Erkrankung oder Schädigung im Muskel oder in dessen peripherer oder zentraler Innervation
Kann auch funktionell sein: ohne Anzeichen für organische Schäden; sorgfältige Psychodiagnostik erforderlich.
Konsultationsgrund
Die Betroffenen befürchten eine ernsthafte Erkrankung.
Abwendbar gefährliche Verläufe/Red Flags
Bei akuten Lähmungen aufgrund von mechanischem Druck auf das Nervengewebe, z. B. auf das Rückenmark, kann eine sofortige operative Therapie indiziert sein.
Periphere Paresen aufgrund einer Störung der neuromuskulären Erregungsübertragung
Die häufigste Form der autoimmunen MG wird durch pathogene Autoantikörper (Auto‐AK) gegen den nikotinischen Acetylcholin‐Rezeptor (AChR) an der neuromuskulären Synapse hervorgerufen.
In sehr schweren Fällen können die Betroffenen innerhalb weniger Tage vollständig paralysiert und vom Beatmungsgerät abhängig sein.
Querschnittsyndrome
Beispielsweise durch Wirbelfrakturen, degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule mit Myelokompression, intraspinale Raumforderung oder Erkrankungen im Rückenmark selbst, z. B. MS oder andere Myelitiden
Je nach Höhe und Ausdehnung der Läsion evtl. auch sensorische Ausfälle (Berührung, Schmerz, Temperatur, Vibration)
Eine Untersuchung der Koordination und Beweglichkeit der Beine zeigt in der Regel erst eine sinkende Geschwindigkeit, und dann eine abnehmende Kraft. Das Gangbild wird allmählich spastisch-ataktisch. Die Plantarreflexe werden invertiert (positives Babinski-Zeichen).
Meist liegt eine dissoziative Störung zugrunde, die oft mit anderen psychischen Störungen einhergeht.
Meist vollständig oder teilweise Verlust der Bewegungsfähigkeit eines oder mehrerer Körperglieder
Große Ähnlichkeiten mit fast jeder Form von Ataxie, Apraxie, Akinesie, Aphonie, Dysarthrie, Dyskinesie, Anfällen oder Lähmungen möglich. Die Ausfälle folgen jedoch nicht exakt der Anatomie des Nervensystems (differenzialdiagnostisch entscheidend).
Der Muskeltonus ist in der Regel reduziert, die Muskeldehnungsreflexe sind jedoch normal. Es ist möglich, die Lähmung zu beeinflussen, z. B. durch gleichzeitige Bewegungen der Arme und Beine oder durch Konzentration auf mentale Aufgaben.
Begriffe wie „psychogen“ oder „dissoziativ“ bergen das Risiko, dass sich die Person mit ihrem Leiden nicht ernst genommen fühlt und sich gegenüber therapeutischen Interventionen verschließt. Neurologische Krankheitskonzepte wie „gestörte Informationsverarbeitung“ oder „Fehlanpassung der Motorik“ scheinen von den Betroffenen eher akzeptiert zu werden.
Im Rahmen der Neurophysiotherapie lernt die erkrankte Person, die Aufmerksamkeit schrittweise von gestörten auf funktionierende Bewegungsmuster zu fokussieren.
In der Regel sind flankierend psychotherapeutische Interventionen erforderlich, besonders bei psychischer Komorbidität.
Die häufigsten genetisch vermittelten Polyneuropathien sind die HMSN (hereditäre motorisch-sensible Neuropathien), auch als Charcot-Marie-Tooth-Syndrome (CMT) bezeichnet: Gesamtprävalenz aller CMT-Varianten ca. 1/1.2500).
Wird in der Regel durch Kompression oder Krafteinwirkung auf den Nerv an einer exponierten Stelle in der Ulnarisrinne im Ellenbogen sowie ggf. durch Verletzungen auf Handgelenkshöhe verursacht.
Schmerzen und Parästhesien des kleinen Fingers, Paresen und Atrophie der ulnarisinnervierten kleinen Handmuskeln, evtl. Krallenhand
Läsionen werden meist durch Druck auf den mittleren hinteren Teil des Humerus ausgelöst, können aber auch infolge einer Humerusfraktur oder Schulterluxation auftreten.
Diese Art der Schädigung tritt häufig im Tiefschlaf unter Alkoholeinwirkung ein, wenn der Arm schlaff und unbewegt auf der Bettkante liegt oder jemand auf dem Arm liegt. Auch als „Parkbanksyndrom“ bezeichnet.
Die Streckfunktion des Handgelenks und der Finger wird abgeschwächt.
Sensibilitätsstörungen auf der Dorsalseite von Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger sowie radial auf dem Handrücken und ggf. radial auf der Dorsalseite des Arms.
Der Nerv kann durch Druck auf die Schulter geschädigt werden, z. B. durch das Tragen von schweren Taschen.
Führt zu einer Lähmung des Musculus serratus anterior mit Scapula alata als Folge, kann auch Probleme beim Heben des Armes über den Kopf verursachen, ruft keine sensorischen Ausfälle hervor.
Eine Schädigung wird meist durch Druck auf den N. peroneus profundus hervorgerufen, wo dieser rund um die Oberfläche des proximalen Teils der Fibula verläuft.
Kann durch direkte Traumata oder enge Stiefel oder Bänder unter dem Knie hervorgerufen werden, oder z. B. nach langem Sitzen in der Hocke. Im Rahmen der medizinischen Versorgung kann während der Lagerung in Narkose oder durch einen Gipsverband mit lokalem Druck auf den Nerv über mehrere Stunden eine Schädigung entstehen.
Steppergang aufgrund von Lähmung der tiefen Peroneusmuskulatur (gestörte Fußhebung) und Sensibilitätsstörung distal am Fußrücken.
Ggf. Gefühlsverlust am gesamten Fußrücken und distal am Schienbein, wenn der Nervus peroneus communis geschädigt wurde. Dann auch Storchengang mit fehlender Fußhebung und gestörter Pronation.
Ergänzende Untersuchungen sollten abhängig von der Diagnose der zugrunde liegenden Ursache der Lähmung erfolgen.
Bei Spezialist*innen
Ein Elektromyogramm (EMG) kann bei Lähmungen des peripheren Typs geeignet sein.
Elektroneurogramm (ENG)
Bildgebende Diagnostik – besonders CT und MRT
Maßnahmen und Empfehlungen
Indikationen zur Krankenhauseinweisung
Bei akuten und schweren Lähmungen sollte in der Regel eine sofortige Krankenhauseinweisung erfolgen. Bei Verdacht auf Schlaganfall, TIA, Rückenmarks- und Nervenkompression sollte stets eine akute Beurteilung mit Untersuchungsmöglichkeiten im Krankenhaus erfolgen.
Die meisten Paresen können durch körperliche Aktivität positiv beeinflusst werden.
Bei zentralen Paresen ist oft nur eine moderate Intensität der Bewegungstherapie ratsam. Zu intensive körperliche Aktivität kann die motorische Funktion verschlechtern.
Auch bei Myasthenia gravis ist übermäßige körperliche Aktivität zu vermeiden.
Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). Rehabilitation von sensomotorischen Störungen. AWMF-Leitlinie Nr. 030-123. S2k, Stand 2017. www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). Lumbale Radikulopathie. AWMF-Leitlinie Nr. 030-058. S2k, Stand 2018. www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). Myasthenia gravis und Lambert-Eaton-Syndrom, Diagnostik und Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 030-087. S2k, Stand 2014 (abgelaufen). www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Motoneuronerkrankungen. AWMF-Leitlinie Nr. 030-001. S1, Stand 2021. www.awmf.org
Literatur
Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI): ICD-10-GM Version 2021. Stand 18.09.2020; letzter Zugriff 11.12.2021. www.dimdi.de
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Autor*innen
Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).