Definition:Als katheterassoziierte Harnwegsinfektion (engl. CAUTI = Catheter-Associated Urinary Tract Infection) bezeichnet man eine (symptomatische) Harnwegsinfektion bei PatientenPatient*innen mit Blasenverweilkatheter oder eine Infektion, die innerhalb von 48 Stunden nach Entfernung des Katheters auftritt.
Häufigkeit:HWI gehören zu den häufigsten nosokomialen Infektionen, 80 % davon sind Katheter-assoziiertkatheterassoziiert. Die Inzidenz beträgt 3,1–7,5 Harnwegsinfekte pro 1.000 Kathetertage.
Symptome:Verdacht auf eine Infektion besteht bei Fieber, Veränderungen des mentalen Zustands oder neu aufgetretenen suprapubischen und/oder Flankenschmerzen.
Befunde:Symptome, die auf einen Harnwegsinfekt hindeuten und durch andere Erkrankungen nicht erklärt werden können, und eine Bakteriurie von ≥ 103 cfu/ml.
Diagnostik:Anamnese, körperliche Untersuchung, Urinkultur zur Keimbestimmung und Resistenztestung. Keine Urindiagnostik bei fehlenden Symptomen!
Therapie:Antibiotika und Entfernung/Wechsel des Dauerkatheters. Die Mehrzahl der katheterbedingten HWI könnten durch angemessene Prävention verhindert werden.
Allgemeine Informationen
Definition
Symptome einer Harnwegsinfektion, die bei PatientenPatient*innen mit liegendem Dauerkatheter auftreten oder innerhalb von 48 Stunden, nachdem dieser entfernt wurde.1
Bei auf Normalstationen hospitalisierten Patienten treten 3,79 Harnwegsinfektionen pro 1.000 Harnwegskathetertage auf.43
Bei neu gelegten Urinkathetern beträgt die Inzidenz einer Bakteriurie täglich 3–10 %. Nach 4–6 Wochen besteht bei nahezu allen PatientenPatient*innen eine Bakteriurie.54
Allerdings entwickeln nur rund 10 % der PatientenPatient*innen mit Bakteriurie einen symptomatischen Harnwegsinfekt.3
Harnwegsinfektionen zählen mit einem Anteil von 2321,2 6 % nach postoperativen Wundinfektionen (2422,3 4 %) zu den häufigsten nosokomialen Infektionen.
In 80 % der Fälle sind nosokomiale Harnwegsinfektionen mit einem Katheter assoziiert.3
Sie sind für rund 20 % der Bakteriämien bei hospitalisierten PatientenPatient*innen verantwortlich. Diese haben eine Mortalität von etwa 10 %.1
Ätiologie und Pathogenese
Infektion
Jedes Einführen eines Katheters kann Bakterien in die Harnblase befördern und stellt somit ein Risiko für die Entwicklung eines Harnwegsinfektes dar. Hauptproblem bei liegendem Katheter ist jedoch die dauerhafte Besiedlung des Fremdmaterials.
Das Infektionsrisiko ist viel geringer bei intermittierender steriler Katheterisierung als bei Dauerkatheter.3,6
Erregerreservoire sind die endogene Flora des Gastrointestinaltraktes, des Urogenitaltraktes und der Perianalregion der PatientenPatient*innen sowie Kontaminationen des Urinkatheters bei der Katheteranlage.
Den Harntrakt erreichen die Erreger entweder extraluminal, entlang der sog. mucopurulenten Membran zwischen dem Katheter und der Harnröhrenwand oder intraluminal aszendierend.3
Es bildet sich ein Biofilm, bestehend aus Bakterien und einer Matrix hauptsächlich aus Polysacchariden. Bakterien im Biofilm haben eine weitaus höhere Resistenz gegenüber Antibiotika als frei im Urin flottierende Bakterien.
Tritt im Laufe vonNach 4 Tagen bei offenen Kathetern auf, bei geschlossenen Systemen erst nach 15–30 Tagen.7 Nach 6 Wochen sind Dauerkatheter fast ausnahmslos besiedelt.53-4
Das Auftreten einer Bakteriurie kann sich verzögern, wenn beim Legen des Katheters steril vorgegangen wird und wenn geschlossene Drainagesysteme angewandt werden.86
Regelmäßige Urinkulturen bei PatientenPatient*innen mit Dauerkatheter werden nicht empfohlen, da diese keine Aussagekraft für die Wahl des richtigen Antibiotikums bei zukünftigen Infektionen haben.
Urinstreifentest: Zur Diagnostik nicht ausreichend. Nachweis von Leukozyten, Blut und/oder Nitrit können ein Hinweis auf einen Harnwegsinfekt sein.
Die Kultur sollte aus einem neu gelegten Katheter entnommen werden. Die Kultur aus Urin, der aus dem Urinbeutel oder dem Urinschlauch gewonnen wurde, führt häufig zu falschen Ergebnissen, da die Anzahl der gefundenen Bakterienstämme und die Keimdichte falsch zu hoch sein kann.97
Oft liegt eine polymikrobielle Bakteriurie vor – normalerweise Pseudomonas, Proteus, Providencia, Enterobacteriaceae, Morganella und Enterococci. Die Flora scheint sich im Laufe der Zeit zu verändern.108
Häufiger Befund bei PatientenPatient*innen mit Dauerkatheter, insbesondere bei denen, die Antibiotika einnehmen, älter sind oder Diabetes haben.11
bei asymptomatischen Patient*innen i. d. R. keine Therapie notwendig
bei Symptomatik Behandlung mit Fluonazol
LeilinieLeitlinie: Brennen bei Wasserlassen5 – Urindiagnostik bei liegendem Dauerkatheter4
Bei geriatrischen PatientenPatient*innen (mit/ohne Urinkatheter) soll kein Screening auf das Vorhandensein einer Bakteriurie erfolgen (A).
Bei Verdacht auf einen Harnwegsinfekt bei PatientenPatient*innen mit liegendem Harnwegskatheter sollte eine Urinkultur aus einem neugelegten Urinkatheter gewonnen werden (B).
Zuhause gepflegte, schwerkranke PatientenPatient*innen, die schlecht auf die Behandlung ansprechen, sollten evtl. in ein Krankenhaus eingewiesen werden.
ManSchätzungsweise schätzt, dasskönnten bis zu 70 % der katheterassoziierten Harnwegsinfektionen durch geeignete Präventionsmaßnahmen verhindert werden könnten.3
Die Therapie sollte möglichst nach Kultur und Antibiogramm erfolgen.
Wenn nötig, erfolgt eine empirische antibiotische Behandlung unter Beachtung der lokalen Resistenzlage.
Medikamentöse Therapie
Für Fluorchinolone wurden von der Europäischen Arzneimittel-Agentur Anwendungsbeschränkungen empfohlen: Besondere Vorsicht bei Älteren und bei PatientenPatient*innen mit Nierenfunktionseinschränkung. Keine Kombination mit Kortikosteroiden. Nicht empfohlen als Mittel der 1. Wahl zur Behandlung leichter und mittelschwerer Infektionen.1210
Leitlinie: Empirische antibiotische Behandlung bei Harnwegsinfekten1-2,54
Grundsätzliche Überlegungen vor einer Antibiotikatherapie
korrekte Diagnosestellung
kritische Indikationsstellung
Lokale Resistenzlage bedenken.
Katheterassoziierte Harnwegsinfekte
Keine Therapie bei asymptomatischen PatientenPatient*innen, unabhängig vom Nachweis einer Bakteriurie
Entfernung oder Wechsel des Katheters vor Beginn der antibiotischen Behandlung
Keine Instillation von antiseptischen oder antimikrobiellen Substanzen3
Ein Harnwegsinfekt bei PatientenPatient*innen mit einem liegenden Harnwegskatheter sollte 7 Tage antibiotisch behandelt werden (A).54
Komplizierte Harnwegsinfektion
Empfohlene Medikamente
Amoxicillin + Aminoglykosid
Cephalosporin der 2. Generation + Aminoglykosid
Cephalosporin der 3. Generation i. v. bei systemischen Symptomen
Ciprofloxacin (z. B. 500–750 mg 2 × x tgl. über 7–10 Tage) nur, falls
lokale Resistenzraten < 10 % – oder –
keine HospitatalisierungHospitalisierung erforderlich ist – oder –
eine Betalaktam-Allergie vorliegt.
Nicht verwendet werden sollten aufgrund der Resistenzlage:
Amoxicillin +/–Clavulansäure
Trimethoprim +/– Sulfamethoxazol.
IndikationIndikationen für Antibiotikaeine antibiotische Therapie bei geriatrischen Patient*innen mit Urindauerkatheter4
Beurteilen Sie kritisch, ob eine Behandlung erforderlich ist. Die Medikamente können toxisch sein, nur eine geringe klinische Wirkung haben und zur Resistenzbildung führen.
Eine nordamerikanische Konsensus-Konferenz von Infektiologen hat Minimalkriterien für die antibiotische Behandlung von symptomatischen Patienten mit Urinkathetern entwickelt. Mindestens eines der folgenden Symptome sollte vorhanden sein:
Die Dauer der Behandlung hängt vom Schweregrad und davon ab, wie schnell sich der Zustand bessert. Bei promptem Ansprechen der Therapie sollte 7 Tage, bei verzögertem Ansprechen 10–14 Tage behandelt werden.9
Therapiedauer
Die Therapiedauer beträgt bei PatientenPatient*innen mit Dauerkatheter 7 Tage.54
Es gibt keine Hinweise auf einen eindeutigen Nutzen von Katheterspülungen.4-5,11
Eine generelle Anwendung von Methenamin zur Prophylaxie einer Infektion bei Harnblasenkatheter kann nicht empfohlen werden.54
Der Dauerkatheterismus von älteren PatientenPatient*innen mit Urininkontinenz sollte möglichst vermieden werden.63
Dennoch bekommen PatientenPatient*innen, die chronisch gepflegt werden, oft einen Dauerkatheter gelegt, obwohl Urininkontinenz als alleinige Indikation eine unnötige Anwendungen eines Katheters darstellt.3
Indikationen
Jede Anlage eines Harnwegskatheters bedarf einer strengen, ärztlichen Indikationsstellung, die täglich überprüft werden sollte.3,5
Medizinisch begründete Anwendungen eines Katheters:43
Notwendigkeit der Bilanzierung bei schwerschwerkranken kranken PatientenPatient*innen
PatientenPatient*innen mit urologischen Operationen
Förderung der Wundheilung im Bereich des äußeren GenitaleGenitales bei Harninkontinenz
mehrstündige Operationen mit hohem Flüssigkeitsumsatz
palliative Behandlung (bei Patientenwunsch).
Beispiele für unnötige Anwendungen eines Katheters:43
Verordnung nur aufgrund einer Harninkontinenz der PatientenPatient*innen
Verlängerung der Katheterliegedauer, z. B. bei PatientenPatient*innen nach chirurgischen Eingriffen oder nach Abschluss der intensivmedizinischen Überwachung/Bilanzierung.
Zur Prävention von Infektionen sinddem Blasenverweilkatheter vorzuziehen.
Vor jeder Anwendung eines Blasenverweilkatheters sollte daher überprüft werden, ob alternativ nicht ein aseptischer, intermittierender Einmal-(Selbst-)Katheterismus infrage kommt.4
Eine Schulung der PatientenPatient*innen bzw. der Pflegenden sollte durchgeführt und möglichst durch geeignetes Informationsmaterial ergänzt werden.4
Die Methode ist heute Standard für PatientenPatient*innen mit Rückenmarksverletzungen.
Allerdings sind auch die Harnwege dieser PatientenPatient*innen nach einigen Monaten Behandlung bakterienbesiedelt.6
Es liegen widersprüchliche Daten vor, ob dieser Harnwegsinfektionen verringern kann, verglichen mit einem Dauerkatheter, die Mehrzahl der Daten ergibt keinen Unterschied.45,12
Vorteile liegen in einer Schonung der Harnröhre.4,10
Kann aus diesem Grund bei PatientenPatient*innen mit längerfristiger Harndrainage (z. B. bei größeren Operationen) angewandt werden.4,10
Für die Kurzzeitdrainage (< 5 Tage) können preisgünstige Latex-Ballonkatheter eingesetzt werden, wenn eine Latex-Allergie ausgeschlossen ist.143
Bei längerfristiger Blasendrainage sollte ein Vollsilikonkatheter verwendet werden, da dieser die höchste Biokompatibilität und -stabilität besitzt.103
Antimikrobielle Beschichtung?
Bei ca. 90 % der länger liegenden Urinkatheter ist das Lumen der Katheter mit einem Biofilm bedeckt, bestehend aus Bakterien und einer Matrix hauptsächlich aus Polysacchariden. Bakterien im Biofilm haben eine weitaus höhere Resistenz gegenüber Antibiotika als frei im Urin flottierende Bakterien.1513
Die Effizienz antimikrobieller Katheterbeschichtungen zur Infektionsprophylaxe wird kontrovers diskutiert. Ihr Einsatz wird zurzeit in Deutschland nicht empfohlen.3-4
Möglicherweise besteht ein Vorteil für antibiotisch beschichtete Katheter gegenüber antiseptisch beschichteten Kathetern.5
Die European Association of Urologist (EAU) empfiehlt die Verwendung hydrophil beschichteter Katheter.1
vor und nach dem Anfassen von Katheter oder Sammelbeutel hygienische Händedesinfektion4
sterile Vorgehensweise beim Einsetzen eines Katheters14
Die tägliche Reinigung rund um den Meatus ist empfehlenswert. Eine Reinigung mit Wasser und Seife im Rahmen der Basishygiene reicht aus.14
Auch beim suprapubischen Katheter wird das Punktionsgebiet am Unterbauch, der Katheter und die Genitalregion täglich mit Wasser und Seife gereinigt.
Umgang mit dem Drainagesystem
Abknickungen der Schläuche sowie durchhängende Schlaufen des Ableitungssystems, in denen der Urin länger verweilt, sollten vermieden werden.4
Der Auffangbeutel sollte frei hängen, keinen Kontakt zum Boden haben, und sich jederzeit unter Blasenniveau befinden.4
Regelmäßige Entleerung des Auffangbeutels, insbesondere vor Umlagerungen. Dabei sollte der Ablassstutzen nicht mit dem Auffanggefäß in Kontakt kommen.4
Katheter und Drainagesystem sollten möglichst nicht diskonnektiert werden.
Bei Diskonnektion sollte ein möglichst aseptisches Vorgehen angewandt werden (Desinfektion, z. B. mit Hautdesinfektionsmittel).
Auf eine ausreichende Diurese zur „inneren Spülung“ in Form von einer Harnausscheidung von möglichst mehr als 1,5–2 l/24 h bei einem spezifischen Gewicht von = 1.015 g/l sollte geachtet werden.14
Wann sollte der Katheter ausgetauscht werden?
Ein Katheterwechsel soll nicht routinemäßig in festen Intervallen, sondern bei Bedarf (z. B. Infektion, Inkrustation, Obstruktion oder Verschmutzung) und nach ärztlicher Indikationsstellung erfolgen.43,108
Ein solches Vorgehen führt dazu, dass weniger Katheter ausgetauscht werden als geplant, wodurch weniger Verletzungen der Harnröhre und weniger symptomatische Infektionen auftreten.
Im Falle einer katheterassoziierten Harnwegsinfektion ist der Katheter vor Beginn der antibiotischen Therapie ganz zu entfernen oder zu wechseln.2
Beim Katheterwechsel sollte stets auch das gesamte Ableitungssystem ausgetauscht werden.43,108
Spülungen mit Antibiotika, Wasserstoffperoxid, Methenamin (Urotropin) sind wirkungslos.1612
Es ist nicht nachgewiesen, dass dadurch Infektionen verhindert oder verzögert werden, im Gegenteil kann es zu Infektionen mit resistenten Mikroben kommen.
Wird von der European Association of Urologist (EAU) nicht empfohlen.171
Antibiotika beim/nach dem Entfernen von Kathetern1,4
Routinemäßige Katheterwechsel nach festen Zeitintervallen1,43,108
Urinkulturen zum Screening von asymptomatischen PatientenPatient*innen1,3-4-5
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AutorenAutor*innen
Franziska Jorda, Dr. med., Fachärztin für Viszeralchirurgie, Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Kaufbeuren
Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
Dietrich August, Arzt, Freiburg im Breisgau
Klaus Gebhardt, Arzt für Allgemeinmedizin, Bremen (Review)
NilsElektronisk Grefberg, med dr och överläkare internmedicin och nefrologi, tidigare vid Medicinkliniken, Centrallasarettet VäxjöLegehåndbok (MedibasNEL, https://legehandboka.no/).
Kateter; harnwegsinfektion bei liegendem katheter; Harnwegsinfektion bei Dauerkatheter
KateterU70; harnwegsinfektion bei liegendem katheterU71; Harnwegsinfektion bei DauerkatheterU72
liegender Katheter; Harnwegsinfektion bei liegendem Katheter; Harnwegsinfektion bei Dauerkatheter; Harnwegsinfekt; HWI; Katheterassoziierter; Katheterassoziierte; nosokomiale Infektion; Bakteriurie; E. coli; Escherichia coli; Blasenkatheter; Katheter; DK; Zystitis; Dauerkatheter; Urinkatheter
Harnwegsinfektion bei liegendem Katheter
Anwendungsbeschränkungen für Chinolone 10.4.19 UB
MK 10.10.2017 neue HWI-LL
BBB MK 09.11.2022 revidiert und aktualisiert, wenige Änderungen
Revision at 21.09.2015 16:50:15:
German Version
Revision at 15.09.2015 10:44:32:
18.16 Gerhardt DEGAM
MK 19.12.2017
CCC MK 19.09.2018, neue DEGAM-LL Brennen beim Wasserlassen
Definition:Als katheterassoziierte Harnwegsinfektion (engl. CAUTI = Catheter-Associated Urinary Tract Infection) bezeichnet man eine (symptomatische) Harnwegsinfektion bei PatientenPatient*innen mit Blasenverweilkatheter oder eine Infektion, die innerhalb von 48 Stunden nach Entfernung des Katheters auftritt.