Zusammenfassung
- Definition:Bakterielle Entzündung der Peritonealhöhle ohne Hinweis auf eine anderweitige Ursache.
- Häufigkeit:Häufige Komplikation bei Leberzirrhose mit Aszites.
- Symptome:Wenige bis typische abdominelle.
- Befunde:Verschlechterung der Ausgangssituation.
- Diagnostik:Klinisch und mittels Aszitespunktion.
- Therapie:Systemische Antibiotikatherapie.
Allgemeine Informationen
Definition
- Bei einer SBP handelt es sich um eine bakterielle Entzündung der Peritonealhöhle ohne Hinweis auf eine anderweitige intraabdominelle Ursache der Infektion (z. B. Cholezystitis, Divertikulitis, gastrointestinale Perforation etc.), Peritonealmetastasen oder Tuberkulose.1
- Die SBP ist definiert als Nachweis von > 250 polymorphonukleären (PMN-)Zellen, d. h. neutrophile Granulozyten, pro mm3 im Aszites.1
- Ein mikrobiologischer Nachweis einer Kolonisation des Aszites mit Bakterien ohne erhöhte PMN-Zahl im Aszites wird als Bakteraszites bezeichnet.1
Häufigkeit
- Die SBP ist eine häufige Komplikation bei Leberzirrhose mit einer Inzidenz zwischen 10 und 50 % pro Jahr beim Vorliegen von Aszites, kann aber auch bei anderen Grundkrankheiten, z. B. bei malignem Aszites auftreten.2
- Im ambulanten Sektor ist die Prävalenz mit 3,5 % um einiges niedriger als im stationären Bereich, wo die Prävalenz bei 8–36 % liegt.1
- Die Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs nach Erstmanifestation ohne Einleitung einer Prophylaxe beträgt zwischen 30 und 68 % innerhalb eines Jahres.1
Ätiologie und Pathogenese
- Ursachen der gehäuften bakteriellen Infektionen bei Leberfunktionsstörung3
- verminderte Phagozytoseaktivität des RES durch portocavale Shunts und reduzierte Kupfferzellfunktion in der Leber
- Verminderung von Komplement im Serum und im Aszites
- gestörte Funktion der neutrophilen Granulozyten
- verminderte Opsonierungsfähigkeit
- gesteigerte Permeabilität der intestinalen Barriere für enterische Keime
- Modulation der intestinalen und peripheren Durchblutung, Barriere und Leberfunktion durch Mediatoren (z. B. NO)
- invasive Maßnahmen (endoskopische Therapie, zentraler Venenkatheter, Blasenkatheter)
- Risikofaktoren für das Auftreten einer SBP sind:1
- eine bereits stattgehabte SBP
- eine gastrointestinale Blutung
- ein niedriger Gesamteiweißgehalt im Aszites (< 1,5 bzw. < 1,0 g/dl)
- Bilirubinerhöhung (> 3,2 mg/dl [> 54,7 µmol/l])
- Thrombopenie (< 98.000/mm3)
- ein zunehmender MELD-Score.
- der Einsatz von Protonenpumenhemmern
- Vorliegen einer NOD2-Genmutation.
- In ca. 80 % der Fälle werden gramnegative Keime (häufigster Erreger: E. coli, Klebsiella-Spezies und Enterococcus faecalis), in ca. 20 % grampositive Bakterien, am häufigsten Streptokokken-Spezies, und Anaerobier in weniger als 5 % der Fälle nachgewiesen.3
- Über 90 % aller SBP sind monomikrobiell.3
- Im ambulanten Sektor sind eher gramnegative Keime ursächlich, nosokomial eher grampositive Erreger. 1
ICPC-2
- D99 Erkrankung Verdauungsyst., andere
ICD-10
- K65 Peritonitis
- K65.0 Akute Peritonitis
- K65.8 Sonstige Peritonitis
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Die Diagnosesicherung erfolgt durch Aszitespunktion.
- Eine unkomplizierte SBP liegt vor bei Fehlen von Schock, Ileus, gastrointestinaler Blutung, schwergradiger Enzephalopathie oder Serumkreatinin < 3 mg/dl (< 228,9 µmol/l).
Differenzialdiagnosen
- Sekundäre Peritonitis
Anamnese
- Risikofaktoren in der Anamnese (s. o.)
- Das Auftreten oder die Verschlechterung einer hepatischen Enzephalopathie, Hypotonie oder ein Nierenversagen können alleinige Symptome sein.2
Klinische Untersuchung
- Die abdominale Symptomatik ist in vielen Fällen nur gering ausgeprägt.2
- Die Bauchdecken können bei der Untersuchung mäßig gespannt sein, ein Peritonismus mit brettharten Bauchdecken ist aber kein typisches Symptom einer SBP und sollte eher an eine Peritonitis anderer Ursache denken lassen.2
Therapie
Therapieziele
- Infektion beseitigen.
- Komplikationen verhindern.
Allgemeines zur Therapie
- Unmittelbar nach Diagnosestellung einer SBP soll eine empirische Antibiotikatherapie eingeleitet werden.1
- Bei komplizierter, schwer verlaufender SBP sollten die Antiinfektiva paranteral gegeben werden.
Medikamentöse Therapie
Leitlinie: Antimikrobielle Therapie1
- Unmittelbar nach Diagnosestellung einer SBP soll eine empirische Antibiotikatherapie eingeleitet werden.
- Eine ambulant erworbene unkomplizierte SBP soll mittels Cephalosporinen der Gruppe 3a behandelt werden (Alternative bei Allergie: Carbapeneme).
- Eine unkomplizierte SBP liegt vor bei Fehlen von Schock, Ileus, gastrointestinaler Blutung, schwergradige Enzephalopathie oder Serumkreatinin < 3 mg/dl (< 228,9 µmol/l).
- Dosierungsbeispiele: Cefotaxim 3 x 1–2 g i. v., Ceftriaxon 1 x 2 g i. v.
- Eine Chinolontherapie kann kalkuliert aufgrund der Resistenzraten von E. coli und anderen Enterobakterien nicht mehr empfohlen werden.
- Bei Patient*innen mit nosokomial erworbener SBP und/oder Vorliegen von Risikofaktoren für ein Therapieversagen (lokale Resistenzlage, antibiotische Vorbehandlung in letzten 12 Wochen) und zusätzlichen individuellen Faktoren (klinischer Schweregrad, MRE-Trägerstatus) kann eine empirische Therapie mit Carbapenemen durchgeführt werden.
- Eine Abweichung hiervon kann in Abhängigkeit von der lokalen Resistenzlage, insbesondere im Falle einer nosokomialen Infektion oder dem Bestehen einer antibiotischen Vorbehandlung, erfolgen.
- Nach Erhalt der Resistenztestung sollte die Antibiotikatherapie gezielt umgestellt werden, und zwar auf ein Präparat, das das Isolat mit möglichst schmalem Spektrum und hoher antimikrobieller Aktivität erfasst.
- Der Erfolg der Antibiotikatherapie der SBP sollte klinisch sowie mittels diagnostischer Kontrollpunktion des Aszites ca. 48 h nach Beginn der Therapie beurteilt werden.
- Begleitend zur antibiotischen Therapie soll die Gabe von Albumin intravenös am Tag der Diagnosestellung und am 3. Tag nach Diagnosestellung durchgeführt werden.1
- Dosis am Tag der Diagnosestellung: 1,5 g/kg/KG
- Dosis am 3. Tag: 1 g/kg/KG
Prävention
Leitlinie: Primärprophylaxe1
- Bei Vorliegen eines Aszites mit erniedrigtem Gesamteiweißgehalt (< 1,5 g/dl ) kann eine Primärprophylaxe mit Antibiotika erfolgen.
- Eine antibiotische Primärprophylaxe sollte erfolgen bei Patienten mit zusätzlichem Vorliegen eines der beiden Kriterien:
- schwere Leberinsuffizienz, d. h. Child-Pugh-Score > 9 mit Bilirubin > 3 mg/dl (> 228,9 µmol/l)– oder –
- Niereninsuffizienz mit Serum-Kreatinin > 1,2 mg/dl (> 91,5 µmol/l), Harnstoff > 25 mg/dl (> 4,2 mmol/l) oder Natrium < 130 mEq/l.
- Bei einer gastrointestinalen Blutung bei Leberzirrhose (mit oder ohne Aszites) soll immer eine antibiotische Primärprophylaxe erfolgen.
- Eine Primärprophylaxe sollte mit Norfloxacin erfolgen und kontinuierlich täglich durchgeführt werden. Rifaximin kann als Alternative in begründeten Fällen eingesetzt werden.
Leitlinie: Sekundärprophylaxe und Nachsorge1
- Nach erfolgreicher Therapie einer SBP soll eine Sekundärprophylaxe mittels Norfloxacin 400 mg pro Tag erfolgen.
- Alternativen zu Norfloxacin in der Sekundärprophylaxe stellen Rifaximin, TrimethoprimSulfamethoxazol oder Ciprofloxacin dar.
- Bei Patienten mit durchgemachter SBP sollte die Indikation zur Lebertransplantation geprüft werden.
- Zur sinnvollen Dauer einer Antibiotikaprophylaxe bei SBP liegen keine ausreichenden Daten vor.1
- Zeitlimitierung scheint aufgrund des Risikos der Selektion resistenter Keime sinnvoll, z. B. bei Verbesserung der Child-Pugh-Klasse und/oder Resolution des Aszites.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Unbehandelt führt die SBP in der Regel zum Tod.
- Die Wahrscheinlichkeit des erneuten Auftretens einer SBP nach Erstmanifestation ohne Einleitung einer Prophylaxe beträgt bis zu 69 % innerhalb eines Jahres. 1
Komplikationen
- Hepatorenales Syndrom (Auftreten kann durch Albumingabe reduziert werden).
Prognose
- Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1
- Krankenhausmortalität bei der ersten SBP-Episode: 10–50 %
- 1-Jahres-Mortalität nach einer ersten SBP: 31–93 %
- Prädiktoren für einen ungünstigen Verlauf: Alter, Child-Pugh-Score, Intensivaufenthalt, nosokomiale SBP, hepatische Enzephalopathie, Serum-Kreatinin und -Bilirubin, fehlende Infektresolution und kultureller Erregernachweis, Bakteriämie.
- Verlauf bei Bakteraszites variabel: Kann spontan reversibel sein oder in eine SBP übergehen.
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Quellen
Leitlinien
- Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. Komplikationen der Leberzirrhose. AWMF-Leitlinie Nr. 021-017. S2k, Stand 2018. www.awmf.org
Literatur
- Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. Komplikationen der Leberzirrhose. S2k. AWMF-Leitlinie Nr. 021-017, Stand 2018. www.awmf.org
- Häussinger D, Wettstein M, Kudlek C. Spontan bakterielle Peritonitis: Diagnose, Therapie und Prophylaxe. Deutsches Ärzteblatt 2000. www.aerzteblatt.de
- Lotterer E. Spontane bakterielle Peritonitis. Hepatitis&more 2011. www.hepatitisandmore.de
Autor*innen
- Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
- Miriam Spitaler, Dr. med. univ., Ärztin für Allgemeinmedizin, Innsbruck/Österreich
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).