Definition:Enteroviren sind eine heterogene Gruppe weit verbreiteter Viren, deren Übertragung auf fäkal-oralem Wege erfolgt. Vor allem Kinder neigen zu Enterovirus-Infektionen.
Häufigkeit:Infektionen mit Enteroviren können das ganze Jahr über auftreten, zeigen aber in den gemäßigten Klimazonen eine saisonale Häufung in den Sommer- und Herbstmonaten.
Symptome:Eine Infektion äußert sich anfangs häufig als fieberhafte Erkrankung („Sommergrippe“). Die Ausprägung der Symptome sowie das Symptomspektrum variieren je nach Serotyp, Alter, Geschlecht und Immunstatus.
Befunde:Verschiedene Subtypen verursachen unterschiedliche klinische Krankheitsbilder wie Meningitis und Exantheme. Auch Atemwegserkrankungen können auf einer Infektion mit Enteroviren beruhen.
Diagnostik:Die labordiagnostischen Maßnahmen bestehen aus der Isolierung und Identifizierung von Viren in Zellkulturen, dem Nachweis mittels Polymerase-Kettenreaktionen (PCR) oder aus serologischen Untersuchungen.
Therapie:Die meisten Enterovirus-Infektionen sind selbstlimitierend und bedürfen keiner besonderen Behandlung.
Allgemeine Informationen
Definition
Humanpathogenen Enteroviren können bei Menschen aller Altersgruppen eine Vielzahl an Erkrankungen hervorrufen.
Neben den drei3 Polioviren (Typ 1, - 2, - 3) gibt es derzeit 28 Coxsackie-, 29 ECHO- und 39 neuere Enterovirusserotypen.1
DiesesDieser KapitelArtikel beschäftigt sich mit den Erkrankungen der Non-Polio-Enteroviren, die ihren Namen nicht bekommenerhalten haben, weil sie häufig Gastroenteritiden hervorrufen, sondern weil sie sich im Magen-Darm-Trakt besonders gut vermehren.2
ZuWeitere Informationen zu Polio siehe Artikel PolioPoliomyelitis gibt es ein eigenes Kapitel.
Häufigkeit
Infektionen mit Nicht-Polio-Enteroviren können das ganze Jahr über auftreten, zeigen aber in den gemäßigten Klimazonen eine saisonale Häufung in den Sommer- und Herbstmonaten.3
Alter
Säuglinge und Kinder: Eine Infektion mit Enteroviren kann in jedem Alter auftreten, Säuglinge und Kleinkinder sind allerdings am häufigsten betroffen.
Geschlecht
Aus bislang unbekannten Gründen sind Jungen/Männer anfälliger (59 %) als Mädchen/Frauen.
Die in Deutschland dominanten Serotypen der letzten 9 Jahre waren Echo 30 und Echo 6 gefolgt von Echo 11 und Enterovirus 71.1
Enteroviren sind weltweit verbreitet und verursachen vor allem in Asien regelmäßig große Epidemien.1
Coxsackie-VirusCoxsackievirus- oder Echo-VirusEchovirus-Infektionen kommen in Ländern mit niedrigem sozioökonomischenkonomischem Status besonders häufig vor, oft ist die Ursache kontaminiertes Abwasser.4
Ätiologie und Pathogenese
Die humanpathogenen Enteroviren sind allgegenwärtig und werden meist fäkal-oral von Mensch zu Mensch übertragen, seltener auch über Tröpfcheninfektion bzw. direkten Kontakt mit Bläscheninhalt.1
Aufgrund der hohen Stabilität der Enteroviren sind auch kontaminierte Gegenstände (Spielzeug in Kindertagesstätten) sowie verunreinigtes Oberflächenwasser Infektionsquellen.
Erkrankte können die Viren mehrere Wochen mit dem Stuhl ausscheiden.
Die Inkubationszeit beträgt 2–14 Tage.
In vielen Fällen verläuft die Infektion unbemerkt, oder es gibt unspezifische Symptome wie bei Erkältungskrankheiten.5
poliomyelitisPoliomyelitis-ähnliche Erkrankung auch durch andere Enteroviren.
Exantheme.
Perinatal: Schmierinfektion beim Geburtsvorgang, Übertragung durch Muttermilch möglich6
Es kommt immer wieder zu epidemieähnlichen Ausbrüchen mit zumz. TeilT. auch schweren Krankheitsverläufen und Todesfällen:.
In Taiwan kam es zu einer Epidemie mit mehr als 125.000 an der Hand-Fuß-Mund-Krankheit oder einer Herpangina erkrankten Personen. In über 400 Fällen, insbesondere bei Kindern unter 5 Jahren, zeigte die Infektion einen schwerwiegenden Krankheitsverlauf.7
In Katalonien (Spanien) kam es 2016 zur einer Epidemie, bei der ca. 100 Personen neurologische Symptome aufwiesen, die zu etwa einem Viertel1/4 stationär behandlungsbedürftig waren.8
dieDie meisten waren Kinder unter 11 Jahren.
andereAndere Teile Spaniens waren vom Ausbruch nicht betroffen.
2014 war Enterovirus EV-D68 die Ursache einer Epidemie mit schweren Atemwegsinfekten in großen Teilen der USA.9-11
Während dieser Epidemie kamen gehäuft Fälle mit Myelitis und schlaffen Lähmungen vor.
Auch in Deutschland kommt es immer wieder zu einem gehäuftemuften Auftreten von Enteroviren, zuletzt 2010, 2013 und 2019 mit Enterovirus 71.12
Neugeborene und Menschen mit einem geschwächtemchten Immunsystem sind besonders anfällig für schwere Erkrankungen.
ICPC-2
A77 Virale Erkrankung NNB, andere
ICD-10
A80 Akute Poliomyelitis [Spinale Kinderlähmung]
A85 Sonstige Virusenzephalitis, anderenorts nicht klassifiziert
A85.0† Enzephalitis durch Enteroviren (G05.1*)
A87 Virusmeningitis
A87.0† Meningitis durch Enteroviren (G02.0*)
A88 Sonstige Virusinfektionen des Zentralnervensystems, anderenorts nicht klassifiziert
A88.0 Fieber und Exanthem durch Enteroviren [Boston-Exanthem]
B08 Sonstige Virusinfektionen, die durch Haut- und Schleimhautläsionen gekennzeichnet sind, anderenorts nicht klassifiziert
B08.4 Vesikuläre Stomatitis mit Exanthem durch Enteroviren
B08.5 Vesikuläre Pharyngitis durch Enteroviren
B34 Viruskrankheit nicht näher bezeichneter Lokalisation
B34.1 Infektion durch Enteroviren nicht näher bezeichneter LokalisationDiagnose
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
In den meisten Fällen ist die Diagnose klinisch zu stellen.
Die Diagnose wird durch Serologie, Zellkultur oder PCR bestätigt.
Differenzialdiagnosen
Je nach Manifestation: Stomatitis aphthosa, Angina lacunaris, Soor, Mononucleosis infectiosa, Pleuro-Pneumonie, MyocardMyokard-Ischämie, Appendizitis, Cholezystitis, Pankreatitis, rheumatoide Arthritis, Lumbago, Trichinose, Meningitis tuberculosa, Meningitiden durch andere Virusinfektionen, Influenza, Echovirus-Erkrankung, lymphozytäre Choriomeningitis, Arbovirus-Infektionen.4
Klinische Erscheinungen
Über 90 % der Infektionen durch Nicht-Polio-Enteroviren sind asymptomatisch oder äußern sich lediglich als unspezifische fieberhafte Erkrankung mit Pharyngitis, Halsschmerzen und Hustenreiz ("„Sommergrippe").4
Die Ausprägung der Symptome sowie das Symptomspektrum variieren je nach Art des Virus, Alter, Geschlecht und Immunstatus.
Exantheme und Enantheme
Enteroviren, insbesondere Coxsackie- oder Echoviren, können verschiedene Exantheme oder Enantheme verursachen.
häufig unspezifisch und mit geringen oder keinerlei Beschwerden einhergehend
vorwiegendVorwiegend durch Enteroviren der Gruppe A verursacht.; Amam häufigsten Hierzu gehören hierzu Coxsackie A16, aber auch Enterovirus A71 und andere Enteroviren.14
typische Symptome: Fieber, Bläschen an Wangenschleimhaut und Zunge sowie ein feiner Hautausschlag an Händen, Füßen und Gesäß
Die Inkubationszeit beträgt normalerweise 3–10 Tagen, die Krankheitsdauer ist meist selbstlimitierend innerhalb 5–7 Tagen.
Selteneseltene Komplikationen wie aseptische Meningitis/Enzephalitis oder polioartige Paresen oder Verlust von Fingernägeln und Zehennägeln.14
Hochinfektiöse, meist selbstlimitierende Infektionskrankheit durch Gruppe-A-Coxsackieviren (A1 bis 6, 8, 10 und 22), aber die Krankheit kann auch durch die Coxsackie-VirenCoxsackieviren B, EV 71 oder andere Enteroviren verursacht werden.15
Betrifft häufig Kinder im Alter von 3–10 Jahren.
akute Halsentzündung mit Fieber sowie Papeln und Bläschen am weichen Gaumen, Uvula und vorderen Gaumenbögen, ggf. auch der Tonsillen.15
Petechien und Purpura
Wurden bei Infektionen durch das Echovirus 9 sowie das Coxsackievirus A9 beschrieben.
Verwechslung mit einer Meningokokken-Infektion möglich
ZNS-Infektionen
Enteroviren gehören zu den häufigsten Erregern viraler ZNS-Infektionen.16
Die Meningitis ist die häufigste Erscheinungsform, seltener kommt es zu einer generalisierten oder fokalen Enzephalitis.
Eine Enzephalitis kann den Krankheitsverlauf bei aseptischer Meningitis in 5–10 % der Fälle verkomplizieren und äußert sich in Form von Bewusstseinsstörungen oder Krämpfen.
Vollständige Genesung bei Kindern normalerweise nach 3–7 Tagen, bei Erwachsenen können die Symptome länger anhalten.
Durch Enteroviren hervorgerufene Augeninfektionen sind hoch ansteckendhochansteckend und gehen mit charakteristischen Schmerzen, Augenlid-Ödemen und subkonjunktivaler Blutung einher; sie sind selbstlimitierend und führen nur selten zu dauerhaften Sehstörungen.
Konjunktivitiden (durch Echo 7 und 11, auch hämorrhagisch durch Echo 70)4
Die Symptome erreichen ihr Maximum innerhalb von 2–3 Tagen und gehen anschließend innerhalb von 10 Tagen ohne Komplikationen wieder zurück.
Die epidemische Pleurodynie (Morbus Bornholm = Myalgia epidemica) ist eine akute Infektionskrankheit, die mit Fieber, paroxysmalen Krämpfen sowie Schmerzen in der Brust- und der oberen Bauchmuskulatur einhergeht.
Insbesondere in den Sommermonaten können kleine Epidemien beobachtet werden.
Die Pleurodynie wird zumeist durch Coxsackie-VirenCoxsackieviren der Gruppe B verursacht.
Die Prognose ist günstig. Eine Komplikation dieser Verlaufsform ist die Meningitis myalgica (Fieber, Kopfschmerzen, meningitische Zeichen, auch meningoenzephalitische Symptome und reversible Paresen).4
Bei Kindern lässt sich eine mildere Symptomatik beobachten, die Schmerzen halten häufig nur 1–2 Tage an.
Perimyokarditis
Die häufigsten viralen Erreger sind Coxsackie-VirenCoxsackieviren der Gruppe B.
Normalerweise kommt es zu einer Infektion von Perikard und Myokard gleichzeitig.
Meist bei Neugeborenen, Kindern und jungen Erwachsenen mit schwereren Verläufen, bei den seltener betroffenen Erwachsenen heilt die Perimyokarditis meist vollständig aus.2
Wiederholte EnterovirusinfektionenEnterovirus-Infektionen in den ersten sechs6 Monaten erhöhen bei Säuglingen das Risiko, einen Typ-1-Diabetes Typ 1 zu bekommenentwickeln.17
Schwangerschaft und neonatale Infektionen
Enteroviren passieren nur in geringem Grad die Plazentaschranke und führen daher selten zur Erkrankung des Fetus.
Neugeborene sind besonders anfällig für durch Enteroviren ausgelöste Infektionen.
Selbst wenn die meisten Serotypen nur milde und vorübergehende Infektionen verursachen, können einige Enteroviren auch einen fulminanten Krankheitsverlauf mit tödlichem Ausgang provozieren (Coxsackie-VirusCoxsackievirus B Serotypen 2-5 und ECHO-Virus 11).
Bei Infektion der Mutter um den Geburtszeitpunkt kann es zu einer neonatalen Sepsis kommen mit Fieber, Exanthem, Pneumonie, nekrotisierender Hepatitis mit Koagulopathie, neonataler Myokarditis, aseptischer Meningitis/Enzephalitis.6
Die Ausprägung der Erkrankung und der Krankheitsverlauf sind stark abhängig von der Existenz (oder Nicht-Existenz) passiv erworbener mütterlicher Antikörper.
Ergänzende Untersuchungen
Die Labordiagnose der akuten EnterovirusinfektionEnterovirus-Infektion erfolgt durch den direkten Nachweis viraler DNA oder RNA mittels PCR bzw. RT-PCR aus nicht -zentrifugiertem Liquor, Stuhl und/oder Rachenabstrichen sowie Serum/EDTA-Blut.16
Ein Antikörpernachweis ist prinzipiell möglich, aber wegen der hohen Durchseuchung der Bevölkerung von geringer Bedeutung.
Ein signifikanter Titeranstieg im NT (Neutralisationstest) oder die Bestimmung virusspezifischer IgM-Antikörper beweisen eine frische Infektion.4
Im Rahmen der EnterovirussurveillanceEnterovirus-Surveillance wird seit 2006 allen pädiatrischen und neurologischen Kliniken in Deutschland zur differentialrenzialdiagnostischen Abklärung von viralen Meningitiden bzw. Enzephalitiden eine unentgeltliche Enterovirus-Diagnostik angeboten. Dafür wurde ein vom NRZ PE koordiniertes Labornetzwerk für Enterovirusdiagnostik-Diagnostik in Deutschland etabliert (LaNED).1
Therapie
Allgemeines zur Therapie
Die Therapie der meist selbstlimitierenden Erkrankungen erfolgt symptomatisch mit Antipyretika und Analgetika.1
Bei schwerem Krankheitsverlauf kommen Gamma-Globulin-Präparate zum Einsatz.
Bei bakteriellen Sekundärinfektionen: Antibiotika4
Eine spezifische antivirale Therapie steht nicht zur Verfügung.
Medikamentöse Therapie
Die therapeutischen Möglichkeiten bei schweren Infektionen sind begrenzt und waren bislang nicht Gegenstand kontrollierter klinischer Studien.
Immunglobulin
unsichere Wirkung
Antivirale Mittel
keine dokumentierte Wirkung
Pleconaril zur empirischen Behandlung der Enterovirus-Enzephalitis steht nicht mehr zur Verfügung.16
Bei bakteriellen Sekundärinfektionen: Antibiotika4
Prävention
Das Einhalten allgemeiner Hygienemaßnahmen wie Händewaschen ist wichtig, um einer Ausbreitung des Enterovirus vorzubeugen.
Es besteht keine Notwendigkeit, die PatientenPatient*innen zu isolieren.
Schwangere sollten den Umgang mit PatientenPersonen, bei denen der Verdacht auf eine Enterovirus-Infektion besteht, vermeiden.
Bei Auftreten von Enterovirus-Infektionen auf Schwangeren-, Wöchnerinnen-, Neugeborenen- oder Säuglingsstationen müssen entsprechende Hygienemaßnahmen ergriffen werden: Zur Desinfektion müssen viruzide Hände- und Flächendesinfektionsmittel verwendet werden. Strikte Händehygiene, Kittel- und Mundschutz sowie weitestmögliche Isolierungsmaßnahmen sind zu empfehlen.6
Postexpositionsprophylaxe: Bei besonderer Gefährdung kann nach Exposition innerhalb von 72 Stunden Gamma-Globulin gegeben werden.4
Ein Impfstoff gegen Enterovirus 71 zum Einsatz im westpazifischen Raum (häufige und schwere Epidemien) ist in Entwicklung.1
Eine Impfung gegen die Nicht-Polio-Enteroviren steht in Deutschland bislang nicht zur Verfügung.
Meldepflicht
Einzelne Enterovirus-Nachweise sind nach IfSG nicht meldepflichtig, bei anzunehmenden Ausbrüchen muss jedoch eine Meldung gemäß § 7 (2) IfSG durch dendie LaborleiterLaborleitung erfolgen.4
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Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Entzündliche Erkrankungen der Gaumenmandeln / Tonsillitis, Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 017-024. S2k, Stand 2015. www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie. Mikrobiologische Diagnostik bei Infektionen des Auges. AWMF-Leitlinie Nr. 067-008. S2k, Stand 2011. www.awmf.org
Gesellschaft für Virologie. Labordiagnostik schwangerschaftsrelevanter Virusinfektionen. AWMF-Leitlinie Nr. 093-001. S2k, Stand 2014. www.awmf.org
Literatur
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AutorenAutor*innen
Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
Birgit Wengenmayer, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, Freiburg
Frühere Autor*innen
Terje Johannessen, professor i allmennmedisin, Instituttredaktør for samfunnsmedisinske fag, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, TrondheimNEL
enterovirus; ev71; a77 annan virussjukdom; infektioner med enterovirus; Enterovirusinfektioner
enterovirus; ev71; a77 annan virussjukdom; infektioner med enterovirus; Enterovirusinfektioner
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