Mundgeruch, Foetor ex ore, schlechter Atem oder Halitosis kann für Patienten ein sehr unangenehmes Problem sein und weist manchmal auf ernsthafte Krankheiten hin.
Häufigkeit
Fast die Hälfte aller Patienten leidet zeitweise oder länger unter Mundgeruch.1-3
Die häufigste Ursache für Halitosis sind orale Probleme (Zähne, Zunge, Mundschleimhaut).4
Bei bis zu 5 % der Patienten mit Halitosis lässt sich keine zugrunde liegende Erkrankung feststellen.
Ätiologie und Pathogenese
Physiologischer Mundgeruch
Ein Mundgeruch nach dem Aufwachen ist normal und wird nicht als Halitosis angesehen.5
Bestimmte Nahrungsmitteln oder Genußmittel können vorübergehenden Mundgeruch verursachen:
Knoblauch
Alkohol
Rauchen
fettreiche Ernährung
Molkereiprodukte.
Pathologischer Mundgeruch
Analysen der Ausatemluft von Personen mit Mundgeruch zeigen, dass meist flüchtige Schwefelverbindungen vorliegen, die infolge der bakteriellen Metabolisierung von u. a. schwefelhaltigen Aminosäuren in der Mundhöhle entstehen, z. B. Schwefelwasserstoff, Methanthiol und Dimethylsulfid.6
Dieser wird meist (in bis zu 85 % der Fälle) durch schlechte Mundhygiene, Zahnprothesen, Zahn- oder Zahnfleischerkrankungen hervorgerufen, seltener durch Erkrankungen der Atemwege, des Verdauungstrakts oder durch systemische Erkrankungen.7-8
Der extraorale Mundgeruch wird in „blood born“ und „non-blood born“ unterteilt, je nachdem, ob die geruchsbildenden Partikel über das Blut zur Lunge transportiert und anschließend abgeatmet werden oder direkt in den oberen und unteren Atemwegen entstehen.2
Erkrankungen, die „non-blood born“ sind, sind meist Entzündungen oder Karzinome der Atemwege.
Systemische Erkrankungen, die Halitosis verursachen können:9
Pseudohalitosis: Der Mundgeruch wird nur von den Patienten, nicht durch andere wahrgenommen. Eine Aufklärung und Besprechung der Untersuchungsergebnisse reicht als Therapie aus.
Halitophobie: der Patient klagt über objektiv nicht verifizierbaren Mundgeruch, lässt sich auch durch Untersuchungsergebnisse nicht davon abbringen.
R19 Sonstige Symptome, die das Verdauungssystem und das Abdomen betreffen
R19.6 Mundgeruch
Differenzialdiagnosen
Parodontitis und Karies
Bei schlechter Zahnhygiene kann es zu Entzündungen des Zahnfleischs und des Zahnhalteapparats kommen.11
Kommt es zur Fäulnis, bilden Bakterien in Zahnfleischtaschen oder im Belag auf der Zunge unangenehm riechende Schwefelverbindungen.
Zu den Symptomen zählen Mundgeruch und empfindliches Zahnfleisch, das beim Zähneputzen schnell blutet.
Das Zahnfleisch ist geschwollen, glänzend und dunkelrot und neigt zu Blutungen.
Entzündungen im Nasen-Rachenraum
Eine chronische, eitrige Tonsillitis, eine akute Tonsillitis oder ein Peritonsillarabszess kann einen unangenehmen Geschmack und Geruch hervorrufen.
Bei der Diphtherie kommt es zu einem typischen fauligen süßen Geruch.
Angina Plaut-Vincent: Dabei handelt es sich um eine akut nekrotisierende, ulzerierende Gingivitis, die mit einer sehr ausgeprägten Halitosis einhergeht.5
Auch festsitzende Fremdkörper im Nasen-Rachenraum können zu Halitosis führen.
Krypten in den Tonsillen und der Zunge
Bei manchen Patienten weisen die Tonsillen tiefe Krypten auf, ohne dass eine Entzündung vorliegt.
In diesen Vertiefungen sammeln sich abgestorbene Epithelzellen in Form eines weißen Belags an, wobei sich weiße, unangenehm schmeckende Partikel lösen können.
Der Mundgeruch kann seinen Ursprung auch im hinteren Teil der Zunge haben, wo sich ein Belag bilden kann.
Als chronisch gilt diese, wenn die Beschwerden länger als 3 Monate anhalten.
Bei herabgesetzter Schleimhautabwehr können Infektionen gehäuft auftreten und lange anhalten.
Ein zähes Sekret ist typisch. Meist bestehen Schmerzen und ein Druckgefühl über den Nasennebenhöhlen. Die Nase ist oft verstopft.
Als Befunde können eine Verlegung der Nase, eine nasale Stimme, eine purulente Sekretion und evtl. Nasenpolypen vorliegen.
Per Röntgen, Ultraschall oder CT können Flüssigkeit in den Nasennebenhöhlen oder Polypen in der Nasenhöhle nachgewiesen werden.
Bronchiektasen
Bronchiektasen sind angeboren oder erworben und entstehen häufig sekundär infolge rezidivierender Entzündungen und Infektionen der Lunge.
Zu den Symptomen zählen episodischer oder chronischer Husten, starker Auswurf, erhöhte Mengen Expektorat, z. B. bei Lageveränderung sowie eine Hämoptyse.
Die klinischen Befunde variieren.
Die Verdachtsdiagnose wird aufgrund der Klinik und des Thorax-Übersichtbildes gestellt. Für die definitive Diagnose wird das CT herangezogen (Nachweis moderater bis deutlicher Ektasien).
Austrocknung der Schleimhäute (Xerostomie)
Austrocknung der Schleimhäute (Xerostomie) entsteht häufig durch Medikamente, als Folge einer Strahlentherapie oder im Rahmen anderer Erkrankungen.
Organoleptische Mundgeruchsbestimmung: subjektive Geruchsbestimmung aus einem definierten Abstand zum Patienten
Inspektion des Zahnfleischs, der Schleimhäute, der Tonsillen und der Zunge
Inspektion der Nasenschleimhaut bei häufigem Atmen durch den Mund
Ausschluss systemischer Erkrankungen
Ergänzende Untersuchungen
Besteht ein klinischer Verdacht auf eine zugrunde liegende systemische Erkrankung, sind u. U. ergänzenden Tests erforderlich.
Nach Ausschluss einer intraoralen Ursache für die Halitosis ist ggf. auch eine Magenspiegelung angezeigt, allerdings sind Magenerkrankungen nur bis zu 4 % an der Entstehung einer Halitosis beteiligt.2
Für bestimmte Indikationen gibt es Halimeter oder Gaschromatografen in Spezialambulanzen, die flüchtige Schwefelverbindungen nachweisen oder sogar bestimmten Erkrankungen zuordnen können.
Maßnahmen und Empfehlungen
Indikationen zur Überweisung
In den meisten Fällen sollte zunächst eine zahnmedizinische Abklärung erfolgen.
Es gibt in vielen Zahnarztkliniken sog. Halitosis-Sprechstunden.
Zur Abklärung extraoraler Ursachen können verschiedenen Fachärzte (HNO, Gastroenterologen, Pulmologen, Rheumatologen) hilfreich sein.
Therapie
Die zugrunde liegende Ursache sollte therapiert werden.
Meist kann eine Verbesserung der Mundhygiene als Therapie schon ausreichend sein.12
In vielen Fällen kann eine Zahnsanierung oder Behandlung einer Parodontopathie notwendig sein.
Bei Pseudohalitosis kann der Ausschluss einer zugrunde liegenden Erkrankung, Information und Aufklärung der Patienten zu einer Heilung führen, bei einer Halitophobie ist wie bei anderen Zwangserkrankungen eine psychiatrische Behandlung indiziert.10
Medikamentöse Therapie
Maskierende Mundpülungen enthalten Substanzen wie Minze oder Menthol, die den Mundgeruch für eine begrenzte Zeit überdecken können.2
Mundspülungen mit Chlorhexidin oder Cetylpyridiniumchlorid reduzieren geruchsbildende Bakterien.
In einer kleinen Doppelblindstudie der Universität Oslo wurde festgestellt, dass diese Kombination die Bildung schwefelhaltiger Gase für bis zu 12 Stunden nahezu vollständig unterbinden kann.13
Entsprechende Lösungen sind rezeptfrei in der Apotheke erhältlich.
Nachteilig ist der unangenehme Geschmack; einige Patienten berichten von einem Brennen der Mundschleimhaut. Bei Anwendung hoher Dosen ist eine Verfärbung der Zähne und der Zunge möglich.
Metallionen wie Zink oder Zinn oxidieren die freien Thiolgruppen und neutralisieren den Geruch.2
Ionisiertes Zink kann die Bildung schwefelhaltiger Gase für bis zu 10 Stunden reduzieren.
Es gibt Zahnpasta-Emulgierungen oder Mundspülungen, die Zink und Zinn enthalten.
Das Bundesamt für Risikobewertung warnt vor exsessivem Gebrauch von zinkhalten Kosmetikprodukten, da die empfohlene Tageshöchstaufnahmemenge von Zink dadurch überschritten werden kann, insbesondere bei Kindern.14
Eine Antibiotikabehandlung ist bei Mundgeruch nicht indiziert. Eine Ausnahme stellt die Helicobacter-Eradikation bei positivem Helicobacter-Befall dar.
Operative Entfernung von Karzinomen im Nasen-Rachenraum
Empfehlungen für Patienten
Eine angemessene Mundhygiene ist bei Mundgeruch von zentraler Bedeutung.
Ggf. Sanierung von Karies und Zahnfleischentzündung11,15
regelmäßiges Zähneputzen
regelmäßige Anwendung von Zahnseide
Kontrolluntersuchungen beim Zahnarzt
Abschaben oder Bürsten der Zunge
Durch das Abschaben oder Bürsten der Zunge mit der Zahnbürste können abgestorbene Epithelzellen entfernt werden, sodass den Bakterien bis zu einem gewissen Grad die Grundlage für die Metabolisierung entzogen wird.6
Beim Schaben der Zunge sollte vorsichtig vorgegangen werden, und auch die hinteren Teile der Zunge sollten einbezogen werden (Vorsicht: Würgereflex). Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass Zungenschaber zu diesem Zweck besser geeignet sind als die Zahnbürste.16
Verschiedene Mundspülungen
Es gibt verschiedene Produkte, die den schlechten Atem für mehrere Stunden bekämpfen können.17
Alkoholhaltige Produkte zur Mundhygiene sollten gemieden werden, da diese mit Schädigungen der Mundhöhle und einem erhöhten Karzinomrisiko assoziiert sind.18
Durch das Spülen mit klarem Wasser kann Mundgeruch für etwa 15 Minuten beseitigt werden.6
Gurgeln sollte Teil der Mundspülung sein, um auch den hinteren Bereich der Zunge zu erreichen.
Kaugummi
Kaugummi führt nur vorübergehend zu einer Verbesserung des Atems.
Regelmäßige Mahlzeiten
Mahlzeiten wirken sich für 2–3 Stunden positiv aus.
Dies ist darauf zurückzuführen, dass durch sie der pH-Wert gesenkt und den Substraten für die Produktion unangenehm riechender Stoffen entgegengewirkt wird.
Umstellung der Ernährung?
Testweise kann für eine gewisse Zeit auf bestimmte Lebensmittel verzichtet werden (z. B. wenn der Mundgeruch nach dem Verzehr von Molkereiprodukten auftritt).
Thrane PS, Young A, Jonski G, Rølla G. A new mouthrinse combining zinc and chlorhexidine in low concentrations provides superior efficacy against halitosis compared to existing formulations: a double-blind clinical study. J Clin Dent 2007; 18: 82-6. pmid:17913002 PubMed
Bundesinstitut für Risiokobewertung. Zinksalze in Mundwasser und Zahnpasta . Stellungnahme Nr. 011/2015 6. Mai 2015 mobil.bfr.bund.de
Rosenberg M. Clinical assessment of bad breath: current concepts. J Am Dent Assoc 1996; 127: 475-82. PubMed
Kozlovsky A, Goldberg S, Natour I, Rogatky-Gat A, Gelernter I, Rosenberg M. Efficacy of a 2-phase oil-water mouthrinse in controlling oral malodour, gingivitis and plaque. J Periodontol 1996; 67: 577-82. PubMed
McCullough MJ, Farah CS. The role of alcohol in oral carcinogenesis with particular reference to alcohol-containing mouthwashes. Aust Dent J 2008; 53: 302. www.ncbi.nlm.nih.gov
Autoren
Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
Günter Ollenschläger, Prof. Dr. Dr. med., Professor für Innere Medizin, Uniklinikum Köln
Terje Johannessen, professor i allmennmedisin, Institutt for samfunnsmedisinske fag, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, Trondheim
Per Møller, spesialist i øre/nese/hals, Haukeland sykehus og professor ved Universitetet i Bergen
Morten Lindbæk, første-amanuensis, spesialist i allmennmedisin, Institutt for allmennmedisin og samfunnsmedisinske fag, Universitetet i Oslo
R19; R196
D20; R08
Schlechter Atem; Foetor ex ore; Erkrankung der Mundhöhle; Acetongeruch bei Diabetes; urämischer Atem bei Nierenversagen; Trimethylamunurie; Fischgeruch-Syndrom; Schlechte Zahnhygiene; Parodontitis; Karies; Tonsillitis; Mundhygiene
Mundgeruch (Halitosis)
BBB MK 13.06.2023 umfassend revidiert und klarer strukturiert, besonders bezügl. der Differenzialdiagnosen.
Revision at 27.11.2015 12:33:48:
German Version
MK 15.11.2017, Links eingefügt, Anmerkung zu Triclosan
CCC MK 19.09.2018, komplett überarbeitet
Mundgeruch, Foetor ex ore, schlechter Atem oder Halitosis kann für Patienten ein sehr unangenehmes Problem sein und weist manchmal auf ernsthafte Krankheiten hin.