koloskopie bei Betroffenen mit RDS-Symptomen unter 45 Jahren ohne Alarmzeichen4
- Darmkrebs-Screening sollte jedoch altersentsprechend durchgeführt werden.4
- Laut AWMF-Leitlinie sind bei der Erstabklärung einer klinischen RDS-Symptomatik in der Regel erforderlich:1
- Bei atypischer, u. a. nächtlicher Diarrhö oder Z. n. Cholezytektomie: Ausschluss einer Gallensäuremalabsorption2-3
- erhöhte Gallensäurewerte in 48-h-Kolontransit
- Fibroblasten-Wachstumsfaktor 19 (FGF-19) erniedrigt
- SeHCAT-Szintigrafie
- Symptombesserung bei Therapieversuch mit Gallensäurebinder (Cholestyramin)
- Untersuchung der Analsphinkterfunktion bei Hinweisen auf Funktionsstörungen des Beckenbodens oder refraktärer Obstipation4
- Siehe Artikel Analinkontinenz.
- Gynäkologische Untersuchung, z. B. zum Ausschluss eines Ovarialkarzinoms2
Indikation zur Überweisung
- Überweisung an Gastroenterologie
- zur Endoskopie im Rahmen der Erstdiagnostik1
- bei Alarmzeichen für das Vorliegen eines kolorektalen Karzinoms2
- Überweisung an Gynäkologie
- zum Ausschluss gynäkologischer Differenzialdiagnosen, v. a. eines Ovarialkarzinoms1
- Überweisung an Psychiatrie/Psychotherapie
- bei Trauma und Missbrauch in der Anamnese1
- bei psychischer Begleiterkrankung1
Therapie
Allgemeines zur Therapie
- Aufbau einer vertrauensvollen Arzt-Patienten-Beziehung ist essenziell zur erfolgreichen Diagnostik und Therapie des RDS.2
- Die Versorgung von Betroffenen mit RDS sollte in der Hausarztpraxis erfolgen.
- Den Betroffenen sollte das Konzept des RDS als Störung der Darm-Hirn-Achse erklärt werden, und wie diese durch Ernährung, Stress, die kognitive, Verhaltens- und emotionale Reaktion auf Beschwerden und postinfektiöse Veränderungen beeinflusst werden kann.2
- Allgemeine Empfehlungen laut aktueller britischer Leitlinie und der AWMF-Leitlinie1-2
- Allen Betroffenen mit Reizdarmsyndrom soll zu körperlicher Aktivität geraten werden.
- Allen Betroffenen soll eine Diätberatung angeboten werden.
- Eliminationsdiäten auf der Basis von IgG-Antikörpern sollen vermieden werden.
- Die Therapie sollte an den jeweiligen RDS-Subtyp angepasst werden.4
S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom1
Allgemeines zur medikamentösen Therapie
- Die medikamentöse Therapie soll symptomorientiert erfolgen.
- Ihr Erfolg misst sich an der Symptombesserung und der Verträglichkeit.
- Bei unzureichendem Therapieerfolg sollten, wenn erforderlich, sukzessiv unterschiedliche Medikamente eingesetzt werden.
- Ein erfolgreiches medikamentöses Therapieregime kann fortgesetzt, verändert (z. B. als Bedarfs- anstelle der Dauermedikation) oder im Sinne eines Auslassversuchs unterbrochen werden. Diese Optionen gelten auch für nichtmedikamentöse Behandlungskonzepte.
- Aufgrund der Heterogenität des Reizdarmsyndroms gibt es keine Standardtherapie.
- Deswegen hat jede Therapie zunächst probatorischen Charakter; deren Dauer sollte a priori mit den Patient*innen besprochen werden.
- Ein medikamentöser Therapieversuch ohne Ansprechen sollte nach spätestens 3 Monaten abgebrochen werden.
- Off-Label-Therapien
- Die Verwendung von nur für andere Indikationen zugelassenen Substanzen (off label) kann notwendig sein und ist möglich, wenn nach der wissenschaftlichen Datenlage ein therapeutischer Effekt erwartet werden kann.
- Aufgrund des benignen Verlaufs des Reizdarmsyndroms sollte jedoch bei der Entscheidung hierfür eine sorgfältige individuelle Risiko-Nutzen-Abwägung stattfinden.
- Bei therapierefraktärer, schwerer Symptomatik kann in Einzelfällen ein Behandlungsversuch mit einem bislang nur im Ausland zugelassenen Wirkstoff sinnvoll sein.
- In solchen Fällen sollte die Konsultation eines spezialisierten Zentrums erfolgen.
- Diesen Patient*innen sollte ferner die Möglichkeit zur Teilnahme an kontrollierten, klinischen Behandlungsstudien ermöglicht werden.
- Um Patient*innen mit Reizdarmsyndrom adäquat behandeln zu können, sollte eine Unterscheidung zwischen Obstipationsprädominanz, Diarrhöprädominanz und wechselndem, gemischtem Stuhlverhalten vorgenommen werden.
Ernährung/Probiotika/Ballaststoffe
- Individuelle Ernährungsempfehlungen sollten sich an den jeweiligen Symptomen orientieren.
- Laut britischer Leitlinie sollten als Erstlinien-Empfehlung folgende Ernährungshinweise gegeben werden:2
- regelmäßige Mahlzeiten
- vollwertige Ernährung
- begrenzter Konsum von Alkohol und Koffein
- ausreichend Ballaststoffe
- reduzierter Konsum von fettigen oder stark gewürzten Lebensmitteln.
- Low-FODMAP-Diät
- Empfehlungen der AWMF-Leitlinie1
- Bei Schmerzen, Blähungen und Diarrhö als dominantes Symptom sollte eine Low-FODMAP-Diät (in 3 Phasen: Elimination, Toleranzfindung, Langzeiternährung) empfohlen werden.
- Bei Obstipation als dominantes Symptom kann eine Low-FODMAP-Diät (in 3 Phasen: Elimination, Toleranzfindung, Langzeit-Ernährung) empfohlen werden.
- Laut britischer Leitlinie ist eine FODMAP-arme-Diät als Zweitlinien-Therapie empfohlen, laut amerikanischer Leitlinie als zeitlich begrenzter Therapieversuch.2,4
- Eine Metaanalyse ergab eine bessere Wirksamkeit einer Low-FODMAP-Diät in allen Endpunkten im Vergleich zu anderen Interventionen. 11
- Eine FODMAP-arme Diät (FODMAP = Fermentable Oligosaccharides, Disaccharides, Monosaccharides and Polyols) ist bei allen Symptomen des RDS wirksam.1-2,12
- Reduziert werden vergärbare Mehrfachzucker (z. B. Laktose, Stärke), Einfachzucker (wie Fruktose) und Zuckeralkohole (z. B. Süßstoffe).
- Der Effekt dieser Ernährungsrestriktion sollte jedoch von Diätberater*innen begleitet werden, um einer einseitigen Mangelernährung vorzubeugen.
- Die FODMAP sollten je nach Verträglichkeit sukzessive wieder in die Ernährung eingeführt werden.
- Empfehlungen der AWMF-Leitlinie1
- Bei manchen erwachsenen Patient*innen mit RDS und auch ohne Hinweise auf eine Zöliakie kann eine glutenreduzierte Diät wirksam sein.
- Siehe Artikel Weizensensitivität.
- Wirksamkeit basiert vermutlich auf der reduzierten Aufnahme von Weizen-Fruktanen.2
- keine ausreichende Evidenz für eine allgemeine Empfehlung2,4
- Probiotika1-2
- Können in der Linderung von allgemeinen RDS-Symptomen und Bauchschmerzen wirksam sein.
- bisher keine ausreichende Evidenz für eine differenziert Empfehlung einzelner Stämme, Kombinationspräparate oder Applikationsform
- Bifidobacterium infantis kann laut BMJ Best Practice besonders in Kombination mit anderen Probiotika die RDS-Symptome verbessern.3
- laut britischer Leitlinie Therapieversuch über 12 Wochen sinnvoll
- laut US-amerikanischer Leitlinie aufgrund fehlender Daten zur Evidenz nicht empfohlen4
- Ballaststoffe1-2,4
- effektiv für alle RDS-Symptome und Bauchschmerzen
- Dabei sollten lösliche Ballaststoffe wie Psyllium/Plantago/Ispaghula (Flohsamenschalen) verwendet werden, von der Einnahme nichtlöslicher Ballaststoffe wird abgeraten.2
- Beginn der Einnahme löslicher Ballaststoffe mit einer Menge von 3–4 g/d
- Einnahme in einem Glas Wasser vor dem Zubettgehen3
- Auch bei Patient*innen mit Reizdarmsyndrom vom Diarrhö-Typ oder vom Schmerz-Typ können lösliche Ballaststoffe zur Therapie eingesetzt werden.2
Psychotherapeutische Maßnahmen
- Eine kleine Gruppe der RDS-Betroffenen, die auf Maßnahmen zur Ernährungsumstellung und auf die medikamentöse Therapie nicht ansprechen, benötigen eine Überweisung zur Psychotherapie und weitere Unterstützung.3
- Indikationen zur Psychotherapie laut AWMF-Leitlinie1
- mittelschwere bis schwere Beschwerden, auch trotz medizinischer Behandlung
- Rezidive
- Patientenwunsch
- psychische Komorbidität
- Empfehlung laut AWMF-Leitlinie1
- Psychoedukative Elemente („kleine Psychotherapie") und angeleitete Selbsthilfestrategien (z. B. mithilfe eines Patientenhandbuchs oder internetbasierter Selbsthilfeprogramme) können den Krankheitsverlauf günstig beeinflussen und sollten als Elemente einer abgestuften psychotherapeutischen Intervention auf haus- und fachärztlicher Ebene eingesetzt werden.
- Strategien zur Stressvermeidung und/oder Krankheitsbewältigung (Coping) sollten individuell als adjuvante Maßnahmen empfohlen werden.
- Bei Aufnahme einer Psychotherapie sollte die allgemein- sowie fachärztliche Betreuung weitergeführt werden.
- Empfehlungen nach AWMF und aktueller britischer Leitlinie1-2
- RDS-spezifische kognitive Verhaltenstherapie kann eine wirksame Behandlung für alle RDS-Symptome sein.
- psychodynamische Psychotherapie
- bauchgerichtete Hypnose (Gut-directed Hypnosis, in Deutschland nur in speziellen Zentren verfügbar)
- Verfahrensmischformen (Multi-component Psychotherapy)
Medikamentöse Therapie
Symptomatische Erstlinientherapie
- Loperamid bei Diarrhö2
- laut Fachinformation: Zu Beginn 4 mg, danach nach jedem ungeformten Stuhl jeweils 2 mg
- Eine tägliche Dosis von 12 mg darf nicht überschritten werden.
- laut Fachinformation: Zu Beginn 4 mg, danach nach jedem ungeformten Stuhl jeweils 2 mg
- Spasmolytika bei allgemeinen Symptomen und abdominellen Schmerzen
- Pfefferminzöl vor allem bei Blähungen und abdominellen Schmerzen1-2,6
- rezeptfreie Kapseln nach jeweiliger Fachinformation
- Macrogol bei Obstipation (AWMF- und britische Leitlinie)1-2
- in US-amerikanischer Leitlinie nicht empfohlen4
- laut Fachinformation: 1–3 Beutel tgl.
Zweitlinientherapie
- Neuromodulatoren auf der Darm-Hirn-Achse2
- trizyklische Antidepressiva bei allgemeinen Symptomen und abdominellen Schmerzen (off label, nicht bei Obstipation)1-2,4
- z. B. Beginn mit 10 mg Amitryptilin 1 x/d, langsames Auftitrieren bis max. 30–50 mg 1 x/d2
- SSRI bei allgemeinen Symptomen, v. a. Schmerzen (off label, in der AWMF-Leitlinie nur bei psychischen Komorbiditäten empfohlen)
- Die Leitlinien empfehlen keinen speziellen Wirkstoff, z. B. Citalopram 20 mg, Fluoxetin 20 mg/d oder Sertralin 50 mg/d als Initialdosis.
- Weitere Informationen siehe Artikel Depression.
- SNRI Duloxetin bei psychischen Komorbiditäten1
- laut Fachinformation initial 60 mg/d
- trizyklische Antidepressiva bei allgemeinen Symptomen und abdominellen Schmerzen (off label, nicht bei Obstipation)1-2,4
- 5-HT3- Antagonisten bei Diarrhö (off label)1-2
- Ondansetron von zunächst 4 mg 1 x tgl. auf max. 8 mg 3 x tgl. auftitrieren.2
- Rifaximin für allgemeine RDS-Symptome (off label, in Deutschland für Reisediarrhö und hepatische Enzephalopathie zugelassen)1-2,4
- nicht-resorbierbares Antibiotikum2
- effektiv bei Diarrhö, begrenzte Wirkung auf abdominelle Schmerzen
- laut AWMF-Leitlinie nur bei RDS ohne Obstipation
- keine Dosisangabe zur Behandlung des Reizdarmsyndroms in den Leitlinien
- Nach Fachinformation: Zur Behandlung der Reisediarrhö wird eine Dosis von 200 mg alle 8 Stunden empfohlen, alternativ 400 mg alle 12 Stunden.
- in der US-amerikanischen Leitlinie als Erstlinientherapie empfohlen4
- Linaclotid-Laxans2
- Dosierung laut Fachinformation 290 mg 1 x tgl.
- Bei fehlender Besserung nach 4 Wochen absetzen.
- Zugelassen bei RDS
- Laut arznei-telegramm nicht empfohlen. 14
- Stuhltransplantation
- Komplementäre Therapie laut AWMF-Leitlinie1
- Phytotherapeutika
- Pfefferminzöl: Erstlinientherapie nach britischer Leitlinie (s. o.)2
- Wirksamkeitsnachweise für:
- Berberin gegen Diarrhö und Schmerzen
- Mischpräparate STW-5 (Iberis Amara, Angelikawurzel, Kamillenblüten, Kümmelfrüchte, Mariendistelfrüchte, Melissenblätter, Pfefferminzblätter, Schöllkraut und Süßholzwurzel) und STW-5-II (Iberis Amara, Kamillenblüten, Kümmelfrüchte, Melissenblätter, Pfefferminzblätter und Süßholzwurzel) gegen allgemeine Symptome und speziell gegen Schmerzen
- tibetanisches Phytopharmakon Padma Lax (Gemisch aus 15 Pflanzenextrakten [u. a. Anthrachinonhaltig] und Mineralien [u. a. Natriumsulfat und Magnesium!]) nach 3 Monaten wirksam gegen Schmerzen, Obstipation, Blähungen und unvollständige Entleerung
- keine Wirksamkeitsnachweise bzw. keine Empfehlung für Capsaicin, Fumaria, Kurkuma, Aloe vera, Ayurvedapräparat, koreanisches Präparat Gwakhyangjeonggisan, Iberis Amara, Ingwer, Johanniskraut, TCM, Kampo
- Yoga
- Sollte im Rahmen eines komplementären Behandlungskonzepts angeboten werden.
- Akupunktur und Moxibustion
- Können zur Steigerung der Lebensqualität bei RDS-Subtyp Diarrhö eingesetzt werden.
- viszerale Osteopathie und Darm-Massage
- Können angeboten werden.
- Nicht empfohlen werden: Homöopathie, Fußreflexzonenmassage, Darmlavage.
- Phytotherapeutika
Symptomorientierte medikamentöse Therapieoptionen
Symptom Schmerz
- Individuell zur Schmerzbehandlung indiziert:1
- Spasmolytika
- lösliche Ballaststoffe
- 5-HT3- Antagonisten (bei anderweitig therapierefraktärem RDS)
- trizyklische Antidepressiva
- SSRI (bei psychischer Komorbidität)
- SNRI Duloxetin (bei psychischer Komorbidität)
- Linaclotid (bei fehlender Wirksamkeit anderer Therapien)1
- Probiotika
- Phytotherapeutika
- Kein Einsatz von Paracetamol, NSAR, Metamizol, µ-Opioid-Agonisten, Pregabalin1
Symptom Diarrhö
- Individuell zur Diarrhö-Behandlung indiziert:1
- Loperamid
- lösliche Ballaststoffe
- 5-HT3- Antagonisten (bei anderweitig therapierefraktärem RDS-D)
- Rifaximin
- Probiotika
- Covesevelam.
- Laut AWMF-Leitlinie empfohlen, in der US-amerikanischen Leitlinie ausdrücklich nicht empfohlen:1,4
- Colestyramin.
Symptom Obstipation
- Individuell zur Obstipationsbehandlung indiziert:1
- wasserlösliche Ballaststoffe
- osmotische Laxanzien vom Macrogoltyp
- evtl. zusätzlich Lactulose oder Polyethylenglykol3
- 5-HT4-Agonist Prucaloprid (Zweitlinientherapie, wenn andere Laxantien nicht wirksam oder unverträglich sind)1
- Linaclotid (bei fehlender Wirksamkeit anderer Therapien)1-3
- Probiotika2
- SSRI (s. o.).
Symptom Blähungen/abdominell Distension/Flatulenz
- Folgende Therapie kann indiziert sein:1
- Probiotika
- Rifaximin
- Linaclotid (wird empfohlen)
- Phytopharmaka.
- Folgende Therapie ist nicht zur Behandlung empfohlen:1
- entschäumende Substanzen (Simethikon, Dimethikon).
Schweres oder therapierefraktäres RDS
- Empfehlungen laut aktueller britischer Leitlinie:2
- Überdenken der Diagnose, weitere gezielte Diagnostik
-
- interdisziplinäres Vorgehen
- Unnötige Opioidverschreibungen, unnötige operative Eingriffe und ungerichtetes diagnostisches und therapeutisches Vorgehen sollten vermieden werden.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Bei einem Teil der Patient*innen spontan rückläufig, häufig aber auch chronisch verlaufend1
- RDS führt nicht zu einem erhöhten Risiko für die Entwicklung anderer gastrointestinaler Krankheiten, insbesondere nicht für Dickdarmkarzinome.
Komplikationen
- Keine organischen Komplikationen
- Hohes Risiko für wiederholte Diagnostik mit potenziellen Komplikationen2
- Übermäßige Häufigkeit chirurgischer Eingriffe
- Die Symptome werden dabei fehlinterpretiert, sodass eine operative Behandlung als indiziert erscheint.
- Erhöhtes Risiko für Depression und Schlafstörungen3
Prognose
- Die Lebenserwartung ist normal. Das Risiko für andere somatische Krankheiten ist nicht erhöht.1
Verlaufskontrolle
- Es besteht das Risiko, dass Tests und Untersuchungen mehrfach wiederholt werden, ohne dass eine klinische Indikation vorliegt.
- Bei unzureichendem Therapieerfolg sollten, wenn erforderlich, sukzessiv unterschiedliche Medikamente eingesetzt werden.1
- Ein medikamentöser Therapieversuch ohne Ansprechen sollte nach spätestens 3 Monaten abgebrochen werden.
- Für nichtmedikamentöse Behandlungsansätze können abweichende Zeiträume gelten.
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Gesundheitsinformation.de
Quellen
Leitlinien
- Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und Deutsche Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM). Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie des Reizdarmsyndroms. AWMF-Leitlinie Nr. 021-016. S3, Stand 2021. www.awmf.org
- American College of Gastroenterology. Management of Irritable Bowel Syndrome. Stand 2021. www.pubmed.com
- British Society of Gastroenterology. Guidelines on the management of irritable bowel syndrome. Stand 2021. gut.bmj.com
Literatur
- Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und Deutsche Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM). Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie des Reizdarmsyndroms. AWMF-Leitlinie Nr. 021-016. S3, Stand 2021. www.awmf.org
- British Society of Gastroenterology guidelines on the management of irritable bowel syndrome. Stand 26.04.2021. gut.bmj.com
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- arznei-telegramm. Therapiekritik - zum Nutzen von Iberogast. e a-t 2/2018. www.arznei-telegramm.de
Autor*innen
- Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).