Osteogenesis imperfecta (OI)

Zusammenfassung

  • Definition:Genetische Erkrankung mit Kollagen-Fehlbildungen, die zu einer geringeren Knochendichte und erhöhten Frakturneigung führen sowie Kleinwuchs und Deformitäten des Skeletts zur Folge haben kann.
  • Häufigkeit:Die Prävalenz liegt bei 6–20 Fällen pro 100.000 Personen, es gibt keine ethnischen oder geografischen Unterschiede.
  • Symptome:Der Schweregrad variiert erheblich von intrauterinen Frakturen und perinataler Letalität bis hin zu sehr milden Verlaufsformen ohne Frakturen.
  • Befunde:Die klinischen Befunde umfassen Wachstumsstörungen, Blaufärbung der Skleren, Anomalien der Zähne, Schwerhörigkeit, Deformitäten der Knochen und häufig das Auftreten von Frakturen.
  • Diagnostik:Das Röntgenbild kann Frakturen zeigen, die genetische Diagnostik sichert die Diagnose.
  • Therapie:Es gibt keine kausale Therapie. Physiotherapie, Rehabilitation und orthopädische Operationen sind die wichtigsten Therapiemaßnahmen im Falle einer Osteogenesis imperfecta. Bisphosphonate scheinen sich positiv auf den Krankheitsverlauf auszuwirken.

Allgemeine Informationen

  • Der Abschnitt basiert, sofern nicht anders gekennzeichnet, auf diesen Referenzen.1-5

Definition

  • Genetisch bedingte Erkrankung mit Kollagen-Fehlbildungen, die zu einer geringeren Knochenmasse und erhöhten Frakturneigung bei inadäquatem Trauma sowie zu Kleinwuchs und Deformitäten führen kann.
  • Auch bezeichnet als Glasknochenerkrankung
  • Der Schweregrad variiert beträchtlich: von intrauterinen Frakturen und perinataler Letalität bis hin zu sehr milden Formen ohne Frakturen.6
  • Manifestationen
    • Betroffen sind häufig die Knochen, die Zähne, die Haut, das Gehör, die Augen sowie die Bandstrukturen der Gelenke.

Häufigkeit

  • Selten
  • Die Prävalenz liegt bei 6–20 Betroffenen pro 100.000 Personen, wobei es keine ethnischen oder geografischen Unterschiede gibt.

Ätiologie und Pathogenese

  • Die biochemische Grundlage der Krankheit besteht in Störungen der Kollagensynthese.
    • Die wichtigste Art von Kollagen in der Knochensubstanz ist Kollagen-Typ I.
    • Entweder ist die Synthese vermindert, oder es wird pathologisches Kollagen produziert.
  • Mehr als 90 % der Betroffenen weisen eine Mutation in einem der beiden Gene, die die Alphaketten des Kollagens vom Typ I kodieren (COL1A1 und COL1A2), auf; diese können in 4 Subtypen (I–IV) unterteilt werden.
    • Die Sprödigkeit der Knochen steigt von Typ I bis Typ IV an.
  • Es sind weitere Typen von Osteogenesis imperfecta ohne Kollagen-I-Beteiligung bekannt, dazu gehören die Typen V, VI und VII.
  • Autosomal-rezessive Formen werden durch Genmutationen in Proteinen für die posttranslationale Modifikation von Typ-I-Kollagen verursacht.
  • Obwohl es sich in den meisten Fällen um eine dominant vererbte Erkrankung handelt, die die Kollagensynthese und deren posttranslationale Modifizierung betrifft, gibt es auch innerhalb einer Familie bei gleicher Mutation unterschiedliche phänotypische Ausprägungen.7
    • Bisher ist keine befriedigende Genotyp-Phänotyp-Korrelation beschrieben worden.

Prädisponierende Faktoren

  • Vererbung

ICPC-2

  • L82 Angeb. Anomalie muskuloskelet.

ICD-10

  • Q78.0 Osteogenesis imperfecta

Diagnostik

  • Der Abschnitt basiert, sofern nicht anders gekennzeichnet, auf diesen Referenzen.1-5,7-8

Diagnostische Kriterien

  • Primär klinische Diagnose anhand der Symptome und der radiologischen Befunde
  • Laboruntersuchungen und radiologische Untersuchungen dienen dem Ausschluss weiterer Skeletterkrankungen und -dysplasien (z. B. Rachitis, Hypophosphatasie und Hypochondroplasie).
  • Die klinische Diagnose kann meist durch eine genetische Untersuchung gesichert werden.
    • Diese dient der Identifizierung von Sonderformen sowie der Aufklärung des Wiederholungs- und Weitervererbungsrisikos.
  • Führendes Symptom sind Frakturen bei inadäquaten Traumata.
    • Diese können bereits vorgeburtlich auftreten.
    • Ebenso können bereits pränatal Deformierungen, Verkürzungen und Achsabweichungen der langen Röhrenknochen beobachtet werden.
  • Bei mittleren und schweren Verlaufsformen der Erkrankung treten bereits innerhalb der ersten Lebensmonate neben Extremitätenfrakturen auch Sinterungen und Deformierungen der Wirbelkörper auf.
  • Hauptkriterien
    • Pathologische Frakturneigung, wenn zugleich andere Ursachen ausgeschlossen wurden.
    • nachgewiesene Kollagenanomalie
  • Genetische Kriterien
    • Verwandte 1. Grades, die die Kriterien erfüllen.
    • nachgewiesene Mutation des Gens für Kollagen I
  • Klinische Kriterien
    • typischer Röntgenbefund für Osteogenesis imperfecta
    • blaue Skleren
    • Dentinogenesis imperfecta
    • Hypermobilität der Gelenke
    • Signifikante Osteoporose, wobei andere Ursachen ausgeschlossen sind.
    • charakteristische Deformitäten

Voraussetzungen für die Diagnosestellung

  • Ein Hauptkriterium in Verbindung mit einem beliebigen weiteren Kriterium
  • Zwei klinische Kriterien in Verbindung mit einem beliebigen weiteren Kriterium einer anderen Kategorie

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Das Hauptsymptom bei den meisten Betroffenen ist die erhöhte Frakturneigung.
  • Diese erhöhte Frakturneigung zeigt sich in sehr zahlreichen Frakturen oder in Frakturen, die bereits bei geringfügigen Traumata entstehen.
  • Weitere Symptome und Anzeichen können sein: chronische Knochenschmerzen, Wachstumshemmung, Ausbildung von Deformitäten und eingeschränkte Mobilität.
  • Auch bei Kindesmisshandlung bestehen regelmäßig Diskrepanzen zwischen dem klinischen Befund und den angegebenen Ursachen der Frakturen.

Klinische Untersuchung

Allgemeine Manifestationen

  • Skoliose
  • Deformitäten der Schädelbasis
  • Schwache Bandstrukturen
  • Knochendeformitäten
  • Spröde Knochen
  • Osteopenie
  • Reduzierte Lungenfunktion
  • Wachstumsstörungen
    • verschiedene Grade von Wachstumshemmung und Kleinwuchs
    • progrediente Skelettdeformitäten wie Tonnenbrust, Skoliose oder Deformitäten der Extremitäten
  • Blaue Skleren
    • Es weisen jedoch auch viele gesunde Säuglinge dunkle oder bläuliche Skleren auf.
  • Dentinogenesis imperfecta
    • Ist in der Regel deutlicher an den Milchzähnen als an den bleibenden Zähnen abzulesen.
    • Die Röntgenuntersuchung bzw. die Histologie können auch in scheinbar gesunden Zähnen entsprechende Veränderungen nachweisen.
  • Schwerhörigkeit
    • Manifestiert sich häufig erst im Erwachsenenalter, etwa die Hälfte der über 50-Jährigen Patient*innen leidet an Schwerhörigkeit.

Sillence-Klassifikation9

Typ I

  • 60 % der Fälle
  • Autosomal-dominant
  • Ist eine milde Form der Osteogenesis imperfecta.
  • Reduzierte Menge an strukturell intaktem Kollagen
    • relativ wenige Frakturen
    • keine deformierende Skoliose (vertebrale Frakturen) und nur geringe Wachstumshemmung
    • blaue Skleren
    • meist frühzeitige Schallleitungsschwerhörigkeit
    • selten Dentinogenesis imperfecta (Typ IB), ansonsten unauffällige Zähne (Typ IA)
    • generelle Hypermobilität der Gelenke

Typ II

  • Letale Osteogenesis imperfecta
  • 10 % der Fälle
  • Autosomal-dominant
  • Wird in seltenen Fällen rezessiv vererbt.
  • Multiple intrauterine Frakturen
  • Der intrauterine Fruchttod tritt in 60 % der Fälle ein.
  • Mangelnde Mineralisierung der Schädelkalotte
  • Spezielle Skelettanomalien
  • 80 % der Patient*innen sterben im ersten Lebensmonat infolge respiratorischer Insuffizienz aufgrund multipler Rippenfrakturen.

Typ III

  • 20 % der Fälle
  • Autosomal-dominant
  • Selten rezessiv
  • Ist eine schwere Verlaufsform der Osteogenesis imperfecta.
    • hohe Frakturneigung und ausgesprochen starke Skelettdeformitäten
    • teilweise moderate Befunde bei der Geburt
    • deutliche Wachstumsverzögerung, Kleinwuchs
    • blaue oder weiße Skleren
    • oft Dentinogenesis imperfecta und Schwerhörigkeit

Typ IV

  • 10 % der Fälle
  • Autosomal-dominant
  • Ist eine mäßig schwere Form der Osteogenesis imperfecta.
    • heterogene Gruppe
    • zumeist unauffällige Skleren
    • moderate Skelettdeformierung
    • variierende Grade von Frakturneigung und Wachstumshemmung
    • Eine Dentinogenesis imperfecta ist üblich (Typ IVB), alternativ sind die Zähne unauffällig (Typ IVA).
    • Schwerhörigkeit ist möglich.
  • In dieser Gruppe lassen sich 3 separate klinische Entitäten (Typ V, VI und VII) identifizieren.

Weitere Typen

  • Durch zunehmende Entdeckung weiterer Genmutationen können heute bis zu 10 Typen beschrieben werden.
  • Jedoch sind die Phänotypen auch bei gleicher Mutation sehr unterschiedlich.
  • Es ist schwierig, die molekulargenetische Klassifikation mit der Sillence Klassifikation in Einklang zu bringen.
  • Phänotypisch werden 5 Typen unterschieden:
    • die vier Sillence-Typen (s. o.)
    • Typ V: Kalzifikation der interossären Membran, radiologisch und phänotypisch unterscheidbar von den Typen I–IV.10

Weitere Untersuchungen

  • Labor und Urin: nicht zur Diagnosesicherung geeignet
    • Viele Patient*innen weisen eine physiologische bis erhöhte Aktivität der alkalischen Phosphatase im Vergleich zu alters- und geschlechts-spezifischen Referenzen auf.
    • Weitere Untersuchungen des Kalzium-Phosphat-Stoffwechsel dienen dem Ausschluss von Mineralisierungsstörungen und Erkrankungen, die die Skelettstabilität beeinflussen können.
    • Messung des Serum-Kupfers: Kann indiziert sein, um eine temporäre Glasknochenkrankheit auszuschließen.
    • In Untersuchungen des Urins kann häufig eine erhöhte Osteoklastenaktivität nachgewiesen werden.
  • Knochendichtemessung mithilfe der DXA (Dual Energy X-ray Absorptiometry) kann zur Diagnosesicherung beitragen.
  • Röntgenuntersuchung des Skeletts kann Frakturen und charakteristische Deformitäten der langen Röhrenknochen aufzeigen.
  • Sonografie im frühen 2. Schwangerschaftstrimenon kann den Verdacht auf eine OI erhärten.

Genetische Diagnostik

  • Der Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.7-8
  • Die definitive Diagnose kann nur durch eine genetische Untersuchung bestätigt werden.
    • Molekulare Analyse in Amnionzellen oder Chorionzotten, wenn die ursächliche Mutation bekannt ist.
  • Eine zuverlässige Genotyp-Phänotyp-Assoziation ist nicht vorhanden.
  • Auch eine Aussage über die Lebensfähigkeit der Betroffenen kann pränatal nicht anhand des Mutationsnachweises erfolgen.

Kollagenuntersuchung

  • „Traditionelle“ biochemische Diagnostik anhand kultivierter Fibroblasten aus einer Hautstanze; ist nur noch in Ausnahmefällen als primärer Schritt sinnvoll.
  • Es wird eine elektrophoretische Messung des Kollagengehalts durchgeführt und nach Möglichkeit auch der genetische Defekt beschrieben.
  • Die Sensitivität beträgt 85 % und ist am höchsten bei der Osteogenesis imperfecta vom Typ I und Typ IV.

Untersuchungen mittels DNS-Sequenzierung

  • Standardmethode ist die sequenzielle Analyse der Osteogenesis-imperfecta-Gene mithilfe der konventionellen Sanger-Sequenzierung.
  • Inwieweit in Zukunft eine Panel-Diagnostik angewandt werden kann, muss abgewartet werden.
  • Die genetische Analyse kann an DNA-Material aus EDTA-Blut erfolgen.
  • Mithilfe der Polymerase-Kettenreaktion werden die Gene in geeignete Abschnitte aufgeteilt und vervielfältigt, sodass Mutationen sich isolieren und untersuchen lassen.
  • Screening der kodierenden Region von COL1A1 und COL1A2
  • Erkennt ca. 90 % aller Mutationen des Kollagens vom Typ I (Sensitivität), was aber auch umgekehrt bedeutet, dass ein negativer Befund eine Osteogenesis imperfecta nicht ausschließt.

Indikationen zur Überweisung

Indikation zur diagnostischen Abklärung 

  • Bei Vorliegen eines oder mehrerer der klinischen Kriterien, insbesondere wenn noch weitere Symptome oder Anzeichen hinzukommen.
  • Bei pathologischer Frakturneigung ohne andere Erklärung, insbesondere wenn noch weitere Symptome oder Anzeichen hinzukommen.
  • Bei positiver Familienanamnese

Therapie

  • Der Abschnitt basiert, sofern nicht anders gekennzeichnet, auf diesen Referenzen.1-5,7

Therapieziele

  • Frakturen vorbeugen und die Mobilität sowie die allgemeine Funktionalität aufrechterhalten.

Allgemeines zur Therapie

  • Die Behandlung erfordert ein multidisziplinäres Team aus spezialisierten Internist*innen, Pädiater*innen, Orthopäd*innen, Physiotherapeut*innen und Rehabilitationsmediziner*innen.
  • Es gibt derzeit keine kurative Therapie für die Osteogenesis imperfecta, jedoch laufende Studien zu neuen Medikamenten sowie zur Gen- und Stammzelltherapie.
  • Perorale Bisphosphonate reduzieren das Frakturrisiko.11-12
  • Physiotherapie, Rehabilitation und orthopädische Chirurgie zur Korrektur der Deformitäten von Knochen und Wirbelsäule und zur Prävention von Frakturen der langen Röhrenknochen stellen die wichtigsten Therapiemaßnahmen bei einer Osteogenesis imperfecta dar.
  • Lebenslang sollte einem Mangel an Vitamin D und Kalzium vorgebeugt werden.

Empfehlungen für Patient*innen

  • Körperliche Aktivität ist in dem Maße zu empfehlen, wie dies angesichts des erhöhten Frakturrisikos möglich ist.
    • Dies verhindert Kontrakturen und Knochenverlust als Folge von Immobilität.
  • Psychologische Unterstützung und Beratung zur Berufswahl
  • Pneumokokken- und Influenza-Impfung bei Fehlen von Kontraindikationen

Medikamentöse Therapie

Bisphosphonate

  • Off-Label-Use!
  • Es gibt keine Daten zur Behandlungsdauer!
  • Überwachungsprogramm während der Therapie erforderlich!
  • Bisphosphonate hemmen die Knochenresorption der Osteoklasten.
  • Am häufigsten angewandte antiresorptive Medikamente bei mittleren und schweren Verlaufsformen
  • Therapie mit Bisphosphonaten13
    • Führt zu einer verbesserten Knochenmineraldichte bei Kindern und Erwachsenen.
    • Reduziert die Frakturneigung bei Kindern.
    • Reduziert die Schmerzen und verbessert die Lebensqualität.14
    • Ob das Knochengewebe hierdurch bessere funktionelle Eigenschaften erhält, ist zwar unsicher, anscheinend werden aber weder die Frakturheilung noch das Knochenwachstum verlangsamt.
  • Die Therapie bringt einige Nebenwirkungen mit sich.
    • Fieber
    • Die Langzeittherapie bei Osteoporose führt bekanntermaßen zu atypischen Femurfrakturen.
  • Indikation: Für präpubertäre Patient*innen mit mittleren oder schweren Verlaufsformen, bei denen Wirbelkörperfrakturen vorliegen oder es zu 2 oder mehr Frakturen der langen Röhrenknochen/Jahr kommt, wird eine solche Therapie im Rahmen „individueller Heilversuche“ angewandt.
    • Es stehen verschiedene Bisphosphonate zur Verfügung, allerdings ist keines davon zur Behandlung der OI oder von Kindern zugelassen. 
  • Dosierung: Insbesondere bei Kindern sind i. v. im Vergleich zu oral verabreichten Bisphosphonaten etablierter, besser zu dosieren und weisen keine gastrointestinalen Nebenwirkungen auf.
    • Nach der ersten i. v. Gabe kommt es bei ca. 50 % der Patient*innen zu einer Akute-Phase-Reaktion mit Erhöhung der Körpertemperatur und „grippeähnlichen" Symptomen, die innerhalb von 2–3 Tagen selbstlimitierend verläuft.
  • Neridronat ambulant alle 3 Monate, ohne stationäre Aufenthalte
    • Diese Therapieform hat sich in Deutschland weitgehend durchgesetzt.7
    • Dosierung
      • 2 mg/kg Körpergewicht in 250 ml 0,9 % NaCl
      • Maximaldosis 100 mg/d
      • Infusionsdauer: < 2 Jahre: 3 Stunden; > 2 Jahre: minimal 30 min
      • im 1. Lebensjahr: alle 2 Monate an zwei aufeinanderfolgenden Tagen 2 mg/kg KG
      • ab dem Alter von 1 Jahr: alle 3–4 Monate an einem Tag 2 mg/kg KG
  • Risedronat wird peroral verabreicht.
    • nur in Ausnahmefällen
    • Die Knochenmineraldichte (BMD) wird erhöht und das Risiko primärer und rezidivierender Frakturen bei Kindern mit Osteogenesis imperfecta reduziert.11
    • 2,5–5 mg pro Tag bei Kindern ab 4 Jahren4
  • Eine Substitution von Vitamin D und Kalzium über das normale Maß hinaus ist bei OI nicht erforderlich. Besonders unter antiresorptiver Therapie sollte auf normwertige Spiegel geachtet werden.7

Weitere medikamentöse Ansätze

  • Osteoklastenantikörper Denosumab führte in einer Pilotstudie zum Anstieg der Knochenflächendichte.15
    • Off-Label-Use
  • Wachstumshormone?
    • Die Wirkung von Wachstumshormonen, evtl. in Kombination mit Bisphosphonaten, ist ungewiss.
  • Parathormon?
    • Wurde bislang nicht verwendet, weil diese Form der Therapie bei Mäusen Osteosarkome induziert hat.
  • Stammzelltherapie?
    • Befindet sich in der Erforschung, hat aber bislang noch keine überzeugenden Resultate erbracht.

Weitere Therapien

Physiotherapie

  • Ab der frühen Kindheit
  • Mit Fokus auf:
    • isotonische Dehnung der Muskeln
    • Stabilisierung der Gelenke
    • aerobes Ausdauertraining
    • Erhalt der Gelenkbeweglichkeit
    • Angstabbau beim Erlernen neuer Bewegungsübergänge
    • Nutzung von Hilfsmitteln bei Bedarf.

Operative Therapie

  • Evtl. orthopädische Korrektureingriffe
  • Orthesen dienen dazu, die Beine in frühen Stadien der Mobilisierung zu schützen.

Otologische Beurteilung

  • Ist wichtig bei allen Patient*innen mit einer Osteogenesis imperfecta.
  • Zum einen kommt es bei Kindern mit einer Osteogenesis imperfecta offenbar häufiger zu einer sekretorischen Otitis media mit daraus resultierender Schwerhörigkeit, und zum anderen entsteht durch einen fixierten, elastischen, frakturierten oder atrophischen Stapes eine Schallleitungsschwerhörigkeit, die u. U. durch eine Stapedektomie abgemildert werden kann.

Zahnärztliche Beurteilung

  • Eine zahnärztliche Beurteilung ist ebenfalls allen von einer Osteogenesis imperfecta Betroffenen nahezulegen, um eine evtl. Dentogenesis imperfecta abzuklären und ggf. die Behandlung der daraus resultierenden Zahnprobleme zu übernehmen.

Beatmung

  • Bei einer evtl. notwendigen Beatmung sollte mit niedrigem Beatmungsdruck (meist ohne PEEP) und mit höheren Frequenzen als die für das vorliegende Alter bzw. Gewicht zu erwartenden Frequenzen gearbeitet werden.
  • Es sollten an die anatomischen Besonderheiten angepasste Masken verwendet werden.

Sozialmedizin

  • Die Patient*innen sind darüber hinaus oft auf eine Vielzahl sozialmedizinischer Maßnahmen und Angebote angewiesen in Form von Hilfsmitteln (z. B. Rollstuhl), Hilfe beim Schulbesuch, Ausbildung in körperlich nicht belastenden Berufen und Beratung zu Fragen des Vorruhestandes.
  • Frühzeitige Hilfestellungen durch Hausärzt*innen in folgenden Bereichen:

Verlauf, Komplikationen und Prognose

  • Der Abschnitt basiert, sofern nicht anders gekennzeichnet, auf diesen Referenzen.1-5

Verlauf

  • Je nach Typ der Osteogenesis imperfecta
    • Typ I und Typ IV haben jeweils einen leichten bis mittelschweren Verlauf und bieten die Möglichkeit einer einigermaßen uneingeschränkten Lebensführung.
    • Typ II und Typ III nehmen einen letalen bzw. einen schweren Verlauf.
  • Regelmäßige klinische Kontrollen
  • Röntgenkontrollen bei Skoliose oder Frakturverdacht
  • Regelmäßige Kontrolluntersuchungen durch Pneumolog*in mit Lungenfunktion, Blutgasanalyse, ambulanter Polygrafie und ggf. Polysomnografie im Schlaflabor oder Beatmungszentrum (individuell nach Schweregrad festzulegen)

Komplikationen

  • Kardiopulmonale Komplikationen infolge des Zusammenbruchs der Wirbelsäule und Veränderungen des Thorax
  • Hörverlust
  • Wachstumsminderung
  • Knochendeformitäten
  • Frakturen

Prognose

  • Die Prognose in Hinblick auf die körperliche Leistungsfähigkeit wird durch den Schweregrad der Krankheit und die Qualität der Behandlung bestimmt.16
  • Durch Verformung der Wirbelsäule bedingte Atemwegskomplikationen bestimmen die vitale Prognose.16

Selbsthilfe

Patienteninformation

Patienteninformationen in Deximed

  • Osteogenesis imperfecta

Quellen

Literatur

  1. Palomo T, Vilaça T, Lazaretti-Castro M. Osteogenesis imperfecta: diagnosis and treatment. Curr Opin Endocrinol Diabetes Obes. 2017 Dec;24(6):381-388. doi: 10.1097/MED.0000000000000367. PMID: 28863000. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  2. Marom R, Rabenhorst BM, Morello R. Osteogenesis imperfecta: an update on clinical features and therapies. Eur J Endocrinol. 2020 Oct;183(4):R95-R106. doi: 10.1530/EJE-20-0299. PMID: 32621590; PMCID: PMC7694877. www.ncbi.nlm.nih.gov. www.ncbi.nlm.nih.gov
  3. Deguchi M, Tsuji S, Katsura D, Kasahara K, Kimura F, Murakami T. Current Overview of Osteogenesis Imperfecta. Medicina (Kaunas). 2021 May 10;57(5):464. doi: 10.3390/medicina57050464. PMID: 34068551; PMCID: PMC8151368. www.ncbi.nlm.nih.gov. www.ncbi.nlm.nih.gov
  4. Deutsches Ärzteblatt. Osteogenesis imperfecta: Orale Bisphosphonate verhindern Knochenbrüche. 2013. www.aerzteblatt.de
  5. Beary JF. Osteogenesis imperfecta: An overview. Last updated: May 04, 2021. www.uptodate.com. www.uptodate.com
  6. Ramachandran M. Osteogenesis imperfecta. Medscape, last updated Mar 3, 2022. emedicine.medscape.com
  7. Hoyer-Kuhn H, Bartz-Seel J, Blickheuser R, et al. Diagnostik und Therapie der Osteogenesis imperfecta. Monatsschr Kinderheilkd 165, 333–346 (2017).https://doi.org/10.1007/s00112-016-0189-5. link.springer.com. link.springer.com
  8. van Dijk F, Byers PH, Dalgleish R, et al. EMQN best practice guidelines for the laboratory diagnosis of osteogenesis imperfecta. Eur J Hum Genet 20:11–19, 2012. www.nature.com
  9. Sillence OD, Senn A, Danks DM. Genetic heterogeneity in osteogenesis imperfecta. J. Med Genet. 1979;16:101–116. www.ncbi.nlm.nih.gov
  10. van Dijk F, Sillence D. Osteogenesis imperfecta: Clinical diagnosis, nomenclature and severity assessment. Am. J. Med Genet. Part A. 2014;164:1470–1481. www.ncbi.nlm.nih.gov
  11. Bishop N, Adami S, Ahmed SF, et al. Risedronate in children with osteogenesis imperfecta: a randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet 2013 Aug 5. pii: S0140-6736(13)61091-0. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  12. Shapiro JR, Thompson CB, Wu Y, Nunes M, Gillen C. Bone mineral density and fracture rate in response to intravenous and oral bisphosphonates in adult osteogenesis imperfecta. Calcified Tissue International 2010; 87: 120–129. doi:10.1007/s00223-010-9383-y DOI
  13. Lindahl K, Langdahl B, Ljunggren Ö, et al. Treatment of osteogenesis imperfecta in adults. Eur J Endocrinol. 2014 ;171(2):R79-90. doi: 10.1530/EJE-14-0017 DOI
  14. Biggin A, Munns CF. Osteogenesis imperfecta: diagnosis and treatment. Curr Osteoporos Rep. 2014;12:279-88. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  15. Hoyer-Kuhn H, Franklin J, Allo G, et al. Safety and efficacy of denosumab in children with osteogenesis imperfecta – a first prospective trial. J Musculoskelet Neuronal Interact 16:24–32 (2016). pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  16. Orphanet. Osteogenesis imperfecta. 2010. www.orpha.net

Autor*innen

  • Moritz Paar, Dr. med., Facharzt für Allgemeinmedizin, Münster
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

Links

Autoren

Ehemalige Autoren

Updates

Gallery

Snomed

Click to edit