Skleritis

Zusammenfassung

  • Definition:Chronische granulomatöse Erkrankung der Lederhaut des Auges.
  • Häufigkeit:Seltene Erkrankung, tritt häufig im Rahmen von autoimmunen Systemerkrankungen auf.
  • Symptome:Bohrende, stechende, tief sitzende Augenschmerzen, in vielen Fällen bilateral.
  • Befunde:Empfindlicher Augapfel, livide Verfärbung der Sklera und Ödem.
  • Diagnostik:Anamnese und ophthalmologische Untersuchung. Suche nach potentiell auslösender systemischer Grunderkrankung.
  • Therapie:Stufenweise entzündungshemmende Therapie, abhängig von Form der Skleritis. Von systemischen NSAR bis zu intravenöser Kortison-Stoßtherapie.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Griechisch sklērós = spröde, hart1
  • Bei der Skleritis handelt es sich um eine chronische granulomatöse Erkrankung der Lederhaut des Auges, die gekennzeichnet ist durch Zerstörung von Kollagen, Zellinfiltration und Vaskulitis.2
    • sehr häufig mit systemischen Autoimmunerkrankungen assoziiert
    • oft destruierender Verlauf mit visusrelevanten Komplikationen3
  • Man unterscheidet zwischen einer Skleritis anterior (etwa 90 % der Fälle) und einer Skleritis posterior.1
    • weitere Unterteilung u. a. in nekrotisierende (10–15 %) und nicht-nekrotisierende Form

Häufigkeit

  • Prävalenz1
    • Etwa 6 Betroffene pro 100.000 Personen 
    • Initial bei 25 % der Personen beidseitig, im Verlauf sind bei weiteren 50 % beide Augen betroffen.
  • Prävalenz bei rheumatoider Arthritis1
    • 0,2–6,3 %
  • Alter und Geschlecht2
    • Frauen sind häufiger betroffen (Verhältnis etwa 1,6:1).
    • Altersgipfel zwischen 4.–6. Lebensdekade

Klinische Anatomie

  • Anatomische Angaben gemäß der nachfolgenden Referenz4
  • Die Sklera ist eine weiße undurchsichtige derbe Gewebsschicht („Lederhaut“), die zusammen mit der Hornhaut die äußere Schutzhülle des Auges bildet.
    • aus zellarmem Bindegewebe mit nur wenigen Gefäßen und Nerven
    • ähnlicher Aufbau wie die Hornhaut, aber wegen des etwas höheren Wassergehaltes und der anderen Anordnung der Kollagenfibrillen undurchsichtig
    • normalerweise etwa 1 mm dick, bei stark kurzsichtigen Augen allerdings wesentlich dünner
    • Bildet am hinteren Pol des Auges eine siebförmige Platte, die Lamina cribrosa, durch die die Optikusfasern vom Augeninnern in die Orbita durchtreten.
    • am Rande des Sehnervs Übergang in die Durahülle
  • Zwischen Bindehaut und Sklera liegt eine Schicht lockeren Bindegewebes, die Episklera.
    • Eine Episkleritis verläuft im Gegensatz zur Skleritis meist unproblematisch.3

Ätiologie und Pathogenese

  • Da die Skleritis sich in unterschiedlichen klinischen Ausprägungen präsentiert, sind auch Unterschiede in Ätiologie und Pathogenese anzunehmen.1
  • In vielen Fällen vermutlich autoimmune Dysregulation bei genetisch prädisponierten Patient*innen2
    • starke Assoziation mit seropositiver rheumatoider Arthritis1
  • Chirurgisch-induzierte nekrotisierende Skleritis (SINS = Surgically Induced Necrotizing Skleritis)1
    • Insbesondere nach Kornea-Kataraktextraktionen kann im Bereich der Operationswunde eine chirurgisch induzierte nekrotisierende Skleritis (SINS) auftreten.

Prädisponierende Faktoren

ICPC-2

  • F99 Auge/Anhangsgeb. Erkrank., andere

ICD-10

  • H15.0 Skleritis

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Klinische Diagnose durch Anamnese und ophthalmologische Untersuchung3
  • Zur Abklärung der Ursache umfangreiche Suche nach möglicher Grunderkrankung1,3

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Symptomatik
    • bohrende, stechende, tief sitzende Augenschmerzen3
      • meist in den Abendstunden besonders ausgeprägt
    • DD zu Episkleritis mit nur mildem Druckgefühl1
  • Frage nach bereits bekannten rheumatologischen Systemerkrankungen, vorangegangenen Infektionen und Operationen3

Klinische Untersuchung

  • Beurteilung der Sklerafärbung bei natürlichem Tageslicht1
    • livide Verfärbung bei Skleritis
    • eher „lachsfarbener“ Aspekt bei Episkleritis
  • Gefäßinjektion4
    • umschriebene diffuse, tiefe Gefäßinjektion
  • Skleraödem
  • Empfindlichkeit
    • empfindlicher Augapfel
    • Schmerzen bei Berührung des Augenlids

Systemerkrankung

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

Laboruntersuchungen

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Bei V. a. infektiöse Genese und zur DD maligner Prozesse ggf. Sklera-Biopsie1
  • Bei anteriorer Skleritis optische Kohärenztomografie des vorderen Augenabschnitts zur Differenzierung zwischen Episkleritis und Skleritis3
  • Durch topisches Phenylephrin lässt sich durch die ausgelöste Gefäßkonstriktion der episkleralen Gefäße im Zweifelsfall die wichtige Unterscheidung zwischen episkleraler und skleraler Entzündung treffen.4
  • Zur Diagnostik der posterioren Skleritis B-Scan-Ultraschalluntersuchung1
  • Empfohlene Untersuchungen zur Suche nach Grunderkrankung gemäß nachfolgender Referenzen1,3
  • Röntgen-Thorax
  • Ggf. CT oder MRT Schädel inkl. Nasennebenhöhlen
    • Verschattung der Nasennebenhöhlen, Infiltrationen, Rundherde bei Granulomatose mit Polyangiitis
  • Konsiliarische Mitbeurteilung durch rheumatologische, dermatologische, HNO und neurologische Kolleg*innen

Indikationen zur Überweisung

  • Überweisung an augenärztliche Praxis bei Verdacht auf die Diagnose

Therapie

Therapieziele

  • In der Akutphase Schmerzen und Entzündung lindern.
  • Langfristig symptomfreier Verlauf
  • Systemische und okuläre Komplikationen verhindern.
  • Ggf. gezielte Behandlung der Grunderkrankung

Allgemeines zur Therapie

  • Die Behandlung sollte von Spezialist*innen durchgeführt werden.
  • Abhängig von Form der Skleritis stufenweise entzündungshemmende Therapie3

Medikamentöse Therapie

  • Therapieempfehlungen gemäß der nachfolgenden Referenzen1,3

Noduläre und diffuse anteriore Skleritis 

  • Zunächst Einsatz von systemischen NSAR
    • Topische Kortikosteroide können zusätzlich adjuvant verwendet werden.
  • Bei fehlendem Ansprechen (ca. 26 % der Patient*innen) auf eine solche Therapie bzw. als sofortige Therapie bei schwerer Entzündung mit starken Schmerzen sollte nach Ausschluss einer infektiösen Ursache eine systemische Steroidtherapie begonnen werden (initial mit Methylprednisolon 1–1,5 mg/kg Körpergewicht).

Nekrotisierende Skleritis

  • Bereits initial aggressivere, systemische immunsuppressive Therapie
    • intravenöse, hochdosierte Steroidstoßtherapie (Methylprednisolon 20–30 mg/kg Körpergewicht) oder aber auch rasch wirksame immunmodulatorische Medikamente, wie Cyclophosphamid oder Biologika

Operative Therapie

  • In ausgewählten Fällen ist bei einer ausgedehnten Skleraeinschmelzung eine tektonische (deckende) Operation angezeigt, um eine Bulbusperforation und Enukleation abzuwenden.3
  • Cave: Jeder ophthalmologische Eingriff kann Auslöser für Skleranekrose sein!3
    • Sollte eine Operation dennoch notwendig sein, wird präoperativ eine hochdosierte Kortikosteroidgabe empfohlen.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Individuell sehr unterschiedlicher Verlauf
    • Kann plötzlich oder schleichend auftreten.
    • Kann als einzelne Episode oder als rezidivierende Erkrankung auftreten.
  • Bei etwa 70 % der Patient*innen kommt es zu Rezidiven, meist innerhalb eines Zeitraums von 3–6 Jahren.3

Komplikationen

  • Uveitis anterior
  • Periphere ulzerative Keratitis mit Visusverlust3
  • Iridozyklitis
    • Schlechtes Zeichen, spricht meist schlecht auf die Behandlung an.
    • häufig erheblicher Sehverlust aufgrund eines Makulaödems
  • Glaukom
  • Katarakt
  • Sklerale oder korneale Perforation
  • Exsudative Netzhautablösung

Prognose

  • Bei idiopathischer Skleritis meist milder, kurzer Verlauf2
  • Bei autoimmuner Grunderkrankung und beidseitiger Manifestation in der Regel schlechtere Prognose3
  • Schlechteste Prognose bei nekrotisierender Form, die gehäuft bei Granulomatose mit Polyangiitis auftritt.2
    • 30 % der Patient*innen mit nekrotisierender Skleritis versterben innerhalb von 5 Jahren bei unzureichender immunsuppressiver Therapie.3
      • Beteiligung anderer Organsysteme (Herz-Gefäß-System, Respirationstrakt, Niere) und die damit verbundenen Komplikationen (z. B. Myokardinfarkte, Pleuritis, Nephritis, Schlaganfälle) sind ursächlich für die hohe Mortalität.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Skleritis
Skleritis

Quellen

Literatur

  1. Pleyer U, Schlomberg J. Entzündliche Augenerkrankungen. Berlin: Springer, 2021. link.springer.com
  2. Roque MR. Scleritis. Medscape, last updated Aug 29, 2019. emedicine.medscape.com
  3. Pohlmann D, Pleyer U. Skleritis – Fortschritte zur Diagnose und Therapie. Klin Monbl Augenheilkd 2018; 235(5): 603-10. www.thieme-connect.com
  4. Grehn F. Augenheilkunde. Berlin: Springer, 2019. link.springer.com
  5. Etminan M, Forooghian F, Maberley D. nflammatory ocular adverse events with the use of oral bisphosphonates: a retrospective cohort study. CMAJ. 2012 May 15;184(8):E431-4. www.ncbi.nlm.nih.gov

Autor*innen

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Frankfurt a. M.
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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