Pleurodynie

Allgemeine Informationen

Definition

  • Als Pleurodynie bezeichnet man Schmerzen im Bereich des Rippenfells (Pleura). Sie treten bei verschiedenen Erkrankungen des Rippenfells auf, z. B. im Rahmen einer Pleuritis, eines Lungeninfarkts oder des Morbus Bornholm (Pleurodynia epidemica, Coxsackie-Viren).
  • Der englische Ausdruck „Pleurisy” bezeichnet eine Entzündung der Pleura parietalis, die in der Regel zu charakteristischen Pleuraschmerzen führt, die u. g. Ursachen haben kann.1-2
  • „Pleurisy" ist eine präzisere Bezeichnung des Zustandes, aber Pleurodynie (pleuritische Schmerzen) ist eine bessere Beschreibung des Symptoms.
  • Pleurodynie
    • Wird durch Brustschmerzen charakterisiert, die sich bei tiefen Atembewegungen und beim Sprechen, Husten oder Niesen verschlimmern.
    • Der Schmerz wird oft als schneidend beschrieben und verschlimmert sich bei Bewegung.
    • Die Patienten nehmen gerne eine Position ein, die die Bewegung im betroffenen Bereich einschränkt.
    • Respirationsabhängige Schmerzen können dazu führen, dass die Patienten kurzatmig sind.

Häufigkeit

  • Nicht ungewöhnlich
  • Ursachen
    • Pleuritiden
      • infektiös,  z. B. Morbus Bornholm (Pleuridynia epidemica)
      • nichtinfektiös
    • Lungeninfarkt

Pathophysiologie

  • Die beiden Pleurablätter
    • Die viszerale Pleura überzieht die Lungen. 
    • Die parietale Pleura kleidet die Thoraxwand von innen aus.
  • Schmerzrezeptoren
    • Die viszerale Pleura enthält weder Nozizeptoren noch Schmerzrezeptoren.
    • Die parietale Pleura ist von somatischen Nerven innerviert, die bei Entzündungen der parietalen Pleura Schmerz registrieren.
    • Eine Entzündung in der Peripherie des Lungenparenchyms kann sich bis in den Pleuraraum ausbreiten und auch die parietale Pleura betreffen. Dadurch werden somatische Schmerzrezeptoren aktiviert, und es entstehen Pleuraschmerzen.
  • Die parietale Pleura ist von Interkostalnerven innerviert. Der Schmerz wird bis zur kutanen Ausbreitung dieser Nerven lokalisiert. Der N. phrenicus ergänzt die Innervation des zentralen Teiles von jedem Hemidiaphragma. Wenn diese Fasern aktiviert werden, wird der Schmerz am Hals oder an der Schulter derselben Seite angezeigt.

Diagnostische Überlegungen

  • Erst sollen andere (nicht-pleuritische) lebensbedrohliche Zustände ausgeschlossen werden wie Lungenembolie, Herzinfarkt und Pneumothorax.
  • Pleuritische Schmerzen sind gewöhnlich im entzündeten Bereich oder entlang vorhersagbarer Bahnen für den betroffenen Schmerz lokalisiert.
  • Eine länger dauernde Entzündung kann aufgrund von Adhäsionen, Fibrose- und Narbenbildung die normale Struktur schädigen. 

Abwendbar gefährliche Verläufe

ICPC-2

  • R01 Schmerzen Atmungssystem

ICD-10

  • R07 Hals- und Brustschmerzen
    • R07.1 Brustschmerzen bei der Atmung
    • R07.2 Präkordiale Schmerzen
    • R07.3 Sonstige Brustschmerzen

Differenzialdiagnosen

Herzinfarkt

  • Anamnestischer Hinweis in der Hausarztpraxis mit Marburger Herz-Score3

Lungenembolie, Lungeninfarkt

  • Anamnestischer Hinweis in der Hausarztpraxis mit Wells-Score4

Spontanpneumothorax

Perikarditis

  • Kommt am häufigsten im weiteren Verlauf von einem Herzinfarkt (Dressler-Syndrom) oder von viralen Atemwegsinfektionen vor, seltener aufgrund von Urämie, Malignität, Bindegewebserkrankungen oder als Komplikation von chirurgischen Eingriffen am offenen Herzen.
  • Fieber, Schmerzen in der Brustmitte, die sich bei Respirationsbewegungen und in liegender Position verschlimmern, und sich in nach vorne übergebeugter Haltung verbessern.
  • Perikardiale Reibegeräusche über dem Herzen, häufig transitorisch
  • Echokardiografie ist die Methode der Wahl, um Flüssigkeit im Perikard nachzuweisen, MRT bestätigt die Diagnose.

Lungenentzündung (Pneumonie)

  • In der Regel bakterielle Ätiologie, häufig bei Älteren und bei Personen mit geschwächtem Allgemeinzustand
  • Produktiver Husten mit gelbgrünem oder rostbraunem Expektorat, Fieber, reduzierter Allgemeinzustand, häufig Kurzatmigkeit, Husten, evtl. Pleurodynie
  • Fremdgeräusche bei ca. der Hälfte, Rasselgeräusche häufiger als Pfeifgeräusche; schwache Respirationsgeräusche und Dämpfung bei Perkussion kommen gelegentlich vor.
  • Erhöhtes CRP unterstützt die Diagnosewahrscheinlichkeit.
  • Die Diagnose wird durch Röntgenthorax bestätigt.

Vorangegangene Schadstoffexposition

Hämatologische/onkologische Ursachen

Infektiöse Erkrankungen

 Kollagenosen

Medikamenteninduzierte Pleuritis

  • Durch arzneimittelbedingte immunallergische Reaktionen5

Familiäres Mittelmeerfieber

  • Wiederholte Fieberepisoden, die 1−4 Tage anhalten und mit Magen-, Brust- oder Gliederschmerzen oder mit Erysipel-ähnlicher Hauterkrankung verbunden ist.
  • Herkunft aus Mittelmeergebiet, evtl. Familienanamnese mit Mittelmeerfieber
  • Klinische Untersuchung ist zwischen den Episoden normal. Während der Fieberschübe (38−40 °C) gibt es Anzeichen von Serositis (peritoneale Irritation, pleurale und/oder perikardiale Reibegeräusche). Andere mögliche Befunde können geschwollene Gelenke, einseitiges Erythem an der Streckseite vom Bein, Knöchel, Fuß sein.

Anamnese

Besonders zu beachten

Wie rasch entstanden die Brustschmerzen?

Positionsabhängige Schmerzen?

  • Schmerzen, die sich verschlimmern, wenn sich der Patient hinlegt, und sich bessern, wenn der Patient aufsteht, lassen den Verdacht auf Perikarditis aufkommen.6-7

Verschlechterung der Schmerzen bei

  • Tiefer Inspiration, Husten, Niesen, Valsalva-Manöver lassen den V. a. Pleurodynie schließen.

Kurzatmigkeit oder Brustschmerzen?

Sonstige Symptome?

Auch beachten:

  • Weitere bekannte Erkrankungen?
  • Medikamente?
  • Reisen in exotische Reiseziele?
  • Weitere Fälle von ähnlichen Beschwerden in der Familie?

Klinische Untersuchung

Allgemeines

  • Allgemeinzustand?
  • Schmerzauswirkung?

Spezielle Faktoren

  • Reibungsgeräusche über der Lunge
  • Weitere Lungenbefunde
    • Dämpfung und geschwächte Lungengeräusche, Fremdgeräusche − deuten auf Pneumonie.8
  • Reibungsgeräusche über dem Herzen?
  • Hyperresonanz und reduzierte Atemverschieblichkeit der Lunge?
  • Eine Reihe von möglichen Diagnosen kann einen ganz normalen klinischen Status haben.1

Ergänzende Untersuchungen

In der Hausarztpraxis

  • D-Dimer-Test
  • EKG
  • Herzenzyme

Beim Spezialisten

  • Röntgenthorax und Pleurasonografie
    • relevante Untersuchung sowohl in der Differenzialdiagnostik als auch zum Nachweis eines Pleuraergusses
  • MRT bei v. a. Perikarditis11

Maßnahmen und Empfehlungen

Indikationen zur Überweisung

  • Bei Bedarf einer umfassenden Untersuchung der Patienten mit subakutem und chronischem Leiden

Checkliste zur Überweisung

Pleuraerkrankung

  • Zweck der Überweisung
    • Bestätigende Diagnostik? Therapie? Weitere(s)?
  • Anamnese
    • Seit wann besteht die Erkrankung? Wie schnell? Entwicklung?
    • Brustschmerzen im Zusammenhang mit tiefen Atemzügen, Sprechen, Husten, Niesen, Körperhaltung? Bestehen weitere Atemwegsbeschwerden – Husten, Kurzatmigkeit, reichlich Expektoration, verfärbtes Expektorat, Hämoptyse? Bekannte Lungen- oder Atemwegserkrankungen − Asthma, COPD, Tuberkulose, Lungenentzündung, Bronchiektasie, Lungenkrebs? Geschwächter Allgemeinzustand, Fieber, Gewichtsverlust?
    • Andere relevante Krankheiten? Rauchen − wie viel? Weitere Expositionen − evtl. Dauer? Familiäre Prädisposition?
    • Regelmäßige oder aktuelle Medikamente?
    • Evtl. Behandlungsversuch − Wirkung?
    • Konsequenzen − Arbeit, sozial, körperliche Aktivität, weitere?
  • Klinische Untersuchung
    • Allgemeinzustand? Fieber, Dyspnoe, schmerzbedingte Respiration?
    • Allgemeiner Organstatus mit besonderem Fokus auf Herz und Lunge
  • Ergänzende Untersuchungen
    • Hb, Leukozyten, BSG, CRP
    • Röntgenthorax – Pleuraerguss?
    • evtl. EKG

Indikationen zur Krankenhauseinweisung

  • Patienten mit akut entstandenen Brustschmerzen, bei denen eine ernste Erkrankung möglich ist.

Maßnahmen

  • Die Behandlung von Pleurodynie hat zwei Primärziele:
    1. Kontrolle über die pleuritischen Schmerzen erlangen.
    2. Zugrunde liegende Erkrankung behandeln.
  • NSAR
    • Wird oft zu Beginn eingesetzt, um die Schmerzen unter Kontrolle zu bekommen.
  • Bei starken Schmerzen können Narkotika erforderlich sein.

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Angiologie, Venenthrombose und Lungenembolie: Diagnostik und Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 065-002. S2k, Stand 2015. www.awmf.org

Literatur

  1. Kass SM, Williams PM, Reamy BV. Pleurisy. Am Fam Physician 2007; 75: 1357-64. PubMed
  2. Walker S, Maskell N. Assessment of pleuritis. BMJ Best Practice, last updated Sep 2018. bestpractice.bmj.com
  3. Phillips Universität Marburg,Allgemeinmedizin, Präventive und Rehabilitative Medizin: Der Marburger Herz-Score, Zuletzt aktualisiert: 29.04.2014 www.uni-marburg.de
  4. Deutsche Gesellschaft für Angiologie, Venenthrombose und Lungenembolie: Diagnostik und Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 065-002, Stand 2015. www.awmf.org
  5. arzneimitteltelegramm, a-t 1992; Nr.11: 111-3 www.arznei-telegramm.de
  6. Goyle KK, Walling AD. Diagnosing pericarditis. Am Fam Physician 2002; 66: 1695-702. PubMed
  7. Marinella MA. Electrocardiographic manifestations and differential diagnosis of acute pericarditis. Am Fam Physician 1998; 57: 699-704. American Family Physician
  8. Metlay JP, Kapoor WN, Fine MJ. Does this patient have community-acquired pneumonia? Diagnosing pneumonia by history and physical examination. JAMA 1997; 278: 1440-5. Journal of the American Medical Association
  9. Perrier A, Roy PM, Aujesky D, Chagnon I, Howarth N, Gourdier AL, et al. Diagnosing pulmonary embolism in outpatients with clinical assessment, d-dimer measurement, venous ultrasound, and helical computed tomography: a multicenter management study. Am J Med 2004; 116: 291-9. PubMed
  10. Miniati M, Prediletto R, Formichi B, Marini C, Di Ricco G, Tonelli L, et al. Accuracy of clinical assessment in the diagnosis of pulmonary embolism. Am J Respir Crit Care Med 1999; 159: 864-71. PubMed
  11. Der Arzneimittelbrief, Die Therapie der Perikarditis, Der Arzneimiitelbrief, 2013,47:81 www.der-arzneimittelbrief.de

Autoren

  • Heidrun Bahle, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
  • Terje Johannessen, professor i allmennmedisin, Institutt for samfunnsmedisinske fag, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, Trondheim
  • Gerdt Riise, Dozent und Oberarzt, Abteilung für Lungenmedizin, Sahlgrenska Universitätsklinik, Göteborg (Medibas)

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