Definition:Es handelt sich um 4 Faktoren, die das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen: Fettstoffwechselstörung, Hypertonie, gestörte Glukosetoleranz und viszerale Adipositas.
Häufigkeit:Rund 1/3 der deutschen Bevölkerung ist betroffen.
Symptome:Das Syndrom führt in der frühen Phase nur zu wenigen Symptomen, ist gekennzeichnet durch Übergewicht und geringe körperliche Aktivität.
Befunde:Klinische Befunde sind Hypertonie und stammbetonte viszerale Adipositas.
Diagnostik:Blutuntersuchungen zeigen eine Fettstoffwechselstörung und gestörte Glukosetoleranz.
Therapie:Der wesentliche Ansatzpunkt ist eine Lebensstiländerung mit Änderung der Ernährungsgewohnheiten und einer gesteigerten körperlichen Aktivität.
Allgemeine Informationen
Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der gesamte Artikel auf diesen Referenzen.1-4
Definition
Das Syndrom wird auch Insulinresistenzsyndrom oder Syndrom X genannt.
Es handelt sich um eine Kombination von Faktoren, die das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen:
Die Prävalenz hängt von der zugrunde gelegten Definition und der untersuchten Population ab.
Die Prävalenz steigt mit zunehmendem Alter und Körpergewicht.
In Deutschland sind 30–35 % der Bevölkerung betroffen.5
Ätiologie und Pathogenese
Ätiologie
Die Ursache des metabolischen Syndroms ist bisher nicht vollständig geklärt.
Die Pathophysiologie ist aber eng gekoppelt mit Insulinresistenz und abdomineller Adipositas.
Die Insulinresistenz korreliert mit dem Anteil des viszeralen Fettgewebes, das als Bauchumfang oder Taille-Hüft-Verhältnis gemessen wird.
Die Insulinresistenz führt in der Folge wahrscheinlich aufgrund von oxidativem Stress, der mit einer endothelialen Dysfunktion einhergeht und vaskuläre Schädigungen und Neubildungen fördert, zu einer Herz-Kreislauf-Erkrankung.
Aufgrund der Insulinresistenz kommt es zum Hyperinsulinismus, der wiederum zu verstärktem Hungergefühl und gesteigerter Nahrungsaufnahme führt.
Möglicherweise trägt auch eine chronisch erhöhte Kortisolausschüttung dazu bei.
Bei Personen mit erhöhter Kortisolkonzentration im Serum (meist verursacht durch chronischen Stress) treten abdominale Adipositas, Insulinresistenz und Lipidveränderungen gehäuft auf.
Menschen mit metabolischem Syndrom haben einen leichten Hyperkortisolismus und eine erhöhte Aktivität der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse.
Möglicherweise erklärt deren chronische Aktivierung durch Stress den Zusammenhang zwischen psychosozialen Belastungen und dem damit einhergehenden erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse.
Pathophysiologie
Das metabolische Syndrom ist mit einem proinflammatorischen/prothrombotischen Zustand verbunden, der Folgendes umfassen kann:
Veränderung der Zusammensetzung des LDL-Cholesterins (Low Density Lipoprotein)
gestörter Adipokinstoffwechsel
Insulinresistenz und erhöhte Serumkonzentrationen von Leptinen führen langfristig zu Leptinresistenz im Fettgewebe sowie im Hypothalamus, und dadurch wiederum zu erhöhter Leptinausschüttung und Nahrungsaufnahme.
Niedrige Adiponektin- und hohe Resistinkonzentrationen begünstigen Hypertonus, Atherosklerose und Insulinresistenz.
Ischämiezeichen? Früherer Infarkt? Vorhofflimmern und linksventrikuläre Hypertrophie?
Diagnostik bei Spezialist*innen
Bei Hinweisen auf endokrine, kardiovaskuläre, renale oder hepatologische Erkrankungen
Therapie
Allgemeines zur Therapie
Wirksamkeit
Eine intensive Lebensstiländerung kann das Auftreten von Diabetes, Hypertonie und Herz-Kreislauf-Erkrankungen verhindern oder verzögern.
Eine Gewichtsabnahme in Kombination mit verstärkter körperlicher Aktivität verbessert alle Aspekte des metabolischen Syndroms und reduziert die kardiovaskuläre Mortalität.
Auch ohne Gewichtsreduktion können eine erhöhte körperliche Aktivität und eine Ernährungsumstellung zu einem niedrigeren Blutdruck, Reduktion der Blutfette und damit zu einer verbesserten Insulinwirkung beitragen.
Wenn das absolute Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis in den nächsten 10 Jahren bei 10–20 % liegt:
Lebensstilintervention
Bei Risiko nahe 20 %: Statintherapie in Standarddosierung erwägen – kein Grenzwert definiert.
Wenn das absolute Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis in den nächsten 10 Jahren > 20 % beträgt:
Lebensstilintervention
Statintherapie in Standarddosierung – kein Grenzwert definiert
Statine reduzieren das Risiko für eine kardiovaskuläre Erkrankung, jedoch nicht die Gesamtmortalität.
Standarddosierung z. B. Simvastatin oder Pravastatin 20–40 mg2
Eine LDL-gesteuerte Dosistitration wird von der DEGAM nicht empfohlen.2
Kombination mit anderen Lipidsenkern?
Eine Kombination verschiedener Lipidsenker ist im hausärztlichen Bereich in der Regel nicht zu empfehlen.2
Laut S3-Leitlinie „Hausärztliche Risikoberatung zur kardiovaskulären Prävention“ sollte bei frühzeitig oder besonders ausgeprägt auftretender kardiovaskulärer Erkrankung, insbesondere bei familiärer Häufung oder stark erhöhten Cholesterinwerten eine Überweisung zur spezialisierten Versorgungsebene erfolgen, wenn sich aus weiterer Diagnostik ggf. relevante therapeutische Konsequenzen ergeben können.2
Die meisten Hypertoniekranken sollten laut S3-Leitlinie „Hausärztliche Risikoberatung zur kardiovaskulären Prävention“ einen Blutdruck von ≤ 140/90 mmHg erreichen. Verfügbare Veröffentlichungen stützen eine Therapie bis mindestens 85 Jahre.
Die Intensität der Blutdrucktherapie hängt zum Großteil von den anderen Risikofaktoren der behandelten Person ab.
Beratung zu Verhaltensänderungen laut S3-Leitlinie „Hausärztliche Risikoberatung zur kardiovaskulären Prävention":
Alle Personen mit wiederholt gemessenen Blutdruckwerten von systolisch ≥ 140 mmHg und/oder diastolisch ≥ 90 mmHg oder von Verwandten 1. Grades mit Bluthochdruck sollten eine Beratung zu einem gesunden Lebensstil erhalten.
Bei Personen mit einem kardiovaskulären 10-Jahres-Gesamtrisiko < 20 % sollte ein Behandlungsversuch mit Lebensstiländerung für 4–6 Monate (systolischer Blutdruck 140–159 mmHg und/oder diastolischer Blutdruck 90–99 mmHg) oder für einige Wochen (systolischer Blutdruck 160–179 mmHg und/ oder diastolischer Blutdruck 100–109 mmHg) empfohlen werden (IIIc–IVb/B).
Bei einer unkompliziert verlaufenden Hypertonie werden entweder ACE-Hemmer oder AT-II-Antagonisten, Kalziumantagonisten oder Diuretika vom Typ Thiazid (Hydrochlorothiazid, Chlortalidon) empfohlen.
Menschen mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko sollen bezüglich gesundheitsbezogener Verhaltensweisen (Bewegung, Ernährung, Rauchstopp) beraten werden (Ia/A).
Die Veränderungsbereitschaft soll während des Beratungsprozesses erfasst und berücksichtigt werden (Ib/A).
Zur individuellen Anpassung der Beratung sollten auch soziale und psychische Faktoren (z. B. berufliche und familiäre Belastungen) sowie der sozioökonomische Status berücksichtigt werden (B).
Die Beratung sollte selbstregulative, verhaltensbezogene Techniken beinhalten. Diese bestehen aus (Ia/B):
der Aufforderung zur Beschlussfassung hinsichtlich einer Verhaltensänderung
der gemeinsamen spezifischen Zielsetzung
der Überprüfung der zuvor gesetzten Ziele
der Aufforderung zur Selbstbeobachtung des Verhaltens
der Bereitstellung von Feedback hinsichtlich des Verhaltens.
Die Beratung sollte die Vereinbarung von Folgekontakten einschließen (Ib/B).
Regelmäßige Bewegung
Die Skelettmuskulatur ist das insulinempfindlichste Gewebe im Körper und darum in erster Linie von einer Insulinresistenz betroffen.
Körperliche Aktivität kann Fettwerte und Insulinresistenz unabhängig vom BMI reduzieren.
Die Wirkung körperlicher Aktivität auf die Insulinsensitivität tritt nach 24–48 Stunden auf und hält 3–5 Tage an.
Bewegung ist eine der wichtigsten Maßnahmen bei Adipositas.
körperliche Aktivität mit moderater oder hoher Intensität, möglichst für ca. 60 min pro Tag
Das entspricht einem Energieverbrauch von ca. 1.260 kJ (300 kcal).
Personen, die viel sitzen, können einen besonders ausgeprägten präventiven Effekt erzielen, indem sie ein mäßiges Aktivitätsniveau in ihren Alltag integrieren.
Eine Kombination aus Kraft- und Ausdauertraining ist am besten, aber jede Art der Bewegung ist gut. Menschen, die bisher keinerlei körperlicher Aktivität nachgegangen sind, sollten langsam beginnen und Dauer und Intensität des Trainings schrittweise steigern.
Spaziergänge und leichtes Lauftraining ungefähr 1 Stunde pro Tag führen zu einer deutlichen Gewichtsreduktion auch ohne zusätzliche Diät.
Die Ernährung sollte abwechslungsreich sein (Ib/B).
Die Empfehlungen sollten sich an der mediterranen Kost orientieren (Ib/B).
Der Anteil gesättigter Fette an den Nahrungsfetten sollte möglichst gering sein (IV/B).
Sie sollten durch einfach oder mehrfach ungesättigte Fettsäuren ersetzt werden.
Es sollte empfohlen werden,
Den Kochsalzkonsum auf unter 6 g/d zu beschränken (Ic/B).
den Alkoholkonsum zu einschränken (B).
Eine Supplementierung mit Vitamin- oder Antioxidanzien-Präparaten sollte nicht generell empfohlen werden (Ia/B).
Vitamin B und Folsäure zur Senkung des Homocysteinspiegel sollen in der kardiovaskulären Prävention bei unselektierten Patient*innen nicht verwendet werden (I/A).
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie. Pocket-Leitlinie: Management der arteriellen Hypertonie, Version 2018. www.dgk.org
Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Chronische KHK. AWMF-Leitlinie Nr. nvl-004. S3, Stand 2019. www.awmf.org
Deutsche Adipositas-Gesellschaft. Adipositas – Prävention und Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 050–001. S3, Stand 2014 (abgelaufen). www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Hausärztliche Risikoberatung zur kardiovaskulären Prävention – S3-Leitlinie. AWMF-Leitlinie Nr. 053-024, DEGAM-Leitlinie Nr. 19, Stand 2017. www.degam.de
Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e. V. DEGAM-Anwenderversion als Addendum zur Nationalen VersorgungsLeitlinie (NVL) Typ-2-Diabetes. AWMF-Register-Nr. nvl-001. S3, Stand 2021. www.degam.de
Literatur
Anagnostis P, Harsoulis F. Metabolic syndrome. BMJ Best Practice. Last reviewed: 4 Oct 2021; last updated: 17 Feb 2020 bestpractice.bmj.com
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van Wyk H, Davis RE, Davis JS. A critical review of low-carbohydrate diets in people with type 2 diabetes. Diabetes Med. 2016;33:148. www.ncbi.nlm.nih.gov
Autor*innen
Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
Definition:Es handelt sich um 4 Faktoren, die das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen: Fettstoffwechselstörung, Hypertonie, gestörte Glukosetoleranz und viszerale Adipositas.