Definition:Abweichende Form der Angina pectoris, die nicht durch fixierte atherosklerotische Stenosen, sondern durch Vasospasmen epikardialer Koronararterien verursacht wird.
Häufigkeit:Prävalenz nicht genau bekannt. Vermutlich häufiger als bislang vermutet und insgesamt unterdiagnostiziert.
Symtome:Pektanginöse Beschwerden in Ruhe, insbesondere in den frühen Morgenstunden.
Diagnostik:Definitive Diagnosestellung erfolgt anhand von Klinik, EKG-Veränderungen und Koronarangiografie mit Acetylcholin-Provokationstest.
Therapie:Nikotinkarenz als wichtiste Allgemeinmaßnahme. Medikamentöse Therapie mit kurzwirksamen Nitraten im Anfall, Dauerbehandlung mit Ca-Antagonisten oder/und langwirksamen Nitraten.
Allgemeine Informationen
Definition
Abweichende Form der Angina pectoris, die nicht durch fixierte atherosklerotische Stenosen, sondern durch Vasospasmen epikardialer Koronararterien verursacht wird und folgende klinische Charakteristika aufweist:1
wiederholte Episoden mit Ruheangina, häufig in den Morgenstunden
transiente ST-Hebung im EKG
rasches Abklingen nach sublingualer Nitratgabe.
Häufigkeit
Die Prävalenz ist nicht genau bekannt und abhängig von der untersuchten Population.2
Vermutlich ist die vasospastische Angina häufiger als bislang vermutet und wird insgesamt unterdiagnostiziert.2
Bei Patient*innen mit akutem Koronarsyndrom (ACS) ohne eindeutig ursächliche Gefäßläsion kann in ca. der Hälfte der Fälle ein Koronarspasmus durch einen intrakoronaren Provokationstest ausgelöst werden.3
Im Vergleich zu westlichen Ländern höhere Prävalenz in Ostasien (Japan, Taiwan)4
I20.1 Angina pectoris mit nachgewiesenem Koronarspasmus
I20.8 Sonstige Formen der angina pectoris
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
2017 veröffentlichte eine internationale Arbeitsgruppe (Coronary Vasomotion Disorders International Study Group COVADIS) standardisierte Diagnosekriterien für die vasospastische Angina.Betrachtet werden dabei für die Diagnose 3 Hauptelemente:12
klassische klinische Manifestation
EKG-Dokumentation der Myokardischämie während spontaner Episoden
Nachweis von Koronarspasmen.
Leitlinie: Diagnostische Kriterien für die vasospastische Angina12
Nitropositive Angina, spontan auftretend, mit mindestens 1 der folgenden Kriterien:
Ruheangina, insbesondere nachts und am frühen Morgen
ausgeprägte Variabilität der Belastungstoleranz über 24 h, vermindert vor allem gegen Morgen
Hyperventilation kann eine Episode auslösen.
Ca-Antagonisten beenden die Episoden (aber nicht Betablocker).
Transiente ischämische EKG-Veränderungen während spontaner Episoden mit einer der folgenden Veränderungen in mindestens 2 benachbarten Ableitungen:
ST-Hebung ≥ 0,1 mV
ST-Senkung ≥ 0,1 mV
neue negative U-Wellen.
Koronararterienspasmus – definiert als transienter totaler oder subtotaler Verschluss – mit Angina und ischämischen EKG-Veränderungen entweder spontan oder durch Provokation (Acetylcholin, Hyperventilation)
Keine spezifischen Untersuchungsbefunde außerhalb von vasospastischen Episoden
Im Anfall evtl. ischämiegetriggerte Befunde: Arrhythmie, Tachykardie oder Bradykardie, Hypotension, Lungenstauung, Galopprhythmus, Mitralklappeninsuffizienz
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
EKG
Sofern eine Dokumentation der EKG-Veränderungen während einer Episode mit pektanginösen Beschwerden gelingt, zeigen sich Veränderungen, die auf Nitratgabe rasch rückläufig sind:12
ST-Hebungen
ST-Senkungen
negative U-Wellen.
In einigen Fällen können auch klinische Symptome ohne EKG-Veränderungen auftreten.13
Langzeit-EKG
Erfassung von EKG-Veränderungen (ST-Hebungen und/oder -senkungen, evtl. Arrhythmien) während klinischer Episoden mit Angina pectoris13
Bei Patient*innen mit vasospastischer Angina werden teilweise auch in asymptomatischen Phasen EKG-Veränderungen dokumentiert.13
Belastungs-EKG
Typischerweise unauffällig, sofern nicht gleichzeitig eine stenosierende KHK vorliegt.
intrakoronare Gabe von üblicherweise Acetylcholin3
Der Provokationstest wird als positiv gewertet, wenn alle 3 der folgenden Kriterien erfüllt sind:12
Reproduzierbarkeit der bekannten Brustbeschwerden
ischämische EKG-Veränderungen
angiografisch > 90-prozentige Vasokonstriktion.
Kardio-CT
Nichtinvasiver Ausschluss oder Nachweis einer KHK
Leitlinie: Empfohlene Diagnostik bei Patient*innen mit V. a. vasospastische Angina14
Die Anfertigung eines EKG während der Angina wird, wenn möglich, empfohlen (I/C).
Invasive Angiografie oder CT-Angiografie wird empfohlen bei Patient*innen mit typischen Ruhe-Angina-Episoden und ST-Segment-Veränderungen, die sich auf Nitrate und/oder Ca-Antagonisten zurückbilden, um das Ausmaß einer Koronarerkrankung zu erfassen (I/C).
Ambulantes ST-Segment-Monitoring sollte erwogen werden, um ST-Segment-Veränderungen bei Abwesenheit einer erhöhten Herzfrequenz zu erfassen (IIa/C).
Ein intrakoronarer Provokationstest sollte erwogen werden, um Koronarspasmen bei Patient*innen mit normalen Koronararterien oder nichtobstruktiver KHK und dem klinischen Bild einer vasospastischen Angina zu identifizieren und die Lokalisation des Spasmus zu erfassen (IIa/B).
Indikationen zur Überweisung
Bei V. a. vasospastische Angina
Therapie
Therapieziele
Symptomfreiheit oder -linderung
Verbesserung der Lebensqualität
Vermeidung und Behandlung von durch Koronarspasmen ausgelösten ischämischen Komplikationen
In der Dauerbehandlung sind Ca-Antagonisten Mittel der 1. Wahl11,14
Es können unter Berücksichtigung von Komorbiditäten und Kontraindikationen entweder Dihydropyridine (z.B. Nifedipin, Amlodipin) oder Nicht-Dihydropyridine (Verapamil, Diltiazem) verwendet werden. 11
Alternativ können langwirksame Nitrate verabreicht werden.11,14
Bei nicht ausreichender Wirkung einer Monotherapie können Ca-Antagonisten und Nitrate kombiniert werden.11
Eine weitere medikamentöse Option ist der Kaliumkanalblocker Nicorandil.1
Weitere Therapiemöglichkeiten
Nach überlebtem plötzlichem Herztod oder malignen ventrikulären Arrhythmien sollte eine ICD-Implantation erwogen werden.5
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Autor
Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
Definition:Abweichende Form der Angina pectoris, die nicht durch fixierte atherosklerotische Stenosen, sondern durch Vasospasmen epikardialer Koronararterien verursacht wird.