Definition:Phäochromozytome sind chromaffine Tumoren des sympathischen Nervensystems, die durch Katecholaminexzess symptomatisch werden und adrenal (85-–90 %) oder extraadrenal (10–15 %) liegen können.
Häufigkeit:Anteil von ca. 0,1–0,6 % bei den Patienten mit arterieller Hypertonie und ca. 1,7–5 % bei den Patienten mit endokriner arterieller Hypertonie.
Symptome:Häufig anfallsartig auftretende Symptome wie Kopfschmerz, Schweißausbruch, Palpitationen, Wärmeunverträglichkeit, Zittern.
Diagnostik:Bei klinischem Verdacht Basisdiagnostik durch Bestimmung der Metanephrine im Serum beim Spezialisten. Evtl. weiterführende Labordiagnostik (Clonidintest, Chromogranin A), Bildgebung zur Tumorlokalisation (CT im Allgemeinen 1. Wahl).
Therapie:Operative Entfernung des Tumors. Präoperativ 1- bis 2-wöchige Vorbehandlung mit Alphablockern. Bei malignem Phäochromozytom (ca. 10 % der Fälle) ergänzend Radionuklidtherapie und evtl. Chemotherapie.
Allgemeine Informationen
Definition
Phäochromozytome sind chromaffine Tumoren des sympathischen Nervensystems, die durch Katecholaminexzess symptomatisch werden und adrenal (85–90 %) oder extraadrenal (10–15 %) liegen können.1-4
Terminologie uneinheitlich, gemäß WHO werden nur die adrenalen chromaffinen Tumoren als Phäochromozytome bezeichnet, die extraadrenalen als Paragangliome.5
Herkunft des Begriffs
Der Begriff „Phäochromozytom“ wurde geprägt durch den Berliner Pathologen Ludwig Pick (1868–1944) aufgrund der dunkelbraunen Zellfärbung bei Kontakt mit Chromsalzen.6
Häufigkeit
Prävalenz in der Allgemeinbevölkerung 0,05–0,13 %, ein Teil der Tumoren bleibt während des Lebens undiagnostiziert.7-10
Jährliche Inzidenz ca. 2–8 Fälle pro 1 Mio. Einwohner11
Präganglionäre Fasern aus dem Grenzstrang verlaufen ohne Umschaltung bis zum Nebennierenmark, die chromaffinen Zellen des Nebennierenmarks entsprechen somit postganglionären Fasern.12
Aus Tyrosin werden die Katecholamine Dopamin, Noradrenalin und Adrenalin hergestellt.
Freisetzung der Katecholamine erfolgt über sympathische Aktivierung
Wirkungen der Katecholamine sind u. a.:
Blutdruckerhöhung (Vasokonstriktion, Aktivierung des Renin-Angiotensin-Systems)
Pulsanstieg
Bronchialerweiterung
Verminderung der Darmmotilität und -sekretion
Erhöhung der Spiegel von Glukose und freien Fettsäuren.
Ätiologie
Die Mehrzahl der Phäochromozytome tritt sporadisch auf.6
Auch bei einem Teil klinisch sporadischer Fälle konnten verschiedene Keimbahnmutationen nachgewiesen werden, die mit unterschiedlichen klinischen Ausprägungen verbunden sind.17-18
In ca. 25–30 % der Fälle tritt ein Phäochromozytom im Rahmen von erblichen Syndromerkrankungen auf.11,19
Bei anfallsartigem Auftreten kann die Häufigkeit zwischen mehrfach täglich oder auch nur einmal monatlich variieren, die Dauer liegt zwischen Sekunden und Stunden.22
Mit Wachstum des Tumors üblicherweise Zunahme von Frequenz und Dauer der Anfälle22
Bei Nebenniereninzidentalomen > 1 cm sollte unabhängig von einer klinischen Symptomatik eine weitere Abklärung hinsichtlich Hormonstörung oder Malignom erfolgen.23
Bei jungen Patienten mit Hypertonie und normalem Körpergewicht ist der Nachweis eines Diabetes mellitus ein möglicher Hinweis für ein Phäochromozytom.24
Diagnostik beim Spezialisten
Labordiagnostik auf Phäochromozytom
Die spezifische Labordiagnostik auf Phäochromozytom erfolgt durch quantitative Messung von Katecholaminmetaboliten.25-26
Stufenweises Vorgehen zum laborchemischen Nachweis/Ausschluss eines Phäochromozytoms:14
Screeninguntersuchung auf freie Metanephrine im Plasma (alternativ fraktionierte Metanephrine im 24-Stunden-Urin):
Bei Erhöhung > 2-facher oberer Normwert ist das Phäochromozytom nachgewiesen.
Bei grenzwertiger Erhöhung der Metanephrine (1- bis 2-facher oberer Normwert) nochmalige Bestimmung unter standardisierten Bedingungen, ggf. hierzu an Spezialisten überweisen.
> 30 min Rückenlage vor Blutentnahme (Blutentnahme ebenfalls in Rückenlage)
Absetzen von Medikamenten, die die Metanephrinspiegel beeinflussen (Betablocker, Sympathomimetika, Paracetamol, trizyklische Antidepressiva, L-Dopa, Sulfasalazin, u.a.), Stress vermeiden.
Bei Erhöhung > 2-facher oberer Normwert ist das Phäochromozytiom nachgewiesen.
Bei erneut grenzwertiger Erhöhung der Metanephrine einen Clonidintest und eine Chromogranin-A-Bestimmung im Blut durchführen.
Indikationen für eine laborchemische Untersuchung auf Phäochromozytom
In folgenden Situationen sollte eine Labordiagnostik durchgeführt werden:9,14,27
Symptome oder Zeichen eines Katecholaminexzesses, besonders bei paroxysmalem Auftreten
Symptome oder Zeichen eines Katechoalminexzesses nach Medikamentengabe, chirurgischem Eingriff oder Anästhesie
unerklärte Blutdruckvariabilität, nicht kontrollierbarer Blutdruck
Familiengeschichte eines Phäochromozytoms
Genetische Disposition oder Zeichen eines erblichen Syndroms, in dessen Rahmen Phäochromozytome auftreten.
adrenales Inzidentalom, auch bei normotensiven Patienten.
Weiterführende Labordiagnostik
Bei uneindeutiger Basisdiagnostik mit grenzwertigen Metanephrinen ergänzende Durchführung von:
Clonidintest
Chromogranin-A-Bestimmung im Serum.
Durchführung vorzugsweise in spezialisiertem Zentrum14
Ist ein Test positiv, gilt das Phäochromozytom als laborchemisch nachgewiesen, 2 negative Tests machen ein Phäochromozytom unwahrscheinlich, ggf. Verlaufskontrollen.14
Clonidintest
vor Testdurchführung 12-stündige Bettruhe
Blutentnahme in Ruhe und 3 Stunden nach oraler Applikation von 300 μg Clonidin6
Clonidin als zentral wirksamer Alpha-2-Agonist führt normalerweise zum Abfall der sympathikoton vermittelten Katecholaminfreisetzung, bei Phäochromozytom erfolgt hingegen kein Rückgang der Katecholaminspiegel.6
Die Gentestung hat mittlerweile einen hohen Stellenwert im Rahmen der Gesamtabklärung.31
Durch Gentests wird bei ca. 1/3 der Patienten die Zuordnung zu einem hereditären Tumorsyndrom möglich.5
Betroffene Patienten müssen daher über die Möglichkeit zum Gentest informiert werden.14
Gentestung sollte bei allen Patienten erwogen werden und ist vor allem bei folgenden Patienten indiziert:27
Familiengeschichte eines Phäochromozytoms
Vorliegen eines erblichen Syndroms
metastasierte Erkrankung
Vorliegen von Risikofaktoren für eine Mutation
junge Patienten: < 50 Jahre, vor allem Patienten < 40 Jahre1
multifikale oder bilaterale adrenale Tumoren
extraadrenale Tumoren (Paragangliome).
Durch Gentestung können Patienten mit erhöhtem Risiko für eine metastasierende Erkrankung identifiziert und engmaschig überwacht werden.27
Vorgehen bei zufällig festgestelltem Nebennierentumor (Inzidentalom)
Nicht selten werden Nebennierentumoren zufällig entdeckt („Inzidentalome“).32-33
Ca. 1/3 der Phäochromozytome wird primär als Inzidentalom durch Bildgebung oder während einer OP festgestellt.12
Ca. 5 % der adrenalen Inzidentalome sind Phäochromozytome.2
Bei Feststellung eines Inzidentaloms muss ein Phäochromozytom ausgeschlossen (bzw. nachgewiesen) werden.11
Allgemein sollten Inzidentalome interdisziplinär diskutiert werden, wenn 1 der folgenden Kriterien zutrifft:34
Bildgebung nicht sicher vereinbar mit benigner Veränderung
Hinweise für Hormonexzess
signifikantes Tumorwachstum bei Verlaufskontrolle
Nebennierenchirurgie geplant.
Indikationen zur Überweisung
Bei bereits im Rahmen der hausärztlichen Primärdiagnostik laborchemisch nachgewiesenem Phäochromozytom oder bei V. a. Phäochromozytom zur weiteren Diagnostik
Positive Familienanamnese für Phäochromozytom/erbliches Syndrom?
Klinische Untersuchung
Blutdruck?
Puls? Arrhythmie?
Blässe?
Hinweise für erbliches Syndrom (z. B. Neurofibrome)?
Ergänzende Untersuchungen
Metanephrine im Serum
Therapie
Therapieziel
Den Tumor entfernen.
Allgemeines zur Therapie
Medikamentöse Vorbereitung der OP
Vor der operativen Entfernung des Tumors ist eine 7- bis 14-tägige medikamentöse Vorbehandlung erforderlich, um die Katecholaminwirkung auf die Gefäße zu blockieren.11
Operation
Es kann laparoskopisch oder konventionell operiert werden.35
Verfahren u. a. abhängig von der Größe des Tumors und V. a. Bösartigkeit11
Maligne Phäochromozytome
Optionen ergänzend zur operativen Tumorreduktion sind Radionuklidtherapie, Chemotherapie oder Multityrosinkinasehemmer.11
Medikamentöse Therapie
Ohne entsprechende medikamentöse Vorbereitung kann ein exzessiver Katecholaminanstieg vor allem während Narkoseeinleitung und Tumorresektion lebensgefährliche Komplikationen verursachen.36
Alphablocker (Phenoxybenzamin, Doxazosin) sind die 1. Wahl für die Medikation.9
Keine der beiden Substanzen gilt als überlegen, mit Phenoxybenzamin gibt es aber die meiste klinische Erfahrung.27
Dosierung Phenoxybenzamin: Startdosis 5 mg, Zieldosis 1 mg/kg KG pro Tag verteilt auf 3 Tagesdosen14
3–4 Tage präoperativ sollte eine ergänzende Beta-Blockade mit Propranolol oder Atenolol durchgeführt werden.14
Ziel ist die perioperative Normalisierung von Blutdruck und Herzfrequenz.14
Kochsalzreiche Ernährung und großzügige Flüssigkeitszufuhr sind empfohlen zur Vermeidung postoperativer Hypotonien.9
Die präoperative Vorbereitung erfolgt bei nichtmalignen und malignen Phäochromozytomen gleich.37
Operative Therapie
Für die meisten adrenalen Phäochromozytome ist die laparoskopische Entfernung empfohlen.9,38-39
weniger Blutverlust und kürzerer Krankenhausaufenthalt27
Eine offene Operation ist bei großen (> 6 cm) und invasiv wachsenden Tumoren empfohlen.9,35
Bei beidseitigen hereditären Phäochromozytomen sollte zur Vermeidung einer Nebenniereninsuffizienz parenchymsparend unter Erhalt von mindestens 1/3 einer Nebenniere operiert werden.35,40
Wenn möglich, sollte der Tumor komplett reseziert werden.37,41
Ansonsten chirurgische Intervention zum Debulking, da weitere Therapieverfahren bei reduzierter Tumormasse besser wirksam sind.37
Bei inkompletter Resektion und guter Traceraufnahme anschließend Radionuklidtherapie mit 131J-MIBG oder DOTATATE/DOTATOC37,41
Bei weiterem Tumorprogress kann Chemotherapie (Cyclophosphamid/Vincristin/Dacarbazin) oder neuerdings auch eine Behandlung mit dem Multityrosinkinaseinhibitor Sunitinib erwogen werden.37,41
Bei Skelettmetastasen evtl. ergänzend externe Strahlentherapie37
Komplikationen
Im Vordergrund stehen Komplikationen im Rahmen von hypertensiven Krisen:42-47
Nach Tumorresektion sind allerdings auch symptomatische Hypotonien möglich.
Sowohl die verbesserte präoperative Vorbereitung als auch moderne Anästhesieverfahren und chirurgische Techniken haben die perioperative Mortalität auf unter 1 % gesenkt.27,48
Verlauf und Prognose
Aufgrund der häufig zunächst unspezifischen Symptomatik erfolgt die Diagnosestellung im Mittel mit 3-jähriger Verzögerung.27
Die 5-Jahres-Überlebensrate bei Patienten mit nichtmalignem Phäochromozytom beträgt > 95 %.22
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Autoren
Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
Ingard Løge, spesialist allmennmedisin, universitetslektor, institutt for sammfunsmedisinske fag, NTNU, redaktør NEL
Eivind Meland, dr. med., spesialist allmennmedisin, 1. amanuensis, Institutt for allmennmedisin, Universitetet i Bergen
Stein Vaaler, overlege dr. med., Senter for Klinisk Epidemiologi, Rikshospitalet, Universitetet i Oslo
Definition:Phäochromozytome sind chromaffine Tumoren des sympathischen Nervensystems, die durch Katecholaminexzess symptomatisch werden und adrenal (85-–90 %) oder extraadrenal (10–15 %) liegen können.