Definition:Länger als 1–3 Monate anhaltende, ungenügende Dauer und Qualität des Schlafes.
Häufigkeit:1-Jahres-Inzidenz insomnischer Symptome: 70 %. Prävalenz klinisch relevanter Insomnie: Etwa 6–10 %. Verhältnis Frauen zu Männern ca. 2:1. Mehr als 3-fach erhöhte Inzidenz bei Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status.
Symptome:Ein- oder Durchschlafstörungen an 3 oder mehr Nächten pro Woche mit Müdigkeit und Leistungsdefiziten tagsüber. Bei sekundärer Insomnie evtl. weitere psychische oder somatische Symptome der Grunderkrankung.
Befunde:Nur bei manchen Patient*innen sichtbare Zeichen von Schlafmangel: Tränensäcke oder dunkle Ringe unter den Augen, Zittern, Unruhe.
Diagnostik:Umfassende Anamnese und körperliche Untersuchung einschließlich Abklärung körperlicher und psychischer Erkrankungen; gezielte Fragen nach Substanzen, die den Schlaf stören; Schlaffragebogen und -tagebuch; ggf. Untersuchungen im Schlaflabor.
Therapie:Erste Behandlungsoption: Kognitive Verhaltenstherapie für Insomnien (KVT-I) einschließlich „Schlafhygiene“, Bettzeitrestriktion, Stimuluskontrolle, Entspannungs- und Mindfulness-Übungen. Wenn die KVT-I nicht hinreichend effektiv war oder nicht durchführbar ist, evtl. medikamentöse Kurzzeit-Therapie mit Hypnotika oder sedierenden Antidepressiva.
Allgemeine Informationen
Definition
Der gesamte Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1-4
Länger anhaltender Zustand mit:
Einschlafstörung
Durchschlafstörung
Morgens nicht ausgeruht aufwachen.
Tagesmüdigkeit.
Primär oder sekundär
Primäre Insomnie, nicht verursacht durch:
somatische Erkrankung
psychische Störung
soziales Umfeld.
Sekundäre Insomnie, verursacht durch:
somatische Erkrankung
psychische Störung
soziales Umfeld.
Es gibt eine Diskussion darüber, die Bezeichnungen primäre und sekundäre Insomnie nicht mehr zu verwenden, und stattdessen Komorbiditätsbegriffe (z. B. Schlaf und Depression) heranzuziehen.
Das DSM-IV verwendete noch die Klassifikation in primäre und sekundäre Insomnie. Im DSM-5 wurde sie aufgegeben, zugunsten der übergreifenden Kategorie „insomnische Störung“.
Akut oder chronisch
Akute (situative, transiente) Insomnie
situationsbedingte Insomnie mit einer Dauer von weniger als 4 Wochen
Insomnie ist ein Zustandsbild mit einer ungenügenden Dauer und Qualität des Schlafes, das über einen beträchtlichen Zeitraum besteht und Einschlafstörungen, Durchschlafstörungen und frühmorgendliches Erwachen einschließt.
Kriterien der insomnischen Störung nach DSM-5
A: Im Vordergrund der von den Patient*innen erlebten Beschwerden steht deren Unzufriedenheit mit der Schlafqualität oder -quantität, verbunden mit einem oder mehreren der folgenden Symptome:
Schwierigkeiten einzuschlafen.
Schwierigkeiten durchzuschlafen, charakterisiert durch häufige Wachperioden oder Schwierigkeiten, nach nächtlichen Wachperioden wieder einzuschlafen.
Frühmorgendliches Erwachen mit der Unfähigkeit, wieder einzuschlafen.
B: Die Schlafstörung führt zu klinisch signifikantem Leiden oder Einschränkungen im sozialen, Ausbildungs- und beruflichen Leben oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.
C: Die Schlafstörung tritt mindestens 3 Nächte pro Woche auf.
D: Die Schlafstörung hält mindestens 3 Monate an.
E: Die Schlafstörung tritt trotz ausreichender Gelegenheit für Schlaf ein.
F: Die Insomnie tritt nicht ausschließlich im Rahmen einer anderen Schlaf-Wach-Rhythmusstörung auf und kann durch eine solche nicht besser erklärt werden.
G: Die Insomnie ist nicht zurückführbar auf die physiologischen Effekte einer Substanz (z. B. einer Droge oder einer Medikation).
H: Die koexistierenden psychischen und körperlichen Erkrankungen erklären nicht das Auftreten der Insomnie.
Spezifiziere:
mit einer nicht schlafstörungsbezogenen psychischen Komorbidität
mit einer anderen Komorbidität
mit einer anderen Schlafstörung.
Häufigkeit
Klinisch relevante, chronische Insomnie tritt bei etwa 6–10 % der erwachsenen Bevölkerung auf.1,5
Die Häufigkeit nimmt mit dem Alter zu, teilweise aufgrund von Inaktivität oder somatischen Erkrankungen.5
Fast die Hälfte aller über 65-Jährigen sind betroffen.6
Inzidenz insomnischer Symptome bei 18- bis 79-Jährigen in Deutschland (Jahre 2008–2011)1,7
innerhalb 1 Jahres: 70 %
mindestens 3-mal pro Woche: 30 %
mit beeinträchtigter subjektiver Schlafqualität: 22 %
niedriger sozioökonomischer Status: Insomnie-Risiko um den Faktor 3,4 (Odds Ratio) erhöht7
Wohnsitz in Westdeutschland: Insomnie-Risiko um den Faktor 1,5 (Odds Ratio) erhöht
Ätiologie und Pathogenese
Schlafphysiologie
Eine erwachsene Person schläft durchschnittlich zwischen 7 und 7,5 Stunden pro Nacht, mit Variationen zwischen 6–9 Stunden.
Bei älteren Menschen ist die durchschnittliche Schlafdauer genauso hoch, die Varianz ist jedoch höher (Bereich 4–11 Stunden).
Ältere Menschen erleben oft eine schlechte Schlafqualität.
5 Schlafstadien mit unterschiedlicher Gehirnaktivität und Schlaftiefe werden während der Nacht 3- bis 5-mal zyklisch durchlaufen.8
Schlafstadium 1: Einschlafphase
Das erste Drittel der Nacht wird von den tieferen Schlafstadien 3 und 4 dominiert.
In den letzten 2/3 der Nacht dominieren Stadium 2 und REM-Schlaf. REM-Schlaf tritt regelmäßig etwa alle 90 Minuten auf und dauert von wenigen Minuten bis zu einer Stunde. Die Dauer steigt während der Nacht an.
Träumen findet in allen Schlafphasen statt. In der REM-Phase scheinen Träume besonders realistisch und bilderreich zu sein.
Der Schlaf wird durch ein Zusammenspiel zwischen zirkadianem Rhythmus und angesammeltem Schlafbedürfnis geregelt.
Die Dauer des Schlafes hängt überwiegend davon ab, wann eine Person im Verhältnis zum eigenen Tagesrhythmus schläft.
Die Tiefe des Schlafes hängt überwiegend davon ab, wie groß das angesammelte Schlafbedürfnis ist.
Primäre Insomnie
Keine zugrunde liegende körperliche oder psychische Erkrankung
Psychosoziale Faktoren scheinen maßgeblich zur Entstehung beizutragen.
Etwa 12–15 % aller Insomniefälle scheinen auf psychophysiologischen Faktoren und ungünstigen Verhaltensfaktoren zu beruhen.9
Reaktion auf einen physischen oder psychosozialen Stressor
Bei primärer Insomnie dauert die Schlaflosigkeit auch dann an, wenn die auslösenden Bedingungen wegfallen.
Vermutlich spielt Konditionierung dabei eine wichtige Rolle.
Sekundäre Insomnie
Dabei besteht eine identifizierbare auslösende Ursache, entweder:
Maßgeblich scheint in den meisten Fällen der Teufelskreis aus übermäßiger Sorge und Gedanken über den Mangel an Schlaf zu sein, der die Schlafstörung verstärkt.12
So wird die Schlafstörung durch eine anhaltende Anspannung und Fixierung auf den Schlaf aufrechterhalten.
Ungünstige Faktoren am Arbeitsplatz, z. B.:
hohe Anforderungen
mangelnde Kontroll- und Gestaltungsmöglichkeiten
geistig anstrengende Arbeit
Missverhältnis zwischen Anstrengung und Anerkennung
unkollegiales Arbeitsklima, Mobbing
Schichtarbeit.
Ursachen bei älteren Menschen
Nachlassende Funktion des zirkadianen Zeitgebers im Nucleus suprachiasmaticus des Hypothalamus
mögliche Ursache für Schlafstörungen im Alter
Es kommt häufig vor, dass sich der zirkadiane Rhythmus mit zunehmendem Alter verändert, sodass ältere Menschen abends früher müde werden und morgens früher aufwachen.
Die Amplitude zirkadian schwankender Hormonspiegel nimmt ab, sodass der Unterschied zwischen Tag und Nacht auf endokriner Ebene geringer wird.
Verminderter Tiefschlafanteil
In hohem Alter kann der Tiefschlaf vollständig ausbleiben.
Die insgesamt verminderte Schlaftiefe erklärt möglicherweise das häufigere Erwachen im Alter.
Eine umfassende Anamnese und körperliche Untersuchung soll durchgeführt werden, einschließlich (A):
Abklärung körperlicher und psychischer Erkrankungen
Gezielte Fragen nach Substanzen, die den Schlaf stören.
Schlaffragebögen
Schlaftagebücher.
Aktometrie
Kann eingesetzt werden, um Bett- und Schlafzeiten über den gesamten Tag zu erfassen (C).
Polysomnografie
Soll bei begründetem Verdacht zum Ausschluss organischer Schlafstörungen (periodische Beinbewegungen im Schlaf, schlafbezogene Atmungsstörungen) verwendet werden (A).
Die Polysomnografie sollte bei weiteren begründeten Indikationen durchgeführt werden (B). Dazu zählen:
therapieresistente Insomnie (B)
nach Ausschöpfung anderer diagnostischer Maßnahmen bei Verdacht auf eine organisch bedingte Insomnie, vor allem im Zusammenhang mit Schlafapnoe-Syndrom oder Syndrom periodischer Beinbewegungen (A)
Insomnie bei Risikogruppen in Verbindung mit Eigen- oder Fremdgefährdung, z. B. bei Berufskraftfahrern oder Patient*innen, die mit gefährlichen Maschinen arbeiten (B).
Verdacht auf erhebliche Diskrepanz zwischen subjektiv erlebter Schwere der Insomnie und polysomnografischem Befund (B)
Therapie
Indikation
Behandlungsbedürftigkeit besteht nur dann, wenn neben einer Störung des Nachtschlafs auch über eine starke Beeinträchtigung der Tagesbefindlichkeit oder Leistungsfähigkeit geklagt wird.11
Therapieziel
Einen ausreichend erholsamen Schlaf wiedererlangen.
Metaanalysen belegen deren nachhaltige Wirksamkeit.20-22
Eine solche Behandlung kann mit guten Ergebnissen von psychotherapeutisch kompetenten Hausärzt*innen durchgeführt werden.23-24
Kognitive Verhaltenstherapie mit realistischen Zielen für Bettgeh- und Schlafzeiten sowie Entspannungstechniken und Mindfulness-basierten Übungen.1,25
Auch geeignet bei sekundärer Insomnie/komorbider Insomnie, möglicherweise mit besserem Effekt bei psychischen als bei somatischen Begleiterkrankungen26
Pharmakotherapie
Ist die 2. Wahl.
Die Dosis für ältere Patient*innen reduzieren (z. B. halbieren).
Obwohl die Verwendung von Schlafmitteln häufiger zu einer Beeinträchtigung des funktionalen Zustands, kognitiven Störungen, erhöhter Schläfrigkeit am Tag und Depressionen führt, ist die Patientenzufriedenheit hoch.27-28
Vergleichende Untersuchungen zwischen klassischen Benzodiazepinen und den neueren Benzodiazepinrezeptoragonisten (Zolpidem, Zopiclon) zeigen keine relevanten Wirksamkeitsunterschiede.29
Eine von der BKK Mobil Oil unterstützte, an der Universität Bremen erarbeitete Expertise (Neufassung März 2021) kommt nach umfassender Sichtung der Datenlage zur Einschätzung, dass Schlafstörungen unter die möglichen Indikationen für den therapeutischen Einsatz von Cannabinoiden fallen.30
Es gibt bislang keine Studien, die den Einfluss von Cannabinoiden auf Schlafstörungen als primären Endpunkt untersucht haben.
Positive Wirkungen auf die Schlafqualität wurden in Studien beobachtet, in denen Cannabinoide zur Behandlung von Schmerzerkrankungen oder chronisch entzündlichen Erkrankungen eingesetzt wurden. Diese Ergebnisse bedürfen der Überprüfung in geeigneten Studien.
In der palliativmedizinischen Behandlung von Krebspatient*innen hatten Cannabinoide keinen messbaren Effekt auf Schlafstörungen.31
Kombination Psycho- und Pharmakotherapie?
Zwei randomisiert kontrollierte Studien deuten darauf hin, dass in der Akutbehandlung möglicherweise ein synergistischer Effekt von KVT-I und Pharmakotherapie – in diesen Studien mit Temazepam oder Zolpidem – besteht.
In der Phase nach der Akutbehandlung war jedoch eine alleinige Behandlung mit KVT-I überlegen.1,32-33
Intensives körperliches Training in den 3 Stunden vor dem Schlafengehen ist jedoch zu vermeiden.
Allmähliche Verringerung geistiger und körperlicher Anstrengung vor dem Zubettgehen
Ein persönliches Einschlafritual einführen.
Im Schlafzimmer für eine angenehme Atmosphäre sorgen (ruhig, verdunkelt, angenehmes Raumklima).
In der Nacht nicht auf den Wecker, die Armbanduhr oder das Smartphone schauen.
Einen regelmäßigen Rhythmus beim Schlafengehen und Aufstehen angewöhnen.
Bettzeitrestriktion und Stimuluskontrolle
Für die Kombination aus Bettzeitrestriktion und Stimuluskontrolle, die auch Elemente der KVT-I sind, ist die Wirksamkeit gut belegt.1,35-36
Verträglichkeit und Sicherheit
Stimuluskontrolle und Bettzeitrestriktion kommen einem partiellen Schlafentzug gleich und können daher vorübergehend die Vigilanz und kognitive Leistungsfähigkeit am Tag einschränken.
Im Hinblick auf die Sicherheit im Straßenverkehr oder am Arbeitsplatz ist das zu berücksichtigen.
Während der ersten Tage der Anwendung sind potenziell gefährliche Tätigkeiten, z. B. Autofahren, zu unterlassen.1
Gehen Sie abends nur zu Bett, wenn Sie schläfrig sind.
Nutzen Sie das Bett nur zum Schlafen.
Das heißt, nicht zum:
Lesen
Trinken
Rauchen
Fernsehen
Arbeiten
Telefonieren
Mailen, Chatten, Internet-Surfen.
einzige Ausnahme: sexuelle Aktivitäten
Wenn Sie 15 min nach dem Zubettgehen noch wach sind:
Stehen Sie auf und gehen Sie in ein anderes Zimmer.
Gehen Sie erst wieder ins Bett, wenn Sie sich schläfrig fühlen.
Wenn Sie dann immer noch nicht einschlafen können, wiederholen Sie den vorhergehenden Schritt.
Stehen Sie jeden Morgen zur gleichen Zeit auf.
Schlafen Sie nicht tagsüber.
Psychotherapie
Elemente der KVT-I
Entspannung I
körperliche Entspannung
progressive Muskelrelaxation
Entspannung II
gedankliche Entspannung
Ruhebild
Phantasiereise
Mindfulness („Achtsamkeit“)
Regeln für einen gesunden Schlaf/Rhythmusstrukturierung
Informationen zu Schlaf und Schlafstörungen
Anpassung des Lebensstils („Schlafhygiene“, s. o.)
Schlaf-Wach-Rhythmus-Strukturierung
Stimuluskontrolle (s. o.)
Bettzeitrestriktion (s. o.)
Kognitive Techniken I
Erkennen kognitiver Teufelskreise und sich selbst erfüllender Prophezeiungen
Gedankenstopp
Zum Abbrechen grüblerischer Gedankenschleifen sagt man bei dieser Übung innerlich „Stopp“.
Gedankenstuhl
Stuhl oder Sessel, den man aufsucht, wenn man im Bett ins Grübeln gerät. Auf dem Stuhl werden dann z. B. bestimmte vorher eingeübte Problemlösetechniken angewandt.
Die Wirksamkeit der störungsspezifischen kognitiven Verhaltenstherapie für Insomnien (KVT-I) in der Behandlung primärer und sekundärer Insomnien ist durch Metaanalysen randomisiert-kontrollierter Studien gut belegt (Ia).1,37
Das trifft auch auf die Behandlung von Insomnien bei älteren Menschen zu.38
In einigen Studien war die KVT-I besonders hinsichtlich der Nachhaltigkeit des Therapieeffekts verschiedenen medikamentösen Behandlungen überlegen.38-42
Auch eine internetbasierte kognitive Therapie erwies sich als wirksam, allerdings wurden in diesen Studien niedrigere Effektstärken erzielt als in den Studien zur klassischen KVT-I.
Sicherheit
In den ersten Tagen der Stimuluskontrolle und Bettzeitrestriktion kann die Sicherheit im Straßenverkehr und am Arbeitsplatz einschränkt sein (s. o.).
Sind im kurzzeitigen Gebrauch (3–4 Wochen) effektiv in der Behandlung von Insomnien (A).
Die neuen Benzodiazepinrezeptoragonisten sind gleich wirksam wie die klassischen Benzodiazepinhypnotika (A).
Eine generelle Empfehlung zur Langzeitbehandlung von Insomnien mit Benzodiazepinrezeptoragonisten kann aufgrund der Datenlage und möglicher Nebenwirkungen/Risiken derzeit nicht ausgesprochen werden (B).
Sedierende Antidepressiva
Die Kurzzeitbehandlung von Insomnien mit sedierenden Antidepressiva ist effektiv, wobei Kontraindikationen zu Beginn und im Verlauf geprüft werden sollen (A).
Eine generelle Empfehlung zur Langzeitbehandlung von Insomnien mit sedierenden Antidepressiva kann aufgrund der Datenlage und möglicher Nebenwirkungen/Risiken derzeit nicht ausgesprochen werden (A).
Antipsychotika
In Anbetracht der unzureichenden Datenlage für Antipsychotika in der Indikation Insomnie und angesichts ihrer Nebenwirkungen wird ihre Verwendung in der Insomniebehandlung nicht empfohlen (A).
Eine Ausnahme stellen ältere Patient*innen mit psychischen Störungen dar, bei denen ggf. niedrigpotente Antipsychotika als Schlafmittel gegeben werden können (C).
Melatonin
Aufgrund von geringer Wirksamkeit bei dieser Indikation wird Melatonin nicht generell zur Behandlung von Insomnien empfohlen (B).
Phytopharmaka
Für Baldrian und andere Phytopharmaka kann aufgrund der unzureichenden Datenlage keine Empfehlung zum Einsatz in der Insomniebehandlung gegeben werden (B).
Nur Kurzzeitbehandlung
Hypnotika (Schlafmittel) sind nur für die Kurzzeitbehandlung der Insomnie über maximal 3–4 Wochen zugelassen.43-44
Die Medikamente beeinflussen das Schlafmuster, u. a. durch reduzierten REM-Schlaf.
Eine längerfristige Behandlung mit Benzodiazepinen oder -rezeptoragonisten geht mit einem hohen Risiko für Toleranzentwicklung und Abhängigkeit einher.
Hypnotika-Nebenwirkungen
Hang-over-Effekte („Tag-danach-Syndrom“) während des Tages
Unter der Einnahme von Hypnotika ist die Fahrtüchtigkeit eingeschränkt und das Risiko von Unfällen – sowohl im Straßenverkehr als auch am Arbeitsplatz – erhöht.
Eine Kombination von Alkohol und Benzodiazepinen erhöht das Unfallrisiko darüber hinaus drastisch.
Auch für trizyklische Antidepressiva und für Opioide wurde ein erhöhtes Unfallrisiko nachgewiesen.
Näheres zu Verträglichkeit und Sicherheit von Antidepressiva siehe Artikel Depression.
Therapiedauer
Eine länger als 4 Wochen dauernde Behandlung mit Hypnotika wird nicht empfohlen.1,10
Für längere Zeiträume sind in Deutschland keine Hypnotika zulassen.
Das Risiko der körperlichen Abhängigkeit und Toleranzentwicklung steigt mit der Dauer der Behandlung.
Kognitive Nebenwirkungen können mehr als 6 Monate nach Langzeitgebrauch von Benzodiazepinen anhalten.53
Wenn in begründeten Einzelfällen eine Langzeittherapie in Betracht gezogen wird, sollten Patient*innen angewiesen werden, nicht jede Nacht Schlafmittel zu nehmen. Im Idealfall sollten mehrere Nächte zwischen den einzelnen Schlafmittelanwendungen liegen.
Wahl des Wirkstoffs
Kurzwirksame Benzodiazepine/-agonisten sind wirksam, vor allem bei Einschlafproblemen
Benzodiazepine mit längerer Halbwertszeit können effektiver sein, wenn Probleme bei der Aufrechterhaltung des Schlafs vorliegen.
Antidepressiva
sedierende Antidepressiva als Alternative zu Hypnotika in der Kurzzeittherapie der Insomnie
Der besondere Vorteil ist das fehlende Risiko für Abhängigkeit und Toleranzentwicklung.
Besonders geeignet, wenn Depressionen die zugrunde liegende Ursache für vorzeitiges Erwachen sind.
Einschlafstörungen
Triazolam
kurz wirksames Benzodiazepin (Halbwertszeit 1,4–4,6 Stunden)1
zugelassen nur für die maximal dreimonatige Behandlung der primären, durch schlechte Schlafqualität gekennzeichneten Insomnien bei Patient*innen ab 55 Jahren
empfohlene Dosierung: 202 mg, 1 Stunde vor dem Schlafengehen
Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus
Jetlag: Melatonin hat sich in einer Cochrane-Metaanalyse als wirksam erwiesen (Ia).56
in Deutschland nur als Off-Label-Use
höchste Wirksamkeit bei Reisen über 5 oder mehr Zeitzonen, etwas schwächer wirksam bei Reisen über 2–4 Zeitzonen
Höchste Wirksamkeit bei Reisen in östlicher Richtung. Wird kurz vor der Schlafenszeit am Ankunftsort eingenommen (22 Uhr bis Mitternacht).
Dosierung: 0,5–5 mg
2 mg Melatonin retard war nur schwach wirksam und schneller anflutende Formulierungen sind in Deutschland nicht verfügbar.
Schichtarbeit
Es gibt Hinweise, dass Melatonin die Schlafdauer nach der Nachtschicht verbessern könnte, jedoch keinen Nachweis für die Verbesserung anderer Schlafparameter.57
Schlafstörungen bei blinden Menschen: Melatonin-Agonist
Unter Tasimelteon wurde bei zirkadianen Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen eine verkürzte Einschlafzeit und eine bessere Aufrechterhaltung des Schlafes im Vergleich zu Placebo erreicht.58
Tasimelteon ist für die Therapie von Schlaf-Wach-Störungen mit Abweichung vom 24-Stunden-Rhythmus bei blinden Menschen ohne Lichtwahrnehmung zugelassen.1,59
Weitere Therapien
Körperliche Aktivität, Bewegung
Körperliche Aktivität wirkt schlaffördernd und zeigte in einigen Studien keine Wirksamkeitsunterschiede zu Benzodiazepinen.34,36
Das scheint auch auf die Altersgruppe der über 60-Jährigen zuzutreffen.60
Angesichts der anderen Vorteile, die regelmäßige Bewegung mit sich bringt, kann sie für alle Patient*innen mit Schlafstörungen empfohlen werden.
Lichttherapie
Wirkprinzip
Licht reguliert, zusammen mit anderen Faktoren, den zirkadianen Rhythmus.
Lichttherapie am Morgen verschiebt den zirkadianen Rhythmus eher nach hinten, d. h. sie führt zu einem früheren Erwachen am nächsten Tag.
Lichttherapie am Abend verschiebt den zirkadianen Rhythmus eher nach vorne, d. h. sie führt zu einem späteren Erwachen.
Indikationen
Neben der saisonal bedingten Depression ist Lichttherapie auch bei zirkadianen Störungen angezeigt61, wie:
In 1- und 2-jährigen Katamnesen erwies sie sich als die am nachhaltigsten wirksame Behandlung.
Medikamente und Psychotherapie sind in der Kurzzeitbehandlung vergleichbar wirksam.
Patient*innen von Pflegeeinrichtungen
Haben oft Schlafstörungen.
Die Ursachen können zahlreich sein, eine gründliche Untersuchung ist wichtig.
Nichtmedikamentöse Ansätze können wirksam sein.
Eine amerikanische Studie hat gezeigt, dass Veränderungen der Lebensweise und von Umgebungsfaktoren (siehe Empfehlungen für Patient*innen) das Schlafen während des Tages reduzieren und die körperliche Fitness sowie die Teilhabe an sozialen Aktivitäten fördern.63
Lichttherapie
Ältere Menschen, vor allem Patient*innen in stationären Einrichtungen, sind in der Regel weniger Licht ausgesetzt als jüngere.
Demenz-Patient*innen mit Schlafstörungen profitieren möglicherweise davon, wenn der Unterschied zwischen Tag und Nacht durch regelmäßige äußere Taktgeber verstärkt wird.
Es gibt allerdings keine ausreichenden Hinweise für einen therapeutischen Effekt von Licht, die eine spezielle Empfehlung in der Anwendung bei Menschen mit Demenz erlauben (Ib).64
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
Schlaflosigkeit tendiert zu einem chronischen, langandauernden Verlauf.
Bei Patient*innen, die wegen Insomnie in spezialisierten Zentren behandelt werden, beträgt die durchschnittliche Krankheitsdauer ca. 10 Jahre.1
Häufig ist ein wechselnder Gebrauch unterschiedlicher Hypnotika zu beobachten.
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Autor*innen
Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
Definition:Länger als 1–3 Monate anhaltende, ungenügende Dauer und Qualität des Schlafes. Häufigkeit:1-Jahres-Inzidenz insomnischer Symptome: 70 %. Prävalenz klinisch relevanter Insomnie: Etwa 6–10 %. Verhältnis Frauen zu Männern ca. 2:1. Mehr als 3-fach erhöhte Inzidenz bei Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status.