Allgemeine Informationen
Definition
- Der gesamte Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1-2
- Idiopathische Herzinsuffizienz aufgrund einer linksventrikulären systolischen Dysfunktion gegen Ende der Schwangerschaft oder in den ersten Monaten nach der Geburt
- Andere Ursachen einer Herzinsuffizienz müssen ausgeschlossen sein.
Häufigkeit
- Keine umfassenden epidemiologischen Daten zur peripartalen Kardiomyopathie (PPCM) verfügbar3
- Inzidenz in nicht-afrikanischen Ländern ca. 1:2000–1:15.0003
- höherer Inzidenzen z. B. in Südafrika (1:1000) und Haiti (1:300)
- Geschätzte Häufigkeit in Deutschland ca. 300 Patientinnen/Jahr, möglicherweise aber höher4
- Auftreten in jedem Alter möglich, gehäuft bei Frauen > 30 Jahre5
Ätiologie und Pathogenese
Ätiologie
- Die Ätiologie der PPCM ist ungeklärt.6
- In einigen Fällen wird aufgrund familiärer Cluster eine genetische Komponente diskutiert.7-9
Pathogenese
- Die Pathogenese der PPCM ist erst unvollständig verstanden, vermutlich sind verschiedene pathophysiologische Mechanismen beteiligt, u. a.:1,10
- oxidativer Stress
- gestörte angiogenische Balance
- prolaktinvermittelte endotheliale Dysfunktion.
- Es resultiert eine systolische Dysfunktion des linken Ventrikels mit klinischem Bild der Herzinsuffizienz.
- Der linke Ventrikel ist dabei häufig, aber nicht immer dilatiert.1
- Erhöhtes Risiko für die Bildung von Thromben im linken Ventrikel mit Gefahr der Embolisation4
Prädisponierende Faktoren
- Eine Reihe von prädisponierenden Faktoren konnten identifiziert werden:11-13
- Präeklampsie
- Mehrfachschwangerschaft
- Schwangerschaft als Teenager oder in höherem Alter
- Tokolyse
- erhöhtes Vorkommen in Südafrika
- Rauchen
- Diabetes mellitus
- Malnutrition.
- 1/4 bis 1/3 der Patientinnen sind junge gesunde Erstgebärende ohne prädisponierende Faktoren.4,14
ICPC-2
- K84 Herzerkrankung, andere
ICD-10
- I42 Kardiomyopathie
- I42.0 Dilatative Kardiomyopathie
- I42.8 Sonstige Kardiomyopathien
- I43 Kardiomyopathie bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Die PPCM ist eine idiopathische Herzinsuffizienz mit folgenden Kriterien:1-2
- Herzinsuffizienz neu auftretend gegen Ende der Schwangerschaft oder in den ersten Monaten nach der Geburt
- systolische Dysfunktion des linken Ventrikels mit einer linksventrikulären Ejektionsfraktion < 45 %
- Eine andere Kardiomyopathie als Ursache für die Herzinsuffizienz ist ausgeschlossen.
Differenzialdiagnosen
- Andere Kardiomyopathien
- Asthma
- COPD
- Lungenentzündung
- Pleuraerguss
- Pneumothorax
- Lungenembolie
- Akuter Myokardinfarkt
- Mitralklappeninsuffizienz
- Endokarditis
- Anaphylaxie
- Subarachnoidalblutung
Anamnese
- Atemnot
- Nächtlicher Husten
- Flaches Schlafen nicht möglich
- Nykturie
- Palpitationen
- Schwindel
- Abgeschlagenheit
- Leistungsminderung
- Evtl. Symptome eines Schlaganfalls oder einer sonstigen peripher-arteriellen Embolie
Klinische Untersuchung
- Blasse Haut
- Zyanose
- Tachypnoe
- Tachykardie, evtl. Arrhythmie
- Gestaute Halsvenen
- Lungenstauung
- Kalte Extremitäten
- Beinödeme
- Hepatomegalie
- Aszites
- Auskultation (siehe auch Herzgeräusche bei Erwachsenen)
- Systolikum (Mitralklappeninsuffizienz, Trikuspidalklappeninsuffizienz)
- S3-Galopp
- Galopprhythmus
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
EKG
- Häufig unspezifische EKG-Veränderungen (siehe auch EKG: Veränderungen von P-Welle, QRS-Komplex und ST-T-Segment)
Rö-Thorax
- Lungenstauung
Labor
- Marker der Herzinsuffizienz
- NT-proBNP, BNP
- Weiteres Labor zur Abgrenzung von Differenzialdiagnosen
Diagnostik bei Spezialist*innen
Echokardiografie
- Echokardiografie ist das wichtigste Bildgebungsverfahren bei PPCM.
- Erfassung von:
- Größe der Ventrikel
- Funktion der Ventrikel
- linksventrikuläre Ejektionsfraktion < 45 % bei peripartaler Kardiomyopathie
- Klappenfunktion
- Mitralklappeninsuffizienz und Trikuspidalklappeninsuffizienz
- Erfassung linksventrikulärer Thromben
Kardio-MRT
- Alternative zur Echokardiografie bei unzureichenden Schallbedingungen
Indikationen zur Überweisung/Klinikeinweisung
- Bei milden Symptomen und Verdacht auf die PPCM Überweisung an Spezialist*innen
- Bei schwerer akuter Herzinsuffizienz stationäre Einweisung
Therapie
Therapieziele
- Erholung der ventrikulären Funktion
- Bei vorgeburtlichem Beginn der Erkrankung Stabilisierung bis zur Entbindung
Allgemeines zur Therapie
- Bei vorgeburtlichem Auftreten der PPCM ist eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit von Geburtshilfe, Kardiologie und Anästhesie erforderlich.
- Bei stabiler Hämodynamik sollte die Schwangerschaft nicht unterbrochen, bei hämodynamischer Instabilität aber eine zügige Entbindung erwogen werden.3
- Bei nachgeburtlichem Auftreten der PPCM gelten die üblichen Regeln zur Behandlung der Herzinsuffizienz.15
- Ergänzend sollte eine Behandlung mit Bromocriptin (Hemmung der Prolaktinausschüttung) erwogen werden.12
Medikamentöse Therapie
- Vorgeburtliche PPCM
- Bei der medikamentösen Therapie müssen Kontraindikationen (z. B. ACE-Hemmer/AT-Antagonisten, Mineralokortikoide) berücksichtigt werden, um eine Schädigung des Kindes zu vermeiden.11
- Nachgeburtliche PPCM
- Die Ergänzung der Standard-Herzinsuffizienz-Therapie mit Bromocriptin führt zu einer verbesserten Erholung der linksventrikulären Funktion.16-17
- Das neue Behandlungskonzept wird auch als BOARD-Therapie bezeichnet:18
- Bromocriptin
- Orale Herzinsuffizienztherapie: ACE-Hemmer, Beta-Blocker, Minerolokortikoide (nach dem Abstillen)
- Antikoagulation: Heparin zur Verringerung des thrombembolischen Risikos
- Relaxanzien: Vasodilatoren bei systolischem Blutdruck > 110 mmHg
- Diuretika: bei Volumenüberladung.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Komplikationen
- Plötzlicher Herztod
- Kardiogener Schock
- Ventrikuläre Tachyarrhythmien
- Thrombembolien
Verlauf und Prognose
- Die Prognose scheint sich in den vergangenen Jahren verbessert zu haben.
- Bei > 85 % der Patientinnen besteht 1 Monat nach Diagnose noch eine Herzinsuffizienz.19
- Unter einer modernen Therapie nach dem BOARD-Schema erholt sich der linke Ventrikel bei 60–70 % der Patientinnen innerhalb von 6 Monaten vollständig.17
- Bei einer erneuten Schwangerschaft besteht ein substanzielles Risiko für einen Relaps.11
- Insbesondere bei einer dauerhaft eingeschränkten Ventrikelfunktion sollte eher von einer erneuten Schwangerschaft abgeraten werden.11
Verlaufskontrolle
- Interdisziplinäre hausärztliche, kardiologische und gynäkologische Verlaufskontrollen
- Verlaufsbeurteilung der linksventrikulären Funktion durch Echokardiografie
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Quellen
Leitlinien
- European Society of Cardiolgy. Guidelines for the management of cardiovascular diseases during pregnancy. Stand 2018. www.escardio.org
- European Society of Cardiology. Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. Stand 2016. www.escardio.org
Literatur
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- Sliwa K, Mebazaa Alexandre, Hilfiker-Kleiner D, et al. Clinical characteristics of patients from the worldwide registry on peripartum cardiomyopathy (PPCM): EURObservational Research Programme in conjunction with the Heart Failure Association of the European Society of Cardiology Study Group on PPCM. Eur J Heart Fail 2017; 19: 1131-1141. doi:10.1002/ejhf.780 DOI
Autor*innen
- Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).