Aspergillose

Zusammenfassung

  • Definition:Durch die Schimmelpilzart Aspergillus (Gießkannenschimmel) verursachte Krankheitszustände, vor allem Infektionen der Atemwege. Gefährdet sind insbesondere Menschen mit zellulärem Immundefizit.
  • Häufigkeit:Häufigste invasive Schimmelpilzinfektion in Deutschland: 1.908 stationäre Fälle im Jahr 2016.
  • Symptome:Dyspnoe, Husten oder Verschlimmerung von Asthma-Symptomen; evtl. Kopf- und Muskelschmerzen.
  • Befunde:Evtl. Fieber, Befunde Abhängig von der Lokalisation, Differenzialblutbild: Bei invasiver Pilzinfektion länger als 10 Tage anhaltende Granulozytopenie < 0,5 x 109/l; Eosinophilie und erhöhtes IgE bei allergischer bronchopulmonaler Aspergillose.
  • Diagnostik:Aspergillom im CT nachweisbar, Erregernachweis in Blut, Bronchialsekret oder Liquor über Kultur, Serologie oder molekularbiologische Verfahren.
  • Therapie:Bei Infektionen erfolgt die Behandlung mit Antimykotika.

Allgemeine Informationen

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der gesamte Abschnitt auf diesen Referenzen.1-2

Definition

  • Durch die Schimmelpilzart Aspergillus (Gießkannenschimmel) verursachte Krankheitszustände
  • Aspergillus kommt überall in der Natur vor, verursacht jedoch nur sehr selten Erkrankungen, und dann vor allem bei Personen mit zellulären Immundefekten.
  • Er kann Infektionen der Lunge, der Atemwege, der Nase, der Nebenhöhlen und der Gehörgänge verursachen und sich bei immungeschwächten Personen auch auf innere Organe wie Gehirn und Nieren ausbreiten.
  • Die allergische bronchopulmonale Aspergillose ist eine Überempfindlichkeitsreaktion gegen Aspergillus-Sporen und manifestiert sich als Asthma-Exazerbation.

Häufigkeit

  • Häufigste invasive Schimmelpilzinfektion in Deutschland
    • im Jahr 2016: 1.908 stationär behandelte Fälle, kodiert nach ICD10 mit B443
  • Aspergilluskeime werden vor allem bei immungeschwächten Personen nachgewiesen.
  • Hohe Dunkelziffer
    • Zählt zu den am häufigsten übersehenen Erkrankungen.
    • Nur etwa die Hälfte aller invasiven Pilzinfektionen werden vor dem Tod diagnostiziert.

Ätiologie und Pathogenese

  • Die Schimmelpilzart Aspergillus ist mit mehr als 600 Arten sehr häufig in der Natur anzutreffen. Sie kommt im Erdreich, in Pflanzen und Kompost, aber vor allem in feuchtem Heu und Getreide vor. Sie kann auch in normalen Hausstaub, in Gewürzen und bestimmten Nahrungsmitteln auftreten.
  • Die wichtigsten pathogenen Arten beim Menschen sind Aspergillus fumigatus, Aspergillus flavus und Aspergillus niger.
  • Diese können Infektionen der Lunge, der Atemwege, der Nase, der Nebenhöhlen und der Gehörgänge verursachen und sich bei immungeschwächten Personen auch auf andere Organe wie Gehirn und Nieren ausbreiten (invasive Erkrankung).
  • Die Ansteckung erfolgt über die Luft (Tröpfcheninfektion) durch Einatmen von Schimmelpilzsporen aus der Luft oder einer Klimaanlage.
    • Über Lüftungsanlagen können sich Sporen auch auf Fremdkörpern in Operationssälen ansiedeln.
    • keine Übertragung von Mensch zu Mensch
    • Inkubationszeit von wenigen Tagen bis zu einigen Wochen
  • Allergische bronchopulmonale Aspergillose
    • Es handelt sich um eine Lungenerkrankung, die durch eine Überempfindlichkeit gegenüber Aspergillus-Sporen verursacht wird und sich als Asthma-Exazerbation manifestiert.

Prädisponierende Faktoren

  • Invasive Aspergillose tritt am häufigsten bei einem geschwächten Immunsystem auf:
    • nach einer Knochenmark- oder Organtransplantation
    • beim Einsatz von hochdosierten Kortikosteroiden
    • durch die Anwendung von Chemotherapie bei Krebserkrankungen
    • bei HIV-Infektionen.

ICPC-2

  • A78 Infektiöse Erkrankung NNB, andere

ICD-10

  • Nach ICD-10-GM Version 20214
    • B44 Aspergillose
      • B44.0 Invasive Aspergillose der Lunge
      • B44.1 Sonstige Aspergillose der Lunge
      • B44.2 Aspergillose der Tonsillen
      • B44.7 Disseminierte Aspergillose
      • B44.8 Sonstige Formen der Aspergillose
      • B44.9 Aspergillose, nicht näher bezeichnet

Diagnostik

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der gesamte Abschnitt auf diesen Referenzen.1-2

Diagnostische Kriterien

  • Erregernachweis
    • Mikroskopie, Kultivierung, histologische Untersuchung
    • PCR im weiteren Verlauf ebenfalls gebräuchlich
    • Der Nachweis von flüchtigen organischen Verbindungen aus dem Pilz in der Exspirationsluft ist eine vielversprechende Methode, die sich aber noch im Versuchsstadium befindet.5
  • Bei allergischer bronchopulmonaler Aspergillose
    • Hauttests
    • IgE im Blut
    • erhöhte Anzahl von Eosinophilen

Anamnese

  • Zelluläre Immundefizienz?
    • Allogene Stammzelltransplantation?
    • Medikamentöse Immunsuppression?
    • Kortikosteroide? Prednisolonäquivalent ≥ 0,3 mg/kg/d über ≥ 3 Wochen
    • Hämatoonkologische Erkrankung, z. B. akute Leukämie?
    • Organtransplantation?
    • HIV-Infektion (eher selten)?
  • Variierende Symptome, abhängig davon, welche Organe befallen sind.
    • Lungenentzündung, Infektionen der oberen Atemwege, Tonsillitis, Nebenhöhlensymptome, Gehörgangsinfektionen, evtl. Allgemeininfektion, meist mit Lungenentzündung als Ausgangspunkt

Allergische bronchopulmonale Aspergillose

  • Verschlimmerung von Asthma nach der Exposition gegenüber Aspergillus-Sporen
  • Respiratorische Symptome in Form von Dyspnoe, Husten oder Verschlimmerung von Asthma-Symptomen; auch Allgemeinsymptome, darunter Kopfschmerzen, Fieber und Muskelschmerzen

Klinische Untersuchung

  • Variiert in Abhängigkeit von der Lokalisation.
  • Ein Aspergillom („Pilzball“) ist eine Aspergillose-Kolonie in der Lunge oder den Nebenhöhlen.
    • Ein Aspergillom in der Lunge tritt am häufigsten bei chronischen Lungenerkrankungen oder früherer Tuberkulose auf.
    • CT kann charakteristischen Halo um Aspergillom zeigen.

Allergische bronchopulmonale Aspergillose

  • Asthma-Anfälle mit Stridor, am häufigsten bei Personen mit bekannter Asthma-Erkrankung, die Aspergillus-Sporen ausgesetzt waren.

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • Differenzialblutbild
    • bei invasiver Pilzinfektion länger als 10 Tage anhaltende Granulozytopenie < 0,5 x 109/l
    • Eosinophilie als Hinweis auf allergische bronchopulmonale Aspergillose
  • Blutkultur (Cave: Kontamination mit ubiquitär verbreiteten Aspergillussporen!)
  • Bei Verdacht auf allergische Form evtl.:
    • IgE im Blut
    • Eosinophile.

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Bei allergischer Form evtl. Hauttests
  • Ggf. serologische Diagnostik, je nach klinischer Präsention in Serum, Bronchialsekret oder Liquor
    • z. B. Bestimmung des Beta-D-Glucans (BDG) Galactomannan zum Nachweis von A. fumigatus
  • Ggf. molekulare Diagnostik
    • PCR-Tests von Blutproben haben als Screeningverfahren eine moderate diagnostische Genauigkeit (Ia) und können nützlich sein, um invasive Aspergillosen zu erkennen und in der weiterführenden Diagnostik zu bestätigen.6
  • Bildgebung bei Hinweisen auf Aspergillom
    • Bei pulmonalen Symptomen: Thorax-CT
    • Bei abdominellen Symptomen: Abdomen-CT oder MRT
    • Bei neurologischen Symptomen: kranielle CT oder MRT

Indikationen zur Überweisung

  • Bei Verdacht auf die Erkrankung

Therapie

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der gesamte Abschnitt auf diesen Referenzen.1-2

Therapieziele

  • Die Infektion sanieren.
  • Wenn möglich, Reduktion der zugrunde liegenden Immundefizienz

Medikamentöse Therapie

  • Antimykotika bei nachgewiesener Aspergillose
    • 1. Wahl Voriconazol oder Isavuconazol
      • seit den 1990er Jahren in den Niederlanden und UK zunehmend azolresistente Aspergillus-fumigatus-Spezies, in Deutschland allerdings nur lokal begrenzt von Bedeutung
      • Ggf. bis zum Nachweis einer Azolsensitivität Kombination mit Echinocandin oder liposomalem Amphotericin B (L-AmB) erwägen.
    • Alternative L-AmB. Mögliche Gründe:
      • indizierter Klassenwechsel wegen vorheriger Azol-Prophylaxegabe
      • Komorbiditäten
      • Resistenz
      • Arzneimittel-Wechselwirkungen
      • lokale Verbreitung
      • Verdacht auf Koinfektion mit Mucorales.
    • Eine Kombinationstherapie mit Voriconazol und Anidulafungin kann die Überlebensrate bei Patient*innen mit hämatoonkologischen Erkrankungen oder nach Stammzelltransplantation verbessern.7
  • Bei allergischer bronchopulmonaler Aspergillose8
    • perorale Kortikosteroide (Prednisolon)
    • Allergenvermeidung
    • ggf. Therapie von Begleiterkrankungen wie Mukoviszidose oder Asthma
    • ggf. Itraconazol

Sekundärbehandlung

  • Bei einem Aspergillom ist in der Regel eine chirurgische Behandlung erforderlich.
  • Bei ausgeprägter Granulozytopenie ggf. Granulozyten-Kolonie-stimulierendem Faktor (G-CSF) oder bei langanhaltender Granulozytopenie Granulozytentransfusionen

Prävention

  • Untersuchung der Räume, in denen sich die betroffene Person regelmäßig aufhält, mit evtl. Sanierung der Sporenquelle
  • Bei stark geschwächtem Immunsystem sollten die Betroffenen eine Staubexposition vermeiden.
  • Ggf. antimykotische Prophylaxe
    • Kommt vor allem bei hämatoonkologischen Erkrankungen infrage.
    • Nach allogener Stammzeltransplantation reicht eine Prophylaxe gegen Hefepilze meist aus.
    • Bei hohem Risiko, etwa bei Granulozytopenie nach myelosuppressiver Induktionstherapie oder bei Graft-versus-Host-Disease, ist eine gegen Schimmelpilze wirksame Prophylaxe angezeigt.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Wechselvoller Verlauf mit allmählicher Erholung innerhalb von 6–12 Wochen

Komplikationen

  • Kann zu chronischen Infektionen mit Gewebezerstörung, z. B. in der Lunge, führen.
  • Aspergillus kann Aflatoxine erzeugen, die Leberschäden und Krebs verursachen können.

Prognose

  • Variiert stark, je nach Grunderkrankung
  • Die Prognose der invasiven Aspergillose konnte in den letzten letzten zehn Jahren erheblich verbessert werden.2
  • Eher ungünstige Prognose bei hämatoonkologischer Erkrankung oder nach Stammzelltransplantation
    • An einer internationalen randomisiert kontrollierten Studie nahmen 454 Patient*innen mit vermuteter oder nachgewiesener invasiver Aspergillose teil, die entweder eine hämatoonkologische Erkrankung hatten oder einer Stammzelltransplantation unterzogen wurden. 6 Wochen nach einer Kombinationstherapie mit Voriconazol und Anidulafungin lag die Mortalität bei 19 %, unter Voriconazol alleine bei 28 %.7

Verlaufskontrolle

Kontrolluntersuchungen

  • CT-Kontrollen zu Beginn der Therapie und nach 1 und 2 Wochen
  • Ggf. Galactomannan-Titer während der Therapie wiederholt bestimmen.

Maßnahmen bei einem Ausbruch

  • Bei nachgewiesener Infektion sind neben der Behandlung der erkrankten Person keine weiteren Maßnahmen notwendig.
  • Bei einer allergischen Erkrankung: Untersuchung der Raumluft und Überprüfung von Lüftungs- und Klimaanlagen

Quellen

Literatur

  1. Ramesh M, Chandrasekar P. Aspergillosis. BMJ BestPractice, last reviewed: 6 Jul 2021, last updated: 11 Nov 2020 bestpractice.bmj.com
  2. von Lilienfeld-Toal M, Wagener J, Einsele H, Cornely OA, Kurzai O. Invasive Pilzinfektionen. Dtsch Arztebl Int 2019; 116: 271-78. www.aerzteblatt.de
  3. Statistisches Bundesamt. Diagnosedaten der Patienten und Patientinnen in Krankenhäusern (einschl. Sterbe- und Stundenfälle) 2016. Wiesbaden 2017 www.destatis.de
  4. Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI): ICD-10-GM Version 2021. Stand 18.09.2020. www.dimdi.de
  5. Koo S, Thomas HR, Daniels SD, et al. A breath fungal secondary metabolite signature to diagnose invasive aspergillosis. Clin Infect Dis 2014. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  6. Cruciani M, Mengoli C, Barnes R, Donnelly P, Loeffler J et al. Polymerase chain reaction blood tests for the diagnosis of invasive aspergillosis in immunocompromised people. Cochrane Database Syst Rev 2019; 9: CD009551. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  7. Marr KA, Schlamm HT, Herbrecht R, et al. Combination antifungal therapy for invasive aspergillosis: a randomized trial. Ann Intern Med 2015; 162: 81-9. doi:10.7326/M13-2508 DOI
  8. Radojicic C. Allergic bronchopulmonary aspergillosis. BMJ BestPractice, last reviewed: 6 Jul 2021, last updated: 26 Nov 2020 bestpractice.bmj.com

Autor*innen

  • Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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