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Kindesmisshandlung und Vernachlässigung

Zusammenfassung

  • Definition:Unter dem Begriff der Kindesmisshandlung werden physische und psychische Gewalt, sexueller Missbrauch sowie die Vernachlässigung von Kindern zusammengefasst.
  • Häufigkeit:Die genaue Prävalenz ist nicht bekannt. Von einer hohen Dunkelziffer ist auszugehen.
  • Symptome:Zu den möglichen Symptomen zählen Zeichen körperlicher Verletzungen (Hämatome, Frakturen) und/oder Auffälligkeiten von Psyche und Verhalten. Mitunter vertrauen sich die Kinder auch einem Freund oder einem Erwachsenen an.
  • Befunde:Auffällig sind Läsionen im Bereich der Haut oder des Bewegungssystems an untypischer Lokalisation und – als Hinweis auf wiederholte Misshandlungen – in unterschiedlichem Heilungsstadium. Bei Vernachlässigung können Zeichen der Verwahrlosung und Mangelernährung sowie psychische Auffälligkeiten im Vordergrund stehen.
  • Diagnostik: Wichtig istsind eine einfühlsame Anamnese und Inspektion der gesamten Körperoberfläche einschließlich behaarter Kopfhaut, Anal- und Genitalregion sowie eine sorgfältige körperliche Untersuchung. Evtl. können mithilfe von Röntgenuntersuchungen Frakturen in verschiedenen Heilungsstadien oder Frakturen, die nicht ärztlich behandelt wurden, nachgewiesen werden. Die ausführliche Dokumentation von Anamnese und Befund ist wichtig – für die ggf. notwendige Weiterbehandlung sowie wegen der potenziellen rechtlichen Konsequenzen.
  • Therapie:Das Ziel der Behandlung besteht darin, die Misshandlung bzw. Vernachlässigung zu stoppen, körperliche Verletzungen zu therapieren und Hilfe beim Umgang mit erlebten Traumata bereitzustellen.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1
  • Kindesmisshandlung/Vernachlässigung wird definiert als eine Störung der Eltern-Kind-Beziehung, die erkennbare gesundheitliche, d.  h. seelische oder körperliche Folgen beim Kind haben kann.
  • Misshandlung gilt als überwiegend aktive und Vernachlässigung als passive Form.
    • Sie kommen häufig gleichzeitig vor.
  • Vernachlässigung und Kindesmisshandlungen werden häufig in 4vier wesentliche Gruppen unterteilt:2

1. Vernachlässigung

  • Körperlich oder seelisch, besonders bei jungen Kindern oft in Kombination
  • Grundlegende Bedürfnisse der Kinder werden nicht erfüllt.
  • Häufigste Folge gravierender körperlicher Vernachlässigung: alimentär bedingte Dystrophie
  • Häufigste Folge gravierender seelischer Vernachlässigung: frühkindliches Deprivationssyndrom

2. Physische Gewalt

  • Allgemeine Gewalteinwirkungen, z.  B.:
    • Schläge
    • Stöße
    • Vergiftungen
    • Verbrennungen.
  • Nichtakzidentelles Schädel-Hirn-Trauma
    • traumatische Hirnschädigung: subdurale Blutungen, axonale Abscherverletzungen
    • retinale Blutungen
  • Battered-Child-Syndrom
    • Verletzungen der langen Röhrenknochen
    • subdurale Hämatome
  • Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom
    • artifiziell beigebrachte Krankheitssymptome

3. Psychische Gewalt3

  • Handlungen oder aktive Unterlassungen, die Kinder ängstigen, überfordern, sie in ihrer seelischen Entwicklung beeinträchtigen.
  • Es werden verschiedene Unterarten beschrieben:
    • Ablehnung
    • , Isolierung
    • Terrorisierung
    • , Ignoranz
    • , psychische Unzugänglichkeit
    • Korruption
    • Terrorisierung, unverhältnismäßige Erwartungen und Anforderungen an das Kind.2

4. Sexueller Missbrauch

  • Aktive und/oder passive Beteiligung von Kindern an sexuellen Aktivitäten, der sie aufgrund ihres Entwicklungsstandes nicht frei und verantwortlich zustimmen können.
  • Täter*innen sind in der Regel ein Elternteil oder eine Betreuungsperson.

Häufigkeit

  • Kindesmisshandlungen werden in allen Ländern und durch Täter jeglicher ethnischer Herkunft und religiöser Zugehörigkeit verübt.4
    • Unterschiedliche Gesetzgebungen, Rechtsauffassungen und Kinderschutzsysteme schließen allerdings einen direkten Vergleich zwischen verschiedenen Ländern aus.
  • Deutschland hat keine spezifisch verwertbaren offiziellen Datenquellen, es können nur Schätzungen erfolgen.1
    • Lebenszeitprävalenz von körperlicher Gewalt in der Kindheit bei 11,8  % der Männer und 9,9  % der Frauen
    • Bei ca. 2  % aller stationär behandelten Kinder finden sich körperliche Symptome von Misshandlung oder Vernachlässigung.
    • Die Erkennungsrate in Kinderarztpraxen variiert stark. Durchschnittswerte:
      • 4 von 100.000 Patientenkontakten bei Verdacht auf körperliche Misshandlung
      • 17 von 100.000 Patientenkontakten bei Verdacht auf seelische Misshandlung
      • 3 von 100.000 bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch.
  • Es ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen.
  • Die polizeiliche

Polizeiliche Kriminalstatistik verzeichnete20222-3

  • Vollendete z.Misshandlungen B.von im Jahr 2017Kindern: 3.542516 Anzeigen(2018: 4.129)
  • Kinder, die als Opfer von Kindesmisshandlungensexueller undGewalt (inkl. Versuche) registriert wurden: 1115.547520 Anzeigen(2018: von sexuellem Missbrauch an Kindern14.5 606).

Gesetzlicher Rahmen

UN-Kinderrechtskonvention

  • Artikel 19: Kinder haben das Recht, vor körperlicher und/oder geistiger Gewaltanwendung und vor Vernachlässigung geschützt zu werden.
  • Artikel 34: Kinder haben das Recht, vor sexuellem Missbrauch und vor der Ausbeutung für die Prostitution oder pornografische Darbietungen geschützt zu werden.
  • Kommentar: DerKindeswohl Schutz des Kindes und die Wahrung seiner Rechte auf eine gesunde Entwicklung sowie auf körperliche und seelische Unversehrtheit sind einhat höheres RechtsgutGewicht als die ärztliche Verschwiegenheitspflicht und das Recht der Sorgeberechtigten, über eine Informationsweitergabe zu bestimmenSchweigepflicht.1
    • In Hinblick auf eine bereits erkennbare Kindeswohlgefährdung besteht hier für die Ärzterzt*innen ausreichend individueller Handlungsspielraum.
    • In weniger gravierenden FGrenzfällen oder bei Vorliegen von Risiken ohne akute Gefährdung wird die Abwägung in Einzelfällen schwierig seinggf.
      • Hier bietet sich eine fallunabhängige Fachberatung durch eine spezialisierte Beratungsstelle, ein rechtsmedizinisches Institut oder die zuständige Ärztekammer an.
      • In jedem Fall sind die Sorgeberechtigten im VorwegeVoraus oder zeitnah über die Weitergabe der Informationen zu unterrichten.

Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) (2012)64

  • Bestandteil des Kinderschutzgesetzes
  • § 4 KKG
    • Absatz 1: „Werden Ärztinnen oder Ärzten (...) in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen bekannt, so sollen sie mit dem Kind oder Jugendlichen und den Personensorgeberechtigten die Situation erörtern und, soweit erforderlich, bei den Personensorgeberechtigten auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinwirken, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird.“
    • Absatz 2: „Die Personen nach Absatz 1 haben zur Einschätzung der Kindeswohlgefährdung gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe Anspruch auf Beratung durch eine insoweit erfahrene Fachkraft. Sie sind zu diesem Zweck befugt, dieser Person die dafür erforderlichen Daten zu übermitteln; vor einer Übermittlung der Daten sind diese zu pseudonymisieren.“
    • Absatz 3: „Scheidet eine Abwendung der Gefährdung nach Absatz 1 aus oder ist ein Vorgehen nach Absatz 1 erfolglos und halten die in Absatz 1 genannten Personen ein Tätigwerden des Jugendamtes für erforderlich, um eine Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen abzuwenden, so sind sie befugt, das Jugendamt zu informieren; hierauf sind die Betroffenen vorab hinzuweisen, es sei denn, dass damit der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen in Frage gestellt wird. Zu diesem Zweck sind die Personen nach Satz 1 befugt, dem Jugendamt die erforderlichen Daten mitzuteilen.“
  • Kommentar: § 4 Abs. 3 KKG bedeutet im Umkehrschluss, dass die Weitergabe persönlicher Informationen an das Jugendamt unzulässig ist, wenn es nach Einschätzung des Arztes ausreicht, das Kind und die Sorgeberechtigten auf die Situation anzusprechen und auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinzuwirken.
  • Das KKG regelt nur die Befugnis der Ärzterzt*innen, ggf. das Jugendamt zu unterrichten. Die Information anderer Ärzterzt*innen und weiterer mit der Betreuung des Kindes befassten Personen sowie die Pflicht zum Schutz der PatientenPatient*innen vor gesundheitlicher Gefährdung ist in anderen Gesetzen geregelt, u.  a. im ärztlichen Berufsrecht und im Strafrecht (s.  u.).

Ärztliche Berufsordnung

  • Das Wohl des Kindes ist grundsätzlich als höheres Rechtsgut einzustufen als das Recht der Beteiligten auf informationelle Selbstbestimmung. Bei Kindesmisshandlung und sexueller Gewalt und realer Wiederholungsgefahr ist die ärztliche Pflicht, die Gesundheit seiner Patienten zu schützen, daher in der Regel höher zu bewerten als die Einhaltung der Schweigepflicht (s. o.).75
  • Auszug aus der (Muster-)Berufsordnung der Bundesärztekammer86
    • § 9 Schweigepflicht, Absatz 2: „Ärztinnen und Ärzte sind zur Offenbarung befugt, soweit sie von der Schweigepflicht entbunden worden sind oder soweit die Offenbarung zum Schutze eines höherwertigen Rechtsgutes erforderlich ist. Gesetzliche Aussage- und Anzeigepflichten bleiben unberührt. Soweit gesetzliche Vorschriften die Schweigepflicht der Ärztin oder des Arztes einschränken, soll die Ärztin oder der Arzt die Patientin oder den Patienten darüber unterrichten.“ 

Strafrecht

  • § 34 StGB: Rechtfertigender Notstand
    • „Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen
      drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.“
  • Irrtümliche Annahme eines Missbrauchs75
    • Nimmt die Ärztin/der Arzt irrtümlich einen Kindesmissbrauch an, spricht der Gesetzgeber von einem Erlaubnistatbestandsirrtum.
      • Ein Geheimnisverrat wäre dann nicht vorsätzlich begangen und bliebe straflos.
      • Das gilt laut Bundesgerichtshof auch dann, wenn der Irrtum der Ärztin/des Arztes auf Fahrlässigkeit beruht.
  • Irrtümliche Annahme des Rechts zur Informationsweitergabe7  
    • Ist der Arzt bei einem Missbrauchsfall irrtümlich der Ansicht, er sei trotz Therapiewilligkeit des Täters oder Wehrhaftigkeit des Opfers zur Weitergabe sensibler Informationen an Dritte berechtigt, dann ist von einem Verbotsirrtum auszugehen. Er führt nur dann zur Straflosigkeit, wenn er unvermeidbar war, was nur selten der Fall ist.

Elternrecht als Grundrecht (Art. 6 Abs. 2 Grundgesetz)97

  • „Pflege und Erziehung von Kindern sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.“

Wiederholungsgefahr und Meldepflicht75

  • Für Kindesmisshandlungen existieren keine gesetzlich speziell ausformulierten arztbezogenen Meldepflichten. 
  • Aus allgemeinen strafrechtlichen Vorschriften kann jedoch in eindeutigen Fallkonstellationen eine Meldepflicht entstehen, nämlich wenn andere Vorgehensweisen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen weiteren und dazu schweren Missbrauch nicht verhindern können. Bleibt derdie Arztbehandelnde Person dann untätig, kann ersie sich wegen Körperverletzung durch Unterlassen oder wegen Aussetzung strafbar machen. 
    • Das Brechen der ärztlichen Schweigepflicht, das ansonsten eine Straftat nach § 203 StGB darstellt, ist in so einem Fall entweder durch das Vorliegen eines Notstandes (§ 34 StGB, s. o.) oder durch eine Meldeberechtigung nach § 4 KKG rechtlich gedeckt.
    • Von einer Wiederholungsgefahr und somit einer akuten, abzuwendenden Gefährdung des Kindes kann man z.  B. bei älteren und neueren Verletzungen am Körper des Kindes ausgehen. Auch wenn das Kind selbst den Missbrauch oder die Misshandlung schildert, kann das die Annahme einer Wiederholungsgefahr begründen.
  • Liegt eine Wiederholungsgefahr vor, muss die Ärztin/der Arzt nach §  4  Abs.  1 KKG  klären, ob es genügt, die Situation mit dem Kind oder den Sorgeberechtigten zu erörtern und auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinzuwirken.
    • Dann wäre die Einschaltung staatlicher Behörden nicht erforderlich.
    • Relevant für diese Abwägung ist u.  a. das Alter des Kindes oder Jugendlichen ebenso die Reaktion der Eltern Sorgeberechtigten oder desderterster*innen.
    • Scheitert dieses Vorgehen, ist zu prüfen, ob und welche Mitteilungen an Dritte geeignet und angemessen sind.
      • Eigene therapeutische Intervention?
      • Jugendamt einschalten?
      • Ein Einschalten der Staatsanwaltschaft ist in der Regel nicht zielführend, da deren Zuständigkeit in der Verfolgung bereits begangener und nicht in der Verhinderung künftiger Straftaten besteht.

Jugendamt97

  • Operiert im rechtlichen Spannungsfeld zwischen Elternrecht und Kinderrecht.
  • Soll die Eltern dabei unterstützen, ihrer Erziehungsverantwortung gerecht zu werden (SGB VIII).
    • Angebot von Beratung und Hilfe als Primär- und Sekundärprävention
  • Örtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit Letztverantwortung für jeden einzelnen Fall (Garantenstellung)
    • Ist verpflichtet, einem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung nachzugehen (in aller Regel durch den Allgemeinen Sozialen Dienst, ASD) nach § 8a SGB VIII.
  • Nach § 4 Abs. 2 KKG: Ärzterzt*innen haben Beratungsanspruch durch „insoweit erfahrene Fachkraft“ des Jugendamtes (anonymisiert).
  • In akuten Krisen können sie betroffene Kinder vorübergehend in Obhut nehmen (nach § 42 SGB VIII) und ggf. das Familiengericht einschalten (Tertiärprävention).

Familiengericht97

  • Handelt nach dem Grundsatz „Hilfe geht vor Eingriff“ und ist zur Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (nach § 1666a BGB) verpflichtet.
  • Prüft in eigener Zuständigkeit das Vorliegen einer „Kindeswohlgefährdung“ (unbestimmter Rechtsbegriff), muss im Einzelfall nach Tatbestandsmerkmalen geprüft werden.
  • Wird in aller Regel durch das Jugendamt einbezogen bei Inobhutnahme gegen den Willen der Eltern (nach § 542 Abs. 3 Nr. 2 SGB VIII).
  • Auch Ärzterzt*innen/PsychotherapeutenPsychotherapeut*innen können sich primär an das Familiengericht wenden.
  • Kann ein Umgangs- und Kontaktverbot sowie eine Wegweisung für dendie mutmaßlichen Täter*innen aussprechen.
  • In manchen Fällen kann auch ein Sorgerechtsentzug erwirkt werden.

Krankenkassen64

  • Seit 2013 ist die Mitteilungspflicht gegenüber Krankenkassen beiBei Missbrauch, Misshandlung oder Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen ausdrbesteht keine Mitteilungspflicht gegenücklichber aufgehobenden Kassen. So heißt es in  § 294a Abs. 1 SGB V:
    • Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Krankheit (...) die Folge oder Spätfolge (...) einer Körperverletzung (...) ist oder liegen Hinweise auf drittverursachte Gesundheitsschäden vor, sind die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen (..) verpflichtet, die erforderlichen Daten, einschließlich der Angaben über Ursachen und den möglichen Verursacher, den Krankenkassen mitzuteilen. Bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung, einer Vergewaltigung oder einer Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen sein können, besteht keine Mitteilungspflicht nach Satz 1(..).“

Polizei/Staatsanwaltschaft64-75,97

  • Wenn eine Anzeige erfolgt, kann diese nicht mehr rückgängig gemacht werden.
  • Wichtige Abwägung: Ermittlungstätigkeit kann tiefgreifende Wirkungen auf den Hilfeprozess und damit weitreichende Konsequenzen für das Kind haben.
  • Grundsatz: Hilfe bzw.und Gefahrenabwehr gehtgehen vor Strafverfolgung.
  • Für das Einschalten der Polizei spricht im Einzelfall die Möglichkeit, Leistungen nach Opferentschädigungsgesetz (OEG) für Rehabilitation und/oder als Rentenleistungen zu beziehen.
  • Ein Einschalten der Polizei ist in folgenden Situationen erforderlich:1,97
    • Zur Abwehr einer konkreten, akuten Gefährdungssituation des Kindes, die nicht anders abgewendet werden kann.
    • eine unmittelbare Gefährdung Dritter (z.  B. anderer Kinder)
    • bei Hinweisen auf akute Suizidalität eines Elternteils im Kontext des Misshandlungsgeschehens
    • Wenn die Untersuchung häuslicher Umstände notwendig ist, um die Plausibilität der Angaben der Sorgeberechtigten zu prüfen.
    • Zurzur Spurensicherung, z. B. bei Hinweisen auf:
      • nichtakzidentelle Vergiftungen
      • andere Gewaltverbrechen
      • sexuelle Ausbeutung, z. B. durch pornografische Aufnahmen.

Datenschutz97

  • Vertraulichkeit ist elementar für Aufbau und Erhalt von Hilfebeziehungen und wird geschützt durch datenschutzrechtliche Regelungen.
  • Nach § 203 StGB sind personenbezogene Daten vor der unbefugten Weitergabe geschützt.
  • Die Weitergabe ist nur zulässig, wenn sie durch den überwiegenden Schutz anderer Rechtsgüter gerechtfertigt ist (rechtfertigender Notstand, s.  o.).
  • Weitergabe von Daten mit Einwilligung der Betroffenen
    • Personensorgeberechtigte können dendie TherapeutenTherapeut*innen von der Verschwiegenheitspflicht entbinden.
    • Die Schweigepflichtentbindung muss qualifiziert erfolgen: Es muss ganz konkret ersichtlich sein, wer welche Informationen zu welchem Zweck bekommt.
    • In der Regel bedarf es der Schriftform (§ 67b SGB X).
    • Auch bei begründetem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung ist die Einwilligung in die Schweigepflichtentbindung die beste Lösung für eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit.
  • Weitergabe von Daten ohne Einwilligung der Betroffenen
    • Im Zweifel gilt: Kinderschutz vor Datenschutz (s.  o.).
    • Befugnis zur Informationsweitergabe an das Jugendamt gem. §  4  KKG  besteht,  wenn
      • ein begründeter Verdacht (gewichtige Anhaltspunkte) auf Kindeswohlgefährdung vorliegt.
      • die Kindeswohlgefährdung mit eigenen Mitteln nicht abgewendet werden kann.
      • das Kindeswohl nur durch das Einbinden anderer Stellen gesichert werden kann.
    • Im Zweifel kann das vom Nationalen Zentrum für Frühe Hilfen entwickelte Ablaufschema für die Prüfung einer Weitergabe ohne Einwilligung (siehe Broschüre Datenschutz bei Frühen Hilfen ) hilfreich sein.
    • Die Betroffenen sind vorab über die Weitergabe von Informationen zu informieren, wenn der wirksame Schutz des Kindes dadurch nicht gefährdet wird.

Prädisponierende Faktoren

  • Der Abschnitt basiert auf diesendieser ReferenzenReferenz.9-117
  • Kindesmisshandlungen und sexueller Missbrauch treten in allen sozialen Schichten auf.
    • Ungünstige soziale Verhältnisse und niedriges Einkommen können das Risiko erhöhen.
    • Allerdings kommen seelische Gewalt und Misshandlungen häufiger in Familien mit höherem Sozialstatus vor, z.  B.:
      • Teilnahmslosigkeit durch berufliche Überforderung
      • überprotektives Verhalten als seelische Gewalt.
  • Die hier aufgeführten Merkmale sind nicht als isolierte Risikofaktoren zu verstehen, sondern sollen anamnestische Anhaltspunkte geben, um auf mögliche Problemkonstellationen in der kindlichen Entwicklung und dem sozialen Umfeld aufmerksam zu werden.

Kind97

  • Frühgeburt oder Mangelgeburt
  • Erkrankungen des Kindes in der Neonatalperiode
  • Ungewöhnliches Verhalten des Neugeborenen, z.  B.:
    • Unruhezustände
    • , außergewöhnliches Schreien
    • Apathie, Kontaktschwierigkeiten
    • unregelmäßiger Tag-Nacht-Rhythmus
    • Kontaktschwierigkeiten
    • Trink- und Stillprobleme.
  • Trennung von der Mutter in den ersten 3 Monaten nach der Geburt

Eltern/Sorgeberechtigte

  • Im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt
    • tiefgreifende Enttäuschung über das Geschlecht oder angeborene Fehlbildungen bzw. Behinderungen des Kindes
    • unerwünschte Schwangerschaft mit dem Kind oder sogar geplanter Schwangerschaftsabbruch
    • kurz, aufeinanderfolgende Schwangerschaften der Mutter
    • Teenager- und Risikoschwangerschaften
    • Tod, eineskurz nahestehendenaufeinanderfolgende Menschen während der SchwangerschaftSchwangerschaften
    • Krisen während der Schwangerschaft, die im Erleben der Eltern (der Mutter) mit der Geburt des Kindes verbunden werden, Tod eines nahestehenden Menschen während der Schwangerschaft.
    • ungeklärte Vaterschaft bzw. Zweifel über die Vaterschaft
    • , Partnerwechsel in der Schwangerschaft
  • Im Zusammenhang mit den elterlichen Aufgaben
    • mangelnde Fähigkeit
      • den Entwicklungsstand des Kindes einzuschätzen bis hin zur Rollenumkehr der Beziehungs- und Verhaltensmuster.
      • zur Empathie und Kommunikation mit dem Kind
      • aggressives Verhalten dem Kind gegenüber zurückzuhalten (Impulskontrolle).
    • alleinerziehendes Elternteil, Stiefvater oder -mutter
    • Ein Elternteil kann oder will seine Erziehungsverantwortung nicht wahrnehmen.
    • Stiefvater oder -mutter
    • Bejahung des elterlichen Züchtigungsrechtes
  • Mangelnde psychische Ressourcen (siehe auch Abschnitt Schutzfaktoren)
    • psychische Erkrankung eines Elternteils oder beider, längere Klinikaufenthalte oder Heimunterbringung
    • situativer oder dauerhafter Stress, intrafamiliäre Gewalterfahrung der Eltern in ihrer Kindheit
    • längere, Klinikaufenthalte oder Heimunterbringung
    • belastete Schulkarrieren ohne Abschluss
    • häufig wechselnde Partner
    • physische und psychische Beeinträchtigung, auch wenn ohne Krankheitswert
    • situativer oder dauerhafter Stress*innen
    • Alkohol-, Medikamenten- und/oder Drogenmissbrauch

Familie 

  • Instabile Paarbeziehung mit Streit und/oder gewalttätigen Auseinandersetzungen
  • Soziale Benachteiligung, z.  B.:
    •  niedriges Einkommen und Armut
    • , beengte, schlecht ausgestattete Wohnverhältnisse
    • , ungünstiges Wohnumfeld
    • , häufige und langzeitige Arbeitslosigkeit.
  • Anhaltende psychosoziale Überforderung, z. B. durch hohe Kinderzahl
  • Intrafamiliäre und soziale Isolation
  • Kaum, verbalerkaum AustauschKörperkontakt
  • Fehlverhalten wird kaum verziehen oder toleriert.
  • Kaum, Körperkontakt
  • Hhäusliche Gewalt gegen andere Familienmitglieder

Schutzfaktoren

  • Neben Risikofaktoren gibt es auch Ressourcen oder Schutzfaktoren, die Risiken mildern bzw. diesen entgegenwirken können. Dazu gehören:4
    • kindbezogene Ressourcen
      • kognitive Fähigkeiten, Kreativität und Phantasie
      • positive Selbstwahrnehmung
      • , Selbstwirksamkeitserwartungen
      • soziale Kompetenzen
      •  und aktive Bewältigungsstrategien
      • Kreativität und Phantasie
    • familiäre Ressourcen
      • stabile Bindung zu mindestens einer Bezugsperson
      • emotional warmes, aber auch klar strukturiertes Erziehungsverhalten
      • positive Beziehungen zu Geschwistern
      • Merkmale der Eltern (s.  o.)
    • soziale Ressourcen
      • soziale Unterstützung
      • Qualität der Bildungsinstitution
      • positive soziale Modelle.
  • Schutzfaktoren können gestärkt werden, z.  B. auch durch frühzeitige  Unterstützung der ElternSorgeberechtigten (Frühe Hilfen) .

ICPC-2

  • Z25 Körperl. Misshandl. / Sex. Missbrauch

ICD-10

  • Nach ICD-10-GM Version 20238
  • T74 Missbrauch von Personen
    • T74.0 Vernachlässigen oder Imstichlassen
    • T74.1 Körperlicher Missbrauch
      • Kindesmisshandlung o.n.A.
    • T74.2 Sexueller Missbrauch
    • T74.3 Psychischer Missbrauch
    • T74.8 Sonstige Formen des Missbrauchs von Personen
    • T74.9 Missbrauch von Personen, nicht näher bezeichnet
      • Schäden durch Missbrauch eines Kindes o.n.A.
  • Z60 Kontaktanlässe mit Bezug auf die soziale Umgebung
  • Z61 Kontaktanlässe mit Bezug auf Kindheitserlebnisse
  • Z63 Andere Kontaktanlässe mit Bezug auf den engeren Familienkreis
  • Z64 Kontaktanlässe mit Bezug auf bestimmte psychosoziale Umstände

Diagnostik

Leitlinie: Diagnostik bei V.  a. körperliche Misshandlung1

Multiprofessionelles Team

  • BeiDer VerdachtAusschluss aufbzw. die Feststellung einerrperlicherperlichen Misshandlung solltesoll inim dermultiprofessionellen ausführlichenTeam Anamnese u(z. B. a.Kinderschutzgruppe) nach dem Auftreten unklarer Hämatome oder weiterer Verletzungen in der Vorgeschichte gefragt werden (IIa/B)erfolgen.

Hämatome

  • Bei Kindern und Jugendlichen mit Hämatomen sollen zunächst deren Anzahl, Lokalisation und Erscheinungsform in Bezug zu Alter, Entwicklungsstand und Mobilität eingeschätzt werden (siehe die Verteilungsmuster von Hämatomen auf S.  221 der Kinderschutzleitlinie1).
  • Kinder und Jugendliche mit misshandlungsverdächtigen Hämatomen sollen einer weitergehenden Diagnostik unterzogen werden.
  • Zu misshandlungsverdächtigen Hämatomen gehören:
    • geformte Hämatome
    • Hämatome, die in Clustern (gruppiert) auftreten.
    • Hämatome, die in Kombination mit anderen Verletzungen auftreten, wie:
      • Frakturen
      • , Verbrennungen
      • , intrakraniellen Blutungen
      • unklaren Verletzungen.
    • in allen Altersgruppen Hämatome im Bereich:
      • der Ohren
      •  oder des Halses
      • der Hände
      • der Waden
      • der Genitalien.
    • bei mobilen Säuglingen und Kleinkindern Hämatome im Bereich:
      • des vorderen Thorax
      • des Abdomens
      • des Gesäßes.
    • bei prämobilen Säuglingen: jedes Hämatom.
  • Gerinnungsstörung ausschließen.
    • Bei fehlendem oder unklarem Entstehungsmechanismus der Hämatome soll die Eigen- und Familienanamnese in Bezug auf eine mögliche Gerinnungsstörung erhoben werden.
    • Bei fehlenden Hinweisen auf eine Gerinnungsstörung und auffälligen Hämatomen soll dem Verdacht auf eine körperliche Misshandlung nachgegangen werden.
    • Der Ausschluss bzw. die Feststellung einer körperlichen Misshandlung soll im multiprofessionellen Team (z. B. Kinderschutzgruppe) erfolgen.
  • Dokumentation – bei
    • Bei Kindern und Jugendlichen mit misshandlungsverdächtigen Hämatomen soll Folgendes fotografiert oder dokumentiert werden:
      • Anzahl, Größe und Verteilungsmuster der Hämatome (Übersicht, Ausschnitt und Detailfotografie unter Zuhilfenahme eines fotomakrografischen Winkellineals)
      • Mobilität des Kindes (prä-, frühmobil oder mobil)
      • Angaben zu besonderen Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen (IIa–IV/A)
      • Bei Kindern und Jugendlichen mit besonderen Bedürfnissen und misshandlungsverdächtigen Hämatomen sollte zusätzlich Folgendes dokumentiert werden:
        1. Mobilitätsstatus (z.  B. rollstuhlpflichtig oder bettlägerig)
        2. Muskeltonus
        3. Hilfsmittelversorgung
        4. kognitive Fähigkeiten (IIa–c/B).
  • Bei KindernKinder <  6  Monate mit misshandlungsverdächtigen Hämatomen soll eine Blutgerinnungsst
  • Bei KindernKinder und Jugendlichen mit auffälligen Hämatomen soll eine Jugendliche
    • standardisierte Blutgerinnungsanamnese erhoben werden;
    • bei Hinweisen auf eine Blutgerinnungsstörung soll eine hämostaseologische Referenz hinzugezogen und die: weitere Gerinnungsdiagnostik abgestimmt werden.

Thermische Verletzungen

  • Bei Kindern und Jugendlichen soll der geschilderte Unfallhergang bei jeder thermischen Verletzung dokumentiert werden.
  • Passt der geschilderte Unfallhergang nicht zum Verletzungsmuster, soll von einer unklaren thermischen Verletzung (Verdacht auf eine Kindesmisshandlung) ausgegangen werden.
  • In diesem Fall soll neben der medizinischen Diagnostik die Mitteilung an das Jugendamt erfolgen und ggf. die Polizei hinzugezogen werden, um notwendige Ermittlungen zum tatsächlichen Unfallhergang zu ermöglichen (IIa–III/A).
  • Bei Kindern und Jugendlichen mit unklaren thermischen Verletzungen sollen folgende Fragestellungen beantwortet werden:
    • Liegen weitere Verletzungen (z. B. Frakturen) vor?
    • Sind vorherige Verletzungen oder Misshandlungen bekannt?
    • Liegt häusliche Gewalt vor?
    • Werden Geschwister für die Verletzung verantwortlich gemacht?
  • Positiv beantwortete Fragen verdichten den Verdacht auf eine körperliche Misshandlung (IIa/A).
  • Bei Kindern und Jugendlichen sollte die Frage nach Vernachlässigung bei jeder thermischen Verletzung als Ursache der Verbrühung/Verbrennung multiprofessionell eingeschätzt und geklärt werden (IIa–III/B).

Nicht akzidentelle viszerale Verletzungen

  • Bei Kindern <  48 Monate mit inneren Verletzungen wie duodenalen, Leber-, Milz-, Pankreas- und/oder intrathorakalen Verletzungen soll bei fehlendem akzidentellem Trauma dem Verdacht auf eine körperliche Misshandlung nachgegangen werden; dies gilt auch bei fehlenden Bauchwandhämatomen (IIa/A).

Untersuchung der Augen

  • Bei Kindern <  24 Monate mit Verdacht auf eine misshandlungsbedingte Schädelhirnverletzungdel-Hirn-Verletzung soll eine sorgfältige augenärztliche Untersuchung (Mydriatikum und indirekte Funduskopie) durchgeführt werden (IIa/A).
  • Bei Verdacht auf eine misshandlungsbedingte Schädelhirnverletzung sollte die Untersuchung der Augen zeitnah, möglichst innerhalb der ersten 24 Stunden nach Vorstellung des Kindes, erfolgen.
    • Mit zunehmendem Abstand zum Ereignis (bis zu 4 Wochen) verringert sich die Wahrscheinlichkeit des Nachweises einer stattgehabten retinalen Blutung (IIa–b/B).

Geschwister, Kontaktkinder

  • Kontaktkinder (0–18 Jahre) sind die Geschwister, Halb-, Stief- oder Adoptivgeschwister, sonstige Verwandte, Kinder und Jugendliche, die denselben Haushalt oder dasselbe Betreuungssetting teilen, in dem die (mutmaßliche) Kindesmisshandlung, der Missbrauch und die Vernachlässigung desder IndexpatientenIndexpatient*in bestand.
  • Bei Kontaktkindern sollte dem Verdacht auf Kindesmisshandlung, Missbrauch und/oder Vernachlässigung nachgegangen werden, wenn bei demder IndexpatientenIndexpatient*in eine Kindesmisshandlung, ein Missbrauch und/oder eine Vernachlässigung festgestellt wurde. Die Einschätzung sollte im multiprofessionellen Team (z. B. Kinderschutzgruppe) erfolgen (IIa–b/B).
  • Bei IndexpatientenIndexpatient*innen mit einer schweren körperlichen Misshandlung* (wie Frakturen, Verbrennungen, Schädelhirnverletzung oder viszerale Verletzungen oder intensivmedizinische Versorgung oder Tod aufgrund einer körperlichen Misshandlung) sollten Kontaktkinder u. a. körperlich untersucht werden, und es sollte eine radiologische Diagnostik nach klinischen Anhaltspunkten durchgeführt werden (IIa/B).
  • Zur Einschätzung einer möglichen körperlichen Misshandlung von Kindern <  12  Monate sollte u.  a. die ausführliche Anamnese der Geschwister herangezogen werden (IIb/B).

* schwere körperliche Verletzungen wie Frakturen, Verbrennungen, Schädelhirnverletzung oder viszerale Verletzungen oder intensivmedizinische Versorgung oder Tod aufgrund einer körperlichen Misshandlung

Äußere Verletzungen

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.12
  • Am häufigsten Zeichen stumpfer Gewalt
    • Abschürfungen
    • Hämatome
    • Riss- und Quetschwunden („Platzwunden“)
  • Thermische Einwirkungen
    • Verbrennungen (z. B. durch brennende Zigaretten)
    • Verbrühungen
  • Einwirkungen scharfer Gewalt
    • Stich- und Schnittverletzungen

Lokalisation

Verletzungstyp13-14

  • Je nach Schlagwerkzeug mannigfaltig, aber teilweise spezifisch:
    • doppelstriemenförmig (Stöcke, Gürtel, Finger)
    • geformte Hämatome oder Riss-Quetschwunden (kleinflächige Gegenstände, schnelle Einwirkung)
    • Geometrie (Kochlöffel, Schuhsohlen)
    • Bissabdrücke
    • ungewöhnliche Narbenformen (rund nach Zigarettenverbrennungen)
    • Gruppierung von mehreren, evtl. einer Vielzahl von Verletzungen unterschiedlicher Form und Größe
    • Mehrzeitigkeit: nebeneinander frischer und älterer Verletzungen sowie Narben.

Innere Verletzungen

  • Nach dem Schädel-Hirn-Trauma die zweithäufigste Todesursache bei schwerer körperlicher Misshandlung15
  • Nichtakzidentelles Schädel-Hirn-Trauma als besonders gefährliche Form
  • Stumpfes Bauchtrauma
    • häufig ohne äußerlich erkennbare Verletzungen
    • massive Rupturen innerer Organe möglich
    • Sonografie mit Verlaufskontrollen
    • erhöhtes Risiko für Rupturen auch für Brustorgane und Gefäße

Frakturen

  • Der Abschnitt basiert auf diesendieser ReferenzenReferenz.16-171
  • Frakturen bei Kindern unter 12 Monaten sollten besonders sorgfältig untersucht werden.
  • Die folgenden Arten von Frakturen können (vor allem bei ganz kleinen Kindern) auf eine Misshandlung hindeuten:
    • Rippenfrakturen (multiple, posteriore Frakturen)
    • Frakturen in der Nähe der Wachstumszone von Röhrenknochen, z. B. metaphysäre Kantenabsprengung („Korbhenkelfraktur“):
      •  Knie
      • , Handgelenk
      • , Ellbogen
      • , Knöchel.
    • Spiral- oder Schrägfrakturen von Röhrenknochen 
    • Schädel (komplizierte Frakturen, Impression).12-13
  • Radiologisch kennzeichnend sind u.  a.:
    • differente Stadien der Periostreaktion
    • Epiphysenlösungen und deren Folgen.
  • Bei Verdacht auf Misshandlung sind Röntgenaufnahmen und ggf. weitere bildgebende Untersuchungen erforderlich. Deren Umfang ist abhängig vom Alter (Näheres siehe Leitlinie Verdacht auf Misshandlung – bildgebende Diagnostik).18
  • Auffälliges Verhalten beachten (Frakturen gehen nicht immer mit äußerlich sichtbaren Schwellungen oder Hautblutungen einher).
    • Schreien bei Hochnehmen?
    • Schonung von Extremitäten?

Verborgene Verletzungen

  • Narben nach Verletzungen der Kopfhaut im Behaarungsbereich
  • Retroaurikuläre Hämatome
  • Verletzungen der Mundschleimhaut und Zunge
  • Punktförmige Blutungen an den Augenlidern und in den Bindehäuten

Andere Gewalteinwirkungen

Verbrennungen und Verbrühungszeichen

  • Grundsätzlich verdächtig sind symmetrische, scharf begrenzte Verbrühungen ohne Spritzer oder Abtropfspuren.
  • Auch hier Frage nach Plausibilität, z.  B. Verbrühung des Gesäßes ohne Verletzungen der Füße
  • Auf unverletzte Bereiche achten, z. B. der Bereich der zusammengedrückten Pobacken, wenn das Kind auf einen heißen Herd gesetzt wurde oder der Bereich des Gesäßes, der gegen den Grund der Badewanne gepresst ist, wenn das Kind in heißes Wasser gesetzt wird.
  • BesondereAuffällig Aufmerksamkeit istsind auch bei gleichzeitigengleichzeitige Verbrennungen auf der Vorder- und Rückseite des Körpers geboten.19

Vergiftungen

  • Diese treten in den ersten 2,5 Lebensjahren am häufigsten auf.
  • Mögliche Symptome: Müdigkeit, Apathie, „Abwesenheit“, Gangunsicherheit, Bewusstlosigkeit
  • Meist handelt es sich um Vergiftungen mit Speisesalz, trizyklischen Antidepressiva, Salicylaten, Eisen oder Abführmitteln.
  • Auch eine artifizielle Störung (Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom, auch Münchhausen-by-proxy-Syndrom-by-Proxy-Syndrom) ist in Betracht zu ziehen.

Erstickung

  • Erstickungsfälle treten selten, meist innerhalb des ersten Lebensjahres auf.
  • In folgenden Fällen ist eine Erstickung im Rahmen eines „plötzlichen Kindstodes“ in Betracht zu ziehen:
    • frühere Episoden ungeklärter Apnoen, Krämpfe oder Apparent Life- Threatening Event (ALTE)
    • Säuglinge unter 6 Wochen.
  • Vorausgegangene ungeklärte Krankheit
  • Weitere ungeklärte Todesfälle bei Kindern in der Familie 

Symptome der Psyche und des Verhaltens 

  • Da psychische Symptome unspezifisch sind, lässt es sich aus der Vielzahl möglicher Symptome nicht sicher auf eine seelische Misshandlung schließen.
    • Umgekehrt kann eine Bindungsstörung, etwa infolge von Missbrauch, auch bei Kindern vorliegen, die keine Symptome einer psychischen Erkrankung zeigen.20
  • Spezifischer sind die typischen Symptome einer posttraumatischen Störung, z.  B.:219
    • wiederkehrende Erinnerungen, Albträume, Flashbacks von misshandelnden Situationen
    • affektive Dysregulation, Schreckhaftigkeit, Ängste, Übererregung, Anspannung, Reizbarkeit
    • dissoziative Symptome
    • , wiederkehrenden Illusionen, Halluzinationen
    • , traumatisches Spielen
    • Vermeidung, vermindertes Interesse, eingeschränkte Empfindungsfähigkeit
    • Verlust bereits erworbener Fähigkeiten
    • Übererregung, Anspannung, Reizbarkeit.
  • Mögliche Verhaltensmuster bei Kindern, bei denen eine psychische Misshandlung in Betracht gezogen werden sollte, sind:
  • Symptome bei seelischer Gewalt sind stark altersabhängig.
    • Säuglinge, z.  B.:
      • Gedeihstörung22
      • Nahrungsverweigerung
      • auffällig häufiges und langes Schreien.
    • Kleinkind, z. B.:
    • Schulkind, z. B.:
      • Kontaktstörungen
      • Hyperaktivität
      • narzisstische Größenphantasien.

Sexuelle Gewalt

Differenzialdiagnosen

  • Erkrankungen und Befunde, die mit einer körperlichen Misshandlung verwechselt werden können:
  • Bei Kindern und Jugendlichen mit gesicherter Diagnose einer körperlichen Misshandlung sollte keine weitergehende Diagnostik zum Ausschluss von Krankheiten erfolgen, die eine Kindesmisshandlung imitieren können (IIc–IV/B).1

Anamnese 

Konstellationshinweise1

  •  Vorliegende Befunde, nicht durch Anamnese erklärbar, nicht plausibel
    • zusätzliche unklare oder verdächtige Verletzungen, evtl. auch älterer Genese
    • Arztbesuch mit deutlicher Verzögerung, häufige Arzt-WechselArztwechsel
    • Hinweise von Kindern selbst
    • Anamnese fehlt, ist vage, wechselnd oder unpassend für Alter und Entwicklungsstand.
    • Anzeichen von Verwahrlosung oder Unterernährung
  • Verhalten der ElternSorgeberechtigten
    • mangelnde Zuwendung
    • gestörte Eltern-Kind-Interaktion
    • fordernd-aggressives Verhalten gegenüber den BehandlernBehandler*innen
    • ggf. erkennbarer Alkohol- und/oder Drogenkonsum

Durchführung

  • Ein forensisches Interview sollte auf jeden Fall psychologisch geschulten Fachkräften überlassen werden, um nicht mit dem späteren Vorwurf suggestiver Befragung oder Beeinflussung die Glaubwürdigkeit der Aussage des Kindes zu erschüttern.1
  • Sofern eine Befragung des Kindes möglich ist, sind suggestive Fragen unbedingt zu vermeiden.
  • Vollständige anamnestische Angaben zu:
    • Schwangerschaft
    • Geburt
    • Neugeborenen- und Säuglingsalter
    • Ernährung
    • Impfungen
    • schweren Erkrankungen
    • Meilensteinen in der Entwicklung
    • Krankenhausaufenthalten
    • früheren Arztbesuchen
    • Risikofaktoren, z. B. Koliken, vermehrtes Schreien (siehe Abschnitt Prädisponierende Faktoren)
  • Psychosoziale Anamnese
    • Familienzusammensetzung
    • Gewalt in der Familie
    • Beschäftigungssituation
    • Konsum von Drogen oder Alkohol in der Familie?
  • Verletzungsumstände?
  • Vorausgehendes Ereignis?
  • Anwesende?
    • Wer hat das Kind beaufsichtigt?
    • Weitere Personen, die das Geschehene mitbekommen haben, z. B. Familienangehörige, Nachbarn?
  • Reaktion der Eltern auf Verletzung?
  • Erste Hilfe, Reanimationsversuche?
  • Prompter Arztbesuch?
  • Wie disziplinieren die Eltern das Kind?
  • Angemessene Sorge in Bezug zur Schwere der Verletzung?
  • Aussagen zur Verletzungsentstehung kritisch überprüfen, besonders bei Säuglingen und Kleinkindern.
  • Frage nach adäquatem Unfallmechanismus
  • Zu beachten: Auch ältere Kinder machen häufig unkorrekte Angaben, oft aus Angst vor weiteren Misshandlungen oder anderen Folgen, die evtl. vom Täter angedroht wurden.
  • Bei auffälligen Hämatomen (siehe Leitlinie Diagnostik bei V. a. körperliche Misshandlung): Standardisierte Blutgerinnungsanamnese1(Näheres siehe Artikel Blutgerinnungsneigung).

Dokumentation

  • Eine genaue Dokumentation der Anamnese (auch mit wörtlichen Zitaten) und Befunden ist wegen der möglichen rechtlichen Konsequenzen unabdingbar.
  • Dokumentationsbögen
  • Bewertungen der Untersuchenden sollten klar gekennzeichnet und von Aussagen der ElternSorgeberechtigten und des Kindes abgegrenzt sein.
  • Es sollten umfassende Aufzeichnungen angefertigt werden, aus denen alle ggf. hinzugezogenen Personen hervorgehen.
  • Die Untersuchungsbefunde am entkleideten Kind sind gründlich und möglichst fotografisch zu dokumentieren.
    • Ausmessen aller Verletzungen
    • Maßstab in das Foto integrieren.
    • Details und Übersichtsaufnahmen

Körperliche Untersuchung

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1
  • Näheres siehe auch Leitlinie Diagnostik bei V. a. körperliche Misshandlung.
  • Wichtig ist ein kindgerechtes Untersuchungsverhalten.
  • Die Symptomsuche erfolgt im Idealfall unauffällig.
  • Das Positive an der Untersuchung hervorheben, Sicherheit vermitteln.
  • Immer Ganzkörperuntersuchung des vollständig entkleideten Kindes
  • Zusätzliche Inspektion des Anogenitalbereiches
  • Neurologischer Status
  • Wachstumsparameter
    • Größe
    • , Gewicht
    • , Kopfumfang
    • Perzentilenverlauf
    • Ernährungszustand
    • Pflegezustand
  • Prädilektionsstellen (s.  o.) beachten.
  • Haut: bei frischen Bissmarken steriler angefeuchteter Abstrich (lufttrocknen für forensischen DNA-Nachweis)
  • Geschwisterkinder ggf. auch untersuchen.

Diagnostik bei Vernachlässigung

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1
  • Verlauf der somatischen, psychischen, emotionalen und kognitiven Entwicklung
  • Ausschluss organischer Ursachen einer Gedeihstörung22
  • Vorsorgeuntersuchungen, Impfungen etc. wahrgenommen?
  • Beschreibung von Verhaltensauffälligkeiten
  • Drogen- und Medikamentenscreening

Bildgebung

Bei Verdacht auf körperliche Misshandlung

  • Ophthalmologische Untersuchung zum Nachweis etwaiger Retinaeinblutungen bei Kindern unter 2 Jahren
  • Zerebrale Bildgebung: zum Nachweis subarachnoidaler, subduraler oder intraparenchymaler Verletzungen – immer bei neurologischen Auffälligkeiten, MRT bevorzugt, CT meist akut praktikabler
  • Zerebrale Dopplersonografie bei V. a. Hirndruck als sinnvolle Primär- und Verlaufsdiagnostik1
  • Röntgen des gesamten Skeletts
    • Bei Verdacht auf Misshandlungen sollten Aufnahmen des gesamten Körpers angefertigt werden. Bei Kindern unter 2 Jahren ist die Röntgenuntersuchung großzügig angezeigt.23
  • Auch eine CT des Abdomens oder des Thorax (bei Verdacht auf eine posteriore Rippenfraktur), Skelettszintigrafie, Sonografie des Abdomens können sinnvoll sein.1

Leitlinie: Verdacht auf Misshandlung – bildgebende Diagnostik181

Kinder unter 2 JahrenRöntgen-Skelettscreening

  • SkelettstatusDas Röntgen-Skelettscreening bei begründetem Verdacht auf körperliche Misshandlung eines Kindes soll umfassend und standardisiert erfolgen. (IIa/A)
    • SchädelWelche aEinzelaufnahmen dazu erforderlich sind, ist in der Kinderschutzleitlinie dezidiert aufgeführt.

Weitere p.bildgebende und seitlichUntersuchungen

  • Kranielle Bildgebung
    • MRT
      • höchste Sensitivität bei vorliegendemVerdacht CT mit Knochenalgorithmus verzichtbarauf Schädel-Hirn-Trauma
    • ThoraxCT
    • Sonografie a. p.(transfontanellär/transkraniell)
      • beiniedrige fraglichemSensitivität a.zur p.Detektion Befundvon Schrägaufnahmen 
      Frakturen
    • Wirbelssinnvoll zur Detektion erweiterter Subduralräuleume, seitlich
    • Arme,chronisch subduralenndematomen a.oder p.
      • jedeHygromen Seite einzeln
      • Hände separat
      • bei verdunter zweijächtigemhrigen BefundGeschwisterkindern zusätzlicheines seitlich
    • Beine,körperlich Füßemisshandelten a. p.
      • jede Seite einzeln
      • Füße separat
      • bei verdächtigem Befund zusätzlich seitlich
    • Beckenübersicht a. p.
      • bei Mädchen ohne Gonadenschutz
    • ggf. Sonografie Orbita, Rippen, Skelett
      • Einblutung?
      • Fraktur?
    • ggf. Kontrolle nach 14 Tagen
      • bei negativer Röntgen-Thorax-Aufnahme +/– fraglichen SkelettbefundenKindes
  • UltraschallMRT undder farbkodierte Dopplersonografie SchWirbelsädel, Abdomenule
  • MRT Schädel und spinale Achse (kranielle CT nur im Notfall)Skelettszintigrafie
    • Kann bei initalerfehlendem kraniellerNachweis CTvon nachRippenfrakturen Stabilisierungim standardisierten Röntgen-Skelettscreening und bei fortbestehendem Verdacht auf eine körperliche Misshandlung helfen, Rippenfrakturen zu detektieren (IIa).
  • Augenhintergrund

KinderFunduskopie überim 2Rahmen Jahren

der augenärztlichen Untersuchung
  • Schädel-Hirn-TraumaBei Kindern < +/–24 neurologischeMonate Symptome
    • MRTmit Verdacht auf eine misshandlungsbedingte Schädeldelhirnverletzung undsoll eine spinalesorgfältige Achseaugenärztliche Untersuchung durchgeführt werden (kranielle CT nur im NotfallIIb/A)
      • bei initaler kranieller CT nach Stabilisierung
      • ggf. Ultraschall
      • Augenhintergrund
  • Viszerales Trauma – Abdomensonografie
    • ggf. MRT/CT
    • ggf. Schädel-MRT mit spinaler Achse
  • Skelett-Trauma
    • klinisch auffällige Skelettanteile in zwei Ebenen
    • ggf. Schädel-MRT mit spinaler Achse
  • Ggf. weitere Untersuchungen
    • Skelettstatus (s. o.)
    • Ganzkörper-MRT
    • Skelettszintigrafie

Laboruntersuchungen

Diagnosesicherung

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.97
  • Wichtigstes Ziel bei Kindeswohlgefährdung: Bestehenden Verdacht erhärten oder entkräften. Folgende Maßnahmen sind möglich:
    • Kontaktaufnahme mit KollegenKolleg*innen (z. B. HauskinderarztHauskinderärzt*innen), BetreuernBetreuer*innen (Lehrer*innen, Erzieher*innen) und zuständigem Jugendamt – hierfür ist eine Schweigepflichtentbindung notwendig.
      • Wenn eine reale Gefährdung vorliegt und diese nicht anders abgewendet werden kann, kann die Meldung ans Jugendamt auch ohne Schweigepflichtentbindung erfolgen (siehe Schweigepflicht).
    • vertiefende Untersuchungen (s.  o.)
    • Überweisung an Kinder- und Jugendpsychiater oder -psychotherapeuten
    • psychotherapeut*in, ggf. konsiliarische Hinzuziehung anderer medizinischer Disziplinen
    • Verlaufsbeobachtung
    • , Beratung mit Fachkraft der Jugendhilfe (§ 4 Abs. 2 KKG und § 8b des SGB VIII)
    • Verlaufsbeobachtung
    • ggf. stationäre Aufnahme (zur Diagnosesicherung und/oder zeitlich begrenzter Schutz für das Kind)

Indikationen zur Überweisung

  • InterdisziplinEin interdisziplinäres Vorgehen ist prinzipiell sinnvoll, besonders wenn eine weiterführende Diagnostik nötig ist.1
    • Das Team schließt ärztliche, sozialpädagogische, psychologische und pflegerische Fachkräfte ein und steht unter fachärztlicher pädiatrischer, kinderchirurgischer oder kinder- und jugendpsychiatrischer Leitung.

    Empfehlungen

  • Bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch1
    • KindesmisshandlungDie bisNotwendigkeit zuund derenReihenfolge sicheremder Ausschlusseinzelnen Untersuchungen sollen im multiprofessionellen Team (s. o.) festgelegt werden.
    • Forensisches Interview nur durch entsprechend geschulte Fachkraft. Die körperliche Untersuchung wird in der DifferenzialdiagnoseRegel bervon Kinderärzt*innen mit Spezialausbildung durchgefücksichtigenhrt.
  • InBei derschweren familienärztlichen Praxis haben das anamnestische Gespräch, die teilnehmende BeobachtungMisshandlungen/Verletzungen und diewenn antizipatorischeFrakturen Aufklärungausgeschlossen einenwerden hohensollen Stellenwert.
  • Notfallkontakte(Kinderklinik beimit „banalen Symptomen“ sind häufig Ausdruck psychosozialer Krisen.
  • Fest vereinbarteKinderschutzambulanz, regelmäßige Gespräche können ein Gefühl von Sicherheit vermitteln.
  • Kontaktabbrüche registrierenKinderradiologie, umggf. weitergehendeKoordination Hilfendurch zu organisieren.Rechtsmedizin)110

Therapie

Leitlinie: Interventionen für die ElternSorgeberechtigten1

  • Misshandelnden, missbrauchenden und/oder vernachlässigenden Personensorgeberechtigten und Bezugspersonen sollen Maßnahmen zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Reviktimisierung angeboten werden (A).
    • Belastbare Wirksamkeitsnachweise liegen für Einzelmaßnahmen wie die Parent-Child Interaction Therapy vor (Ia–b).
    • Diese Maßnahmen sollen auf einem Ansatz basieren, der sich mit den Fragestellungen zu misshandelnden, missbrauchenden und/oder vernachlässigenden Verhaltens der Personensorgeberechtigten/Bezugspersonen auseinandersetzt (z.  B. Motivation stärken an erster Stelle, gefolgt von der Fokussierung der Eltern-Kind-Interaktion) (Ia–III/A).
  • Die Therapie, Behandlung oder Einbindung der misshandelnden, missbrauchenden und/oder vernachlässigenden Personensorgeberechtigten/Bezugsperson sollen gezielt der Art der stattgehabten Kindesmisshandlung, des Missbrauchs und/oder der Vernachlässigung angepasst sein (Ia–III/A).
  • Solche Maßnahmen sollen Bezug nehmen auf das Fehlverhalten dieser Person, z. B. destruktives Erziehungsverhalten, Fehlerzuschreibung, dysfunktionale Bindung und Interaktion zwischen dieser Person und dem Kind sowie ein Training der Erziehungskompetenz dieser Person beinhalten (Ia–III/A).
    • Bei Maßnahmen zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Reviktimisierung sollten Kinder und Jugendliche in dem Maße einbezogen werden, soweit sie dem zustimmen (Ib–c/B).

Therapieziele

  • Misshandlungen erkennen und Maßnahmen zur Beendigung der Vernachlässigung oder Misshandlung einleiten.
  • SchutzDas desKind Kindesschützen und gleichzeitig, wenn möglich, Erhalten des VertrauensVertrauen der ElternSorgeberechtigten und des Kindes in die Ärztin/den Arzt erhalten.

AllgemeinesHandlungsempfehlungen zurbei Therapiedringendem Verdacht

Verschiedene
  • Diese Handlungsempfehlungen Formenbei dringendem Verdacht auf Kindesmisshandlungen basieren auf dem von der psychosozialenLandesärztekammer InterventionBaden-Württemberg herausgegeben Leitfaden für Ärztinnen und Ärzte „Gewalt gegen Kinder“.11

Gefährdungspotenzial als Handlungsmaßstab

  • EinzeltherapieLiegen gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen vor?
    • Gefährdungspotenzial hoch oder sehr hoch?
    • Gruppentherapie
    • Grad der Gewissheit der Kindeswohlgefährdung eher sicher oder noch unsicher? Bei Unsicherheit:
      • Familientherapie
      • Networking
      • FachübergreifendeGgf. Therapiezuständige beiFachkraft Bedarf
      • Zusammenarbeitbeim zwischenJugendamt denkonsultieren Behörden(pseudonymisiert).

      Vorgehen

  • Wenn ineine derKindeswohlgefährdung Praxisfestgestellt wird:
    • BeiBevor entsprechendender AnzeichenFall solltedem stetsJugendamt einegemeldet Vernachlässigungwird, oderist Kindesmisshandlung in Betracht gezogen werden.24
    • Bei gewichtigen Anhaltspunkten soll die Situationdas mit dem Kind/Jugendlichen und mit den PersonensorgeberechtigtenSorgeberechtigten zu erörtertrtern werdenund auf Hilfen hinzuwirken. 
    • WichtigeDie FragenErörterungspflicht hierbei:
      • Sehen die Eltern auch eine Gefahr für das Kind?
      • Sind sie bereit und/oder in der Lageentfällt, diese abzuwenden?
      • Welche Ressourcen (siehe Abschnitt Schutzfaktoren) stehen zur Verfügung?
      • Sind sie bereit und in der Lage, Hilfen anzunehmen?
    • Soweit erforderlich, soll auf die Inanspruchnahme von Hilfen hingewirkt werden. Das gilt, solangewenn dadurch der wirksame Schutz des Kindes nichtoder des Jugendlichen infrage gestellt wird.
    • Dieses Vorgehen setzt eine fallbezogene Einschätzung des Gefährdungsrisikos voraus. Hierbei sind besonders folgende Aspekte relevant:
      • Alter des Kindes
      • Schweregrad, Dauer und Wiederholung von Verletzungen
      • Ausmaß von Empathie und die Fähigkeit der Eltern, die Bedürfnisse des Kindes wahrzunehmen (vs. Abwehr und Schuldzuweisung an das Kind).
      • Flexibilität in den Beziehungsmustern (vs. Verleugnung und erstarrte Haltung)
      • kooperative Einstellung und tragfähige Beziehung zu professionellen Helfern (vs. übermäßige Verbitterung)
      • verfügbare Ressourcen im Familienumfeld (vs. psychosozial verarmter Lebensumwelt).
    • Risikoabschätzung unbedingt schriftlich dokumentieren.

    Stufenpläne in Abhängigkeit vom Gefährdungsrisiko

    Bei geringem Gefährdungsrisiko, weitgehender Kooperation und entsprechenden Ressourcen der Betreuenden

    • Behandlung des Kindes
    • Vertrauen und Respekt, die die betreffenden Personen der Ärztin/dem Arzt entgegenbringen, sollten genutzt werden, um die notwendigen Verhaltensänderungen anzustoßen und aufrechtzuerhalten.
    • Besonderheiten der betreuenden Personen beachten, z. B.:
      • mangelnde Ressourcen
      • eigene Misshandlungserfahrungen
      • Suchtverhalten.
    • Hinweis auf niedrigschwellige Unterstützungsangebote

    Leitlinie: Kinder und Jugendliche suchtbelasteter ElternSorgeberechtigter1

    • Bei Verdacht auf eine Suchterkrankung der Personensorgeberechtigten/Bezugspersonen sollte Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit gegeben werden, sich zu ihrem eigenen Wohlbefinden zu äußern; dabei sollte die Thematik Suchterkrankung offen angesprochen werden (IIa–III/B).
    • Bei gesicherter Suchterkrankung der Personensorgeberechtigten sollen Fachkräfte Kinder und Jugendliche und/oder die suchtkranke Person begleiten, mögliche Anhaltspunkte wie Risikofaktoren (z.  B. häusliche Gewalt, Delinquenz, Armut oder fehlende elterliche Sorge) und/oder Komorbiditäten (z.  B. weitere psychische Erkrankungen) erfassen, dokumentieren und bewerten (III/A).
    • Bei Kindern und Jugendlichen mit suchtkranken Personensorgeberechtigten sollten geplante und eingeleitete Maßnahmen mit den Familien und allen Fallbeteiligten besprochen werden, um durch adäquate Hilfemaßnahmen für Kinder und Jugendliche, den/die Suchtkranke/n und die Familie Kindesmisshandlung, -missbrauch und/oder Vernachlässigung zu vermeiden oder zu beenden. Dies betrifft Absprachen zu (Verlaufs-)Ergebnissen von:
      • Einschätzungen des Hilfebedarfs von Kindern und Jugendlichen, Suchtkranken und der gesamten Familie
      • Bewertung des Wohles von Kindern und Jugendlichen bzw. Einschätzung der Kindeswohlgefährdung
      • Therapien der Kinder und Jugendlichen und/oder Personensorgeberechtigten
      • Gerichtsverfahren (z. B. Sorge- und Aufenthaltsbestimmungsrecht)
      • entsprechend eingeleitete Maßnahmen.

    Bei schwer einzuschätzendem Risiko

    • Kurzfristige Wiedervorstellung
    • Weitere Abklärung durch andere medizinische Disziplinen
    • Beratung durch Jugendhilfe (s. u.)

    Bei hohem Gefährdungsrisiko zusätzlich

    • Ggf. stationäre Abklärung
    • Ggf. unter begründeter Umgehung der ärztlichen Schweigepflicht
      • Information des Jugendamtes zur Übernahme des weiteren Schutzes des Kindes
        • Hält die Ärztin/der Arzt das Tätigwerden des Jugendamtes für notwendig, ist sie/er zur Informationsweitergabe befugt. Es muss laut Gesetz jedoch vorher stets geprüft werden, ob auch andere Maßnahmen ausreichen.
        • Wenn es dem Schutz des Kindes/Jugendlichen nicht entgegensteht, sollen die Sorgeberechtigten vorher auf die Information des Jugendamtes hingewiesen werden.
      • An andere Stellen können ohne Einwilligung der Betroffenen Informationen weitergegeben werden, wenn ein rechtfertigender Notstand vorliegt (§ 34 StGB, s. o.).
        • Das trifft z. B. auf eine einzelfallbezogene Meldung an Polizei, Staatsanwaltschaft oder Gericht zu.
      • Ärzte haben einen Rechtsanspruch auf Beratung durch eine Fachkraft des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe zur Einschätzung der Kindeswohlgefährdung (s. u.).

    Zusammenarbeit mit anderen Institutionen und Professionen

    • Erfolgreicher Kinderschutz beruht auf der Verzahnung bestehender lokaler Hilfsangebote.

    Helferkonferenz

    • Nach einer Kontaktaufnahme mit Einrichtungen der Jugendhilfe, Kinderschutzzentren, Beratungsstellen oder dem Familiengericht sollte möglichst bald eine erste gemeinsame Helferkonferenz zusammenkommen.1
      • Mit Kenntnis der Eltern treffen sich alle professionellen Helfer, die mit der Familie zusammengearbeitet haben oder zusammenarbeiten werden.
      • Organisation des Gesprächs in der Regel durch die Mitarbeiter der Jugendhilfe oder im Falle stationärer Behandlung durch Sozialdienste in den Krankenhäusern

    Frühe Hilfen2512-2714

    • Durch diese Bundesinitiative werden lokale interdisziplinäre Netzwerke auf- bzw. ausgebaut mit folgenden Aufgaben:
      • Wissenstransfer über regionale Angebote fördern.
      • Helfen, Angebotslücken zu schließen.
      • Abläufe und Schnittstellen bei der Fallvermittlung klären.
      • Ggf. multidisziplinäre Fallberatungen ermöglichen.
    • Vergütung für niedergelassene Ärzterzt*innen
      • Die im Rahmen der Frühen Hilfen zu erbringenden ärztlichen Leistungen gehen über die derzeit im Leistungskatalog der Krankenkassen vergütete Beratungszeit hinaus und erfordern daher eine Vergütung außerhalb des Gesamtbudgets. Im Zuge eines Modellprojekts im Land Baden-Württemberg wurde die Entwicklung der „Interprofessionellen Qualitätszirkel“ von intensiven Verhandlungen mit den gesetzlichen Krankenkassen begleitet.
      • Ziel war es, unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände ein realistisches Vergütungssystem für die dauer- und regelhafte Mitarbeit der niedergelassenen Ärzte in den Frühen Hilfen zu entwickeln.
      • Die Verhandlungspartner einigten sich auf folgende Vergütungsgegenstände:
        • Einsatz des Beobachtungsbogens zur familiären Belastungseinschätzung
        • Führen eines vertiefenden Gesprächs mit den Eltern zur Vermittlung in das Netzwerk Frühe Hilfen mit seinen jeweiligen Unterstützungsangeboten.
      • Diese Vergütung wird nur den Ärzten gewährt, die an den dazugehörigen Qualitätssicherungsmodulen teilnehmen.
        • interprofessionelle Qualitätszirkel
        • Fortbildungen zur Fallfindung und zur „motivierenden Gesprächsführung“ mit den Eltern
      • Diese Vergütung wird derzeitBislang nur in Baden-Württemberg im Rahmen deseine Projekts gewährtModellprojekts (Stand MärzAugust 20192023)2613-14 und nur bei Kindern bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres. Die Regelung gilt sinngemäß auch für Schwangere.27
        • Pseudo-GOP 99615: 10 Euro für die Identifikation von Familien in besonders belastenden Situationen einmal im Krankheitsfall27
        • Pseudo-GOP 99616: 20 Euro für das Führen eines ggf. daran anknüpfenden, zur Hilfeannahme im Jugendhilfesystem motivierenden Elterngespräches. Dauer mindestens 10 Minuten, bis zu 3-mal im Krankheitsfall pro Kind27
      • Derzeit werden „Interprofessionelle Qualitätszirkel Frühe Hilfen“ in weiteren kassenärztlichen Vereinigungen und Bundesländern ausgebaut. Grundlage dafür ist das Konzept aus Baden-Württemberg, das auf die jeweiligen Gegebenheiten in den kassenärztlichen Vereinigungen und Bundesländern angepasst wird. Dort sind bislang noch keine Vereinbarungen mit Krankenkassen getroffen worden (Stand März 2019).2614

    Wichtige Partner in Netzwerken

    • Ärztliche SpezialistenSpezialist*innen, z.  B.:
      • Fachärzterzt*innen für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie
      • Fachärzterzt*innen für Kinder- und Jugendmedizin
      • Rechtsmediziner.*innen
    • PsychotherapeutenPsychotherapeut*innen, z.  B.:
      • Kinder- und Jugendlichen-PsychotherapeutenPsychotherapeut*innen
      • Paar- und Familien-Psychotherapeuten.Psychotherapeut*innen
    • Kinderkliniken und assoziierte Kinderschutzgruppen
    • Öffentliche Institutionen und Behörden, z. B.:
      • Jugendamt
      • Anlaufstellen für Kinder und Jugendliche in Problemvierteln
      • Schulen: Lehrer*in, SchulpsychologenSchulpsycholog*in/-sozialarbeiter*in
      • Kinderbetreuungseinrichtungen.

    Aufgabenverteilung

    • Untersuchung und Behandlung erfolgen durch die Haus- und Kinderärzterzt*innen. In den meisten Fällen eines schwerwiegenden Verdachtes werden weitere Fachärzterzt*innen sowie ggf. Rechtsmediziner*innen hinzugezogen.
    • Sollte eine Einweisung zur stationären Behandlung notwendig sein, übernehmen dort in vielen Fällen interdisziplinäre Kinderschutzteams vorerst die weitere Koordinierung der notwendigen Maßnahmen.
    • Das Jugendamt hat die Aufgabe, dem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung nachzugehen und kann das Kind im Falle akuter Selbst- oder Fremdgefährdung in Obhut nehmen.
      • Ansprechpartner*innen sind in aller Regel die Mitarbeiter*innen des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD), in einzelnen Kommunen Kommunaler Sozialdienst (KSD) oder Bezirkssozialarbeit (BSA).
      • Erreichbarkeit und Vorgehen bei Notfällen außerhalb der gewöhnlichen Öffnungszeiten klären (Bereitschaftsdienst).
      • Beratung durch „insoweit erfahrene Fachkraft“ nach § 4 Abs. 2 KKG stets anonymisiert – Kontaktdaten beim örtlichen Jugendamt erfragen.
    • In strafrechtlich relevanten Fällen ermittelt die Polizei.

    Prävention

    • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1
    • Wird durch das Bundeskinderschutzgesetz vor allem gefordert und gefördert (vgl. §3 KKG).

    Primäre Prävention

    • Politische und gesellschaftliche Aktivitäten, die das Ausmaß von Kindesmisshandlung und Vernachlässigung sowie sexuellen Missbrauchs senken.
    • Fördert Umgebungen und gesellschaftliche Einstellungen, die die Entwicklung von Risikofaktoren für Kindesmisshandlung vermeiden.
      • Erfahrungsgemäß sind Familien zum Zeitpunkt der Geburt eines Kindes besonders zugänglich für Unterstützung und offen für Veränderungen.
      • Ein Schwerpunkt primär präventiver Bemühungen sollte daher im Bereich der frühen Elternschaft liegen.
    • Unterstützung der Eltern in ihrer Fürsorge- und Erziehungsaufgabe, z. B. durch Informationen über:
      • Ernährung
      • Sicherheit
      • Vorbeugung von Verletzungen
      • Beobachtung von Entwicklungsmeilensteinen
      • Zahngesundheit
      • altersentsprechenden Stimulationsbedarf.
    • Erkennung und ggf. Behandlung elterlicher Risikofaktoren, wie psychische Störungen oder Suchtverhalten.1
      • bei allen Müttern von Kindern < 24 Monaten: bei jedem Kontakt psychische Exploration1

    Sekundäre Prävention

    • Maßnahmen, die die in frühen Stadien von Misshandlung die Wahrscheinlichkeit für wiederholte oder schwerere Misshandlungen reduzieren.
    • Frühe Identifizierung von Risikofaktoren, Belastungsfaktoren und Hilfebedarf, z.  B.:
      • Früherkennungsuntersuchungen ab dem 2. Lebensjahr mit Schwerpunkt auf der Erkennung von Störungen der emotionalen Entwicklung, des Sozialverhaltens und der Sprachentwicklung
      • Einleitung geeigneter psychosozialer Interventionen zur Risikoreduktion
    • In einer US-amerikanischen Studie haben sich Hausbesuche bei der Verhinderung von Misshandlungen in Hochrisikofamilien als wirksam erwiesen. Die Hausbesuche wurden von Pflegekräften, Sozialarbeitern, Vertretern anderer Berufsgruppen, Ehrenamtlichen oder Menschen aus dem sozialen Netzwerk der Betroffenen durchgeführt.28

    Tertiäre Prävention

    • Behandlung und Rehabilitation nach bereits stattgefundener Kindesmisshandlung oder Vernachlässigung
    • Verhindern weitererWeitere Gewalterfahrungen und derdie Entwicklung von sekundären Folgeschäden wie psychischer Störungen verhindern.
    • Familientherapeutisch orientierte Beratung oder Behandlung
      • Bearbeitung des Geschehenen ermöglichen.
      • Misshandelnde und vernachlässigende Eltern darin unterstützen, Verantwortung für das Gewaltproblem zu übernehmen.
      • Da die Gewalt gegen das Kind häufig mit biografischen eigenen Erfahrungen der Eltern zusammenhängt, aber von diesen Prozessen abgespalten wird, bedarf es häufig eines längeren Behandlungszeitraumes, um die Zusammenhänge deutlich werden zu lassen.
      • Eine Mindestvoraussetzung ist dabei die Bereitschaft der beteiligten Eltern, sich auf einen solchen Prozess einzulassen, mit dem Ziel, sich zukünftig besser für den Schutz und die Interessen dieses und anderer Kinder einzusetzen und die Motivation, das eigene Verhalten zu verändern.
      • Es ist besonders anfangs manchmal nicht möglich, auf eine völlige Freiwilligkeit der Familien zu setzen, aber auch nicht unmöglich, mit Eltern zu arbeiten, die Widerstand gegen die Angebote zeigen.
      • Voraussetzung ist, dass die beteiligten Helfer die Aufgabenverteilung im Kontext von Empathie und Kontrolle klar im Blick behalten, sich gegenseitig in der Erfüllung der Aufträge unterstützen und gleichzeitig aufrichtig und respektvoll mit den Familien kommunizieren.

    Verlaufskontrolle

    • In Absprache mit allen beteiligten HelfernHelfer*innen planen.1
    • Bei Vernachlässigung ggf. Kontrollen von:
      • Verlauf der somatischen Entwicklung
      • Körpermaße
      • Pflegezustand
      • Zahnstatus.

    Patienteninformationen

    Patienteninformationen in Deximed

    Weitere Informationen

    Informations- und Anlaufstellen (auch) für Fachkräfte

    App Hans & Gretel

    • Eine von der Sächsischen Landesärztekammer entwickelte App zur Prävention, Diagnose und Dokumentation von häuslicher Gewalt und Gewalt in der Familie:  wwwhansundgretel.kindesmisshandlunghelp

    Leitfäden für Ärzt*innen

    Quellen

    Leitlinien

    • Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin. Kindesmisshandlung, -missbrauch, -vernachlässigung unter Einbindung der Jugendhilfe und Pädagogik (Kinderschutzleitlinie). AWMFS3-Leitlinie Nr. 027-069. Klasse S3, Stand 2019. www.awmf.org
    • Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie (GPR). Verdacht auf Misshandlung bei Kindern – Bildgebende Diagnostik. AWMF-Leitlinie Nr. 064-014. S1, Stand 2017. www.awmf.org
    • Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Psychische Störungen im Säuglings-, Kleinkind- und Vorschulalter. AWMF-Leitlinie Nr. 028-041. S2k, Stand 2015. www.awmf.org
    • Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung (GPGE): Gedeihstörung. AWMF-Leitlinie Nr. 068-002. S1, Stand 2010 (abgelaufen). www.awmf.org

    Literatur

    1. Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin. Kindesmisshandlung, - missbrauch, -vernachlässigung unter Einbindung der Jugendhilfe und Pädagogik (Kinderschutzleitlinie). AWMF-Leitlinie Nr. 027-069, KlasseStand 2019. register.awmf.org

Literatur

  1. Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin. S3-Leitlinie Kindesmisshandlung, - missbrauch, -vernachlässigung unter Einbindung der Jugendhilfe und Pädagogik (Kinderschutzleitlinie). AWMF-Leitlinie Nr. 027-069, Stand 2019. wwwregister.awmf.org
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  5. Bundeskriminalamt (Hrsg.). Polizeiliche KriminalstatistikBundesrepublik Deutschland. Jahrbuch 2017, Band 4, Einzelne Straftaten/-gruppen und ausgewählte Formen der Kriminalität. 65. Ausgabe; V 4.0Falltabellen. Wiesbaden, Februar 20122023. www.bka.de
  6. Deutscher Kinderschutzbund (DKSB), Landesverband Niedersachsen. Ärztlicher Leitfaden Kinderschutz. Hannover 2013. www.kinderschutz-niedersachsen.de
  7. Münnch T. Kindesmisshandlung - Neue Regeln für die Meldepflicht. Der Allgemeinarzt, 2013; 35: 42-44. www.allgemeinarzt-onlinedoctors.detoday
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  20. Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Psychische Störungen im Säuglings-, Kleinkind- und Vorschulalter. AWMF-Leitlinie Nr. 028-041, Stand 2015. www.awmf.orgde
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  26. Paul M, Nationales Zentrum Frühe Hilfen, und BzGA. Persönliche Auskunft per E-Mail am 22.03.2019.
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  28. Hahn RA, Bilukha OO, Crosby A, Fullilove MT, Liberman A, Moscicki EK, et al. First reports evaluating the effectiveness of strategies for preventing violence: early childhood home visitation. Findings from the Task Force on Community Preventive Services. MMWR Recomm Rep 2003; 52: 1-9. www.ncbi.nlm.nih.gov

AutorenAutor*innen

  • Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
  • UlrikeDie Arendtursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, Dr https://legehandboka. medno/)., Ärztin in Weiterbildung und Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Universität Oldenburg
  • Arne K. Myhre, pediater, St. Olavs Hospital
  • Terje Johannessen, professor i allmennmedisin, Institutt for samfunnsmedisinske fag, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, Trondheim
T74; T740; T741; T742 Sexueller; T743 Psychischer; T748 Sonstige; T749 Missbrauch; Z60; Z61; Z63; Z64
mishandling
Z25
Misshandlung; Kindesmissbrauch; Schütteltrauma; Battered-Child-Syndrome; Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom; sexueller Missbrauch; UN-Kinderrechtskonvention; Kinderschutzgesetz; häusliche Gewalt; plötzlicher Kindstod; Kindeswohlgefährdung; Bundeskinderschutzgesetz; Kinderschutz-Zentren; Deutsche Gesellschaft für Prävention und Intervention bei Kindesmisshandlung und -vernachlässigung; Schütteltrauma; Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz; KKG
Kindesmisshandlung und Vernachlässigung
MK 08.01.2018: neue radiologische LL
BBB MK 04.09.2023 revidiert und gekürzt, praxistauglicher. CCC MK 27.03.2019, neue LL MK 21.12.16, MK 11.07.17 komplett überarbeitet, deutsche Gesetzeslage ergänzt
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Definition:Unter dem Begriff der Kindesmisshandlung werden physische und psychische Gewalt, sexueller Missbrauch sowie die Vernachlässigung von Kindern zusammengefasst.
Pädiatrie
Kindesmisshandlung und Vernachlässigung
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