Bei den meisten von Augenschmerzen Betroffenen, die sich in der Hausarztpraxis vorstellen, sind die Beschwerden durch eine Bindehautentzündung verursacht.1
Diagnostische Überlegungen
Liegt den Beschwerden eine lokale oder systemische Ursache zugrunde?
Ein plötzlich eingetretenes, stark brennendes Gefühl kann auf übermäßige UV-Einstrahlung zurückgehen: Keratoconjunctivitis photoelectrica (Schneeblindheit/Verblitzung).
Eher als tiefer liegend und dumpf empfundene Schmerzen können durch eine Keratitis, Hornhauterosion, Iritis oder andere behandlungsbedürftige Augenerkrankungen verursacht sein.
Wenn die Symptome nach Phasen konzentrierten Sehens auftreten, in der Regel also in den Abendstunden, sind sie meist durch Fehlsichtigkeit oder ein gestörtes Zusammenspiel der Augenmuskeln zurückzuführen.
Auch Affektionen der umliegenden Strukturen wie Nebenhöhlen, Augenhöhlen, Blutgefäße, Nerven usw. können Augenschmerzen verursachen.
Konsultationsgrund
Die häufigste in der Hausarztpraxis diagnostizierte Augenerkrankung ist die Bindehautentzündung.1
Tritt sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen auf und ist meist saisonal bedingt.
Juckreiz, Augenrötung, Tränenfluss, häufig mit fadenartiger Sekretabsonderung, ggf. allergische Symptome an anderen Organen (meist in Verbindung mit Niesattacken und laufender Nase).
Mögliche klinische Zeichen sind konjunktivale Injektion, Absonderung zähflüssigen Sekrets, gesteigerte Lichtempfindlichkeit, ggf. Ödeme im und am Auge (Chemosis) sowie häufig pflastersteinartige Schwellungen (Papillen) am Unterlid.
Beginnt einseitig, greift aber im Verlauf meist auf das andere Auge über. Typisch sind Fremdkörpergefühl, leichtes Brennen und verklebte Augenlider beim Aufwachen.
Konjunktivale Injektion, von eitrigem Sekret verklebte Augenlider, Chemosis
Kann bakteriell oder viral verursacht sein und geht bei viralem Ursprung mit einer Schwellung der präaurikulären Lymphknoten einher.
Zusammenhang mit systemischen Autoimmunerkrankungen
Ein- oder beidseitig, sektorförmige Rötung der Sklera, konstant pochender Tiefenschmerz, Schmerzen bei Augenbewegung, leicht herabgesetztes Sehvermögen
Eine Skleritis geht mit ausgeprägter Druckschmerzhaftigkeit einher. Wenn eine Skleritis durch eine Autoimmunreaktion verursacht ist, zeigt sie sich in einer lokal begrenzten bläulichen Färbung, die am besten im Tageslicht erkennbar ist. Häufig sind in diesem Fall die Entzündungsparameter CRP und BSG erhöht.
In der Hausarztpraxis häufig anzutreffendes Symptom mit meist bekanntem Verletzungshergang
Schmerzen, gesteigerte Lichtempfindlichkeit, Fremdkörpergefühl im Auge, Tränenfluss
Leichte konjunktivale Injektion/Gefäßzeichnung, anhaftender Fremdkörper, ggf. erst nach Anfärbung mit Fluorescein beim Augenarzt erkennbar, ggf. Rotreflex auf der erweiterten Pupille
Zeichen einer perforierenden Verletzung: Beim Anfärben mit Fluorescein wird ggf. austretendes Kammerwasser ausgespült (positiver Seidel-Test).
Anfälle von meist 4–24 Stunden Dauer, die in 1/4 der Fälle von Aurasymptomen, z. B. einem Flimmerskotom, begleitet sind.
Meist einseitig auftretende, pulsierende Schmerzen, Übelkeit, gesteigerte Geräusch- und Lichtempfindlichkeit, Verstärkung der Symptome bei körperlicher Aktivität
Tritt meist im Alter von 40–50 Jahren auf und ist auf einen verengten Kammerwinkel zurückzuführen.
Einseitig; frühe Warnzeichen sind die Wahrnehmung regenbogenartiger Ringe im Gegenlicht (Haloerscheinungen) und Schleiersehen; gerötetes und akut schmerzendes Auge, abnehmende Sehschärfe und Übelkeit.
Matte Erscheinung und Schwellung der Hornhaut, ziliare Injektion, verminderte oder ausbleibende Pupillenreaktion, Pupille häufig leicht erweitert, oval und lichtstarr. Der Allgemeinzustand ist häufig beeinträchtigt.
Meist einseitig stark erhöhter Druck bei Palpation oder Tonometrie.
Kann durch Infektion, Gewalteinwirkung, Chemikalien, UV-Einstrahlung, Fremdkörper, Kontaktlinsen oder Bindegewebserkrankung verursacht sein.
Allmählich zunehmende und häufig als tief empfundene Schmerzen, deren Intensität schwanken kann.
Zur Diagnosestellung ist häufig eine Anfärbung mit Fluorescein mit anschließender Inspektion der Hornhaut durch die Augenärztin/den Augenarzt erforderlich.
Bei Verdacht auf Herpes simplex oder Zoster und ggf. bakterielle Keratitis rasche Überweisung veranlassen und keine kortisonhaltigen Augentropfen verabreichen.
Akute und häufig rezidivierende Entzündung der Iris und des Strahlenkörpers bzw. bei der Uveitis auch der Aderhaut
Es handelt sich um eine Autoimmunreaktion, wobei in den meisten Fällen keine entsprechende Grunderkrankung identifiziert werden kann.
Evtl. sind die Symptome nur leicht ausgeprägt: Hierzu gehören meist einseitige Schmerzen, die anfangs fehlen können, Augenrötung, gesteigerte Lichtempfindlichkeit, Tränenfluss und ggf. verschwommenes Sehen.
Typische Zeichen: verschwommenes Sehen, ziliare Injektion, Miosis, hintere Synechien; unregelmäßige Pupille, Lichteinfall in die vordere Augenkammer, Schmerzen im betroffenen Auge bei Auslösung eines Lichtreflexes am gesunden Auge
3/4 der Betroffenen sind Frauen, das Erkrankungsalter liegt meist bei etwa 30 Jahren.
Meist einseitig auftretende Autoimmunentzündung
Innerhalb von Stunden bis Tagen auftretende Verschlechterung des Sehvermögens, Schmerzen oder unangenehmes Gefühl bei Augenbewegung, gestörte Farbwahrnehmung (Seitendifferenz)
Häufig Zentralskotom, bei intrabulbärer Form Stauungspapille bzw. Papillitis, davon abgesehen wenige klinische Zeichen
Fast immer normalisiert sich das Sehvermögen innerhalb von Tagen, Wochen oder Monaten.
Bei etwa der Hälfte aller Betroffenen liegt eine multiple Sklerose vor.
Im hohen Lebensalter auftretende Gefäßerkrankung im Bereich der kranialen Arterien, bei der es zur Bildung von Riesenzellengranulationen kommt.
Das klinische Bild variiert: Plötzlich eintretende und einige Stunden anhaltende Verschlechterung des Sehvermögens, ggf. Schmerzen und Druckempfindlichkeit im Bereich der Schläfen und Kopfhaut, teilweise Symptome, die auf eine Polymyalgie hinweisen.
Sehverlust, manchmal ist eine Verdickung der Schädelarterien tastbar (Druckschmerzhaftigkeit).
Die Untersuchung des Augenhintergrunds beim Augenarzt kann verschiedene Befunde wie Stauungspapille, körnige Strömung in der Arterie oder Ischämie ergeben.
Rasche Therapie erforderlich: vor dem Transport ins Krankenhaus ggf. Gabe von Steroiden, ggf. Diagnosesicherung durch Biopsie der Schläfenarterie
Bei entsprechendem Verdacht ist eine adäquate Bildgebung der kraniellen Gefäße essenziell und sollte ohne Zeitverzug an einem spezialisierten Zentrum erfolgen.3
Anamnese
Art der Schmerzen?
Wichtig ist abzuklären, ob der Schmerz als tief und dumpf oder eher als oberflächlich (Brennen, Juckreiz) wahrgenommen wird.
Inspektion der Hornhaut, ggf. Anfärbung mit Fluorescein
Inspektion der Pupille bei gedämpftem Licht
Weitergehende Augenuntersuchung
Evtl. Rotreflex
Evtl. Ophthalmoskopie
Messung des Augeninnendrucks (Tonometrie)
Maßnahmen und Empfehlungen
Indikationen zur Überweisung/Klinikeinweisung
Bei Orbitaphlegmone, V. a. Perforation, akutem Glaukom, Keratitis oder Iridozyklitis: rasche Krankenhauseinweisung
Bei Verdacht auf Riesenzellarteriitis ist eine fachgerechte Untersuchung der kraniellen Gefäße – via Bildgebung und ggf. Biopsie – essenziell und sollte ohne Zeitverzug an einem spezialisierten Zentrum erfolgen.3
Bei Augenschmerzen unklarer Ursache: Überweisung an SpezialistenSpezialist*in
Checkliste zur Überweisung
Schmerzen oder Reizung der Augen
Zweck der Überweisung
Diagnose? Therapie? Sonstiges?
Anamnese
Seit wann liegen die Beschwerden vor? Sind sie plötzlich oder allmählich aufgetreten? Treten die Beschwerden rezidivierend auf? Wie war der bisherige Verlauf? Sind beide Augen betroffen?
Brennen oder jucken die Augen, oder wird der Schmerz eher als tief und dumpf empfunden? Liegt ein Sehverlust vor? Kann ein Fremdkörper ins Auge gelangt sein? Werden Kontaktlinsen getragen?
Andere relevante Erkrankungen (rheumatische Erkrankung, Autoimmunerkrankung)? Familiäre Vorbelastung?
Behandlungsversuche, Wirkung?
Regelmäßig eingenommene Medikamente?
Auswirkungen beruflicher, sozialer oder anderer Art?
Klinische Untersuchung
Augenuntersuchung und Sehschärfenbestimmung: Beschreibung des Befunds. Konjunktivale oder ziliare Injektion? Sekretabsonderung? Schwellungen in der Augenregion? Akutes Glaukom?
Ergänzende Untersuchungen
evtl. Anfärbung mit Fluorescein; evtl. Tonometrie (kontraindiziert bei Verdacht auf perforierende Verletzung)
Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI): ICD-10-GM Version 2020. Stand 20.09.2019; letzter Zugriff 20.12.2019. www.dimdi.de
Heim TM. Bei Hinweisen auf eine Riesenzellarteriitis keine Zeit verlieren. InFo Neurologie + Psychiatrie 2019; 21: 67. www.springermedizin.de
AutorenAutor*innen
Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
Schmerzende oder gereizte Augen Bei den meisten von Augenschmerzen Betroffenen, die sich in der Hausarztpraxis vorstellen, sind die Beschwerden durch eine Bindehautentzündung verursacht.1