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Hyperhidrose

Allgemeine Informationen

Definition

  • Hyperhidrose bedeutet übermäßiges Schwitzen, das nichts mit der physiologischen Wärmeregulation zu tun hat.1
  • Man unterscheidet zwischen primärer idiopathischer Hyperhidrose und sekundärer Hyperhidrose, die durch andere Erkrankungen (z. B. Hyperthyreose, Erkrankungen des Nervensystems) oder Medikamenteneinnahme hervorgerufen werden kann.
  • Für Patienten kann eine Hyperhidrose eine beträchtliche Beeinträchtigung der Lebensqualität bedeuten.

Häufigkeit

  • Es handelt sich um ein verbreitetes Problem. Es wird von einer Prävalenz von etwa 2–4 % der Allgemeinbevölkerung ausgegangen.2

Ätiologie und Pathogenese

  • Beim Schwitzen geben die Schweißdrüsen wässriges Sekret ab.
  • Man unterscheidet thermoregulatorisches und emotional bedingtes Schwitzen.
  • Die ekkrinen Schweißdrüsen kommen im Bereich der Achseln, der Handflächen und der Fußsohlen vor, sind aber auch über den ganzen Körper verteilt.3
  • Apokrine Schweißdrüsen sind vor allem in der Axilla und in der Urogenitalregion lokalisiert.
  • Hyperhidrose wird darüber hinaus noch unterteilt in eine generalisierte oder fokale Form.
  • Die generalisierte Form hat meistens eine Erkrankung als Ursache (sekundäre Hyperhidrose).
  • Ursachen können sein:2-3
  • Die primäre Hyperhidrose tritt meist fokal auf, häufig sind Achselhöhlen, Handflächen, Fußsohlen, Stirn oder Inguinalbereich betroffen.
    • Die erhöhte Schweißproduktion erfolgt durch eine Überstimulation der Schweißdrüsen.1
  • Manchmal können fokale Hyperhidrosen auch sekundär bedingt sein.

ICPC-2

  • A09 Übermäßiges Schwitzen

ICD-10

  • R61 Hyperhidrose
    • R61.9 Hyperhidrose, nicht näher bezeichnet

Differenzialdiagnosen

  • Bei Fieber ist eine allgemein erhöhte Schweißneigung zu beobachten.
  • Eine generalisierte Hyperhidrose kann ein Symptom einer schweren Erkrankung sein.

Infektionen

  • Eine anhaltend erhöhte Schweißbildung kann durch eine Vielzahl von Infektionskrankheiten hervorgerufen werden.
  • In Fällen einer neu aufgetretenen, anhaltenden Hyperhidrose sollten folgende Erkrankungen in Betracht gezogen werden:

Hyperthyreose

  • Zu den Symptomen der Hyperthyreose zählen Palpitationen, Müdigkeit, Nervosität, Reizbarkeit, Gewichtsabnahme trotz guten Appetits, Schwitzen und Wärmeintoleranz.
  • Als weitere  Befunde neben der Hyperhidrose können Rastlosigkeit, feuchtwarme Haut und Hände, Tremor, Tachykardie, evtl. Vorhofflimmern, lebhafte Reflexe, Exophtalmus oder Struma vorliegen.
  • Die Diagnose wird durch den Nachweis eines erhöhten FT4- und eines erniedrigten TSH-Spiegels bestätigt.

Klimakterium

  • Ein vermehrtes Schwitzen tritt bei peri- und postmenopausalen Frauen häufig in Zusammenhang mit Hitzewallungen auf.
  • Meist kommt es zu einem Hitzegefühl und einem plötzlichen Schwitzen auf der Stirn, der Brust und den Armen. Derartige Anfälle treten täglich wenige bis viele Male auf und dauern jeweils einige Minuten an.

Sonstige endokrine Erkrankungen

Maligne Erkrankung

  • Eine vermehrte Schweißbildung (v. a. nachts) kann mit einer myeloproliferativen Erkrankung oder einem Lymphom assoziiert sein.
  • Beispiele dafür sind der Morbus Hodgkin sowie Leukämien.
  • Auch bei anderen malignen Erkrankungen kann als Symptom ein übermäßiges Schwitzen auftreten (B-Symptomatik: Nachtschweiß, Fieber, Gewichtsabnahme).

Medikamente

  • Antidepressiva
    • sowohl bei SSRI als auch bei trizyklischen Antidepressiva
  • Hormonpräparate
    • z. B. Tamoxifen und GnRH-Agonisten
  • Fiebersenkende Mittel
    • Acetylsalicylsäure, NSAR

Neurologische Erkrankungen

Sekundäre fokale Hyperhidrosen

  • Neuropathien
    • Beispiel sind die diabetische Polyneuropathie, die zu Beginn mit Hyperhidrose auffallen kann oder Hyperhidrose an der betroffenen Extremität bei CRPS (chronisch regionales Schmerzsyndrom).3 

Primäre Hyperhidrose

  • Die primäre Hyperhidrose tritt meist fokal auf, häufig sind Achselhöhlen, Handflächen, Fußsohlen, Stirn oder Inguinalbereich betroffen.
  • Beginn meist in der Pubertät.
  • Häufig positive Familienanamnese
  • Kein nächtliches Schwitzen1 
  • Die primäre Hyperhidrose wird in 3 Grade eingeteilt:
    • Grad I: feuchte Haut, Schwitzflecken 5–10 cm
    • Grad II: Schweißperlen, Schwitzflecken 10–20 cm
    • Grad III: Schweiß tropft, Schwitzflecken > 20 cm

Anamnese

  • Beginn der Hyperhidrose
  • Vorerkrankungen, Medikamenteneinnahme
  • Familiäre Disposition
  • Begleitsymptome wie Fieber, Gewichtsabnahme, Tachykardien
  • Temperaturunabhängiges, unvorhersehbares, und nicht willentlich kontrollierbares Auftreten von Schwitzen spricht für eine primäre Hyperhidrose.1 

Klinische Untersuchung

  • Bei Verdacht auf eine Grunderkrankung gründliche Ganzkörperuntersuchung

Ergänzende Untersuchungen

  • Ggf. Laboruntersuchung zum Ausschluss einer Grunderkrankung
  • Ggf. Röntgenthorax
  • Spezielle Tests zur Schwitzdiagnostik
    • Jod-Stärke-Test nach Minor
      • Ermöglicht die farbliche Abgrenzung des aktiv sezernierenden Areals.
    • Gravimetrie
      • Per Filterpapier wird über eine definierte Zeit (60 s oder 5 min) Schweiß aufgenommen und gewogen.
      • Man erhält die freigesetzte Schweißmenge in mg/Zeit.
      • An der Handfläche sind Werte < 20 mg/min und axillär < 50 mg/min als normal anzusehen.4

Maßnahmen und Empfehlungen

Allgemeines

  • Bei einer sekundären Hyperhidrose sollte die Grundkrankheit behandelt werden.
  • Zur Behandlung der primären Hyperhidrose stehen verschiedene konservative und operative Maßnahmen zur Verfügung, die individuell und idealerweise stufenweise eingesetzt werden sollten, ggf. aber auch kombiniert werden können.

Leitlinie: Therapie der primären Hyperhidrose1

Axilläre Hyperhidrose

  • Topische Therapie mit Antiperspiranzien
  • Leitungswasser-Iontophorese mit Schwämmchen
  • Injektionstherapie mit Botulinumtoxin
  • Behandlung mit Radiofrequenz, Mikrowellen oder Ultraschall 
  • Chirurgische Schweißdrüsenentfernung: Kürettage, Saugkürretage oder Exzision
  • Systemische Therapie mit Anticholinergika bzw. Neuroleptika oder Psychopharmaka mit anticholinergischer Wirkung 

Palmare und plantare Hyperhidrose 

  • Topische Therapie mit Antiperspiranzien
  • Leitungswasser-Iontophorese
  • Injektionstherapie mit Botulinumtoxin A
  • Systemische Therapie mit Anticholinergika bzw. Neuroleptika oder
    Psychopharmaka mit anticholinergischer Wirkung
  • Thorakale Sympathektomie

Maßnahmen/Therapie

  • Aluminiumchloridhexahydrathaltige Externa sind geeignet, die Schweißproduktion zu vermindern.
    • Obwohl es keine gesicherten Daten über den Zusammenhang von Aluminiumaufnahme und Entstehung von Brustkrebs und Morbus Alzheimer gibt, kann es durch den Gebrauch von aluminiumhaltigen Externa zu einer Überschreitung der wöchentlich tolerierbaren Aufnahmemenge von Aluminium kommen, sodass das Bundesamt für Risikobewertung den Einsatz aluminumhaltiger Externa zumindest nur über intakter (unrasiert) Haut empfiehlt und dazu rät, den Verbrauch aluminiumhaltiger Antitranspiranzien zu reduzieren.1,5
  • Leitungswasser-Iontophorese
    • Ist besonders geeignet für die Therapie der palmaren und plantaren Hyperhidrosen, bei der axillären Form ist die Anwendung aufwändiger.
    • Sie gilt als eine sichere, wirksame und kostengünstige Therapiemethode, die die Patienten zu Hause anwenden können.6-8
    • Die Leitungswasser-Iontopheres muss als Dauertherapie angewandt werden, allerdings kann man im Verlauf die Anzahl der Anwendungen reduzieren.1
  • Botulinumtoxin
    • Sollten topische Behandlungen nicht ausreichen, kann Botulinumtoxin A intrakutan in Hyperhidrosearealen injiziert werden und ist dann mehrere Monate wirksam.9-10
    • In Deutschland gibt es Präparate, die für die Anwendung in der Axilla die Zulassung haben, in anderen Arealen nur als Off-Label-Therapie anzubieten sind.1
    • Die Injektionen sind schmerzhaft und können an Händen und Füßen unter topischer oder Leitungsanästhesie gesetzt werden.10
    • Es kann an den Händen zu einer vorübergehenden Schwächung der Handmuskulatur kommen, weitere Nebenwirkungen treten nicht auf; die Häufigkeit der Anwendungen ist individuell unterschiedlich.
  • Radiofrequenz, Mikrowellen und fokussierte Ultraschalltherapie können, in mehreren Sitzungen durchgeführt, die Schweißdrüsen zerstören und so die Schweißbildung reduzieren; hierbei sind aber auch thermische Schäden des umliegenden Gewebes, insbesondere Nervenschädigungen möglich.11
  • Operation
    • Die lokalen Schweißdrüsen können durch eine Kürettage oder eine Fettabsaugung entfernt werden. Die Wirksamkeit dieser Behandlung ist belegt.12-13
    • Eine radikale Exzision ist wegen der ausgedehnten Narbenbildung,
      und Tendenz zur Kontraktur nur in Einzelfällen noch zu empfehlen.
  • Sympathektomie
    • Durchtrennung der Symatikus-Nerven mit verschiedenen Techniken14
    • Als Nebenwirkungen können eine kompensatorischer Hyperhidrose, Horner-Syndrom, Parästhesien, Pneumothorax, Hämatothorax, Hyperthermie und Bradykardie auftreten.15
    • Diese Therapie wird kontrovers bewertet, weil es zu schweren unerwünschten Schäden kommen kann.16

Medikamente

  • Systemische Anticholinergika wie Methantheliniumbromid oder Bornaprin können zumindest zeitweise das Schwitzen reduzieren.
    • Nachteil sind Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit, Akkomodationsstörungen, Tachykardien, Miktionsstörungen und Konzentrationsstörungen.1
  • Bei sekundären Hyperhidrosen infolge einer psychischen Grunderkrankung können auch Psychopharmaka, Tranquilizer, Sedativa und Betablocker hilfreich sein.1

Überweisung bei generalisierter Hyperhidrose

Checkliste zur Überweisung

Übermäßiges Schwitzen

  • Zweck der Überweisung
    • Diagnostik? Therapie? Operation? Sonstiges?
  • Anamnese
    • Beginn und Dauer? Progression?
    • Ausmaß der Beschwerden? Wann: stressbedingt, bei emotionalen Reaktionen? Zeichen einer Grunderkrankung?
    • Sonstige Erkrankungen? Familiäre Prädisposition?
    • Etwaige durchgeführte Behandlungsversuche: Wirkung?
    • Folgen: beruflich, psychosozial, sonstige?
  • Klinische Untersuchung
    • Allgemeinzustand? Allgemeiner Zustand der Organe? Psychischer Zustand?
  • Ergänzende Untersuchungen

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Dermatologische Gesellschaft. Definition und Therapie der primären Hyperhidrose. AWMF-Leitlinie Nr. 013-059. S1, Stand 2017. www.awmf.org

Literatur

  1. Deutsche Dermatologische Gesellschaft. Definition und Therapie der primären Hyperhidrose. AWMF-Leitlinie Nr. 013-059, Stand 2017. www.awmf.org
  2. Haider A, Solish N: Focal hyperhidrosis: diagnosis and management. CMAJ 2005; 172: 69–75. www.ncbi.nlm.nih.gov
  3. Schlereth, T. Hyperhidrose – Ursachen und Therapie von übermäßigem Schwitzen. Dtsch Arztebl Int 2009; 106(3): 32-7 www.aerzteblatt.de
  4. Heckmann M, et al. Botulinum toxin A for axillary hyperhidrosis (excessive sweating). N Engl J Med 2001; 344: 488-93. PubMed
  5. Bundesinstitut für Risikobewertung. Aluminiumhaltige Antitranspirantien tragen zur Aufnahme von Aluminium bei. Stellungnahme Nr. 007/2014, 2014. www.bfr.bund.de
  6. Gee S, Yamauchi PS. Nonsurgical management of hyperhidrosis. Thorac Surg Clin. 2008;18:141-155. PubMed
  7. Dolianitis C, Scarff CE, Kelly J, et al. Iontophoresis with glycopyrrolate for the treatment of palmoplantar hyperhidrosis. Australas J Dermatol. 2004;45:208-212. PubMed
  8. Karakoc Y, Aydemir EH, Kalkan MT, Unal G. Safe control of palmoplantar hyperhidrosis with direct electrical current. Int J Dermatol 2002;41:602-5. PubMed
  9. Tan SR, Solish N. Long-term efficacy and quality of life in the treatment of focal hyperhidrosis with botulinum toxin A. Dermatol Surg 2002;28:495-9. PubMed
  10. Blaheta HJ, Vollert B, Zuder D, Rassner G. Intravenous regional anesthesia (Bier's block) for botulinum toxin therapy of palmar hyperhidrosis is safe and effective. Dermatol Surg 2002;28:666-71. PubMed
  11. Nawrocki S., Cha J.The etiology, diagnosis, and management of hyperhidrosis: A comprehensive review. J Am Acad Dermatol. 2019 Sep;81(3):669-680 www.ncbi.nlm.nih.gov
  12. Bechara FG, Sand M, Tomi NS, et al. Repeat liposuction-curettage treatment of axillary hyperhidrosis is safe and effective. Br J Dermatol. 2007;157:739-743. PubMed
  13. Bechara FG, Altmeyer P, Sand M, et al. Surgical treatment of axillary hyperhidrosis. Br J Dermatol. 2007;156:398-399. PubMed
  14. Baumgartner FJ, Bertin S, Konecny J. Superiority of thoracoscopic sympathectomy over medical management for the palmoplantar subset of severe hyperhidrosis. Ann Vasc Surg. 2009;23:1-7. PubMed
  15. Moraites E, Vaughn OA, Hill S. Endoscopic thoracic sympathectomy. Dermatol Clin 2014 Oct; 32(4): 541-8. pmid:25152348 www.ncbi.nlm.nih.gov
  16. Swartlin C, Brismar K, Aquilonius SM et al. Hyperhidros – det »tysta« handikappet. Lakartidningen 2011; 108: 2428-32. pmid:22468383. www.ncbi.nlm.nih.gov

Autoren

  • Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
  • Terje Johannessen, professor i allmennmedisin, Institutt for samfunnsmedisinske fag, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, Trondheim
  • Sylvi Torvund, spesialist i allmennmedisin, Nidarvold legesenter, Trondheim
  • Kristin Ryggen, overlege, Hudavdelingen, Regionsykehuset i Trondheim
fotsvetteR61; R619
fotsvette
fotsvetteA09
Hyperhydrosis; Axilläre Hyperhidrose; Palmare Hyperhidrose; Plantare Hyperhidrose; Kraniofaziale Hyperhidrose; Erhöhte Schweißsekretion; Unphysiologisches Schwitzen; Erhöhte Schweißneigung; Palmoplantare Hyperhidrose; Hyperthyreose; Klimakterium; Phäochomozytom; Karzinoidsyndrom; Akromegalie; Diabetes mellitus; Morbus Hodgkin; Leukämie; Parkinson-Syndrom; Neuropathie; Aluminiumchlorid; Botulinumtoxin
Hyperhidrose
U-MK 04.12.2019
BBB MK 23.01.2023 revidiert, aktualisiert und Therapieteil ausgebaut (gibt keinen Krankheitsartikel). BBB MK 14.10.2019, revidiert, erheblich gekürzt, neue LL. chck go 10.3.
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Hyperhidrose bedeutet übermäßiges Schwitzen, das nichts mit der physiologischen Wärmeregulation zu tun hat.1 Man unterscheidet zwischen primärer idiopathischer Hyperhidrose und sekundärer Hyperhidrose, die durch andere Erkrankungen (z. B. Hyperthyreose, Erkrankungen des Nervensystems) oder Medikamenteneinnahme hervorgerufen werden kann.
Haut
Hyperhidrose
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