Befunde:Klinisch meist unauffällig; ggf. Hepatomegalie/Hepatosplenomegalie und Ikterus.
Diagnostik:Klinisch unter Zusammenschau der Befunde und Ausschluss von Differenzialdiagnosen. Typisch sind erhöhte Transaminasen, Hypergammaglobulinämie, Autoantikörper (ANA, anti-SMA, anti-LKM1), histologisches Bild und ein Ansprechen auf immunsuppresive Therapie. Bei bis zu 1/3 Leberzirrhose bei Diagnosestellung.
Therapie:Immunsuppresion, i. d. R. Prednisolon und Azathioprin. Meist lebenslange Therapie. Bei fulminanter Leberinsuffizienz Lebertransplantation.
Allgemeine Informationen
Definition
Akut oder chronisch-progredient verlaufende entzündliche Lebererkrankung1-3
Es handelt sich um eine immunvermittelte Hepatitis unklarer Ursache, die durch erhöhte Transaminasen, Hypergammaglobulinämie, Autoantikörper und ein typisches histologisches Bild („Interface-Hepatitis“, ehemals „Mottenfraß-Nekrose“) charakterisiert ist.1-3
Die Diagnose erfolgt unter Zusammenschau der klinischen Befunde; kein Parameter allein ist beweisend. Wichtig ist der Ausschluss von Differenzialdiagnosen.
Autoimmunhepatitis wird entweder als Typ 1 oder Typ 2 klassifiziert, wobei Typ 1 in Westeuropa am häufigsten ist (ca. 80 %).
Antikörper gegen Leber-Nieren-Mikrosomen (Anti-LKM1)
Antikörper gegen Leberzytoplasma (Anti-LC1)
Geografische Ausbreitung
weltweit, aber selten in Nordamerika
Erkrankungsalter
am häufigsten bei Kindern und jungen Erwachsenen
Geschlecht
Frauen machen ca. 95 % der Fälle aus.
Assoziation mit anderen Autoimmunerkrankungen
häufig
Klinischer Schweregrad
meist schwerwiegendere und schnellere Progression als bei Typ 1
Histopathologische Anzeichen beim ersten Auftreten
allgemein fortgeschritten
Therapieversagen
häufig
Rezidiv nach abgeschlossener Behandlung
häufig
Bedarf an langfristiger Erhaltungsbehandlung
fast 100 %
Überlappungssyndrome
Gleichzeitiges oder sequentielles Auftreten von Autoimmunhepatitis und weiteren autoimmunen Leber-/Gallenwegserkrankungen („Overlap-Syndrom“, „Variant Syndrome“)3,6-9
Die Autoimmunhepatitis Typ 1 kann Patienten jeden Alters betreffen. Häufigster Erkrankungszeitpunkt ist im mittleren Erwachsenenalter (40–70 Jahre).3,5
Die Autoimmunhepatitis Typ 2 betrifft fast ausschließlich Kinder und junge Erwachsene.
Ätiologie und Pathogenese
Laut aktuellem Verständnis über die Pathogenese bei Autoimmunhepatitis löst ein (unbekannter) Umweltfaktor eine T-Zell-vermittelte Immunreaktion gegen Leberantigene bei einem Wirt aus, der eine genetische Disposition für die Erkrankung besitzt, was zu einem progressiven, nekroinflammatorischen und fibrotischen Prozess in der Leber führt.4,13-14
Als möglicher Mechanismus wurde molekulares Mimikri vorgeschlagen, bei dem Antigene von Krankheitserregern durch strukturelle Ähnlichkeit mit körpereigenen Strukturen eine Immunreaktion gegen diese hervorrufen.1
Auch Medikamente werden als möglicher Auslöser diskutiert. Hierzu zählen die Antibiotika Nitrofurantoin und Minocyclin, Diclofenac, Statine und TNFalpha-Blocker wie Infliximab.1,3
Immunreaktion
Es kommt zu einer Aktivierung von T-Zellen und einer zellvermittelten Immunreaktion gegen das Lebergewebe. Die pathogenetische Rolle der Autoantikörper ist unklar. Sie korrelieren mit der Krankheitsaktivität.1-3
Eine Schlüsselrolle wird der gestörten Immunregulation zugeschrieben, die im Gesunden autoimmune Manifestationen verhindert. Eine gestörte Funktion der sog. regulatorischen T-Zellen wird diskutiert.1-2
ICPC-2
D97 Leberkrankheit NNB
ICD-10
K75 Sonstige Krankheiten der Leber
K75.4 Autoimmune Hepatitis
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
Die Diagnose erfolgt unter Zusammenschau von Klinik, laborchemischen Befunden (erhöhte Leberenzyme, Hypergammaglobulinämie, Autoantikörper), histologischen Befunden, dem Auschluss anderer Lebererkrankungen und dem Anprechen auf eine immunsuppresive Therapie.3
Kein einzelner Parameter ist allein ausreichend für eine Diagnosestellung. In der Praxis ist die Diagnosestellung daher oft schwierig.3
Es wurden verschiedene Scoring-Systeme entwickelt, die zur Diagnostik von Autoimmunhepatitis eingesetzt werden können. Sie geben die Wahrscheinlichkeit für die Erkrankung wieder. Sensitivität und Spezifität der Scores sind vergleichbar.3
revidierter Score der International Autoimmune Hepatitis Group (IAHG)16
Die Autoimmunhepatitis ist eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung der Leber. Grundsätzlich sollte diese bei jedem Patienten mit dem Bild einer Hepatitis in die Differenzialdiagnose einbezogen werden.
Die Diagnose soll in der Zusammenschau klinischer, laborchemischer und histologischer Befunde gestellt werden.
Autoimmunhepatitis tritt mit unterschiedliche Symptomen auf, und der Verlauf kann durch Phasen mit hoher und niedriger Aktivität geprägt sein.
Bei ca. 1/3 der Patienten mit schwerem und akutem Krankheitseintritt lag vermutlich bereits über einen längeren Zeitraum eine subklinische Erkrankung vor.4
Das Symptomspektrum variiert von symptomfrei bis zu fulminanter Leberinsuffizienz.
Häufig sind erhöhte Transaminasen ein Zufallsbefund bei asymptomatischen Patienten.2
Aspartat-Aminotransferase (AST, früher: GOT) und Alanin-Aminotransferase (ALT, früher: GPT) sind die wegweisenden Laborparameter. Patienten mit Symptomen haben häufig höhere Werte als asymptomatische.
Antinukleäre Antikörper (ANA) und Glatte-Muskulatur-Antikörper (SMA) sind die serologischen Hauptmarker für Typ 1.1,16
Antikörper gegen lösliche Leberantigene und Leber-Pankreas-Antigen (Anti-SLA/LP) zeigt die höchste Spezifität für die Autoimmunhepatitis Typ 1.3
Anti-LKM-1 und anti-LC-1 sind typisch für Typ 2.20-21
Bisweilen liegen antimitochondrische Antikörper vor (Differenzialdiagnose primär biliäre Zirrhose).
Bei 10 % fehlen zirkulierende Antikörper.
Autoantikörper können bei unterschiedlichen Lebererkrankungen und im Gesunden vorkommen, und deren Nachweis ist nicht diagnostisch für Autoimmunhepatitis.
Antikörper gegen Leber-Nieren-Mikrosomen (Anti-LKM1)
Antikörper gegen lösliche Leberantigene und Leber-Pankreas-Antigen (Anti-SLA/LP)
Antikörper gegen Mitochondrien (AMA)
Bei negativem Autoantikörperbefund und fortbestehendem klinischen Verdacht
Wiederholung der Serologien – darüber hinaus –
antineutrophile cytoplasmatische Antikörper mit perinukleärem Muster (pANCA)
Antikörper gegen den Asialoglykoprotein-Rezeptor (Anti-ASGP-R)
Unterscheidung nach Autoantikörperprofil
Autoimmunhepatitis, Typ 1
ANA
SMA/Anti-Aktin-Antikörper – oder –
Anti-SLA/LP-Antikörper
Anti-SLA/LP-Antikörper können auch ohne ANA- oder SMA/Anti-Aktin-Antikörper vorkommen.
Autoimmunhepatitis, Typ 2
Anti-LKM1-Antikörper
LC1-Antikörper – und –
LKM3-Antikörper.
Die Diagnose ist ohne Nachweis von Autoantikörpern möglich. Bei akuten/fulminanten Präsentationen können Autoantikörper und IgG-Erhöhung fehlen.
IgG-Serumspiegel sowie SMA-Antikörpertiter können mit der Krankheitsaktivität korrelieren.
Leberbiopsie
Die Histologie hat einen entscheidenden Stellenwert in der Diagnostik der Autoimmunhepatitis. Auch die Therapie richtet sich nach dem Ausmaß der histologisch nachgewiesenen entzündlichen Veränderungen.3
Nach bereits eingeleiteter immunsuppressiver Therapie ist die Aussagekraft einer Leberbiopsie eingeschränkt. Die Therapie sollte jedoch durch Durchführung und Auswertung der Leberbiopsie nicht verzögert werden.3
Typische Befund ist eine sog. Interface-Hepatitis, d. h. Entzündung und Nekrosen im Grenzbereich zwischen Parenchym und dem Bindegewebe des Portalraumes („Piecemeal-Nekrosen“, früher: „Mottenfraßnekrosen“) sowie Plasmazellinfiltration.2-3
Regenerationsphänomene mit Rosettenbildung, d. h. mehrere Hepatozyten umgeben einen Gallenkanalikulus.
Emperipolese, d. h. das Einwandern von Lymphozyten in Hepatozyten.
perivenuläre Nekrosen
Die Befunde sind jedoch nicht pathognomonisch für eine Autoimmunhepatitis und daher nicht beweisend für die Diagnose. Ein ähnliches histologisches Bild kann sich bei viralen Hepatitiden, Morbus Wilson, toxischen/medikamenteninduzierten Lebererkrankungen sowie primär biliärer Cholangitis (PBC) und primär sklerosierender Cholangitis (PSC) zeigen. 2
Zur Sicherung der Diagnose sollte eine Leberbiopsie durchgeführt werden.
Bei der Erstdiagnose einer Autoimmunhepatitis sollte auch bei klinischem Verdacht auf bereits vorliegenden zirrhotischen Umbau biopsiert werden.
Indikationen zur Überweisung
Bei Verdacht auf die Erkrankung
Therapie
Therapieziele
Eine frühzeitige, komplette und anhaltende Remission des inflammatorischen Prozesses im Lebergewebe mit möglichst geringer Medikamentendosierung, um eine Progression zur Leberzirrhose zu verhindern.22
Die Heterogenität der Erkrankung macht eine individualisierte Behandlung bei Erwachsenen und Kindern erforderlich.24
Lebenslange Therapie ist häufig bei Patienten mit Autoimmunhepatitis Typ 2 und bei Patienten, bei denen zum Diagnosezeitpunkt bereits eine Zirrhose vorliegt, erforderlich.
vollständige Normalisierung von Transaminasen und Gammaglobulinen
histologisch: vollständiger Rückgang der Interface-Hepatitis (modifizierter Ishak-Score ≤ 3/18 Punkte)
partielle Remission
nach Therapiebeginn abfallende, jedoch nicht normwertige Transaminasen und Gammaglobuline
Therapieerfolg
Etwa 90 % der Patienten zeigen eine komplette oder partielle Remission.3
Die immunsuppressive Therapie vermindert die Letalität der Erkrankung. Umgekehrt geht ein fehlendes oder verzögertes Ansprechen auf die Therapie mit vermehrten Komplikationen einher.3
Wenn die Erkrankung in Remission ist, führt die Erhaltungsbehandlung mit Azathioprin allein bei 80 % zum Therapieerfolg.26
Therapiedauer
In den meisten Fällen ist eine lebenslange Therapie notwendig.3
Nach Therapieende kommt es bei > 80 % der Patienten zu einem Rückfall, teils Jahre später.27
Selbst wenn eine optimale Behandlung das Überleben und die Lebensqualität verbessert und den Bedarf einer Lebertransplantation reduziert, ist die Behandlung der Krankheit dennoch mit bedeutenden, therapeutischen Herausforderungen verbunden.24
Bei Patienten mit akutem, fulminantem Krankheitseintritt, die nicht auf medikamentöse Behandlung ansprechen, und bei denen sich ein komplettes Leberversagen entwickelt, ist eine Lebertransplantation einzig mögliche kurative Therapie.
Die 5-Jahres-Überlebensrate für Patienten und Transplantate liegt bei 80–90 %, das 10-Jahres-Überleben liegt bei ca. 75 %, und die Rezidivrate für eine AIH wird mit 20–40 % angegeben.29-32
Histologischen Anzeichen für ein Rezidiv können klinische und biochemische Symptome und Beschwerdebilder vorausgehen.32
selten bei Patienten mit Autoimmunhepatitis ohne Leberzirrhose
bei bis zu 4 % der Patienten mit Leberzirrhose
Eine Leberzirrhose ist somit der wichtigste Risikofaktor. Darüber hinaus begünstigen Alkohol- und Nikotinkonsum und Diabetes mellitus das Auftreten von Karzinomen bei Patienten mit Leberzirrhose.
Fulminante Leberinsuffizienz
akute Erstmanifestation mit Progress zur fulminanten Leberinsuffizienz bei etwa 6 % der Patienten2-3
Die Abgrenzung von anderen Ursachen der Leberinsuffizienz ist oft schwierig. Autoantikörper fehlen bei akutem Verlauf häufig.
Therapeutisch kann eine hochdosierte intravenöse Gabe von Kortikosteroiden versucht werden. Darüber hinaus Vorstellung zur Lebertransplantation.
bei 10–20 % der Patienten allmählicher Progress zur Leberinsuffizienz trotz adäquater Therapie
engmaschige Betreuung und Überwachung vor und nach der Schwangerschaft
möglichst Fortführung der Therapie mit Azathioprin in der Schwangerschaft (Off-Label-Anwendung)
Prognose
Mortalität und Morbidität sind bei Patienten mit Autoimmunhepatitis erhöht. Die Mortalität ist in der Anfangsphase der Erkrankung am höchsten.5
Eine immunsuppressive Therapie verbessert die Prognose.
Das 10-Jahres-Überleben mit den Endpunkten Tod oder Lebertransplantation liegt bei behandelten Patienten bei über 90 %, während es bei unbehandelten Patienten bei ca. 50 % liegt.33
Der Krankheitsverlauf der Patienten wird durch Bestimmung von Transaminasen und die Gammaglobulinwerte überwacht.
Die histologische Reaktion tritt typischerweise 3–6 Monate nach der biochemischen Reaktion ein, sodass eine klinische Reaktion nicht notwendigerweise bedeutet, dass ein histologischer Beweis für den Rückgang der Krankheit vorliegt.
Verlaufskontrollen sollten auch nach Therapieende erfolgen, da es noch Jahre später zu einem Wiederauftreten der Erkrankung kommen kann.3
Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten e. V. (DGVS): Autoimmune Lebererkrankungen (AILE). AWMF-Registernummer 021–027. S2k, 2017. www.awmf.org
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Dietrich August, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Innere Medizin, Freiburg
Terje Johannessen, professor i allmennmedisin, Institutt for samfunnsmedisinske fag, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, Trondheim
Eiliv Brenna, avdelingsoverlege, Medisinsk avdeling, Regionsykehuset i Trondheim
Definition:Chronische, entzündliche Lebererkrankung mit gestörter Immunregulation unbekannter Genese. Häufigkeit:Selten, betrifft zu 80 % Frauen. In jedem Alter möglich; der Häufigkeitsgipfel liegt bei 40–70 Jahren.