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Parvovirusinfektion

Zusammenfassung

  • Definition:Zu den durch das Parvovirus B19 ausgelösten Infektionen zählen die Ringelröteln („Fünfte Krankheit“), die transiente aplastische Krise, die chronische Erythrozytenaplasie, das Handschuh-Socken-Syndrom und der Hydrops fetalis bei einer Infektion in der Schwangerschaft.
  • Häufigkeit:Parvovirus-B19-Infektionen sind häufig und weltweit verbreitet, die meisten Menschen infizieren sich im Kindesalter mit dem Virus. Saisonale Häufungen sind im Spätwinter oder Frühling zu beobachten.
  • Symptome:Eine Infektion mit dem Parvovirus B19 ruft bei Kindern meist ein klassisches Exanthem sowie unspezifische, grippeähnliche Symptome hervor. Asymptomatische Verläufe sind häufig.
  • Befunde:Die klinischen Befunde sind abhängig von dem jeweiligen Krankheitsbild.
  • Diagnostik:Sollten labordiagnostische Maßnahmen erforderlich sein, so kann auf B19-spezifische Antikörper getestet und ein Tests zur Bestimmung der Virus-DNA durchgeführt werden.
  • Therapie:Bei Bedarf kann eine symptomatische Behandlung erfolgen. In Einzelfällen sind Bluttransfusionen oder die Gabe von Immunglobulinen notwendig.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Zu den vom Parvovirus B19 ausgelösten klinischen Krankheitsbildern zählen unspezifische Erkältungssymptome, die Ringelröteln (Erythema infectiosum), Arthropathie, vorübergehende (transiente) aplastische Krise (TAC) bei Patient*innen mit Erythrozyten-Anomalien und verkürzter Erythrozyten-Lebensdauer, chronische Anämie (Pure Red Cell Aplasia) bei Personen mit angeborenen oder erworbenen Immundefekten sowie Hydrops fetalis.1
  • Darüber hinaus können Enzephalopathie, Epilepsie, Meningitis, Myokarditis, dilatative Kardiomyopathie und Autoimmun-Hepatitis im Zusammenhang mit einer Parvovirus-B19-Infektion stehen.2

Häufigkeit

  • Parvovirus-B19-Infektionen sind häufig und weltweit verbreitet, die meisten Menschen infizieren sich im Alter von unter 15 Jahren mit dem Virus.3
  • Saisonale Häufungen sind im Spätwinter oder Frühling zu beobachten.
  • Epidemien treten mit einer Periodizität von etwa 4–5 Jahren auf.1 
  • Durchseuchung (Deutschland):
    • Kinder (4–6 Jahre) 35 %
    • Kinder (7–10 Jahre) 50 %
    • junge Erwachsene (18–25 Jahre) 65 %
    • ältere Erwachsene (65–75 Jahre) 80 %
    • Frauen (gebärfähiges Alter) 69–72 %.4
  • Nach einer neuen Studie haben in Deutschland 10–20 % der Kinder unter 3 Jahren eine Infektion durchgemacht.1
  • Untersuchungen bei Blutspendern weisen im Durchschnitt eine 60-prozentige Durchseuchung nach. Ausgehend von den dokumentierten Infektionsraten bei B19-negativen Frauen bzw. bei Schwangeren, kann man schätzen, dass bis zu 0,5–1 % der Blutspender*innen im Jahr neu infiziert werden.1

Ätiologie und Pathogenese

  • Die Übertragung erfolgt in der Regel durch Tröpfcheninfektion, das Parvovirus B19 kann aber auch über Blut oder vertikal von der Mutter zum Fetus übertragen werden.
  • Das Infektionsrisiko beträgt etwa 50 % für Menschen, die mit infizierten Personen zusammenleben, sowie ca. 20–30 % für Personen, die täglich dem Kontakt zu potenziell infizierten Kindern ausgesetzt sind (z. B. Lehrer*innen, Betreuer*innen in Kindertagesstätten).
  • Die Inkubationszeit beträgt 4–14 Tage, kann sich aber auch auf bis zu 21 Tage erstrecken.3
  • Infektiosität besteht ca. 1 Woche vor und 1 Woche nach Erkrankungsbeginn.4
  • Sobald der typische Hautausschlag auftritt, ist die Infektion nicht mehr ansteckend, da keine Virämie mehr vorliegt.
  • Die meisten Symptome treten aufgrund von Immunkomplex-Bildung auf.

Virologie

  • Das Parvovirus B19 ist das kleinste bekannte humanpathogene DNS-Virus, es besteht aus Einzelstrang-DNS.
  • Aufgrund der fehlenden Lipidhülle ist es resistent gegenüber physikalischer Inaktivierung durch Hitze oder Desinfektionsmittel. Viruzide Desinfektionsmittel werden empfohlen.5
  • Umweltstabilität: Untersuchungen mit tierpathogenen Parvoviren zeigen den Erhalt der Infektiosität in der Umwelt über mehrere Tage bis Wochen.4
  • Das Virus attackiert und infiziert zytopathisch die schnell wachsenden erythropoetischen Vorläuferzellen im Knochenmark, in der Leber des Fetus, in der Nabelschnur und im peripheren Blut.6
  • Zu diesem Zweck heftet es sich an einen P-Antigenrezeptor. Das P-Antigen ist auf Erythroblasten und Megakaryozyten sowie auf Endothelzellen und fetalen Myokardzellen zu finden.1

ICPC-2

  • A76 Virales Exanthem NNB, andere
  • A77 Virale Erkrankung NNB, andere

ICD-10

  • B08 Sonstige Virusinfektionen, die durch Haut- und Schleimhautläsionen gekennzeichnet sind, anderenorts nicht klassifiziert
    • B08.3 Erythema infectiosum [Fünfte Krankheit]

Klinische Krankheitsbilder

Erythema infectiosum (Ringelröteln, Fünfte Krankheit)

  • Ist die bekannteste Manifestation der Parvovirus-B19-Infektion.
  • Die Erkrankung tritt überwiegend bei Kindern im Alter von 4–10 Jahren auf, diskrete Hautausschläge sind auch bei Erwachsenen möglich.
  • Die Prodromalsymptomatik ist mild ausgeprägt und umfasst Fieber, grippeähnliche Symptome, Kopfschmerzen und Übelkeit.
  • Slapped Cheek Syndrome: Der Ausschlag heilt in der Regel nach 1–6 Wochen folgenlos ab. Je nach Wärme- und Sonnenlicht-Exposition kann er in seiner Intensität variieren und auch nach Monaten wieder aufflammen.
    Der Ausschlag beginnt in der Regel als hochroter Ausschlag auf den Wangen.
    Ringelröteln
  • Das typische Exanthem verläuft in 3 Phasen:
    1. Die erste Phase zeigt sich als typisches Wangenerythem mit perioraler Blässe (Slapped Cheek Syndrome, Backpfeifengesicht).
    2. Die zweite Phase beginnt nach 1–4 Tagen und zeigt auf Rumpf und Extremitäten ein makulopapulöses Exanthem. Zentrale Abblassungen sind möglich, wodurch sich ein netzartiges oder auch „geringeltes“ Erscheinungsbild ergibt.5 Dieses Stadium kann bis zu 6 Wochen dauern.
      Der Ausschlag verblasst mit der Zeit, geht aber zugleich in ein netzartiges Muster über.
      Ringelröteln
    3. Die dritte Phase dauert erneut bis zu 3 Wochen, der Ausschlag kann verblassen, bei Anstrengung, Hitze oder Sonnenlicht aber auch wieder aufflammen. Er heilt schließlich folgenlos ab.

Arthropathie

  • Kann als Komplikation beim Erythema infectiosum oder als primäre Manifestation einer Parvovirus-B19-Infektion auftreten.
  • Annähernd 10 % aller infizierten Kinder klagen über Gelenkschmerzen, deutlich häufiger (bei bis zu 60 % der Betroffenen) treten entsprechende Beschwerden allerdings bei Jugendlichen und Erwachsenen auf.
  • Die Arthropathie ist bei Frauen doppelt so häufig wie bei Männern.
  • Das Arthropathie-Muster unterscheidet sich bei Erwachsenen und Kindern:
    • Bei Erwachsenen ist es symmetrisch und polyartikulär ausgeprägt, oftmals mit Beteiligung der proximalen Interphalangeal- und Metakarpophalangealgelenke. Knie, Handgelenke und Knöchel sind eher selten betroffen. Die Arthropathie geht normalerweise im Laufe von 3 Wochen zurück, kann allerdings insbesondere bei Frauen auch Monate oder gar Jahre anhalten.
    • Bei Kindern kann die Arthropathie sowohl symmetrisch als auch asymmetrisch auftreten und umfasst in der Regel auch Knie (ca. 80 %) und Knöchel.
  • Bei einigen Patient*innen fallen die Tests auf Rheumafaktor und antinukleäre Antikörper positiv aus.
  • Zwischen der Parvovirus-Arthropathie und anderen rheumatischen Erkrankungen sowie Virusarthropathien existiert eine signifikante Symptomüberlappung.5

Transiente aplastische Krise

  • Bei Menschen mit einer niedrigen Erythrozytenzahl aufgrund von Eisenmangel, HIV-Infektion, Sichelzellanämie, Sphärozytose oder Thalassämie ist das Risiko für eine transiente aplastische Krise infolge einer Parvovirus-B19-Infektion erhöht.
  • Das Virus kann einen vorübergehenden Stillstand in der Produktion von roten Blutkörperchen verursachen.
  • Die transiente aplastische Krise manifestiert sich durch Anämie, Retikulozytopenie, Aplasie der roten Blutzellen. Es können Knochenmarksnekrosen auftreten.1
  • Die transiente aplastische Krise kann lebensbedrohlich sein, die meisten Patient*innen genesen jedoch innerhalb von 2 Wochen. In der Anfangsphase sind meist wiederholte Bluttransfusionen erforderlich.
  • Eine Behandlung mit Immunglobulinen kann erforderlich sein.7
  • Der Hämoglobinmangel kann zu Herzversagen, Schlaganfällen und einer akuten Schädigung der Milz führen.
  • Leukozyten- und Thrombozytenzahl können ebenfalls erniedrigt sein.8
  • Während einer aplastischen Krise sind die Patient*innen hoch ansteckend und sollten isoliert werden, um eine Ausbreitung des Virus zu verhindern.8

Chronische Erythrozytenaplasie

  • Parvovirus-B19-Infektionen können bei immunsupprimierten Personen ohne Antikörper persistieren. Es kommt zu einer dauerhaften Vermehrung des Virus im Knochenmark.1
    • Betroffen sind Patient*innen mit kongenitalen oder erworbenen Immundefekten (HIV-Infektion), Menschen mit lymphatischen Systemerkrankungen unter bzw. nach Chemotherapie sowie Patient*innen unter iatrogener Immunsuppression (z. B. nach Hochdosis-Chemotherapie, Blutstammzelltransplantationen, Organtransplantationen oder bei Behandlung von Autoimmunerkrankungen).1 
  • Hautausschlag und Arthropathie bleiben bei Immunsupprimierten aus, da sie sekundäre Veränderungen zu den Ablagerungen von Antikörper-Komplexen in Haut und Gelenken darstellen.
  • Bluttransfusionen können erforderlich sein.
  • Bei anhaltender schwerer Anämie kann eine intravenöse Immunglobulin-Therapie notwendig werden.
  • Es wird über den Einsatz von Ciclosporin A und Tacrolimus berichtet, es handelt sich aber um Einzelfälle.9
  • Eine Unterbrechung der immunsuppressiven oder antiretroviralen Therapie kann bei Patienten zur Symptomlinderung beitragen.

Handschuh-Socken-Syndrom (Gloves and Socks Syndrome)

  • Eine Infektion mit dem Parvovirus B19 kann auch einen papulösen, purpurroten Hautausschlag an Händen und Füßen verursachen.
  • Das Handschuh-Socken-Syndrom tritt primär bei jungen Erwachsenen auf und äußert sich in Form von symmetrischen, schmerzhaften oder juckenden Erythemen und ödematösen Schwellungen an Händen und Füßen.
    • Diese können im fortgeschrittenen Krankheitsverlauf purpuraähnlich erscheinen und in pruriginöse Papeln und Petechien übergehen, es können sich Bläschen oder Blasen mit Hautabstoßung bilden.10
  • Der Hautausschlag weist eine typische scharfe Begrenzung an Handgelenken und Knöcheln auf, kann auch in anderen Bereichen auftreten (Wangen, Ellbogen, Knie, Innenseiten der Oberschenkel, Glans penis, Gesäß oder Vulva).11
    • Der Allgemeinzustand der Patient*innen ist normalerweise gut, allerdings können Gelenkschmerzen und leichtes Fieber auftreten.
    • Die Symptome gehen in der Regel ohne Narbenbildung innerhalb von 1–3 Wochen zurück.
  • Das Handschuh-Socken-Syndrom kann auch im Zusammenhang mit anderen Viruserkrankungen (Hepatitis B, Zytomegalievirus, Epstein-Barr-Virus, humanes Herpesvirus 6, Masern, Coxsackievirus B) stehen oder als Reaktion auf bestimmte medikamentöse Therapien auftreten.12

Generalisierte Petechien

  • Bei einer lokalen Parvovirus-B19-Epidemie in den Vereinigten Staaten traten vermehrt Fälle von Kindern mit Petechien auf.13
  • Der Allgemeinzustand betroffener Patient*innen war insgesamt gut, die meisten hatten leichtes Fieber, einige litten unter Kopf- und Halsschmerzen.
  • Es konnte ein Zusammenhang zwischen dem Hautausschlag und der virämischen Phase des Parvovirus B19 nachgewiesen werden, unabhängig davon, ob zugleich ein Erythema infectiosum vorlag.

Embryopathie

  • Bei Schwangeren mit beruflichen Kontakten zu Kindern im Alter unter 6 Jahren und/oder bei Schwangeren, die mit Kindern im Alter unter 6 Jahren in einem Haushalt leben oder bei Schwangeren mit beruflichen Kontakten zu immunsupprimierten Patient*innen wird empfohlen, zu einem möglichst frühen Zeitpunkt in der Schwangerschaft den B19-Immunstatus zu klären.4
  • Der Test auf Parvoviren zählt nicht zu den Routineuntersuchungen während der Schwangerschaft.
    • Nichtsdestoweniger sollte der Test Schwangeren mit unklarem Immunstatus angeboten werden.14
  • Seronegative Schwangere sind empfänglich für eine B19-Infektion und müssen über die Risiken einer akuten B19-Infektion in der Schwangerschaft aufgeklärt werden.
    • Dies gilt insbesondere für Schwangere mit beruflichen oder familiären Kontakten zu unter 6-jährigen Kindern, von denen ein erhöhtes Infektionsrisiko ausgeht.4
  • Eine mütterliche Parvovirus-B19-Infektion bei nichtimmunen Schwangeren während der Schwangerschaft14 kann sich intrauterin ausbreiten und beim Fetus eine Infektion von Leber und Herz hervorrufen. Die möglichen Folgen einer solchen Infektion sind eine schwere fetale Anämie oder, bei direkter Infektion des Herzens, eine Myokarditis.
    • Die Kombination von schwerer Anämie und Myokarditis kann zu Herzversagen und Hydrops fetalis führen.4
    • Das geschätzte Risiko einer transplazentaren Infektion liegt bei ca. 30 %.
    • Das Risiko einer Totgeburt beträgt 2–6 %.
    • Das Risiko einer Fruchtschädigung ist im 1. und 2. Trimenon am höchsten.1
    • Bei frühzeitiger Diagnose der fetalen Anämie durch engmaschige sonografische Überwachung ist die Therapie des Fetus durch intrauterine Bluttransfusion möglich und meist erfolgreich.14
  • Frauen, die mit Kindern im gemeinsamen Haushalt leben, haben das höchste Risiko einer Neuinfektion während der Schwangerschaft.
  • Bei Schwangeren, die beruflich Umgang mit Kindern im Alter unter 6 Jahren haben, ist – vor allem während der ersten Berufsjahre – von einem leicht erhöhten Infektionsrisiko auszugehen.14
    • Während epidemischer Ausbrüche ist das Infektionsrisiko für alle Populations- und Berufsgruppen gleich und nicht von der direkten Exposition mit Infizierten abhängig.
    • Nach dem heutigen Wissenstand scheint ein generelles Beschäftigungsverbot für seronegative Schwangere mit beruflichem Kontakt zu Kindern nicht gerechtfertigt.14
  • In der Hausarztpraxis kann es zu Beratungsanlässen bezüglich beruflicher und familiärer Gefährdung kommen.
    • Eine individuelle Beratung und Entscheidung über eine Beschäftigungsverbot oder eine Umstrukturierung am Arbeitsplatz ist sinnvoll.
  • Schwangere, die einer möglichen Ansteckungsgefahr mit Parvovirus B19 ausgesetzt sind, sollten ggf. auf eine akute Infektion getestet werden, wobei getestet wird, ob IgM-Antikörper vorliegen oder eine Serokonversion zu IgG-Antikörpern nachgewiesen werden kann.
    • Im Falle einer akuten Infektion sollten über einen Zeitraum von 10–12 Wochen nach der Erstinfektion wiederholte Ultraschalluntersuchungen (wöchentlich oder vierzehntägig) durchgeführt werden, um die Entstehung eines Hydrops fetalis rechtzeitig zu erkennen und ihr entgegenwirken zu können. 

Weitere Krankheitsbilder

  • Im Verlauf von B19-Infektionen kann es selten zu Formen von Vaskulitis, Glomerulonephritis oder Myokarditis kommen.
  • Es wurden auch schwer verlaufende Fälle von Enzephalitis und akutem Herzversagen in Assoziation mit einer akuten B19-Infektion beschrieben, ohne dass die ätiologische Rolle des Virus bekannt ist.1 

Diagnostik

  • Ein Erythema infectiosum kann anhand des klinischen Krankheitsbildes diagnostiziert werden, Laborbefunde sind nicht erforderlich.5
  • Bei besonderen Bevölkerungsgruppen (Schwangere, Immunsupprimierte, Patient*innen mit Erythrozyten-Anomalien) soll besondere Vorsicht gelten.12
  • Bei Verdacht auf Erkrankung einer Schwangeren soll eine serologische Diagnostik erfolgen und bei bestätigter Infektion sowie bei unklarem Infektionsstatus soll an einen Spezialisten überwiesen werden.4
  • Bei immunsupprimierten Patient*innen sowie Menschen mit Erythrozyten-Anomalien sollen Blutbildkontrollen erfolgen bzw. eine niedrigschwellige Überweisung an Spezialist*innen (Hämatologie) erfolgen. Für dieses Vorgehen gibt es keine Evidenzgrundlage oder leitlinienbasierte Empfehlungen, in der Praxis scheint es sinnvoll zu sein.15

Laboruntersuchungen

  • Labordiagnostisch kann eine Infektion mit Parvovirus B19 auf zweierlei Art bestätigt werden: über den Nachweis B19-spezifischer Antikörper oder den Nachweis von Virus-DNA.
  • Der Serum-IgM-Test wird zur Bestätigung akuter Infektionen bei immunkompetenten Patient*innen empfohlen, er hat eine Sensitivität von 89 % und eine Spezifität von 99 %.
  • Negative Werte für B19-IgM können eine akute B19-Infektion nicht mit Sicherheit ausschließen, weil B19-IgM bei akuten Infektionen nur transient nachweisbar ist. B19-IgM tritt frühestens etwa 10 Tage nach Viruskontakt auf und fällt häufig bereits nach 3 Wochen unter die Nachweisgrenze ab. B19-IgG wird etwa 2 Wochen nach Viruskontakt mit ansteigender Konzentration nachweisbar.4 
  • Der positive Nachweis von IgM-Antikörpern ist kein sicherer Marker für eine akute Infektion, da die Werte bei Infektionen mit anderen Erregern aufgrund von Kreuzreaktivitäten falsch positiv ausfallen können.4 
  • Serokonversion in der Schwangerschaft: Hierzu müssen 2 Blut-/Serumproben im zeitlichen Abstand von etwa 3 Wochen gewonnen und auf ihren Gehalt an B19-IgG getestet werden; die Erstprobe muss B19-IgG negativ sein.4 
  • Bei der Diagnostik einer Parvovirus-B19-Infektion bei Patient*innen mit transienter aplastischer Krise oder bei immunsupprimierten Personen mit einer chronischen Infektion hat der Test auf Virus-DNS eine entscheidende Bedeutung. Bei diesen Patient*innen lassen sich keine IgM- oder IgG-Antikörper nachweisen, sie sind dauerhaft infektiös.8

Überweisung zu Spezialist*innen

  • Für das Vorgehen bei Patient*innen mit bekannten Erythrozyten-Veränderungen oder Immunsuppression gibt es keine Evidenzgrundlage oder leitlinienbasierte Empfehlungen, in der Praxis scheint eine Überweisung in folgenden Fällen sinnvoll zu sein:12,15
    • schwangere Patientinnen mit nachgewiesener Infektion sowie unklarem Serostatus
    • immunsupprimierte Personen mit typischer Anamnese und Blutbildveränderungen
    • Patient*innen mit bekannter Erythrozytenanomalie und bestätigter Infektion.

Therapie

  • Erythema infectiosum
    • Ist selbstlimitierend und erfordert keine spezifische Behandlung.
    • Bei Fieber oder Juckreiz kann eine symptomatische Therapie mit NSAR (z. B. Ibuprofen, Paracetamol gewichtsadaptiert) und Antihistaminika (Cetirizin, Loratadin) erfolgen.
  • Arthralgien
    • Patient*innen mit Gelenkschmerzen können NSAR benötigen.2
  • Transiente aplastische Krise
    • Erythrozytentransfusion kann erforderlich sein.1
    • Steroide können erforderlich sein (Hämatologie).
  • Chronische Erythrozytenaplasie
    • Bei sehr schlechtem Allgemeinzustand der Betroffenen kann eine intravenöse Behandlung mit Immunglobulinen notwendig sein.
  • Myokarditis
    • Während bei anderen Erregern eine Therapie mit Interferon indiziert ist, scheint der Effekt von Interferon bei einer kardialen Parvovirusinfektion mit hoher Viruslast wenig wirksam zu sein.
  • Hydrops fetalis 
    • intrauterine Erythrozytentransfusion bei fetaler Anämie
    • Bei fetaler Thrombozytopenie kann eine Thrombozytentransfusion in Erwägung gezogen werden.
    • Eine Therapie mit Standard-Immunglobulin-Präparaten wird nicht empfohlen.4

Prävention

  • Hygienische Händedesinfektion, häufiges Händewaschen bei Kontakt mit Kleinkindern
  • Es gibt Projekte zur Entwicklung eines Impfstoffs. Jedoch wird die Weiterentwicklung des Impfstoffs zurzeit vonseiten der Impfstoffhersteller nicht vorangetrieben. Ein Impfstoff wird daher in absehbarer Zukunft nicht zur Verfügung stehen.1,16

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Der Ausschlag verblasst mit der Zeit, geht aber zugleich in ein netzartiges Muster über.
Ringelröteln: Der Ausschlag verblasst mit der Zeit, geht aber zugleich in ein netzartiges Muster über.

 

Der Ausschlag beginnt in der Regel als hochroter Ausschlag auf den Wangen.
Ringelröteln: Der Ausschlag beginnt in der Regel als hochroter Ausschlag auf den Wangen.

 

Quellen

Leitlinien

  • Gesellschaft für Virologie. Labordiagnostik schwangerschaftsrelevanter Virusinfektionen. AWMF-Leitlinie Nr. 093-001. S2k, Stand 2014 (in Überarbeitung). www.awmf.org

Literatur

  1. Robert-Koch-Institut. Parvovirus B 19. Stellungnahme des Arbeitskreis Blut. Bundesgesundheitsblatt 2010. 53:944–956. www.rki.de
  2. Heegaard ED, Brown KE. Human parvovirus B19. Clin Microbiol Rev 2002; 15: 485-505. PubMed
  3. Servey JT, Reamy BV, Hodge J. Clinical presentations of parvovirus B19 infection. Am Fam Physician 2007; 75: 373-6. PubMed
  4. Gesellschaft für Virologie. Labordiagnostik schwangerschaftsrelevanter Virusinfektionen. AWMF-Leitlinie Nr. 093-001, Stand 2014. Abgelaufen 31.3.2019, derzeit in Überarbeitung. Zugriff 27.11.2019. www.awmf.org
  5. Young NS, Brown KE. Parvovirus B19. N Engl J Med 2004; 350: 586-97. New England Journal of Medicine
  6. Srivastava CH, Zhou S, Munshi NC, Srivastava A. Parvovirus B19 replication in human umbilical cord blood cells. Virology 1992; 189: 456-61. PubMed
  7. Intravenous Immunoglobulin Therapy for Pure Red Cell Aplasia Related to Human Parvovirus B19 Infection: A Retrospective Study of 10 Patients and Review of the Literature. Crabol Y, Terrier B, Rozenberg F, Pestre V, Legendre C, Hermine O, Montagnier-Petrissans C, Guillevin L, Mouthon L, for the Groupe d'experts de l'Assistance Publique-Hôpitaux de Paris. Clinical Infectious Diseases, Volume 56, Issue 7, 1 April 2013, Pages 968–977. academic.oup.com
  8. Smith-Whitley K, Zhao H, Hodinka RL et al. Epidemiology of human parvovirus B19 in children with sickle cell disease. Blood 2004 Jan 15;103(2):422-7. www.ncbi.nlm.nih.gov
  9. Wong T et al.. Parvovirus B19 infection causing red cell aplasia in renal transplantation on tacrolimus. Am J of Kidney Diseases 1999; 34,6: 1132-1136. doi:10.1016/S0272-6386(99)70021-1 DOI
  10. Alfadley A, Aljubran A, Hainau B, Alhokail A. Papular-purpuric "gloves and socks" syndrome in a mother and daughter. J Am Acad Dermatol 2003; 48: 941-4. PubMed
  11. Metry D, Katta R. New and emerging pediatric infections. Dermatol Clin 2003; 21: 269-76. PubMed
  12. Katta R. Parvovirus B19: a review. Dermatol Clin 2002; 20: 333-42. PubMed
  13. Edmonson MB, Riedesel EL, Williams GP, Demuri GP. Generalized petechial rashes in children during a parvovirus B19 outbreak. Pediatrics 2010; 125: 787-92. reference.medscape.com
  14. Modrow S, Gärtner B. Parvovirus-B19-Infektion in der Schwangerschaft. Dtsch Arztebl 2006; 103(43): A-2869 / B-2496 / C-2401. www.aerzteblatt.de
  15. Schleunig M. Parvovirus-B19-Infektionen: Sind es nur harmlose Ringelröteln? . Deutsches Ärzteblatt ; 996: 93(43): A-2781-2784. www.aerzteblatt.de
  16. Ballou WR, Reed JL, Noble W, Young NS, Koenig S. Safety and immunogenicity of a recombinant parvovirus B19 vaccine formulated with MF59C.1. J Infect Dis 2003; 187: 675-8. PubMed

Autor*innen

  • Gesa Hansen-Prenz, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, Buchholz in der Nordheide
  • Birgit Wengenmayer, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, Freiburg

Frühere Autor*innen

  • Terje Johannessen, professor i allmennmedisin, redaktør NEL
B08; B083
parvovirus; Erythema infectiosum; hydrops fetalis; aplastisk krise; aplasi; hansker og sokker; a77 annan virussjukdom
A76; A77
Parvovirus; Parvovirus B19; Parvo-Virus; Parvoviren; Erythema infectiosum; Ringelröteln; Fünfte Krankheit; Fifth Disease; Transiente aplastische Krise; Chronische Erythrozytenaplasie; Handschuh-Socken-Syndrom; Gloves and Socks Syndrome; Hydrops fetalis; Grippeähnliche Symptome; Arthopathie; Generalisierte Petechien; Embryopathie; Slapped Cheek Syndrome
Parvovirusinfektion
UB 11.08.2020 Bilder Ringelröteln eingefügt und gegendert
CCC MK 03.12.2019, grundlegend überarbeitet, neue Literatur berücksichtigt. chck go 18.2., Lit Modrow ergänzt. 26.10.go
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Definition:Zu den durch das Parvovirus B19 ausgelösten Infektionen zählen die Ringelröteln („Fünfte Krankheit“), die transiente aplastische Krise, die chronische Erythrozytenaplasie, das Handschuh-Socken-Syndrom und der Hydrops fetalis bei einer Infektion in der Schwangerschaft.
Infektionen
Parvovirusinfektion
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