Definition:Als Thyreoiditis werden akut oder chronisch entzündliche Veränderungen der Schilddrüse bezeichnet, die verschiedene Ursachen haben können.
Häufigkeit:Je nach Ursache eine häufige Erkrankung der Schilddrüse (z. B. Hashimoto) bis hin zu Einzelfällen (Riedel-Thyreoiditis).
Symptome:Klinisches Leitsymptom meist Druck- oder Spontanschmerz im Bereich der Schilddrüse als Folge der lokalen Entzündungsreaktion (Kapseldehnungsschmerz).
Befunde:Als klinische Befunde können eine vergrößerte, manchmal schmerzhafte Schilddrüse und Anzeichen einer Hyper- oder Hypothyreose vorliegen.
Diagnostik:Bestimmung von TSH, FT4, Auto-Antikörpern sowie ggf. CRP, BSG und Blutbild. Sonografie. Eine Szintigrafie ist in der Regel nicht indiziert.
Therapie:Die Behandlung richtet sich nach Ursache und Ausmaß der Thyreoiditis.
Prüfungsrelevant für die Facharztprüfung Allgemeinmedizin1
Thyreoiditiden stellen eine der häufigsten Erkrankungen der Schilddrüse dar.
Etwa 5 % der Bevölkerung in Deutschland sind von einer Autoimmunthyreoiditis betroffen, wobei die Hashimoto-Thyreoiditis häufiger ist als Morbus Basedow.4
Zu den Thyreoiditiden zählt eine Reihe ätiologisch heterogener Krankheitsbilder mit unterschiedlichen Manifestationsformen.
Bakterielle Thyreoiditiden
Bakterielle Thyreoiditiden sind aufgrund der guten Blutversorgung und Lymphdrainage sowie der bakterizid wirkenden hohen intrathyreoidalen Jodkonzentration selten.3
Polygene, multifaktorielle Erkrankungen, die vermutlich dadurch entstehen, dass genetisch prädisponierte Personen einem exogenen Faktor ausgesetzt sind, der zu einer Aktivierung des Immunsystems führt.
Verschiedene Viren wurden mit der Autoimmunthyreoiditis in Verbindung gebracht, doch ein kausaler Zusammenhang zwischen einer Infektion und einer Autoimmunthyreoiditis ist bislang nicht gesichert.
Die am häufigsten nachgewiesenen Schilddrüsenantikörper sind jene gegen die Thyreoperoxidase (mikrosomales Antigen, früher „MAK“, heute Anti-TPO, klassisch für M. Hashimoto), den TSH-Rezeptor (TSH-Rezeptor-Antikörper, „TRAK“, klassisch für M. Basedow) und gegen das Thyreoglobulin (Anti-TG, „TAK“, sowohl bei H. Hashimoto als auch M. Basedow häufig).
Subakute lymphozytäre „stumme“ Thyreoiditis
Follikeldestruktion durch lymphozytäre Infiltration3
Wird als Sonderform der subakuten lymphozytären Thyreoiditis angesehen.3
Hormoneller Stress während der Schwangerschaft verursacht bei fast jeder 12. Frau nach der Entbindung eine postpartale Thyreoiditis.9
Besonders gefährdet sind Patientinnen mit Nachweis von Anti-TPO-Antikörpern sowie mit Diabetes mellitus.
Akute suppurative Thyreoiditis
Bakterielle Infektion der Schilddrüse
Sehr selten, da die Schilddrüse ein abgekapseltes Organ ist und die hohe Jodkonzentration in der Schilddrüse einem bakteriellen Infekt entgegenwirkt.14
Die Infektion wird in der Regel begünstigt durch verschiedene Faktoren:15
anatomische Varianten oder strukturelle Schädigungen, z. B. Sinus-piriformis-Fisteln, Traumata, operative Eingriffe im Halsbereich
Schilddrüsentumoren und Metastasen im Schilddrüsenlager können zu einer reaktiven lymphozytären Entzündungsreaktion im benachbarten Schilddrüsengewebe führen.
Iatrogene Thyreoiditis
Auftreten nach Radiojodtherapie oder Feinnadelaspiration der Schilddrüse sowie nach Strahlentherapie im Halsbereich
Bei Patient*innen mit bekannter Schilddrüsenautoimmunität besteht ein erhöhtes Risiko, bei der Behandlung mit Amiodaron eine Hyper- oder auch eine Hypothyreose zu entwickeln.
Lithium
Bei Patient*innen mit vorbestehender Schilddrüsenautoimmunität kann Lithium zu einer Erhöhung der Konzentration von Schilddrüsenantikörpern und zu einer subklinischen oder klinischen Hypothyreose führen.17
Stimulation des Immunsystems mit vermehrter Auto-Antikörperbildung12
evtl. zusätzlicher direkter zytotoxischer Effekt auf die Schilddrüse12
Im Fall einer vorbestehenden Schilddrüsenautoimmunität kann es bei bis zu 15 % der Patient*innen, die mit Interferon-alpha oder Interleukin-2 behandelt werden, zu einer Schilddrüsendysfunktion kommen.
Riedel-Thyreoiditis
Vermutlich autoimmune Erkrankung mit zunehmender Fibrosierung der Schilddrüse und des umliegenden Gewebes13
Als Indizien für eine autoimmune Genese sprechen die häufig zu findende IgG4-Erhöhung und das gute Ansprechen auf Steroide.
E06.2 Chronische Thyreoiditis mit transitorischer Hyperthyreose
E06.3 Autoimmunthyreoiditis
E06.4 Arzneimittelinduzierte Thyreoiditis
E06.5 Sonstige chronische Thyreoiditis
E06.9 Thyreoiditis, nicht näher bezeichnet
O90.5 Postpartale Thyreoiditis
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
Die Verdachtsdiagnose ergibt sich aus der Anamnese und dem klinischen Befund.
Die Ultraschalluntersuchung kann weitere diagnostische Hinweise liefern.
Die Diagnosebestätigung erfolgt durch laborchemische Untersuchungen (Inflammationsparameter, Schilddrüsenwerte, ggf. Antikörper) und ggf. eine Feinnadelpunktion mit histopathologischer Aufarbeitung.
Initial Schilddrüsenüberfunktion mit Zittern, Nervosität, Tachykardie und verstärktem Schwitzen9
Später hypothyreote Phase mit Müdigkeit und Antriebslosigkeit9
Subakute lymphozytäre „stumme" Thyreoiditis
Der klinische Verlauf ähnelt dem der postpartalen Thyreoiditis mit dem Unterschied, dass keine Schwangerschaft vorangegangen ist.
Die postpartale Thyreoiditis wird daher auch als eine Sonderform der lymphozytären, subakuten Thyreoiditis angesehen.3
In der Regel treten nur leichte oder keine Symptome ohne systemische Entzündungszeichen auf („stumme“ Thyreoiditis).
Akute suppurative Thyreoiditis
Schwellung des Halses verbunden mit schwerem Krankheitsgefühl, Schmerzen, Dysphagie und Fieber18
Perineoplastische Thyreoiditis
Schwellung des Halses
Meist schmerzhaft
Iatrogene Thyreoiditis
Auftreten nach Behandlung im Halsbereich, z. B. Bestrahlung
Schwellung des Halses
Meist schmerzhaft
Arzneimittelinduzierte Thyreoiditis
Medikamentenanamnese:
Amiodaron?
Lithium?
Interferone?
Riedel-Thyreoiditis
Kompressionsbedingte Beschwerden durch zunehmende Fibrosierung
Dyspnoe
Dysphagie
Klinische Untersuchung
Als klinisches Leitsymptom tritt meistens ein Druck- oder Spontanschmerz im Schilddrüsenlager auf, der Folge der lokalen Entzündungsreaktion im Schilddrüsengewebe (Kapseldehnungsschmerz) ist.3
Ausnahmen: Die subakute lymphozytäre Thyreoiditis und postpartale Thyreoiditis sind in der Regel schmerzlos.
Schmerzhafte Schwellung der Schilddrüse mit lokalem Erythem
Typischerweise unilateral, der linke Schilddrüsenlappen ist häufiger als der rechte betroffen.18
Riedel-Thyreoiditis
„Eisenharte“ Struma
Ggf. Horner-Trias (Miosis, Ptosis, Enophthalmus)
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis – Labor
Postpartale Thyreoiditis
Bestimmung von TSH und FT4, Veränderungen sind abhängig von der Phase der Erkrankung (hyper- oder hypothyreote Stoffwechsellage).
Bei 70 % der Patientinnen sind Antikörper gegen Thyreoperoxidase (Anti-TPO) nachweisbar.20
Subakute lymphozytäre „stumme" Thyreoiditis
Im Unterschied zur Hashimoto-Thyreoiditis finden sich bei der subakuten lymphozytären Thyreoiditis niedrigere Titer an schilddrüsenspezifischen Antikörpern (TPO-Ak häufiger als TG-Ak, selten TSH-Rezeptor-Ak).3
Beim Morbus Basedow ist die Schilddrüse hypervaskularisiert, bei Patient*innen mit einer schmerzhaften subakuten Thyreoiditis dagegen hypoechogen und gering bis normal vaskularisiert.21
hypoechogene Läsion in dem und um den betroffenen Schilddrüsenlappen in Verbindung mit einer Zerstörung des Schilddrüsengewebes und einer begleitenden Abszessformation
hypoechogener Saum um die Schilddrüse
unscharfe Begrenzung zwischen der Schilddrüse und dem umliegenden Gewebe
unilaterales Auftreten
Einen exemplarischen Ultraschallbefund finden Sie hier.
Diagnostik bei Spezialist*innen
Computertomografie suppurative Thyreoiditis
In der Akutsituation zur Darstellung der beteiligten Strukturen, Ausdehnung der Inflammation und möglicher anatomischer Varianten22
Feinnadelpunktion
Bei unklaren Befunden indiziert
Hilft z. B. bei der Differenzierung von subakuter granulomatöser Thyreoiditis, suppurativer Thyreoiditis, perineoplastischer Thyreoiditis und Schilddrüsen-Ca.3,18
Die Diagnosestellung der Riedel-Thyreoiditis erfolgt durch den histopathologischen Nachweis von Fibrosierung und den charakteristischen eosinophilen Infiltraten.13
Bei Hyperthyreose und Verdacht auf eine Thyreoiditis (Differenzialdiagnostik zwischen M. Basedow oder einem autonomen Adenom)
Eine reduzierte/fehlende Aufnahme des Radiopharmakons bei hyperthyreoter Soffwechsellage spricht diagnostisch für eine Thyreoiditis.
Die Hyperthyreose bei einer Thyreoiditis beruht auf der vermehrten Hormonfreisetzung infolge einer Schilddrüsendestruktion und nicht, wie beim Morbus Basedow, aufgrund einer -überfunktion.
Beim Morbus Basedow ist die Jodaufnahme aufgrund der vermehrten Schilddrüsenstimulation erhöht.
Beim typischen Bild einer Hashimoto- (hypo- oder euthyreot, positive TPO-AK, typische Sonografie) oder postpartalen Thyreoiditis soll keine Schilddrüsenszintigrafie durchgeführt werden.
In der hyperthyreoten Phase der postpartalen Thyreoiditis wäre eine verminderte Jodaufnahme zu beobachten.
Da die postpartale, genau wie die lymphozytäre „stumme“ Thyreoiditis in der Regel symptomarm und vorübergehender Natur ist, sollte nur in Ausnahmefällen zur differenzialdiagnostischen Klärung einer Hyperthyreose eine Szintigrafie erwogen werden.
Postpartale Thyreoiditis und lymphozytäre (stumme) Thyreoiditis
Hyperthyreote Phase
Bei einer leichten Hyperthyreose ist nur selten eine Behandlung erforderlich, bei ausgeprägter Symptomatik sind jedoch Betablocker indiziert.24
Propranolol darf sowohl in der Schwangerschaft als auch Stillzeit eingesetzt werden.25
Hypothyreote Phase
In der hypothyreoten Phase ist in der Regel keine Behandlung erforderlich.
Besteht die Stoffwechsellage jedoch über lange Zeit oder liegt eine ausgeprägte Hypothyreose vor, kann eine Thyroxinbehandlung indiziert sein. Nach 6–9 Monaten sollte versucht werden, das Medikament abzusetzen.26
Im Verlauf von Thyreoiditiden kommt es häufig zu transienten Schilddrüsenfunktionsstörungen (Hyperthyreose oder Hypothyreose), doch bleibt nach überstandener Thyreoiditis meist eine euthyreote Stoffwechsellage erhalten.
Nur nach ausgedehnter Zerstörung des Schilddrüsenparenchyms tritt eine persistierende, substitutionspflichtige Hypothyreose auf.3
Subakute und chronische lymphozytäre Thyreoiditis
Die subakute und chronische (M. Hashimoto) lymphozytäre Thyreoiditis können zum Zeitpunkt der Diagnosestellung häufig nicht unterschieden werden, da beide ein ähnliches sonografisches Bild zeigen und ähnliche Antikörpermuster aufweisen.
Erst im Verlauf wird deutlich, ob sich eine chronische, zur Hypothyreose führende Hashimoto-Thyreoiditis entwickelt, oder ob eine transiente Form vorliegt, bei der die Substitution mit Schilddrüsenhormon wieder beendet werden kann.
Postpartale Thyreoiditis
Einige Wochen nach der Geburt entwickelt sich in der Regel eine Hyperthyreose, die 1–2 Monate andauert. Sie kann Palpitationen, Irritabilität und Wärmeintoleranz hervorrufen.
Anschließend tritt eine Hypothyreose auf, die 4–6 Monate andauert.26
In den meisten Fällen tritt spontan eine Besserung ein.
Suppurative Thyreoiditis
Unbehandelt Fortschreiten der bakteriellen Entzündung mit Abszedierung
Bei einer adäquaten antibiotischen Therapie und ggf. chirurgischen Sanierung gute Prognose, kann jedoch auch lebensgefährliche Verläufe durch Abszedierung nehmen.
Subakute lymphozytäre Thyreoiditis
Im Gegensatz zur chronischen lymphozytären Thyreoiditis (M. Hashimoto) häufig keine dauerhafte Hypothyreose
Daher eine Reduktion oder Beendigung der Schilddrüsenhormon-Substitution unter TSH-Kontrollen mit den Patient*innen besprechen.33
Verlaufskontrolle
Bieten Sie den Patient*innen Kontrolluntersuchungen abhängig von der Art der Thyreoiditis Kontrollen im Abstand von Tagen (akute suppurative Thyreoiditis) bis einigen Monaten (subakute lymphozytäre Thyreoiditis) an.
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Autor*innen
Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Innere Medizin, Frankfurt
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
CCC MK 09.04.2019, keine Verminderung der Spontanabortrate unter L-Thyroxin, wenn euthyreot und Anti-TPO;
CCC MK 20.08.2018, genauere Abgrenzung zwischen Hashimoto und lymphozytär nach Leserfeedback
AAA MK 14.12.2020 Umgeschrieben Hashimoto und Basedow werden zu Extra-Artikeln
Revision at 30.11.2015 15:24:04:German Version
MK 23.11.2017, komplett überarbeitet
Definition:Als Thyreoiditis werden akut oder chronisch entzündliche Veränderungen der Schilddrüse bezeichnet, die verschiedene Ursachen haben können. Häufigkeit:Je nach Ursache eine häufige Erkrankung der Schilddrüse (z. B. Hashimoto) bis hin zu Einzelfällen (Riedel-Thyreoiditis).