Definition:Das Nephroblastom (nach dem deutschen Chirurgen Max Wilms auch Wilms-Tumor genannt) ist ein maligner, embryonaler Mischtumor der Niere des Kleinkindalters, der ohne Behandlung immer tödlich verläuft, mit risikoadaptierter Therapie jedoch in Abhängigkeit von Patientenalter, histologischem Subtyp und Stadium eine sehr gute Langzeitprognose hat.
Häufigkeit:Es ist der häufigste Nierentumor des Kindesalters, etwa 1 von 7.500 Kindern < 14 Jahre ist betroffen, die Inzidenz beträgt 9,9/1 Mio.
Symptome:Oft treten nur unspezifische oder keine Symptome auf, am ehesten ein sichtbarer und palpabler Bauchtumor und arterielle Hypertonie, selten Bauchschmerzen, Hämaturie, Obstipation, Koliken, Rückenschmerzen.
Befunde:Es findet sich ein palpabler und mittels Bildgebung nachweisbarer Tumor, der in 11 % der Fälle bei Erstdiagnose bereits metastasiert ist.
Diagnostik:Die Diagnose kann nahezu immer mittels Bildgebung gestellt werden, eine Tumorbiopsie ist nach Möglichkeit zu vermeiden.
Therapie:Die Therapie erfolgt risiko- und stadienadaptiert und richtet sich wesentlich nach dem postoperativen Befund. Therapieelemente sind Tumornephrektomie, systemische Chemotherapie und Radiotherapie.
Allgemeine Informationen
Definition
Maligner, embryonaler Mischtumor der Niere mit unterschiedlichen Malignitätsgraden.
WT1 auf Chromosom 11p13, fungiert als Tumorsuppressor, beide Allele müssen betroffen sein.
WT2 auf Chromosom 11p15, führt zu Beckwith-Wiedemann-Syndrom mit Überexpression von IGF2.
1–2 % der Fälle familiär mit Mutationen von FWT1 (auf 17q21), FWT2 (auf 19q13) und weiteren unbekannten Genen
ICPC-2
U75 Bösartige Neubildung der Niere
ICD-10
C64 Bösartige Neubildung der Niere, ausgenommen Nierenbecken
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
In fast allen Fällen sichere Diagnosestellung mittels Sonografie und MRT (1. Wahl vor CT)1,7-8
Darstellung eines verdrängend wachsenden, heterogenen Tumors mit zystischen und nekrotischen Anteilen, Pseudokapsel, selten Verkalkungen
Biospie nur in Ausnahmefällen, offene Biopsie kontraindiziert, da hierdurch automatisch Klassifizierung als Stadium III erfolgen würde, im Zweifelsfall retroperitoneale Stanznadelbiopsie durchführen.
Kein Nachweis von Katecholaminen im Urin (DD Neuroblastom)
Unterscheidung meist mittels hochauflösender Bildgebung und Mitbeurteilung der Bilder durch nationales Referenzzentrum möglich, Nachweis von Katecholaminen im Urin
Sorgfältige klinische Untersuchung mit Augenmerk auf Anzeichen für eine syndromale Erkrankung (Makroglossie, Aniridie, Hemihypertrophie, urogenitale Fehlbildungen, Skelettfehlbildungen, Reatardierung u. v. m.)
Cave: Behutsame Palpation und Sonografie, da Gefahr der Tumorruptur besteht und der Tumor damit in ein höheres Stadium mit obligater Bestrahlung klassifiziert würde!
Histopathologische Aufarbeitung aus Resektionspräparat, nur in Ausnahmefällen präoperative Probebiopsie
Einteilung in niedrige, intermediäre oder hohe Malignitätsgruppe abhängig vom Anteil an Nekrose, Blastem, Epithel und Stroma sowie Anaplasie
Molekulargenetik
Indikationen zur Überweisung/Krankenhauseinweisung
Immer bei begründetem Verdacht (sofort)
Therapie
Therapieziel
Erkrankung heilen.
Spätfolgen von Erkrankung und Therapie minimieren.
Allgemeines zur Therapie
Die Behandlung sollte in erfahrenen kinderonkologischen Zentren im Rahmen von Therapiestudien oder -registern durchgeführt werden.
Die Erkrankung hat bei risikoadaptierter und stadiengerechter Therapie eine gute Prognose.9-10
Patientenalter, Tumorausdehnung, Histologie, postoperatives Stadium erfordern ein individuelles und an den Patienten angepasstes therapeutisches Vorgehen, das in jedem Fall die Tumorresektion umfasst und durch präoperative Chemotherapie, postoperative Chemotherapie und Bestrahlung ergänzt wird.1
4- bis 6-wöchige präoperative Chemotherapie mit Dactinomycin und Vincristin
Zusätzlich Anthrazykline bei höheren Stadien
Bei unzureichendem Ergebnis, hereditären, bilateralen oder hochmalignen Nephroblastomen individuell Ergänzung durch Carboplatin, Etoposid, Cyclophosphamid, Ifosfamid
Chirurgische Behandlung
Der Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1,3,11
Ziel ist komplette Resektion des Tumors unter Vermeidung von Tumorruptur
Standardmäßig En-bloc-Tumornephrektomie mit großzügiger Lymphknotenexstirpation bei einseitigem Nephroblastom
Bei bilateralem Nephroblastom Versuch der Nierenerhaltung
Keine postoperative Therapie bei niedrigmalignem Stadium I
In Abhängigkeit vom lokalen Stadium und Malignität Chemotherapie mit Vincristin und Dactinomycin (+/– Doxorubicin) mit oder ohne zusätzliche Bestrahlung
Bei hochmalignen Nephroblastomen ggf. Nachresektion und Entfernung von Metastasen
Postoperative lokale Bestrahlung nur bei intermediärer Malignität Stadium II und III, Lungenbestrahlung in bestimmten Fällen bei Metastasen
Die Erkrankung verläuft ohne Therapie immer tödlich, weist aber mit adäquater Behandlung eine sehr gute Prognose auf.
Standardtherapie ist die Tumornephrektomie, je nach Stadium erfolgt anschließend eine Chemotherapie mit oder ohne Bestrahlung.
Komplikationen
Rezidive
Zweitmalignome
Funktionsstörungen verschiedener Organsysteme durch Erkrankung und Therapie
kardiale Funktionsstörungen nach Therapie mit Anthrazyklinen
Leberfunktionsstörungen nach Therapie mit Dactinomycin
Folgen der Bestrahlung in Abhängigkeit von Dosis und Bestrahlungsfeld: Kardiomyopathie, Fertilitätsstörungen, pulmonale Funktionsstörungen, Wachstumsstörungen, Strahlenenteritis
In 3,4 % der Fälle tritt innerhalb von 30 Jahren nach Erstdiagnose ein Zweitmalignom auf.
Verlaufskontrolle und Vorsorge
Nachsorge und Verlaufskontrollen erfolgen in einer spezialisierten Sprechstunde in der behandelnden kinderonkologischen Klinik.
Ziel ist die Früherkennung von Rezidiven, die zumeist innerhalb der ersten 2 Jahre nach Therapieende auftreten.
Neben bildgebender Diagnostik und Monitoring von Nierenfunktion und Blutdruck, erfolgen Funktionskontrollen sämtlicher Organsysteme, die Folgeschäden der Chemo- und Radiotherapie aufweisen können.
Bei Vorliegen eines Syndroms mit gehäuftem Auftreten von Nephroblastomen sowie bei Nephroblastomatose sind regelmäßige sonografische Untersuchungen indiziert.
Gesellschäft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie. Nephroblastom. AWMF-Leitlinie Nr. 025-004. S1, Stand 2016. www.awmf.org
Literatur
Gesellschäft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie. Nephroblastom. AWMF-Leitlinie Nr. 025-004, Stand 06/2016. www.awmf.org
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Niemeyer C, Eggert A (Hrsg.). Pädiatrische Hämatologie und Onkologie. Springer-Verlag GmbH Deutschland, 2018.
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Ross JH, Kay R. Surgical considerations for patients with Wilms`tumor. Semin Urol Oncol 1999; 17: 33. PubMed
Autoren
Anne Strauß, Ärztin in Weiterbildung Pädiatrie, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Freiburg
Steinar J. Karlsen, tidligere klinikksjef og professor dr. med., Oslo Urologiske Universitetsklinikk, Aker universitetssykehus helseforetak og Universitetet i Oslo
Harald Kamps, spesialist i allmennmedisin; universitetslektor II, enhet for anvendt klinisk forskning, Regionsykehuset i Trondheim, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, Trondheim
Olbjørn Klepp, professor dr.med, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, Trondheim og overlege ved Kreftavdelingen, Regionsykehuset i Trondheim
Svein Kolmannskog, professor, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet Trondheim og overlege ved Barneklinikken, Regionsykehuset i Trondheim
Definition:Das Nephroblastom (nach dem deutschen Chirurgen Max Wilms auch Wilms-Tumor genannt) ist ein maligner, embryonaler Mischtumor der Niere des Kleinkindalters, der ohne Behandlung immer tödlich verläuft, mit risikoadaptierter Therapie jedoch in Abhängigkeit von Patientenalter, histologischem Subtyp und Stadium eine sehr gute Langzeitprognose hat.