Definition:Schwere altersgebundene epileptische Enzephalopathie des Kindesalters mit Trias aus schweren Krampfanfällen, typischen EEG-Veränderungen und Entwicklungsretardierung. Manifestation im 1.–8. Lebensjahr, meist auf Grundlage einer zerebralen Schädigung.
Häufigkeit:4 % aller kindlichen Epilepsien, jährliche Prävalenz für Alter von 10 Jahren beträgt 0,26/1.000. Jungen häufiger betroffen als Mädchen.
Symptome:Trias aus multiplen Krampfanfällen, häufig tonisch, atypische Absencen, atonisch, aber auch andere, EEG mit Slow-Spike-Wave-Muster und kognitiver Entwicklungsretardierung.
Befunde:Initial teils diskrete Symptomatik mit noch nicht vollständig ausgeprägter Symptomtrias, Diagnosestellung oft verzögert. Veränderung des Anfallsmusters im Verlauf von Kindheit bis Adoleszenz. Entwicklungsretardierung, psychische Begleiterkrankungen und Verhaltensauffälligkeiten. Meist Vorliegen struktureller zerebraler Schäden, genetischer Aberrationen oder selten auch ursächlicher metabolischer Erkrankungen.
Diagnostik:Anamnese, Klinik, charakteristisches EEG, Bildgebung, Labordiagnostik und Genetik.
ThrapieTherapie:Selten kurativ, Ziel ist frühe Reduzierung der Anfallsfrequenz zur Vermeidung weiterer zerebraler Schädigung durch Krampfaktivität. Therapieoptionen umfassen: Valproat, Lamotrigin, Topiramat und andere Medikamente, ketogene Diät, Vagusnervstimulation, EpilepsiechirurgieEpilepsie-Chirurgie.
Allgemeine Informationen
Definition
Schwere altersgebundene epileptische Enzephalopathie des Kindesalters mit Trias aus Krampfanfällen, typischen EEG-Veränderungen und Entwicklungsretardierung
Symptom-Trias
schwere Krampfanfälle (tonische Anfälle, atypische Absencen, atonische Anfälle, aber auch myoklonische, generalisiert tonisch-klonische, partielle Anfälle und Sturzanfälle)
im Intervall im Wach-EEG diffuse langsame (< 3 Hz) Spike-Waves, im Schlaf-EEG schnelle (10 Hz) rhythmische Entladungen
verzögerte geistige Entwicklung mit Persönlichkeitsveränderungen und Verhaltensstörungen1-3
Manifestation im 1.–8. Lebensjahr, meist auf Grundlage einer zerebralen Schädigung
in 10–16 % der Fälle Manifestation nach dem 8. Lebensjahr4
G40.4 Sonstige generalisierte Epilepsie und epileptische Syndrome
Diagnostik
Allgemeines
Schwierige und oftmals verzögerte Diagnosestellung
Symptomtrias initial nicht immer vollständig ausgeprägt, teils 1–2 Jahre zwischen dem ersten Krampfanfall und der kompletten Symptomtrias2
Eine frühe Diagnosestellung ist wesentlich zur Reduzierung weiterer zerebraler Schädigung durch Krampfaktivität.
Manifestation des LGS in einem kritischen Alter der Hirnentwicklung mit vulnerablem Gewebe führt zu irreversiblen zerebralen Schäden.2
Diagnostische Kriterien
Registrierung eines Anfalls mittels EEG (gelingt selten)
Nachweis epilepsietypischer Potenziale im EEG
Cave: 3 % aller Kinder haben epilepsietypische Potenziale im Ruhe-EEG ohne Vorliegen einer Epilepsie.6
Ein fehlender Nachweis epilepsietypischer Potenziale schließt die Diagnose nicht aus.
Symptom-Trias
schwere Krampfanfälle (meist kleine generalisierte Anfälle, tonische Anfälle, atypische Absencen, atonische Anfälle, aber auch myoklonische, generalisiert tonisch-klonische – eher später im Verlauf, partielle Anfälle und heftige Sturzanfälle), in 50–75 % der Fälle nicht-konvulsivenichtkonvulsive Anfälle3,5
im Intervall im Wach-EEG diffuse langsame (< 3 Hz) Spike-Waves, im Schlaf-EEG schnelle (10 Hz) rhythmische Entladungen, nachts serienhafte Anfälle mit sehr diskreter Klinik5
verzögerte geistige Entwicklung mit Persönlichkeitsveränderungen und Verhaltensstörungen1-3
Schwere Epilepsie mit multiplen unabhängigen Spike-Foci
Doose-Syndrom (myoklonische-astatische-Epilepsie)
Dravet-Syndrom
Epilepsie mit kontinuierlichem Spike-Wave-Muster während des Tiefschlafs (CSWS)
Juvenile myoklonische Epilepsie
Angelman-Syndrom
Infantile Spasmen (die zum Lennox-Gastaut-Syndrom fortschreiten können)
Anamnese
Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.6
Durchführung einer detaillierten Anamnese durch einenerfahrene erfahrenen ArztÄrzt*innen mit Betroffenen, Familie und ggf. Personen aus dem weiteren Umkreis (Schule, Freunde, etc.)
Allgemeine Anamnese
Schwangerschaft
Neonatalperiode
neurologische Entwicklung
Familienanamnese
Medikamente
Unfälle/Stürze
Operationen
Anfallsanamnese (Symptomatik wird teils nicht erkannt und soll gezielt abgefragt werden): auslösende Faktoren, Zeitpunkt, Beschreibung, Aura, subjektive Erlebnisse des Kindes während des Anfalls, Zyanose, Auswertung von Videoaufnahmen – Handykameraaufnahmen der Eltern sind wertvoll, Zungenbiss, Einnässen etc.
Na, K, Mg, Glukose, neurometabolische Basisdiagnostik, ggf. Drogenscreening als Initialdiagnostik
Prolactin innerhalb 1 h nach Anfall (normal bei Absencen und dissoziativen Anfällen, erhöht bei generalisierten und teils auch fokalen Anfällen, hypoxischem Ereignis und Synkopen)
Kreatinkinase erhöht nach generalisiertem Anfall
GOT, GPT, Bilirubin, Amylase, Quick, PTT vor Therapiebeginn und nach 4 Wochen, ggf. Kontrolle bei pathologischen Werten
Bei entsprechendem Verdacht Stoffwechseldiagnostik
Anfallshäufigkeit reduzieren (Anfallsfreiheit ist quasi nicht zu erreichen).
Nebenwirkungen der Antiepileptika minimieren.
Verletzungen durch Sturzanfälle vorbeugen.
Lebensqualität verbessern.
Allgemeines zur Therapie
Der gesamte Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.3,5-6
Aufgrund mangelnder Daten gibt es keine internationalen Leitlinien zur Behandlung des LGS.
Die Behandlung ist immer individuell und sollte von einem erfahrenen SpezialistenSpezialist*innen durchgeführt und begleitet werden.
Die Wirksamkeit eines Medikamentes soll individuell für Patientdas Kind und den Epilepsietyp getestet werden.
Kein Ansprechen nach korrektem Einsatz von 2 Antiepileptika gilt als pharmakoresistent.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit mit TherapeutenTherapeut*innen
Sehr gute Compliance bei der Medikamenteneinnahme ist notwendig.
Anpassung des Lebensstils ist oft erforderlich (Vermeidung von Schlafmangel, unregelmäßigem Lebensrhythmus, Alkohol, Flackerlicht oder ähnlichen individuell anfallsauslösenden Faktoren).
Empfehlungen für PatientenPatient*innen
Helm zur Prävention von Verletzungen durch Sturzanfälle
außerdem Clobazam, Felbamat, Rufinamid, Zonisamid, Benzodiazepine, ACTH
Cannabidiol in Kombination mit Clobazam, zugelassen zur Behandlung des Lennox-Gastaut-Syndroms, soll laut NICE-Empfehlung8 nur verwendet werden, wenn eine Evaluation des therapeutischen Effektes nach 6 Monaten zu einer 30%-igenprozentigen Reduktion der Anfallshäufigkeit führen konnte.9
Einzellfallstudien mit Steroiden oder Immunglobulinen4,10
Cave: Teils relevante Wechselwirkungen bei medikamentöser Behandlung von Epilepsie und gleichzeitig bestehenden psychischen Erkrankungen!
Gesellschaft für Neuropädiatrie. Diagnostische Prinzipien bei Epilepsien des Kindesalters. AWMF-Leitlinie Nr. 022-007. S1, Stand 2017. www.awmf.org.
Literatur
Campos-Castello J. Lennox-Gastaut-Syndrom. Paris, Orphanet 2007. www.orpha.net
Resnick T, Sheth RD. Early Diagnosis and Treatment of Lennox-Gastaut Syndrome. Journal of Child Neurology 2017; 32(11): 947-955. doi:10.1177/0883073817714394 DOI
Mastrangelo M. Lennox–Gastaut Syndrome: A State of the Art Review. Neuropediatrics 2017; 48: 143-151. doi:10.1055/s-0037-1601324 DOI
Brodie MJ, Ben-Menachem E. Cannabinoids for epilepsy: What do we know and where do we go?. Epilepsia 2018; 59: 291-296. doi:10.1111/epi.13973 DOI
Neubauer BA, Hahn A. Dooses Epilepsien im Kindes- und Jugendalter. Berlin Heidelberg: Springer Verlag, 2014.
Gesellschaft für Neuropädiatrie. Diagnostische Prinzipien bei Epilepsien des Kindesalters. AWMF-Leitlinie Nr. 022-007, Stand 2017 www.awmf.org
Kim BH, Yu YS, Kim S-J. Ophthalmologic Features of Lennox-Gastaut Syndrome. Korean J Ophthalmol 2017; 31(3): 263-267. doi:10.3341/kjo.2015.0161 DOI
National Institute for Health and Care Excellence. Cannabis-based medicinal products. NICE guideline. 11 November 2019. www.nice.org.uk
Ostendorf AP, Ng YT. Treatment-resistant Lennox-Gastaut syndrome: therapeutic trends, challenges and future directions. Neuropsychiatr Dis Treat 2017; 13: 1131-40. doi:10.2147/NDT.S115996 DOI
AutorenAutor*innen
Anne Strauß, Ärztin in Weiterbildung Pädiatrie, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Freiburg
ArneDie Hønnursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåsndbok (NEL, Avdeling for klinisk farmakologi, Sthttps://legehandboka. Olavs Hospital, Trondheim
Kurt Østhuus Krogh, spesialist i barnesykdommer, Barne- og ungdomsklinikken, Stno/). Olavs Hospital, Trondheim
Definition:Schwere altersgebundene epileptische Enzephalopathie des Kindesalters mit Trias aus schweren Krampfanfällen, typischen EEG-Veränderungen und Entwicklungsretardierung. Manifestation im 1.–8. Lebensjahr, meist auf Grundlage einer zerebralen Schädigung.