Zusammenfassung
- Definition:Verdrehung eines Darmabschnitts und seines Mesenteriums, die eine Darmobstruktion und Ischämie verursacht. Der Volvulus ist eine Sonderform des mechanischen Ileus und ein chirurgischer Notfall.
- Häufigkeit:Die Inzidenz liegt bei 1–2 pro 100.000 im Jahr.
- Symptome:Mechanischer Ileus mit den Symptomen des akuten Abdomens.
- Befunde:Geblähtes Abdomen, lokalisierter oder generalisierter Druckschmerz, ggf. Abwehrspannung i. S. einer Peritonitis, metallisch klingende Darmgeräusche.
- Diagnostik:Röntgenübersicht des Abdomens mit erweiterter Darmschlinge und Flüssigkeitsspiegel i. S. eines Ileus. Abdomen-Sonografie. Abdomen-CT.
- Therapie:Chirurgische Behandlung des mechanischen Ileus.
Allgemeine Informationen
Definition
- Als Volvulus bezeichnet man die Drehung eines Darmabschnitts und seines Mesenteriums, was häufig zu einer Darmobstruktion führt.1
- Durch die Drehung des Mesenteriums kann die Blutzufuhr des betroffenen Darmabschnitts gestoppt werden und folglich eine Darmischämie auftreten.1
Häufigkeit
- 5–10 % der akuten Dickdarmobstruktionen sind durch einen Volvulus verursacht, der überwiegend im Colon sigmoideum oder im Zökum lokalisiert ist.2
- Der Dünndarmvolvulus ist häufiger bei Säuglingen, meist im Zusammenhang mit angeborenen Malrotationen.1,3
- Die Inzidenz liegt bei 1–2 Fällen pro 100.000 pro Jahr.1
- Ein Sigmavolvulus tritt häufiger bei erwachsenen Männern, chronischer Obstipation und neuropsychiatrischen Vorerkrankungen auf.1
- Ein Zökumvolvulus kommt häufiger bei jüngeren Frauen vor.1
Ätiologie und Pathogenese
- Risikofaktoren sind vorbekannte Malrotationen des Darms, Morbus Hirschsprung, ein langer Darm, Schwangerschaft, vorbekannte Briden (intestinale Adhäsionen), hospitalisierte Patient*innen, neuropsychiatrische Vorerkrankungen (z. B. Morbus Parkinson, multiple Sklerose, Muskeldystrophie Duchenne), Laxanzienabusus, Chagas-Krankheit.1
- Bei chronischer Obstipation und ballaststoffreiche Ernährung kann es zu vermehrter Stuhlfüllung und dadurch zu einem erhöhten Risiko einer Verdrehung im Colon sigmoideum kommen.1
ICPC-2
- D99 Erkrankung Verdauungsyst., andere
ICD-10
- K56.2 Volvulus
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Klinik des akuten Abdomens i. S. eines mechanischen Ileus
- Bauchschmerzen
- peritoneale Symptomatik mit ggf. Abwehrspannung
- Kreislaufstörung bis zum Kreislaufschock
- Störung der Darmperistaltik (Meteorismus, Übelkeit, Erbrechen)
- schlechter Allgemeinzustand.4
- Röntgen – Abdomenübersichtsaufnahme im Stehen oder Linksseitenlage
- Charakteristischer Befund bei Sigmavolvulus mit distendiertem Kolon und torquierter Mesenterialachse, die zum Colon sigmoideum gerichtet ist.2
- Abdomen-CT mit dem Vorteil, dass zeitnah sowohl Ort, Ausmaß und Ätiologie dargestellt werden können.2,5
Differenzialdiagnosen
- Andere Ursachen eines (mechanischen) Ileus
- Divertikulitis6
- Appendizitis
- Obstipation
- (Toxisches) Megakolon
- Mesenterialischämie
- Invagination
- Dickdarmkarzinom
- Pseudomembranöse Kolitis1
Anamnese
- Akuter Beginn mit (kolikartigen) Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, ggf. Fieber im Rahmen eines akuten Abdomens bei mechanischem Ileus
- Vorhandensein von Risikofaktoren
Klinische Untersuchung
- Klinik des akuten Abdomens bei mechanischem Ileus
- In fortgeschrittenen Stadien kann es zu einer hämodynamischen Instabilität, respiratorischer Beeinträchtigung und septischem Erscheinungsbild kommen.1,7
Weitere Untersuchungen in der Hausarztpraxis
- Ultraschall
Diagnostik bei Spezialist*innen – im Krankenhaus
- Blutuntersuchungen zum Ausschluss von Differenzialdiagnose, Abschätzung des Risikos, ggf. Operationsvorbereitung
- Röntgenübersicht Abdomen
- Röntgen Dickdarm
- Ein Kolon-Kontrast-Einlauf sollte nur nach Ausschluss einer Perforation erfolgen.1 Kann gelegentlich einen distalen Volvulus lösen.
- CT
- Abdomen-CT mit dem Vorteil, dass sowohl Ort, Ausmaß und Ätiologie dargestellt werden können.
Indikationen zur Klinikeinweisung
- Bei Verdacht sofortige Einweisung zur umgehenden Diagnostik und chirurgischen Klärung der Operationsindikation
Therapie
Therapieziele
- Schnellstmögliche Therapie, um bleibende Schädigungen durch eine Ischämie mit nachfolgender Nekrose zu vermeiden.
Allgemeines zur Therapie
- Operation mit Korrektur der Verdrehung und Fixierung (Pexie) des Darmabschnitts, um ein Rezidiv zu verhindern, ggf. Resektion des betroffenen Darmabschnitts.1
- Beim Vorliegen einer lokalen Peritonitis kann die vorübergehende Anlage eines Anus praeter notwendig sein. Mögliche Rückverlegung mit Reanastomisierung nach meist 2–6 Monaten.
- im Sigmabereich: Operation nach Hartmann (Blindverschluss des Enddarms, Enterostoma des oralen Endes)
- Beim Zökumvolvulus kann die rechtsseitige Hemikolektomie notwendig sein. Bei Vorliegen einer Peritonitis ggf. mit Enterostomaanlage.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Eine spontane Reposition ist beschrieben, kommt aber selten vor.
- Unbehandelt kann ein Volvulus zur Perforation mit Peritonitis und Entwicklung eines Kreislaufversagens führen.
- Meist besteht die Indikation zur chirurgischen Behandlung.
- Beim Vorliegen einer Peritonitis kann die (vorübergehende) Anlage eines Anus praeter notwendig sein.
- Zur Rezidivprophylaxe soll eine Aufklärung über die Risikofaktoren wie Obstipation, ballaststoffreiche Ernährung und Einnahme von Abführmitteln erfolgen.
Komplikationen
- Perforation
- Peritonitis
- Sepsis
Prognose
- Eine Verzögerung in der Diagnosestellung eines Volvulus kann mit einem schlechteren Verlauf und erhöhter Mortalität assoziiert sein.
- Die Mortalität ist bei einem Zökumvolvulus höher als bei einem Sigmavolvulus.
- Ohne Operation liegt eine Rezidivrate von 40–60 % vor.
- Die Mortalität bei instabilen Patient*innen mit Volvulus liegt bei 12–25 %.
- Bei Patient*innen nach Abdominaloperation besteht ein lebenslanges Risiko für wiederholte Adhäsionen und Dünndarmobstruktionen.
- Das Risiko für einen erneuten Volvulus nach der Operation ist bei jungen Menschen am größten.8-9
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Quellen
Literatur
- Le CK, Nahirniak P, Anand S, Cooper W. Volvulus. 2021 May 14. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2021 Jan–. PMID: 28722866. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Marincek, B., Akutes Abdomen: Bildgebung heute, Deutsches Ärzteblatt, Jg. 99, Heft 45, 8. November 2002. www.aerzteblatt.de
- Halabi WJ, Jafari MD, Kang CY, et al. Colonic volvulus in the United States: trends, outcomes, and predictors of mortality. Ann Surg 2014; 259:293. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Lankisch PG, Mahlke R, Lübbers H. Das akute Abdomen aus internistischer Sicht. Dtsch Arztebl International 2009; 1: 46ff. www.aerzteblatt.de
- AWMF LL 064-016 S1-Leitlinie: Bauchschmerz bei Kindern – Bildgebende Diagnostik von Prof. Dr. Hans-Joachim Mentzel; Zugriff am 17.07.2021 www.awmf.org
- Vilz TO, Stoffels B, Straßburg C, Schild HH, Kalff JC. Ileus in adult – pathogenesis, investigation and treatment. Dtsch Arztebl Int 2017; 114: 508–18. www.aerzteblatt.de
- Lieske B, Antunes C. Sigmoid Volvulus. 2020 Aug 10. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2021 Jan–. PMID: 28722954. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Duron JJ, Silva NJ, du Montcel ST et al. Adhesive postoperative small bowel obstruction: incidence and risk factors of recurrence after surgical treatment: a multicenter prospective study. Ann Surg 2006; 244: 750-7. PubMed
- Fevang BT, Fevang J, Lie SA et al. Long-term prognosis after operation for adhesive small bowel obstruction. Ann Surg 2004; 240: 193-201. PubMed
Autor*innen
- Christoph Allerlei, Dr. med., Facharzt für Allgemeinmedizin und Innere Medizin, Frankfurt a. M.
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).