Bakterielle Meningitis

Zusammenfassung

  • Definition:Eine bakterielle Meningitis bzw. Meningoenzephalitis ist eine schwerwiegende Infektion der Hirnhäute (Meningen) und des Hirngewebes (Enzephalon).
  • Häufigkeit:Hohe regionale Variabilität. 1–3 Fälle pro 100.000 Einw. pro Jahr in Europa. Inzidenz der Meningokokken-Meningitis < 0,4 Fälle pro 100.000 Einw. pro Jahr in Deutschland.
  • Symptome:Klassische Symptome umfassen hohes Fieber, Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen und Meningismus; ggf. Bewusstseinsstörung, Verwirrtheit, epileptische Anfälle, Hirnnervenausfälle.
  • Befunde:Meningismus, Fieber, reduzierter Allgemeinzustand, Vigilanzminderung, Hirnnervenausfälle, Sepsis, Schock, petechiales Hautexanthem als Hinweis auf Meningokokken.
  • Diagnostik:Lumbalpunktion und Liquordiagnostik, Blutkulturen, Routinelabor, zytologischer oder kultureller Erregernachweis, zerebrale Bildgebung (CT/MRT), ggf. weitere Diagnostik.
  • Therapie:Stationäre, ggf. intensivmedizinische Therapie. Frühzeitige, initial empirische Antibiotikatherapie entscheidend. Supportive Maßnahmen und Behandlung von Komplikationen. Erkrankung abhängig vom Erreger impfpräventabel.

Prüfungsrelevant für die Facharztprüfung Allgemeinmedizin1

Allgemeine Informationen

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der gesamte Artikel auf diesen Referenzen.2-4

Definition

  • Die bakterielle Meningitis bzw. Meningoenzephalitis ist eine akute, eitrige Entzündung der Hirnhäute (Meningen) sowie ggf. des Hirngewebes (Enzephalitis).
    • schwerwiegende Erkrankung mit hoher Letalität (15–20 %)
  • Die häufigsten bakteriellen Erreger bei Erwachsenen sind Pneumokokken, Meningokokken und Listerien.
    • effektive Impfungen gegen Pneumokokken und Meningokokken
  • Klinische Leitsymptome sind Kopfschmerzen, Meningismus und Fieber.
    • oft schwer beeinträchtigter Allgemeinzustand und Sepsis
  • Notfalldiagnostik mit klinisch-neurologischer Untersuchung, Liquor- und Erregerdiagnostik sowie zerebraler Bildgebung
  • Eine frühzeitige, ggf. empirische, antibiotische Therapie ist entscheidend für den Therapieerfolg.

Häufigkeit

  • Eine bakterielle Meningitis ist seltener als virale Meningitiden.
  • Hohe Variabilität der globalen Inzidenz nach Erreger und Region
    • Inzidenz in Europa etwa 1–3/100.000 pro Jahr
    • in Industrienationen fallende Inzidenz
  • Häufigkeit der invasiven Meningokokken-Infektionen (meldepflichtig)
    • 138 Fälle, Inzidenz < 0,4/100.000 in Deutschland im Jahr 20195
      • 2/3 davon mit Meningitis, 2/3 mit Sepsis, 31 % mit Meningitis und Sepsis
    • in Europa Inzidenz 0,5–5/100.000 pro Jahr6
  • Häufigkeit der Meningitis durch Listerien (meldepflichtig)
    • 48 Fälle mit Meningitis/Enzephalitis in Deutschland im Jahr 20205
  • Häufigkeit der Meningitis durch Haemophilus influenzae (1–3 % aller bakteriellen Meningitiden)
    • Durch Einführung der Impfung ist die Erkrankung um mehr als 99 % gesunken.

Ätiologie und Pathogenese

Infektionswege

  • Hämatogen
    • vermutlich Haupteintrittspforte
    • mehrstufiger Prozess mit Kolonisation (v. a. Respirationstrakt), Invasion und Replikation in der Blutbahn und Übertreten der Blut-Hirn-Schranke
    • z. B. bei Pneumokokken-Pneumonie
  • Direkt (per continuitatem)

Erreger

  • Streptococcus pneumoniae (Pneumokokken)
    • Der Übertragungsweg ist am häufigsten eine von kolonisierten Schleimhäuten des Nasopharynx ausgehende Invasion der Blutbahnen und des ZNS.
      • Eine interkurrente oder kürzlich aufgetretene Pharyngitis, Bronchitis oder Pneumonie kann die Schleimhaut anfällig machen.
      • Eine rezeptorvermittelte Endozytose ermöglicht die Passage durch Epithelzellen und die Blut-Hirn-Schranke.
    • Es kann zu einer direkten Invasion des ZNS über eine Sinusitis oder Otitis media kommen.
    • Eine direkte Inokulation kann bei einem neurochirurgischen Eingriff, durch Traumata oder ein Liquorleck geschehen.
    • Auch eine septische Embolisation von Mikroben von einem anderen Infektionsfokus (Endokarditis) aus ins ZNS kommt vor.
  • Neisseria meningitidis (Meningokokken)
    • Die Übertragung erfolgt am häufigsten durch eine Invasion der Blutbahnen und des ZNS von kolonisierten Schleimhäuten des Nasopharynx aus.
  • Haemophilus influenzae Typ B (Hib)
    • Die Übertragung erfolgt am häufigsten durch eine Invasion der Blutbahnen und des ZNS von kolonisierten oder infizierten Schleimhäuten des Pharynx aus.
    • Vor Einführung des Impfstoffes verursachte Haemophilus influenzae schwere Infektionen wie Epiglottitis, Meningitis, Pneumonie und Sepsis.
  • Listeria monocytogenes
    • Der genaue Übertragungsweg ist bisher noch unklar.
    • atypische Manifestation als Hirnstammenzephalitis mit Hirnstammsyndrom und hoher Mortalität beschrieben
  • Staphylokokken
    • Die Übertragung erfolgt am häufigsten durch eine Bakteriämie, aber auch die direkte Inokulation im Falle von Traumata, Fremdkörpern und bei Eingriffen ist möglich.
    • Sowohl Staph. aureus als auch andere Staphylokokken können sich sehr effektiv an der Oberfläche von Fremdkörpern festsetzen.
  • Streptococcus agalactiae (beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe B)
    • Am häufigsten sind Neugeborene einige Tage nach der Geburt betroffen. Die Übertragung erfolgt am häufigsten durch kolonisierte Schleimhäute im Urogenitalsystem der Mutter.
    • Bis zu 30 % der Neugeborenen mit manifester bakterieller Meningitis weisen Zeichen einer gleichzeitigen Infektion der oberen Atemwege auf.
    • Siehe Artikel B-Streptokokken in der Schwangerschaft.
  • Gramnegative Stäbchenbakterien
    • U. a. E. coli zählt ebenfalls zu den häufigeren Erregern der Neugeborenenmeningitis.

Häufigste Erreger nach Altersgruppe7

  • Neugeborene und Säuglinge < 6 Wochen
    • beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe B: 50–60 %
    • Enterobacteriaceae (z. B. E. coli, Klebsiella, Enterobacter, Proteus)
    • Listeria monocytogenes: 0–3,5 %
  • Säuglinge > 6 Wochen und Kinder
    • Neisseria meningitidis (Meningokokken): 38–56 %
    • Streptococcus pneumoniae (Pneumokokken): 34–46 %
    • Haemophilus influenzae (bei nicht geimpften Kindern): 2–12 %
  • Erwachsene
    • Streptococcus pneumoniae (Pneumokokken): 37–59 %
    • Neisseria meningitidis (Meningokokken): 24–43 %
    • Listeria monocytogenes: 0,8–10 %

Prädisponierende Faktoren

  • Risikofaktoren für eine bakterielle Meningitis
    • Vorerkrankungen
    • erhöhte Trägerfrequenz von pathogenen Keimen im Pharynx
      • Aufenthalt in Institutionen (Schule, Pflegeeinrichtungen usw.)
      • Aufenthalt in Regionen mit endemischem Meningokokken-Vorkommen (Meningokokkengürtel)
      • Kontakt mit einem Indexfall mit bakterieller Meningitis
      • Rauchen
    • Veränderung der Schleimhaut im Respirationstrakt
      • Infektion der Schleimhaut im Nasopharynx in den unteren Atemwegen oder im Mittelohr
      • Erkrankungen mit laufender Nase (Rhinorrhö) und Sekretion der Ohren (Otorrhö)
    • erhöhtes Risiko für eine Bakteriämie
      • Drogenmissbrauch mit Injektionen

ICPC-2

  • N71 Meningitis

ICD-10

  • Nach ICD-10-GM Version 20228
    • G00: Bakterielle Meningitis, anderenorts nicht klassifiziert
      • G00.0 Meningitis durch Haemophilus influenzae
      • G00.1 Pneumokokkenmeningitis
      • G00.2 Streptokokkenmeningitis
      • G00.3 Staphylokokkenmeningitis
      • G00.8 Sonstige bakterielle Meningitis
      • G00.9 Bakterielle Meningitis, nicht näher bezeichnet
    • G01: Meningitis bei andernorts klassifizierten bakteriellen Krankheiten. Meningitis (bei) (durch):
      • Anthrax [Milzbrand] (A22.8+)
      • Gonokokken (A54.8+)
      • Leptospirose (A27.-+)
      • Listerien (A32.1+)
      • Lyme-Krankheit (A69.2+)
      • Meningokokken (A39.0+)
      • Neurosyphilis (A52.1+)
      • Salmonelleninfektion (A02.2+)
      • Syphilis, konnatal (A50.4+)
      • Syphilis, sekundär (A51.4+)
      • tuberkulös (A17.0+)
      • Typhus abdominalis (A01.0+)
    • G03.9 Meningitis, nicht näher bezeichnet

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Die bakterielle Meningitis ist ein medizinischer Notfall.
    • schnelle Diagnostik und Therapieeinleitung erforderlich7
  • Klinische Symptomatik einer Meningitis bzw. Enzephalitis
  • Entzündliche Veränderungen im Liquor7
    • granulozytäre Liquorpleozytose, Laktaterhöhung und Glukoseverminderung
  • Diagnosesicherung durch Erregernachweis im Liquor oder Blut

Differenzialdiagnosen

Anamnese

Klinische Untersuchung

  • Die klinischen Befunde sollten schnell erhoben werden, ohne unnötig Zeit zu verlieren.9
  • Vitalparameter (Herzfrequenz, Blutdruck, Temperatur, Atemfrequenz)
  • Allgemeine körperliche Untersuchung
    • Auskultation von Herz und Lunge
    • Hautveränderungen
      • makulopapulöses Exanthem, Petechien, Ekchymosen, Purpura, Hautnekrosen (v. a. bei Meningokokken, auch bei Streptokokken, Pneumokokken, Listerien, Hib)
      • bei Meningokokken-Meningitis oft Herpes labialis (ausgedehnt)
    • Racheninspektion (Pharyngitis, Tonsillitis)
    • Otoskopie (eitriger Ausfluss? Otitis media?)
    • Druckschmerz/Schwellung retroaurikulär (Mastoiditis)
  • Neurologische Untersuchung
    • Vigilanzminderung (Glasgow Coma Scale)
    • Orientierung (Zeit, Ort, Person, Situation)
    • Meningismus (schmerzhafte Nackensteifigkeit bei passiver Kopfneigung)
    • weitere meningeale Reizzeichen
      • Brudzinski-Zeichen: reflektorische Beugung der Beine bei Anheben des Kopfes
      • Kernig-Zeichen: reflektorische Beugung der Kniegelenke bei Anheben der gestreckten Beine
    • Hirnnervenausfälle (v. a. III., VI., VII. und VIII. Hirnnerv)
    • Sprach- oder Sprechstörungen
    • motorische oder sensible Defizite
  • Möglichst frühzeitig HNO-ärztliche Untersuchung
  • Spezialdiagnostik

Ergänzende Untersuchungen im Krankenhaus

Vorgehen der Notfalldiagnostik und -therapie7,9

  • Bei bakterieller Meningitis Vorgehen abhängig vom klinischen Zustand
    • Patient*innen ohne Bewusstseinsstörung bzw. fokal-neurologischem Defizit
      1. Lumbalpunktion und Liquordiagnostik (Kontraindikationen s. unten) sowie Blutkulturen
      2. frühe empirische Antibiotikatherapie und Glukokortikoide
      3. zerebrale Bildgebung
    • Patient*innen mit Bewusstseinsstörung bzw. fokal-neurologischem Defizit
      1. Blutkulturen
      2. frühe empirische Antibiotikatherapie und Glukokortikoide
      3. zerebrale Bildgebung
      4. Lumbalpunktion und Liquordiagnostik (Kontraindikationen s. u.)
  • Kontraindikationen für eine Lumbalpunktion7
    • erhöhter Hirndruck
    • Blutungsneigung (z. B. Thrombozyten < 50.000/µl, INR > 1,8)
    • Infektion im Verlauf des Punktionswegs
    • Schwangerschaft
  • Bildgebende Diagnostik
    • Empfehlung zur zerebralen Bildgebung innerhalb von 24 Stunden nach Krankenhausaufnahme (CT oder MRT)
      • oft notfallmäßige CT-Bildgebung, ggf. MRT im Verlauf
      • Nachweis intrakranieller Komplikationen der Meningoenzephalitis
      • z. B. Zeichen eines erhöhten intrakraniellen Drucks
      • Hinweise auf einen entzündlichen Fokus oder eine Eintrittspforte

Indikationen zur Klinikeinweisung

  • Bei Verdacht auf eine Meningitis oder Enzephalitis unverzügliche Krankenhauseinweisung

Therapie

Therapieziele

  • Eine frühzeitige Therapie ist entscheidend für die Prognose.
  • Letalen Verlauf verhindern.
  • Infektion sanieren.
  • Komplikationen (z. B. Sepsis) und Folgeschäden (z. B. Hörverlust) verhindern.

Allgemeines zur Therapie

  • Präklinische Stabilisierung der Vitalparameter
    • bei manifester Hypotonie Flüssigkeitssubstitution
    • bei Hypoxie bzw. Dyspnoe Sauerstoffgabe
  • Patient*innen mit bakterieller Meningitis sollen in der Initialphase auf einer Intensivstation behandelt werden.
    • erste Woche der Erkrankung als kritische Phase
    • Komplikationen in etwa der Hälfte der Fälle
    • Zur supportiven Therapie siehe auch Sepsisbehandlung.

Medikamentöse Therapie

  • Frühzeitiger Therapiebeginn (unmittelbar nach Lumbalpunktion bzw. Blutkulturen)7,9
    • Bei Verdacht auf eine bakterielle Meningitis soll die Antibiose innerhalb von 30 min begonnen werden.
    • ggf. Dexamethason 10 mg i. v.
      • unmittelbar vor Gabe des Antibiotikums (oder zeitgleich)10
      • bis zum Erregernachweis alle 6 Stunden wiederholen
      • bei Nachweis von Pneumokokken: über 4 Tage fortführen
      • bei Nachweis anderer Erreger: bereits begonnene Dexamethason-Therapie beenden
    • ggf. empirische antibiotische Therapie
      • z. B. bei Erwachsenen mit ambulant erworbener bakterieller Meningitis Ampicillin i. v. 6 x 2 g/d und Ceftriaxon i. v. 1 x 4 g/d

Antibiogrammgerechte Antibiotikatherapie

Behandlungsdauer

  • Bei einer bakteriellen Meningitis mit unbekanntem Erreger werden empirische Antibiotika über 10–14 Tage fortgesetzt.
  • Behandlungsdauer je nach Erreger unterschiedlich:
  • Bei fehlender klinischer Besserung innerhalb von 2 Tagen nach Beginn der Antibiotikatherapie sollen vor allem folgende Ursachen erwogen werden:
    • Auftreten von intrakraniellen Komplikationen
    • persistierender infektiöser Fokus (insbesondere ein nicht sanierter oder unzureichend operierter parameningealer Fokus, wie z. B. eine Mastoiditis, Sinusitis oder Otitis media)
    • inadäquates Antibiotikaregime (z. B. unwirksames Antibiotikum oder zu niedrige Dosis).

Weitere Therapien

Isolierung und Chemoprophylaxe

Leitlinie: Antibiotika-Prophylaxe bei engen Kontaktpersonen2

  • Eine Entscheidung über eine Antibiotika-Prophylaxe und Impfung sollte mit dem zuständigen Gesundheitsamt abgesprochen werden.
  • Eine Meningokokken-Erkrankung führt im Umfeld zu einem erhöhten Erkrankungsrisiko.
  • Eine Antibiotika-Prophylaxe kann eine evtl. Trägerschaft vermeiden oder eine Infektion in der ersten Woche nach Erkrankungsbeginn bei Familienmitgliedern oder engen Kontakten verhindern.
  • Eine Prophylaxe wird empfohlen für alle engen Kontaktpersonen und für das Pflegepersonal, das mit den respiratorischen Sekreten der Patient*innen in Kontakt kommt.
  • Eine Prophylaxe wird so schnell wie möglich durchgeführt, die mikrobiologischen Ergebnisse werden nicht abgewartet. Sinnvoll ist sie max. bis 10 Tage nach dem letzten Kontakt mit der erkrankten Person.
  • Siehe Tabelle Chemoprophylaxe der Meningokokken-Meningitis.
  • Bei Meningitis mit Streptococcus pneumoniae (Pneumokokken)
    • Die Pneumokokken-Impfung wird nur den Patient*innen empfohlen.
  • Bei Meningitis mit Neisseria meningitidis (Meningokokken)
    • Patient*innen mit Verdacht auf Meningokokken-Meningitis (z. B. petechiales Exanthem, gramnegative Kokken im Liquor) sollen sich bis 24 Stunden nach Beginn einer Antibiotikatherapie in Isolation begeben.
    • Bereits bei begründetem Verdacht auf eine Meningokokken-Meningitis muss eine Meldung an das Gesundheitsamt erfolgen.
    • postexpositionelle Prophylaxe6
      • Enge Kontaktpersonen (z. B. Haushaltsmitglieder) sollen vom Gesundheitsamt ausfindig gemacht und über das Risiko und mögliche Symptome einer Meningokokken-Erkrankung (z. B. Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen) aufgeklärt werden.
      • Eine Chemoprophylaxe ist bei engen Kontakten mit dem Indexfall in den letzten 7 Tagen vor Erkrankungsbeginn indiziert.
      • Beginn frühestmöglich nach Diagnosestellung (bis 10 Tage nach Exposition sinnvoll)
      • verwendete Antibiotika: Rifampicin, Ciprofloxacin, Ceftriaxon
      • Azitromycin als Einzeldosis von 500 mg ist ebenfalls wirksam, sollte aber wegen der bislang geringen Erfahrungswerte und zur Vermeidung von Resistenzen vor allem exponierten Schwangeren vorbehalten bleiben.
    • Bei engen Kontaktpersonen sollte nach Empfehlung der STIKO in Abstimmung mit dem Gesundheitsamt zusätzlich eine postexpositionelle Meningokokken-Impfung mit einem Impfstoff durchgeführt werden, der die entsprechende Serogruppe abdeckt.
      • Dies gilt für die Serogruppen A, C, W, Y und B.

Maßnahmen bei einem Ausbruch

  • Die STIKO definiert einen Ausbruch von Meningokokken-Erkrankungen als 2 oder mehr Erkrankungen der gleichen Serogruppe binnen 4 Wochen in einer Kindereinrichtung, Schulklasse, Spielgruppe oder einer Gemeinschaftseinrichtung.6
  • Bei einem Ausbruch erfolgt die Koordination der Maßnahmen durch das Gesundheitsamt.
    • z. B. Koordination der Antibiotikaprophylaxe, Impfprophylaxe, Einschränkungen für Versammlungen, das Sozialleben, Kindergärten, Schulen, Arbeitsplätze usw.

Meldepflicht

  • Meldepflicht entsprechend Infektionsschutzgesetz (IfSG § 6 Meldepflichtige Krankheiten)
    • Krankheitsverdacht, Erkrankung sowie Tod an Meningokokken-Meningitis oder -Sepsis sind meldepflichtig.
    • Unverzügliche, namentliche Meldung durch die feststellenden Ärzt*innen, d. h. ohne zeitliche Verzögerung, jedoch innerhalb von 24 Stunden an das Gesundheitsamt, das für den Aufenthalt der betroffenen Person zuständig ist.
  • Meldepflicht entsprechend Infektionsschutzgesetz (IfSG § 7 Meldepflichtige Nachweise von Krankheitserregern)
    • Meldung durch die Leiter*innen des untersuchenden Labors
    • Namentliche Meldung bei Krankheitserregern, die auf eine akute Infektion hinweisen.
      • Haemophilus influenzae (Meldepflicht nur für den direkten Nachweis aus Liquor oder Blut)
      • Listeria monocytogenes (Meldepflicht nur für den direkten Nachweis aus Blut, Liquor oder anderen normalerweise sterilen Substraten sowie aus Abstrichen von Neugeborenen)
      • Neisseria meningitidis (Meldepflicht nur für den direkten Nachweis aus Liquor, Blut, hämorrhagischen Hautinfiltraten oder anderen normalerweise sterilen Substraten sowie aus Abstrichen von Neugeborenen)

Impfung/Prävention

  • Siehe auch TrainAMed Impfen (Uni Freiburg).
  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der gesamte Abschnitt auf den Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (Stand März 2022).11

Haemophilus influenzae Typ b (Hib)

  • Grundimmunisierung
    • reife Neugeborene
      • Beginn der Grundimmunisierung im Alter von 2 Monaten
      • Für die Sechsfach-Impfung, bei der gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Polio, Haemophilus influenzae Typ b und Hepatitis B immunisiert wird, empfiehlt die STIKO ein 2+1-Schema mit Impfungen im Alter von 2, 4 und 11 Monaten.
    • Frühgeborene (vor der 37. Schwangerschaftswoche)
      • aufgrund des noch nicht ausgereiften Immunsystems 3+1-Impfschema, mit 4 Impfstoffdosen im Alter von 2, 3, 4 und 11 Monaten
  • Nachholimpfungen
    • im 1. Lebensjahr
      • Mindestabstand 2 Monate nach Erstimpfung, 6 Monate nach zweiter Dosis
    • Ungeimpfte nach vollendetem 1. Lebensjahr
      • nur noch eine Impfstoffdosis erforderlich
  • Nach der Einführung eines Impfstoffs ist die Inzidenz der Meningitis mit Haemophilus influenzae Typ B auf wenige Einzelfälle gesunken.
    • Infektionen betreffen heute vor allem nichtgeimpfte Kinder.

Streptococcus pneumoniae (Pneumokokken)

  • Siehe auch den Artikel zu Pneumokokken-Infektionen.
  • Grundimmunisierung im Säuglingsalter (ab Alter von 2 Monaten)
    • 2 Impfstoffdosen Pneumokokken-Konjugatimpfstoff im Abstand von 8 Wochen
    • Bei Frühgeborenen 3 Impfstoffdosen ab dem chronologischen Alter von 2 Monaten im Abstand von jeweils 4 Wochen. Die Grundimmunisierung wird mit einer weiteren Dosis im Alter von 11–14 Monaten und mit einem Mindestabstand von 6 Monaten zur vorausgegangenen Impfung abgeschlossen.
  • Nachholimpfungen
    • im 1. Lebensjahr
      • Mindestabstand 2 Monate nach Erstimpfung, 6 Monate nach 2. Dosis
    • im 2. Lebensjahr
      • Mindestabstand 8 Wochen nach Erstimpfung, keine 3. Dosis erforderlich
  • Standardimpfung für Senior*innen (Personen ≥ 60 Jahre)
    • empfohlene einmalige Standardimpfung mit dem 23-valenten Polysaccharid-Impfstoff (PPSV23)
  • Zusätzlich Indikationsimpfungen für Personen mit bestimmten Risikofaktoren für schwere Pneumokokken-Erkrankungen (siehe dort)
  • Aufgrund der begrenzten Dauer des Impfschutzes Wiederholung der Impfung mit PPSV23 in allen Risikogruppen mit einem Mindestabstand von 6 Jahren
  • Die Inzidenz der bakteriellen Meningitis nach der Einführung des Impfstoffs wurde um etwa 30 % reduziert, dabei war der stärkste Rückgang bei Kindern zu verzeichnen.

Neisseria meningitidis (Meningokokken)

  • Meningokokken der Serogruppe B
    • Laut STIKO ist die Evidenz für eine abschließende Entscheidung über eine generelle Impfempfehlung zur Meningokokken-B-Impfung noch nicht ausreichend.12
    • Impfung bei Personen mit spezifischen Grundkrankheiten nach individueller Risikoabschätzung
  • Meningokokken der Serogruppe C
    • Empfehlung zur Impfung für alle Kinder im 2. Lebensjahr
    • Eine fehlende Impfung soll bis zum 18. Geburtstag nachgeholt werden.
    • Auffrischimpfung derzeit nicht von der STIKO empfohlen
  • Impfung gegen Meningokokken der Serogruppen A, C, W und Y
    • 4-valenter ACWY-Konjugatimpfstoff, zusätzlich zum Meningokokken-B-Impfstoff, empfohlen bei bestimmten Indikationen (z. B. Personen mit Immundefizienz, Reisende, exponiertes Laborpersonal)

Schutzimpfung bei Reisen

  • STIKO-Indikationen für Reiseimpfungen gegen Meningokokken (ACWY-Impfung)13
  • Reisende in Länder mit epidemischem/hyperendemischen Vorkommen, besonders bei engem Kontakt zur einheimischen Bevölkerung (z. B. Entwicklungshelfer*innen, medizinisches Personal, bei Langzeitaufenthalt)
    • für Pilger nach Mekka14
      • ACWY-Impfung muss von allen Pilgern ab dem 2. Lebensjahr bei der Einreise nach Saudi-Arabien nachgewiesen werden.
    • Schüler*innen/Studierende vor Langzeitaufenthalten in Ländern mit empfohlener allgemeiner Impfung entsprechend den Empfehlungen der Zielländer
    • WHO- und Länderhinweise beachten.
  • Wiederholte Epidemien von Meningokokken-Meningitis in einer zentralafrikanischen Region, dem sog. „Meningitisgürtel“4

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Meist abrupter Beginn und schnelle Verschlechterung der klinischen Symptome
    • meist Krankenhauseinweisung innerhalb von 24 Stunden
  • Stationäre, ggf. intensivmedizinische Therapie
  • Schwere Erkrankung mit hoher Rate von Mortalität, Komplikationen und Spätfolgen

Komplikationen

Leitlinie: Komplikationen der bakteriellen Meningitis2

Akutphase

  • Etwa die Hälfte der erwachsenen Patient*innen entwickelt in der Akutphase der Erkrankung Komplikationen unterschiedlichen Schweregrades.
    • die erste Woche der Erkrankung als kritische Zeit
    • intensivstationäre Behandlung sinnvoll

Neurologische Komplikationen

Extrakranielle Komplikationen

Waterhouse-Friderichsen-Syndrom

Prognose

  • Unbehandelt fast immer letaler Verlauf
  • Die Mortalität ist abhängig vom Erreger der Meningitis.
    • Pneumokokken-Meningitiden: 15–20 %
    • Listerien-Meningitiden: 20–30 %
    • Meningokokken-Meningitiden: 3–10 %
  • Prognostische Faktoren
  • Residuen bzw. Folgeschäden

Verlaufskontrolle

  • Klinische Kontrollen nach überstandener bakterieller Meningitis sollten zusammen mit Untersuchungen hinsichtlich der Folgeschäden durchgeführt werden.
    • Hörstörungen werden mit Audiometrie evaluiert.
    • Bei Kindern mit Hydrozephalus sollten regelmäßige Kopfumfangsmessungen durchgeführt und Anzeichen von Drucksymptomen dokumentiert werden.
    • Eine strukturelle Epilepsie als Spätfolge erfordert eine Beurteilung mittels EEG und ggf. eine antikonvulsive Therapie.
    • Die Maßnahmen sollten bei Folgeschäden ergriffen werden, die man beeinflussen kann, z. B. neuropsychologische Folgeschäden wie Schlafstörungen.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Video

Illustrationen

3248-2-meningitt-petekkier.jpg
Petechien bei Meningokokkensepsis
Nahaufnahmen von Petechien und Ekchymose
Nahaufnahmen von Petechien und Ekchymose
Hirnabszess
Hirnabszess
Hirnabszess
Hirnabszess
Falls Sie nach Krankheitszeichen auf dunkler Haut suchen, siehe Mind the Gap: hier im Besonderen das Bild Meningococceal disease.

Quellen

Leitlinien 

  • Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). Lumbalpunktion und Liquordiagnostik. AWMF-Leitlinie Nr. 030-141. S1, Stand 2019. www.awmf.org

Literatur

  1. Lohnstein M, Eras J, Hammerbacher C. Der Prüfungsguide Allgemeinmedizin - Aktualisierte und erweiterte 3. Auflage. Augsburg: Wißner-Verlag, 2018.
  2. Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Meningoenzephalitis im Erwachsenenalter, ambulant erworbene bakterielle (eitrige). AWMF-Leitlinie Nr. 030-089. Stand 2015 (abgelaufen). www.awmf.org
  3. Rauer S, Bogdan C, Huzly D et al. Bakterielle Meningitis/Meningoenzephalitis. In: Hufschmidt A, Lücking C, Rauer S et al., ed. Neurologie compact. 7. Auflage. Stuttgart: Thieme, 2017.
  4. van de Beek D, Brouwer M, Hasbun R, Koedel U, Whitney CG, Wijdicks E. Community-acquired bacterial meningitis. Nat Rev Dis Primers. 2016 Nov 3;2:16074. doi: 10.1038/nrdp.2016.74 Review. PubMed PMID: 27808261 www.ncbi.nlm.nih.gov
  5. Robert Koch-Institut. Infektionsepidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten. www.rki.de
  6. Robert Koch-Institut (RKI): Meningokokken, invasive Erkrankungen (Neisseria meningitidis) RKI-Ratgeber, Stand: 04.06.2021, abgerufen am 23.03.2022 www.rki.de
  7. Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). Lumbalpunktion und Liquordiagnostik. AWMF-Leitlinie Nr. 030 - 141, Stand 2019. www.awmf.org
  8. Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI): ICD-10-GM Version 2022. Stand 17.09.2021; letzter Zugriff 23.03.2022 www.dimdi.de
  9. Riessen, R; Möckel, M. DGIM: Klug entscheiden: ... in der Notaufnahme (2). Dtsch Arztebl. 2019; 116: A-891 / B-734 / C-722. www.aerzteblatt.de
  10. Brouwer MC, McIntyre P, Prasad K, van de Beek D. Corticosteroids for acute bacterial meningitis. Cochrane Database Syst Rev. 2015 Sep 12;(9):CD004405. doi: 10.1002/14651858.CD004405.pub5 Review. PubMed PMID: 26362566 PubMed Central PMCID: PMC6491272. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  11. Robert Koch-Institut. Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO). www.rki.de
  12. Aktualisierte Stellungnahme der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI). Stand der Bewertung einer Impfung gegen Meningokokken der Serogruppe B. Epid Bull 2018; 3:35-44. DOI 10.17886/EpiBull-2018-003.1 www.rki.de
  13. Robert Koch-Institut. Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) zu Reiseimpfungen. www.rki.de
  14. Bäurle A. Ärzte, aufgepasst - Diese Impfungen sollten Mekka-Pilger haben. Ärztezeitung 19.07.2019 www.aerztezeitung.de

Autor*innen

  • Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
  • Jonas Klaus, Arzt, Freiburg im Breisgau
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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