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Mundwinkelrhagaden

Zusammenfassung

  • Definition:Deskriptive Diagnose für entzündliche Hautveränderungen der Mundwinkel verschiedener Genese.
  • Häufigkeit:Prävalenz von 0,7 % in Allgemeinbevölkerung.
  • Symptome:Schmerzhafte Rissbildung in Mundwinkeln.
  • Befunde:Fissuren im Mundwinkel mit begleitendem Erythem.
  • Diagnostik:Klinische Diagnose. Bei therapierefraktären Verläufen Labordiagnostik auf Mangelzustände (u. a. Eisen und B-Vitamine).
  • Therapie:Mehrzahl der Fälle infektiös, daher probatorische Therapie mit antimykotischen Topika, ggf. ergänzt durch antibiotische Topika.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Synonyme: Cheilitis angularis, Perlèche (franz. pourlècher = sich die Lippen lecken)1, Angulus infectiosus, Faulecke
  • Deskriptive Diagnose für entzündliche Hautveränderungen der Mundwinkel verschiedener Genese2
  • Rhagaden: Überbegriff für Hautfissuren im Bereich von Regionen mit viel Bewegung2

Häufigkeit

  • Prävalenz von 0,7 % in der Allgemeinbevölkerung2
    • zweigipfelige Verteilung (gehäuft bei Kindern sowie 3.–6. Lebensdekade)
  • Geschlechterverhältnis ausgeglichen1

Ätiologie und Pathogenese

  • Multifaktorielle Genese mit lokalen und systemischen Faktoren, die häufig in Kombination auftreten.1

Lokale Faktoren

  • Infektiöse Ursachen
    • Häufigster Grund: In 50–80 % der Fälle sind pathogene Keime nachweisbar.2
    • meistens Candica albicans3
      • vor allem bei Diabetes durch erhöhte Glukosekonzentrationen im Speichel2
    • gehäuft bei supprimiertem Immunsystem, z. B. unter Chemotherapie oder bei AIDS
  • Allergische Ursachen
    • Kontaktdermatitis für etwa 1/4 der Fälle verantwortlich, z. B. durch:2
      • Nickel (bei Patient*innen mit Zahnspangen), Zahnpasta, Kosmetika
  • Repetitive Verhaltensmuster mit Reizung der Mundwinkel, u. a.:2
    • Daumenlutschen, Lippenlecken, aggressive Verwendung von Zahnseide
  • Anatomische Ursachen
    • Anatomische Varianten, die zu vermehrter Speichelansammlung in Mundwinkeln führen, z. B.:2
      • schlecht sitzendes Gebiss
      • Retrognathie mit Malokklusion der Zähne
      • reduzierter Hautturgor durch starken Gewichtsverlust, Alter oder Rauchen
      • Makroglossie (25 % der Patient*innen mit Trisomie 21 leiden unter Mundwinkelrhagaden)

Systemische Faktoren

Pathogenese

  • Speichel sammelt sich in Mundwinkeln.
  • Aufweichung der Haut mit Fissurenbildung
  • Sekundärinfektion mit Candida und/oder Staphylokokken

Prädisponierende Faktoren

  • Rauchen1
  • Prädisponierende Faktoren nach Pleimes4
    • atopische und seborrhoische Dermatitis
    • Hypersalivation
    • Malnutrition (z. B. Eisenmangel)
    • Systemerkrankungen, wie Diabetes mellitus
    • Anämie
    • Immundefizienz
    • Medikamente, insbesondere Immunsuppressiva
    • beeinträchtigter Mundschluss, insbesondere Fehlstellungen (Lippe, Zähne, Zunge)
    • mechanische Dehnung, z. B. Intubation, Zahnuntersuchungen

ICPC-2

  • S75 Candidose der Haut

ICD-10

  • K13.0 Krankheiten der Lippen inkl.: Angulus infectiosus oris (Perlèche)

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Klinische Diagnose durch Anamnese und körperlichen Befund
  • Ziel ist Herausfinden der Ursache der Mundwinkelrhagaden, um eine adäquate Therapie zu ermöglichen.

Differenzialdiagnosen

  • Lippen-Leck-Ekzem4
    • Bei Kindern, scharf begrenzt auf Areale, die mit Zunge erreicht werden.
      4061-2-herpes-simplex-labialis-1.jpg
      Herpes simplex labialis
  • Atopische Dermatitis4
    • Reicht im Gegensatz zum recht scharf begrenzten Lippen-Leck-Ekzem meist bis auf Wangen.
  • Periorale Dermatitis4
    • klassischerweise bei längerer Anwendung von fettigen Externa
    • meist Befund aus monomorphen konfluierenden Papeln
      4098-2-lichen-planus-munn.jpg
      Lichen ruber, Mund
    • typisch: Aussparung des direkten Lippenrot-Randbereiches
  • Herpes labialis
  • Erosiver Lichen ruber

Anamnese

  • In den Mundwinkeln spontanes Auftreten von Rötung und schmerzhafter Rissbildung
  • Zahnstatus: Tragen von Zahnersatz? Mundhygiene? Einsatz von Zahnseide?
  • Beruf/Hygienemaßnahmen: längeres Tragen einer Maske?
  • Sonstige Erkrankungen: Anämie, Immuninsuffizienz, Diabetes?
  • Raucher: Verwendung von Kautabak?
  • Alkoholkonsum?
  • Hauterkrankungen: atopisches Ekzem, Psoriasis, Lichen ruber?
  • Allergien: Ekzem?
  • Medikamente: Anwendung topischer Präparate? Medikamente, die Xerostomie verursachen können, z. B. Anticholinergika?
  • Ernährung: Anhalt für Malnutrition?
  • Stuhlverhalten: Hinweise für chronisch-entzündliche Darmerkrankung?

Klinische Untersuchung

  • Mundwinkelrhagaden
    Mundwinkelrhagaden
    Schmerzhafte Fissuren in Mundwinkeln
  • Anhalt für Anämie?
    • blasses Hautkolorit
    • blasse Konjunktiva
  • Überprüfung der Mundhöhle und ggf. des Zahnersatzes
    • Sitz der Zahnprothese?
    • Anhalt für schlechte Mundhygiene?
    • intraorale Läsionen, z. B. Aphthen (Anhalt für M. Behcet, insbesondere bei Patient*innen mit Abstammung aus dem Nahen und Mittleren Osten).

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • Ggf. Abstrich auf Pilze und Bakterien2
  • Bei therapierefraktären Beschwerden nach 2–3 Wochen trotz kombinierter antimykotischer/antibiotischer topischer Behandlung:2

Indikationen zur Überweisung

  • Überweisung an dermatologische Praxis
    • bei therapierefraktären Beschwerden
  • Überweisung an zahnärztliche Praxis
    • bei schlecht sitzender Zahnprothese

Therapie

Therapieziele

  • Schmerzen und Beschwerden lindern.
  • Behandlung der zugrunde liegenden Ursache.

Allgemeines zur Therapie

  • Die Mehrzahl der Fälle mit infektiöser Genese; empfohlen wird eine probatorische Behandlung mit lokalen Antimykotika oder ggf. Antibiotika.1
  • Insbesondere bei rezidivierenden Beschwerden an die Ursache ausgerichtete Therapie

Empfehlungen für Patient*innen

  • Gute Mundhygiene sicherstellen.
    • optimale Anpassung und hygienische Reinigung von Zahnersatz
  • Verzicht auf Nikotin
  • Lippenlecken vermeiden.
  • Patient*innen, die Steroide inhalieren, sollten nach der Inhalation den Mund spülen.
  • Bei Xerostomie Kaugummis oder Bonbons zur Anregung des Speichelflusses
  • Auf Stoffe verzichten, die Kontaktallergie auslösen können.
  • Mundwinkel regelmäßig mit einem Taschentuch trocken tupfen.5
  • Mundwinkel mit Salbeitee abtupfen.5
    • Gerbstoffe machen die Haut unempfindlicher.

Medikamentöse Therapie

  • Bei Beteiligung von C. albicans (häufigste Ursache)
    • topische Therapie mit z. B. Nystatin-haltiger Creme, 2 x/d über 2 Wochen1-2
    • häufig in Salben Kombination mit Zink (austrocknender Effekt)
  • Bei Beteiligung von S. aureus
    • topische Therapie mit z. B. Mupirocin-haltiger Creme, 3–4 x/d über 1–2 Wochen1-2
  • Topische Glukokortikoide
    • Können zusätzlich Entzündung reduzieren, z. B. Hydrokortison 1-%-Creme 2–3 x/d über 1–2 Wochen1-2

Bei zugrunde liegender Mangelernährung

  • Ggf. Eisen- oder Vitaminmangel ausgleichen.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • In der Regel rasche Abheilung
    • Verlaufskontrolle nach 2 Wochen empfohlen, um bei Persistenz Reevaluation der Ursache und Anpassung der Therapie vorzunehmen.1

Komplikationen

  • Sekundärinfektionen
  • Chronische oder rezidivierende Verläufe

Prognose

  • Kandidose spricht gut auf Antimykotika an.
  • Einzelne Episode mit guter Prognose, jedoch häufig Rezidive, insbesondere bei inadäquater Therapie der Ursache.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

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Cheilitis
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Herpes simplex labialis
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Lichen ruber (Mund)
Mundwinkelrhagaden
Mundwinkelrhagaden

Quellen

Leitlinie

  • Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH). Eisenmangelanämie. AWMF-Leitlinie Nr. 025-021. S1, Stand 2016. www.awmf.org

 

Literatur

  1. Pandarathodiyil AK, Anil S, Vijayan SP. Angular Cheilitis - An Updated Overview of the Etiology, Diagnosis, and Management. International Journal of Dentistry and Oral Science 2021; 8(2): 1433-1438. www.researchgate.net
  2. Federico JR, Basehore BM, Zito PM. Angular Chelitis. StatPearls 2021. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  3. Park KK, Brodell RT, Helms SE. Angular cheilitis, part 1: local etiologies. Cutis 2011; 87: 289-95. pmid:21838086 PubMed
  4. Pleimes M. Orale und periorale Dermatosen bei Kindern richtig diagnostizieren.. HNO Nachrichten 2020; 50: 20-25. link.springer.com
  5. Pharmazeutische Zeitung. Rhagaden: Beschwerden ernst nehmen und behandeln. 06.07.2017. www.pharmazeutische-zeitung.de

Autor*innen

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Frankfurt a. M.
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
K130 Krankheiten
Angulær cheilitt
S75
Läsionen in den Mundwinkeln; Rissbildungen; Eingerissene Mundwinkel; Cheilitis angularis; Perlèchen; Angulus infectiousus; Faulecke; Anämie; Vitamin-B12-Mangel; C. albicans; Candida albicans
Mundwinkelrhagaden
U-NH 04.1017
BBB MK 14.09.2021 revidiert und fast komplett umgeschrieben, bes. Therapie. Revision at 04.10.2015 10:10:22: Ingen vesentlige endringer. Revision at 19.10.2012 11:15:29: Generell gjennomgang av artikkelen med små endringer. Revision at 19.10.2012 11:11:44: Generell gjennomgang med små endringer. chck go 23.5.16 MK 12.03.2018 CCC MK 12.10.2018, Inhalt überprüft, kleine Änderungen
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Definition:Deskriptive Diagnose für entzündliche Hautveränderungen der Mundwinkel verschiedener Genese. Häufigkeit:Prävalenz von 0,7 % in Allgemeinbevölkerung. Symptome:Schmerzhafte Rissbildung in Mundwinkeln.
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