Definition:Irreversibel dilatierte Bronchien mit entzündlicher Wandverdickung. Meist Folge pulmonaler Grunderkrankung (zystische Fibrose, COPD u. a.).
Häufigkeit:Unklar; vermutlich in Deutschland stark unterdiagnostiziert. Während postinfektiöse Formen rückläufig sind, sind Bronchiektasen in Folge von chronischer Bronchitis auf dem Vormarsch.
Symptome:Chronischer Husten mit voluminösem Auswurf. Regelmäßige Exazerbationen. Atemnot, Hämoptysen, Allgemeinsymptome.
Befunde:Klinische Befunde sind unspezifisch mit Rasselgeräuschen. Dreischichtiges Sputum (Schaum, Schleim, Eiter) ist pathognomonisch.
Diagnostik:CT und mikrobiologische Sputumuntersuchung zur Identifizierung von resistenten Erregern. Bei negativem Sputumbefund Bronchoskopie zur Materialgewinnung.
Therapie:Behandlung der Grunderkrankung. Physiotherapie, Pharmakotherapie zur Sekretelimination, Antibiotika bei Exazerbationen, chirurg. Resektion in Einzelfällen.
Allgemeine Informationen
Definition
Irreversibel dilatierte Bronchien mit entzündlicher Wandverdickung1
Die Veränderungen können auf einen einzelnen Lappen oder ein Lungensegment begrenzt sein, oder eine oder beide Lungen können diffus betroffen sein.1
Häufigkeit
Unklar, da verlässliche Studien diesbezüglich fehlen und Bronchiektasen klinisch stumm bleiben können.1
Diese Unsicherheit spiegelt sich in den schwankenden Angaben zur Prävalenz mit 53–566/100.000 Personen wider.2
erhöhte Prävalenz bei Frauen und im fortgeschrittenen Alter
Vermutlich stark unterdiagnostiziert in Deutschland3
Die European Respiratory Society spricht von einer der am meisten vernachlässigten Lungenerkrankungen.4
Ätiologie und Pathogenese
Bronchiektasen können auf dem Boden einer chronischen Lungenerkrankung entstehen.
Bei bis zu 50 % der betroffenen Patient*innen lässt sich keine Grunderkrankung als Ursache identifizieren.6
Pathophysiologie
Unterschiedliche Grunderkrankungen führen zu einer gemeinsamen pathophysiologischen Endstrecke.6
Als Antwort auf eine Infektion oder durch fehlende Regulation kommt es zu einer Entzündungsreaktion.1
Die Entzündung schädigt das benachbarte Bronchialgewebe mit Flimmerepithel.6
Es kommt zu einer reduzierten mukoziliären Clearance, die wiederum eine mikrobielle Besiedlung fördert.6
Es entwickelt sich ein Teufelskreis aus Infektion und Entzündung, der die Bronchialwand zunehmend schädigt und Wandmuskulatur sowie elastisches Bindegewebe zerstört.6
Die Folge ist eine irreversible Erweiterung der Bronchien.
ICPC-2
R99 Atemwegserkrankung, andere
ICD-10
J47 Bronchiektasie
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
Wegweisend ist oft die Krankengeschichte mit Exazerbationen bronchopulmonaler Infekte und voluminösem Auswurf, evtl. bei vorbestehender Lungenerkrankung.
Wichtigste weiterführende Untersuchungen sind CT und Sputumdiagnostik.
Lymphopenie oder Neutropenie als Anhalt für Immundefizienz
Serum-Immunglobuline (Gesamt-IgG, IgM, IgA)
2–8 % der Patient*innen haben Immundefizienz.
Test auf allergische bronchopulmonale Aspergillose
Gesamt-IgE, spezifisches IgG und IgE gegen Aspergillus
Die deutsche Leitlinie empfiehlt zudem einen Test auf Tuberkulose.5
Diagnostik bei Spezialist*innen
Röntgen-Thorax
Sensitivität gering in der Aufdeckung von leichten und mittelschweren Bronchiektasen8
Kann Veränderungen anzeigen wie Verdickung der Bronchialwand, Ringschatten, Schienenzeichen („Tramlines“: parallele verdickte Wände eines Bronchus) in der Peripherie.8
Typische Befunde: Bronchien von größerem Durchmesser als die benachbarten Lungenarterien (Siegelringzeichen), eine fehlende periphere Verschmälerung der Bronchien, Bronchien in einem Abstand von weniger als 1 cm von der kostalen Pleura und eine verdickte Bronchialwand.8
Die anatomische Lokalisation und Verteilung erlaubt Rückschlüsse auf die Grunderkrankung.1,8
Sputumdiagnostik
zur Erregeridentifizierung und Resistenztestung1,9
Bronchoskopie
Kann zur Abklärung von Hämoptysen notwendig sein.
bei negativem Sputumbefund zur Materialgewinnung1,9
Indikationen zur Überweisung
Bei Verdacht auf Bronchiektasen sollten die Patient*innen an Pneumolog*innen überwiesen werden.
Therapie
Therapieziele
Die pulmonale Funktion verbessern.
Beschwerden lindern.
Exazerbationen verkürzen und verhindern.
Ein Fortschreiten der Erkrankung verhindern.
Allgemeines zur Therapie
Kann eine Grunderkrankung identifiziert werden, so sind auch die Therapieempfehlungen für diese zu beachten.
Viele Behandlungsstrategien wurden aus der Behandlung der zystischen Fibrose und COPD übernommen. Die Evidenz der Übertragbarkeit ist begrenzt.1
Die Behandlung setzt sich zusammen aus einer Basistherapie zur Verbesserung der pulmonalen Funktion und zur Verhinderung von Exazerbationen und einer kurzfristigen Eskalationstherapie bei Exazerbation.1,10
Kein Medikament ist für die Indikation Bronchiektasen zugelassen. Insbesondere bei Bronchiektasen, die nicht infolge von zystischer Fibrose entstehen, fehlt für einige der genannten Medikamente die Zulassung für diese Indikation, und diese müssen off label verordnet werden. In diesen Fällen ist eine enge Rücksprache mit den betreuenden Pneumolog*innen und der Krankenkasse zu empfehlen, da andernfalls Regressforderungen für die oft teuren Verordnungen geltend gemacht werden könnten.3
Mehrere kleine Studien konnten Verbesserungen der körperlichen Leistungsfähigkeit sowie verminderte Atemnot und seltenere Exazerbationen zeigen.10
Die Sekretdrainage kann unterstützt werden durch ausreichende Flüssigkeitszufuhr und Inhalation mit hyperosmolarer (7-prozentiger) Kochsalzlösung (Cave: off label!).1,9,11
Bei Bronchiektasen kann die Verordnung von Expektoranzien erfolgen (sehr schwache Evidenz).5
Bei Bronchiektasen auf dem Boden einer zystischen Fibrose wird die Anwendung von Dornase alfa empfohlen.5
Bei Bronchiektasen anderer Genese wird die Anwendung nicht empfohlen.12
Es gibt kaum Studien zu Impfungen speziell für Patient*innen mit Bronchiektasen.1 Gemäß der Ständigen Impfkommission13 werden zusätzlich zu den allgemein gültigen Empfehlungen folgende Impfungen für Patient*innen mit chronischen Atemwegserkrankungen empfohlen:
Bei Erstnachweis von P. aeruginosa empfiehlt die European Respiratory Society die Eradikation und nennt dafür verschiedene, gleichwertige Schemata, die jeweils 3 Monate dauern.2
Beispiel: 2 Wochen Beta-Laktam-Antibiotikum + Aminoglykosid, anschließend inhalative Antibiose mit z. B. Colistin
Makrolide
Die Langzeitanwendung von Makrolid-Antibiotika konnte in mehreren Studien die Exazerbationshäufigkeit und -schwere und Mortalität reduzieren und die Lebensqualität verbessern.1,12-15
Als Ursache wird neben der antimikrobiellen auch eine immunmodulatorische Wirkung aufgeführt.12-13
Unerwünschte andere Wirkungen sind gastrointestinale Beschwerden, Herzrhythmusstörungen und die Selektion von resistenten Erregern.12
Inhalative Antibiotika (z. B. Colistin, Tobramycin)
Werden bei zystischer Fibrose im Rahmen einer Suppressionsbehandlung bei Pseudomonas-aeruginosa-Besiedlung empfohlen und sind hierfür zugelassen.9,13,16
Die Studienergebnisse bei Patient*innen mit Bronchiektasen anderer Genese waren gemischt.10,17
Die Medikamente sind teuer und nicht zugelassen für Patient*innen, die nicht an zystischer Fibrose erkrankt sind.12
Ausnahmen sind die Behandlung von zugrunde liegenden Erkrankungen wie COPD oder der allergischen bronchopulmonalen Aspergillose.12
Antiobstruktive Therapie
Sofern eine relevante Obstruktion nachgewiesen werden kann, werden Bronchodilatatoren analog zur Therapie der COPD angewandt.
Therapie von Exazerbationen
Bei mehr als 3 Exazerbationen wird eine Langzeit-Antibiotikatherapie empfohlen.5
Für Fluorchinolone wurden von der Europäischen Arzneimittel-Agentur Anwendungsbeschränkungen empfohlen: Besondere Vorsicht bei Älteren und bei Patient*innen mit Nierenfunktionseinschränkung. Keine Kombination mit Kortikosteroiden. Nicht empfohlen als Mittel der 1. Wahl zur Behandlung leichter und mittelschwerer Infektionen.19
Bei Exazerbation wird eine 14-tägige antibiotische Behandlung empfohlen. In schweren Fällen sollte diese stationär erfolgen.
Im Rahmen des chronischen Verlaufes kommt es zur Besiedlung mit resistenten Erregern. Die antibiotische Behandlung sollte daher nach Möglichkeit nicht empirisch, sondern gezielt nach Sputumkultur und Resistenztestung erfolgen.
Häufige Erreger sind Haemophilus influenzae, Streptococcus pneumoniae, Staphylococcus aureus, Pseudomonas aeruginosa und Burkholderia cepacía.
Ciprofloxacin (bei vorherigem Nachweis von Besiedlung mit Pseudomonas; cave: nicht ausreichend wirksam gegen Pneumokokken!)12
Antitussiva?
Antitussiva sind bei dem produktiven Husten infolge Bronchiektasie kontraindiziert.5
In Ausnahmefällen kann jedoch eine bronchiectasis sicca mit quälendem Husten vorliegen, dann ist die vorübergehende Verordnung (z. B. 14 Tage) eines Antitussivums akzeptabel.
Chirurgie
Resektion
Bei lokal begrenzter Bronchiektasie wird eine chirurgische Resektion empfohlen.5
Kann nur selten eingesetzt werden, da die Verteilung der Bronchiektasen in den meisten Fällen diffus ist.12
Lungentransplantation
Als Ultima Ratio bei weit fortgeschrittener Erkrankung1
Empfehlungen für Patient*innen
Tägliche Physiotherapie und Bronchialtoilette (s. o.)
Trommelschlegelfinger (mit freundlicher Genehmigung von Dr. med. Erich Ramstöck)
Quellen
Leitlinien
Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin. Diagnostik und Therapie von erwachsenen Patienten mit Husten. AWMF-Leitlinie Nr. 020-003. S2k, Stand 2019. www.awmf.org
European Respiratory Societey. Guideline for the management of adult bronchiectasis. Stand 2017. www.ers.com
Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin. Lungenerkrankung bei Mukoviszidose. Modul 2: Chronische Pseudomonas – Infektion. AWMF-Leitlinie Nr. 020-018. S3, Stand 2017. www.awmf.org
Literatur
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BfArM: Fluorchinolone: Einschränkungen in der Anwendung aufgrund von möglicherweise dauerhaften und die Lebensqualität beeinträchtigenden Nebenwirkungen 16.11.18. www.bfarm.de
Autor*innen
Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Allgemeinmedizin, Frankfurt
Dietrich August, Arzt, Freiburg im Breisgau
Die ursprüngliche Version dieses Artikel basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
Bild eingefügt 5.7.21 UB
CCC MK 29.10.2020 neue LL.
BBB MK 23.05.2019, laut BfArM keine Anwendungsbeschränkung für Chinolone bei bronchopulmonalen Infektionen bei Bronchiektase
Anwendungsbeschränkungen für Chinolone 10.4.19 UB
Hinweis auf Fahreignung TH 2.3.18
BBB MK 24.02.2022 revidiert, wenige Änderungen.
Revision at 14.08.2015 14:55:23:Final Version
Revision at 17.07.2015 14:12:23:minor
Revision at 10.07.2015 14:44:26:minor corrections
Revision at 09.07.2015 16:40:52:fertig
Revision at 29.05.2015 16:02:12: Pharmakotherapy only INN
MK 15.09.2017, komplett überarbeitet, LL im Text
Definition:Irreversibel dilatierte Bronchien mit entzündlicher Wandverdickung. Meist Folge pulmonaler Grunderkrankung (zystische Fibrose, COPD u. a.). Häufigkeit:Unklar; vermutlich in Deutschland stark unterdiagnostiziert. Während postinfektiöse Formen rückläufig sind, sind Bronchiektasen in Folge von chronischer Bronchitis auf dem Vormarsch.