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Akuter Darmverschluss (Darmobstruktion, Ileus)

Zusammenfassung

  • Definition:Störung der Darmpassage durch Darmlähmung oder Verlegung des Darmlumens.
  • Häufigkeit:Ursache für 20 % aller stationären Aufnahmen aufgrund eines akuten Abdomens.
  • Symptome:Bauchschmerzen, Stuhl- und Windverhalt, ggf. auch paradoxe Diarrhö, geblähtes Abdomen, Erbrechen, Miserere.
  • Befunde:Druckschmerzhaftes geblähtes Abdomen, hochgestellte oder fehlende Darmgeräusche, weitere je nach Ursache des Ileus.
  • Diagnostik:Typische Klinik, Sonografie und ggf. Abdomen-CT.
  • Therapie:Je nach Auslöser des Ileus konservative oder chirurgische Therapie.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Störung der Darmpassage durch Darmlähmung oder Verlegung des Darmlumens
  • Unterscheidung zwischen mechanischem und funktionellem/paralytischem Ileus.
  • Es kann ein kompletter oder ein inkompletter Verschluss (Subileus) vorliegen.

Häufigkeit

  • Ein Ileus ist die Ursache für 20 % aller stationären Aufnahmen aufgrund eines akuten Abdomens.1
  • Häufiger ist der Dünndarmileus (80 %), meist aufgrund von postoperativen Adhäsionen/Briden, seltener der mechanische Dickdarmileus (20 %), meist aufgrund eines Malignoms.2

Ätiologie und Pathogenese

Ätiologie

  • Mechanischer Ileus (Häufigkeit in %)
    • Briden/Adhäsionen (54 %)
    • Tumoren (abdominelle oder gynäkologische Tumoren, Metastasen, Peritonealkarzinose) (15 %)
    • Volvulus (3 %)
    • Invagination (0,4 %)
    • inkarzerierte Hernie (20 %)
    • Stenosen aufgrund einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (4 %)
    • Gallensteinileus (2 %)1
  • Funktioneller/paralytischer Ileus

Pathogenese

  • Passagestopp mit Akkumulation von Flüssigkeiten und Gasen
    • beim mechanischen Ileus aufgrund der Verlegung des Darmlumens
    • beim funktionellen/paralytischen Ileus durch verminderte Kontraktion der glatten Muskulatur der Darmwand
  • Dadurch erhöhter intraluminaler Druck mit Dilatation der Darmwand sowie bakterielle Überwucherung
  • Führt wiederum zu Mikrozirkulationsstörungen der Wand mit konsekutivem Darmwandödem und einer gestörte Mukosabarriere.
    • Das Darmwandödem verstärkt i. S. eines Circulus vitiosus die Minderdurchblutung des Darms.
  • Infolgedessen Flüssigkeitsverschiebungen ins Darmlumen, Durchwanderungsperitonitis, systemische Endotoxineinschwämmung, Hypovolämie, Sepsis, Multiorganversagen (Ileuskrankheit).3-4

Disponierende Faktoren

  • Frühere Abdominalchirurgie
  • Intestinale Neoplasien oder Metastasen

ICPC-2

  • D01 Bauchschmerzen/-krämpfe, generalisiert
  • D25 Aufgetriebenes Abdomen/Spannung
  • D99 Erkrankung Verdauungssystem, andere

ICD-10

  • K56.- Paralytischer Ileus und intestinale Obstruktion ohne Hernie
    • K56.0 Paralytischer Ileus
    • K56.1 Invagination
    • K56.2 Volvulus
    • K56.3 Gallensteinileus
    • K56.4 Sonstige Obturation des Darmes
    • K56.5 Intestinale Adhäsionen [Briden] mit Obstruktion
    • K56.6. Sonstige und nicht näher bezeichnete intestinale Obstruktion
    • K56.7 Ileus, nicht näher bezeichnet

Differenzialdiagnosen

  • Pseudo-Obstruktion/Ogilvie-Syndrom
    • Dilatation des Kolons ohne Hinweis einer mechanischen Stenose
    • Pathogenese weitgehend unklar
      • Vermutet wird ein Ungleichgewicht der nervalen Innervation des Darms zugunsten des Sympathikus mit konsekutiver atoner Dilatation des Kolons.
    • Kommt ganz überwiegend bei hospitalisierten, kritisch kranken Patient*innen vor.
    • Ist insbesondere mit vorangegangenen Operationen, schweren Infektionen sowie neurologischen Erkrankungen assoziiert.3
  • Gastroenteritis
  • Obstipation
  • Akutes Abdomen anderer Ursache3

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Der klassische Darmverschluss zeigt die Trias:
    1. krampfartige Bauchschmerzen
    2. Erbrechen
    3. Stuhl- und Windverhalt.
    • Es müssen aber nicht alle 3 Symptome bestehen.1
  • Symptomatik abhängig von der Lokalisation
    • Dünndarmileus
      • akut einsetzende Symptomatik
      • Übelkeit mit Erbrechen führend
      • Krämpfe
      • aufgetriebenes Abdomen 
      • Stuhl- und Windverhalt erst später
    • Dickdarmileus
      • Symptomatik prolongierter
      • Führend ist der Stuhl- und Windverhalt.
      • zunehmend aufgetriebenes Abdomen
      • häufig Anamnese mit seit Längerem bestehenden Stuhlunregelmäßigkeiten
      • Ausnahme: akute Symptomatik beim Volvulus3

Anamnese

  • Schmerzbeginn, -dauer und -qualität
    • oft krampfartige Schmerzen bei Dickdarmileus3
  • Übelkeit/Erbrechen bei Dünndarmileus3
    • im fortgeschrittenen Stadium Stuhlerbrechen (Miserere)
    • Je höher der Verschluss liegt, desto rascher kommt es zu Übelkeit und Erbrechen.3
  • Änderungen der Stuhlgewohnheiten, normale Stuhlfrequenz und -häufigkeit
    • Obstipation (akut mit Dauer/chronisch) und andere Veränderungen der Stuhlgewohnheiten
      • Vor allem beim Dickdarmileus findet sich diesbezüglich oft eine längere Vorgeschichte.3
    • Diarrhö (breiig, wässrig, mit Blut- oder Schleimbeimengungen)
      • paradoxe Diarrhö
    • Zur genauen Anamnese der Stuhlverhaltens kann die Bristol Stool Form Scale herangezogen werden.
    • Meteorismus und Abgang von Winden (Verhalt bei Dünn- und Dickdarmileus)3
  • Abdominelle Voroperationen (auch lange zurückliegende, z. B. Appendektomie in der Kindheit)
  • Weitere Komorbiditäten
  • Medikamentenanamnese (insbesondere Opioide, Neuroleptika)
  • Änderungen der Ernährungsgewohnheiten
  • B-Symptomatik (Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsverlust)
  • Koloskopie in der Vorgeschichte, Befund

Klinische Untersuchung

  • Inspektion des Abdomens
    • aufgetriebenes Abdomen
    • Narben als Hinweis auf eine stattgehabte Operation (wichtig für evtl. Adhäsionen)
  • Auskultation des Abdomens
    • hochgestellte Darmgeräusche vor allem in der Frühphase bei mechanischem Ileus3
    • fehlende Darmgeräusche in der Spätphase aufgrund der Darmschädigung durch Paralyse3
  • Palpation des Abdomens
    • Meteorismus, aufgetriebenes Abdomen
    • Resistenzen
    • Bruchlücken, ggf. eingeklemmte Hernien
      • Leisten
      • Nabel
      • Narben
    • Peritonismus bei fortgeschrittenem Krankheitsbild
  • Perkussion des Abdomens
    • tympanitischer Klopfschall bei Meteorismus
  • Digital-rektale Untersuchung
    • Ampulle leer/stuhlgefüllt
    • Tumor
  • Allgemeiner klinischer Status mit Zeichen einer Dehydratation

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

Laborwerte

Sonografie Abdomen

  • Befunde
    • fehlende Darmperistaltik, Pendelperistaltik
    • dilatierte, flüssigkeitsgefüllte Darmschlingen, „Strickleiterphänomen"
    • freie Flüssigkeit
    • Passagehindernis
    • inkarzerierte Hernie

Diagnostik bei Spezialist*innen

Röntgen Abdomen

  • Leeraufnahme im Stehen oder in Linksseitenlage
    • typische Spiegelbildungen
    • schnell und kostengünstig
    • Lässt nur eingeschränkt auf die Ursache des Ileus schließen.4
  • Passageuntersuchung mit oraler Gabe von unverdünntem Kontrastmittel
    • Kann Passagestopp oder Verzögerung zeigen.
    • Hat abführende Wirkung und ist damit u. U. Diagnostik und Therapie zugleich.
    • Kann die Beurteilbarkeit einer im Anschluss durchgeführten CT beeinträchtigen.

CT Abdomen

  • Mit oraler und intravenöser Kontrastierung
  • Sensitivität und Spezifität von weit über 90 %
  • Goldstandard bei der Diagnose des mechanischen Ileus
  • Beurteilung von:
    • Schweregrad (inkompletter versus kompletter Ileus)
    • Lokalisation (Kalibersprung)
    • Ursachen (inkarzerierte Hernie, Tumor, inflammatorische Veränderungen, Gallenstein)
    • möglichen Komplikationen (Ischämie, Perforation).3
  • Genauere Therapieplanung möglich

MRT Abdomen

  • Kein Stellenwert in der Akutdiagnostik des Ileus
  • Ein sog. „MR Sellink", eine Doppelkontrastuntersuchung
    • kann insbesondere bei klinisch stabilen und jungen Patient*innen mit unklarer Engstelle zur Lokalisationsdiagnostik und besseren Therapieplanung durchgeführt werden.3

Indikationen zur Krankenhauseinweisung

  • Immer bei Verdacht auf einen akuten Darmverschluss

Therapie

Therapieziele

  • Ursache des Darmverschlusses beheben.
  • Komplikationen vorbeugen oder ggf. behandeln.

Allgemeines zur Therapie

  • Die rasche Ursachenabklärung des Ileus ist für die korrekte Therapie entscheidend.

Therapiemaßnahmen in der Notaufnahme

  • Anlage einer entlastenden Magensonde
    • Führt zu rascher gastrointestinaler Dekompression.
  • Analgesie
    • Novaminsulfon bis zu 1–2,5 g langsam i. v., z. B. als Kurzinfusion für Erwachsene und Kinder ab 15 Jahren
    • Opioide häufig nötig, z. B. Piritramid 3,75–7,5 mg langsam i. v. für Erwachsene
  • Spasmolyse nur bei gesichert mechanischem Ileus, der eine operative Behandlung erfordert, zur Schmerzreduktion.
    • z. B. Butylscopolamin 20–40 mg langsam i. v. bei Erwachsenen
  • Flüssigkeitszufuhr und ggf. Behandlung der Elektrolytstörung
  • Bei klinischen oder laborchemischen Infektzeichen oder Sepsis: frühzeitige Antibiose3

Konservative Therapie

  • Bei Fehlen einer absoluten Indikation zur Operation (Strangulation, Ischämie, vollständiger Passagestopp) ist ein konservativer Therapieversuch möglich.
  • Bei Ileus aufgrund von Adhäsionen liegt die Ansprechrate der konservativen Therapie bei 70–80 %.
  • Wasserlösliches, jodhaltiges Kontrastmittel 100 ml über die Magensonde
    • Gemäß einer Metaanalyse konnte so die Notwendigkeit einer chirurgischen Therapie reduziert und die Krankenhausverweildauer verkürzt werden.
    • Weiterhin lässt sich mit einer Sensitivität von 96 % und einer Spezifität von 98 % eine erfolgreiche konservative Therapie vorhersagen, sofern das Kontrastmittel innerhalb von 24 h das Kolon erreicht hat.3
  • Nahrungskarenz, Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution
  • Kostaufbau bei erfolgreicher Wiederherstellung der Darmpassage

Operative Therapie

  • Absolute Operationsindikationen sind Strangulation, Ischämie und vollständiger Passagestopp.3
  • Bei ausbleibender Symptomverbesserung oder Verschlechterung unter konservativer Therapie.
  • Therapieoptionen bei Dickdarmileus infolge eines stenosierenden Malignoms
    • onkologische Resektion des Tumors und Anlage einer primären Darmanastomose mit oder ohne vorgeschaltetem Ileostoma
    • v. a. bei Rektumkarzinomen zunächst Anlage eines endständigen Transversostomas unter Belassen des Tumors und Planung einer neoadjuvanten Therapie
    • bei distalen Tumoren endoskopische endoluminale Stenteinlage zur Wiederherstellung der Darmpassage und OP nach Abklingen der Ileussituation5
  • Auch ein laparoskopisches Vorgehen ist beim Ileus möglich, bei einer Konversionsrate zur offenen Operation von ca. 30 %.1

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Je nach Ursache des Darmverschlusses und Auftreten von Komplikationen

Komplikationen

  • Ischämie, Nekrose und Perforation
  • Peritonitis und Sepsis
  • Dehydratation; Elektrolytverschiebungen, akutes Nierenversagen
  • Entwicklung des Vollbildes der Ileuskrankheit mit Hypovolämie, septischem Schock und Multiorganversagen4
  • Postoperativer Ileus
    • häufige Komplikation nach viszeralen Eingriffen mit Übelkeit, Erbrechen und Passagestopp wenige Tage postoperativ
    • konservative Behandlung, ggf. parenterale Ernährung notwendig6
    • Meist selbstlimitierend, führt zu deutlich verlängertem Krankenhausaufenthalt.6
    • Klinisch schwierig zu unterscheiden von einem paralytischen Ileus aufgrund einer anderen postoperativen Komplikation, im Zweifel frühzeitige Diagnostik mittels CT Abdomen.

Prognose

  • Je nach Ursache für den Darmverschluss und Auftreten von Komplikationen

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Sonografie: Dünndarmileus
Sonografie: Dünndarmileus mit dilatierten, flüssigkeitsgefüllten Dünndarmschlingen mit Klaviertasten- oder Strickleiterphänomen bei akuter Ileussymptomatik (mit freundlicher Genehmigung von sonographiebilder.de ©Albertinen-Diakoniewerk e.V., Hamburg)
Sonografie: Dünndarmileus
Sonografie: Dünndarmileus (mit freundlicher Genehmigung von sonographiebilder.de ©Albertinen-Diakoniewerk e.V., Hamburg)

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). Kolorektales Karzinom. AWMF-Leitlinie Nr. 021-007. S3, Stand 2017. www.awmf.org

Literatur

  1. Schlemminger R, Becker, H. Ileus. In: Becker H, Markus PM (Hrsg.). Allgemein- und Viszeralchirurgie I. S. 377-390. Elsevier Urban und Fischer. 2015
  2. Drozdz W, Budzynski P: Change in mechanical bowel obstruction demographic and etiological patterns during the past century: observations from one health care institution. Arch Surg 2012. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  3. Vilz TO, Stoffels B, Straßburg C et al. Ileus beim Erwachsenen - Genese, Diagnostik und Therapie. Dtsch Arztebl Int 2017. www.aerzteblatt.de
  4. Müller, M. H.; Lehmann, K. S.; Kreis, M. E. Mechanische Obstruktion, paralytischer Ileus, Ileuskrankheit und postoperativer Ileus. Allgemein- und AViszeralchirurgie up2date4, 2014, p.235-246. eref.thieme.de
  5. Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). Kolorektales Karzinom. AWMF-Leitlinie Nr. 021-007. S3, Stand 2017. www.awmf.org
  6. Beach EC, De Jesus O. Ileus. 2021 Aug 30. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2021 Jan–. www.ncbi.nlm.nih.gov

Autor*innen

  • Franziska Jorda, Dr. med., Fachärztin für Viszeralchirurgie, Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Kaufbeuren
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
K56-; K560; K561; K562; K563; K564; K565; K566; K567
intestinal obstruksjon; Tarmobstruksjon, akutt
D01; D25; D99
Paralytischer Ileus; Reflektorischer Ileus; Mechanischer Ileus; Intestinale Obstruktion; Obstruktion des Darms; Verwachsungen; Briden; Adhäsionen; Hernien-Inkarzeration; Pseudo-Obstruktion; Subileus
Akuter Darmverschluss (Darmobstruktion, Ileus)
CCC MK 28.01.2020, kleine Änderung nach Leseranregung.
BBB MK 11.01.2022 umfassend revidiert und aktualisiert, zum Teil neu strukturiert, aktuelle LL. chck go 1.4. CCC MK 14.08.2018, komplett überarbeitet, paralytischer Ileus eingefügt.
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Definition:Störung der Darmpassage durch Darmlähmung oder Verlegung des Darmlumens. Häufigkeit:Ursache für 20 % aller stationären Aufnahmen aufgrund eines akuten Abdomens.
Magen-Darm-Trakt
Darmverschluss, akuter
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