Allgemeine Informationen
Definition
- Entzündung der Augenhaut (Uvea), die unterschiedliche Abschnitte des Auges betreffen kann.
- Die Erkrankung wird nach der anatomischen Lokalisation und nach dem Verlauf differenziert.
- Lokalisation
- Uveitis anterior: Betrifft die Vorderkammer des Auges (Iritis, Iridozyklitis, anteriore Zyklitis).
- Uveitis intermedia: Betrifft den Glaskörper (Pars planitis, posteriore Zyklitis, Hyalitis).
- Uveitis posterior: Betrifft die Netzhaut oder Aderhaut (Chorioiditis, Chorioretinitis, Retinochoroiditis, Retinitis, Neuroretinitis).
- Panuveitis: Betrifft Vorderkammer, Glaskörper und Netz- oder Aderhaut.
- Verlauf
- akut
- rezidivierend
- chronisch1-4
- Lokalisation
- Tritt idiopathisch oder in Zusammenhang mit einer Grunderkrankung auf.
- Im Kindesalter ist die Uveitis häufig mit juveniler idiopathischer Arthritis vergesellschaftet.1
Häufigkeit
- Iridozyklitis/Uveitis ist eine verhältnismäßig seltene Erkrankung.
- Die Inzidenz von intraokulären Entzündungen liegt in Mitteleuropa und den USA zwischen 17 und 50 Fällen pro 100.000 Einw. pro Jahr.
- Die Prävalenz von intraokulären Entzündungen liegt in Mitteleuropa und den USA bei ca. 115 pro 100.000 Einw.
- Die anteriore Uveitis ist die häufigste Form der Uveitis.
- Uveitis anterior: 58–90 % der Fälle2,5
- Uveitis intermedia: ca. 20 % der Fälle4
- Uveitis posterior: 12–15 % der Fälle3
- Tritt häufiger bei Männern als bei Frauen auf.6
- Erkrankungsgipfel im Alter von 20–40 Jahren6
Ätiologie und Pathogenese
- Die Pathogenese der Uveitis ist noch nicht vollständig aufgeklärt.
- Idiopathisches Auftreten bei 48–70 % der Fälle
- Zusammenhang mit einer Reihe systemischer Erkrankungen (siehe Abschnitt Prädisponierende Faktoren)
- Es besteht eine Assoziation zu Traumata, entzündlichen oder infektiösen Prozessen.5
- Es wird angenommen, dass okuläre Traumata zu einer Ausschüttung von inflammatorischen Cytokinen führen und eine Uveitis auslösen können.
- Häufig zeigt sich eine Vergesellschaftung mit HLA-B27-positiven Grunderkrankungen.
- Bei infektiösen Prozessen scheint „Molekulares Mimikry" eine Rolle zu spielen. Hierbei kommt es zu einer Kreuzreaktion mit körpereigenen Antigenen.
- Ca. 20 % der Fälle stehen in einem Zusammenhang mit infektiösen Prozessen.
- In seltenen Fällen können Medikamente eine Uveitis auslösen (z. B. Cidofovir, Checkpoint-Inhibitoren).5
Prädisponierende Faktoren
- Bei der Mehrzahl aller Betroffenen liegt keine Grunderkrankung vor. Es können jedoch auch entzündliche Systemerkrankungen, Infektionen oder Traumata zugrunde liegen:
- entzündliche Systemerkrankungen
- Morbus Bechterew (Spondylitis ankylosans)
- Morbus Reiter
- rheumatoide Arthritis
- juvenile idiopathische Arthritis
- Sarkoidose
- chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (Morbus Crohn und Colitis ulcerosa)
- Kollagenosen/Vaskulitiden (z. B. Morbus Behçet)
- Kawasaki-Syndrom
- multiple Sklerose
- Granulomatose mit Polyangiitis
- tubulo-interstitielle Nephritis
- Infektionen
- Viren (HSV, VZV, CMV)
- bakterielle Infektionen (Tuberkulose, Syphilis, Lyme-Borreliose)
- Parasiten (Toxoplasmose)
- Traumata (z. B. nach intraokularen Eingriffen oder Verletzungen)2,5
- entzündliche Systemerkrankungen
ICPC-2
- F73 Augeninfektion/-entzündung, andere
ICD-10
- H20 Iridozyklitis
- H20.0 Akute und subakute Iridozyklitis
- H20.1 Chronische Iridozyklitis
- H20.2 Phakogene Iridozyklitis
- H20.8 Sonstige Iridozyklitis
- H20.9 Iridozyklitis, nicht näher bezeichnet
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Die Diagnose wird anhand der Anamnese und dem typischen klinischen Befund gestellt.
- Zur Diagnose sollte eine Überweisung an eine Fachärztin/einen Facharzt für Augenheilkunde erfolgen.1-2
- Bei Erstdiagnose einer juvenilen idiopathischen Arthritis ist unabhängig vom Vorhandensein einer okulären Symptomatik innerhalb von 2 Wochen eine augenärztliche Vorstellung indiziert.1
Differenzialdiagnose
- Akutes Glaukom
- Kann gleichzeitig mit einer Iridozyklitis auftreten.
- erweiterte Pupille, ödematöse Hornhaut
- Konjunktivitis
- keine Sehschärfenbeeinträchtigung, normale Pupillen, häufig Eiterbildung
- Keratitis
- u. U. Sehstörungen und Fotophobie, aber keine Veränderungen der Pupille
- Endophthalmitis
- Uveitis-Maskerade-Syndrom (z. B. bei Retinoblastom, vitreoretinalem Lymphom, Leukämien, Neuroblastom, M. Coats)1,4-5
Anamnese
- Sowohl plötzlicher, als auch schleichender Beginn möglich
- Uni- oder bilaterales Auftreten
- Rötung
- Schmerzen
- Lichtempfindlichkeit
- Tränenfluss
- Visusminderung
- Photopsien
- Flimmern
- Skotome
- Mouches volantes
- Häufig auch asymptomatischer Verlauf möglich
- Ggf. anamnestisch Hinweise auf systemische Grunderkrankungen1,3
- Ggf. Verletzungen/Operationen der Augen in der Vorgeschichte2
Klinische Untersuchung
- Inspektion des betroffenen Auges/beider Augen
- gerötetes Auge, ziliäre Injektion (rötlich-bläuliche Verfärbung rund um die Cornea)
- Miosis
- ungleichmäßige Rundung der Pupille
Bei Fachärzt*in für Augenheilkunde
- Augenärztliche Basisdiagnostik
- Bestimmung der Sehschärfe
- Spaltlampenuntersuchung
-
- Gradeinteilung der Vorderkammerzellen und der Vorderkammertrübung („Tyndall-Phänomen")
- Untersuchung des Augenhintergrundes
- Tonometrie
- Typische Befunde
- Verschwommenes Sehen auf der betroffenen Seite, aber der Grad der Sehschärfenminderung variiert.
- rotes Auge mit ziliarer Injektion
- Miosis
- ungleichmäßige Rundung der Pupille als Zeichen für hintere Synechien
- Hintere Synechien entstehen durch Verklebungen der Iris mit der Linsenvorderseite aufgrund der Entzündung. Vordere Synechien entstehen durch Verwachsung zwischen Iris und Hornhaut (viel seltener).
- Trübung des Kammerwassers („Tyndall-Phänomen").
- retrokorneale Proteinausfällung (Präzipitate)
- In schweren Fällen kommt es zur Bildung eines Hypopyons.
- Weiterführende DiagnostiK
- Gonioskopie bei granulomatöser Uveitis und Erhöhung des Augeninnendruckes
- Perimetrie bei Verdacht auf Makulabeteiligung
- Fluoreszenzangografie, optische Kohärenztomografie (OCT) bei Verdacht auf Makulaödem
- okuläre Sonografie
- neuroophthalmologischer Status
- Amsler-Gitter
- Elektrophysiologie
- Kammerwasserpunktion (Nachweis von HSV, VZV, CMV)
- diagnostische Vitrektomie
- chorioretinale Biopsie2-4
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
- Eine ätiologische Abklärung zur Ermittlung einer bestehenden Grunderkrankung wird spätestens ab dem zweiten Schub empfohlen.
- Laboruntersuchungen
- Differenzialblutbild
- CRP, BSG
- Kreatinin, Elektrolyte, Leberenzyme
- Urinstatus
- HLA-B27, ACE, ANA, ANCA, IL-2 Rezeptor, Lues-Serologie, Tuberkulose-Nachweis, Borreliose-Serologie2-4
Diagnostik bei Spezialist*innen
- Röntgen
- Röntgen-Thorax (Sarkoidose, Tuberkulose)
- Röntgen der Iliosakralgelenke (ankylosierende Spondylitis)
- MRT des ZNS2 (multiple Sklerose)
Indikation zur Überweisung
- Sofortige Überweisung zur Augenärzt*in
Therapie
Therapieziele
- Entzündung hemmen, Schmerzen lindern.
- Komplikationen wie z. B. Glaukom oder die Entstehung von permanenten Synechien verhindern.
- Sehfähigkeit wiederherstellen/erhalten.
- Systemische Grunderkrankungen erkennen und behandeln.
- Rezidivprophylaxe1-4
Allgemeines zur Therapie
- Die Behandlung sollte unter augenärztlicher Leitung erfolgen.
- Mögliche Therapieoptionen
- topische medikamentöse Behandlung
- systemische medikamentöse Behandlung
- operative Therapie
- Bei Vorliegen einer systemischen Grunderkrankung und bei Gabe einer immunmodulatorischen Medikation sollte eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von Augenärzt*innen, Rheumatolog*innen, Internist*innen, Kinderärzt*innen und Allgemeinmediziner*innen angestrebt werden.
- Bei anhaltender Uveitis trotz systemischer Steroidtherapie sollte die Behandlung an speziellen Uveitiszentren erfolgen.1-4
Medikamentöse Therapie (bei Ausschluss infektiöser Genese)
- Topische/lokale medikamentöse Behandlung
- Kortikosteroide
- Prednisolonacetat 1 %, Dexamethason 0,1 %
- bei Therapiebeginn stündliche Gaben mit beschwerdeadaptierter Reduktion
- Meist muss eine mehrwöchige Behandlung erfolgen.
- ausschleichende Behandlung, ggf. mit schwächeren Wirkstoffen
- Ggf. können Kortikosteroide periokulär, parabulbär oder intravitreal injiziert werden.2-3
- Bei Vorliegen einer Uveitis posterior ohne Vorderkammerbeteiligung sind topisch applizierte Kortikosteroide nicht wirksam, da sie nicht tief genug eindringen. Kortikosteroide sollten in diesem Fall lokal injiziert werden.3
- Kortikosteroide
- Systemische medikamentöse Behandlung
- Kortikosteroide
- indiziert bei akutem Stadium der Uveitis intermedia und Uveitis posterior, bei schwerem Verlauf der Uveitis anterior, bei ausgeprägter Trübung des Glaskörpers oder bei Makulaödem
- bei akutem Stadium der Uveitis intermedia/posterior: orale Gabe (1,0 mg/kg KG Prednisolonäquivalent), ggf. intravenös (Methylprednisolon 10–30 mg/kg KG für 3–5 Tage), Dosisreduktion über 6–12 Wochen, ggf. Erhaltungsdosis von 0,1 mg/kg KG
- Immunsuppressiva (z. B. Cyclosporin A, Tacrolimus, Azathioprin, Methotrexat, Cyclophosphamid, Mycofenolat-Mofetil, Biologica, TNF-alpha Inhibitoren, Interferon alpha)
- insbesondere bei fehlender Wirksamkeit sowie zur Einsparung von Kortikosteroiden
- bei drohender oder fortschreitender Visusminderung
- Die individuelle Auswahl der Medikation richtet sich auch nach der evtl. vorliegenden Grunderkrankung.
- Kortikosteroide
- Rezidivprophylaxe
- Kortikosteroide
- wenn möglich topisch, ggf. auch oral in niedriger Dosis
- Immunsuppressiva
- Kortikosteroide
- Behandlung einer evtl. vorliegenden systemischen Grunderkrankung1-4
Operative Therapie
- Die operative Versorgung einer Uveitis sollte möglichst an einem spezialisierten Zentrum erfolgen.
- Mögliche operative Eingriffe sind:
- Operation zur Senkung des Augeninnendrucks
- operative Behandlung eines sekundär entstandenen Kataraktes
- Pars-plana-Vitrektomie
- Keratektomie
- Trabekulektomie
- tiefe Skleraresektion
- zyklodestruktive Eingriffe.1-4
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Kann akut oder schleichend beginnen.
- Häufig chronischer Verlauf
- Bei frühzeitiger Behandlung dauert die Erkrankung von einigen Tagen bis zu 2 Wochen.
- Die Uveitis anterior ist häufig selbstbegrenzend, es liegen aber keine Daten dazu vor, wann, wie häufig und bei welchen Betroffenen dies erfolgt.6
- Es gibt eine seltenere, granulomatöse Form mit eher schleichendem Beginn und chronischem Verlauf, die Monate bis Jahre dauern kann.
Komplikationen
- Katarakt
- Glaukom
- Hypotoner Augeninnendruck
- Makulaödem
- Retinale/choroidale Neovaskularisation
- Epiretinale Membran
- Bildung von Synechien
- Bandförmige Keratopathie
- Glaskörperblutung3-5
Leitlinie: Risikofaktoren für okuläre Komplikationen und einen schlechten Visusverlauf bei Uveitis im Rahmen einer juvenilen idiopathischen Arthritis1
- Schlechter initialer Visus
- Hohe Entzündungsaktivität der Uveitis bei Erstdiagnose
- Vorderkammer-Tyndall 1+ (Trübung aufgrund von Protein und Entzündungszellen, Anm. der Redaktion) oder Laser Flare > 20 photon units/ms (Streuung des Lasers aufgrund von Protein und Entzündungszellen in der Vorderkammer, Anm. der Redaktion)
- Katarakt
- Uveitismanifestation vor der Arthritis
- Kurzes Intervall zwischen Arthritis- und Uveitisbeginn (< 6 Monate)
- Frühes Erkrankungsalter (≤ 5. Lebensjahr)
- Lange Erkrankungsdauer
- Makulaödem
- Dichte Glaskörpertrübung (> 2+)
- Okuläre Hypotonie
- Glaukom
- Ungenügende Compliance
Prognose
- Eine kurative Therapie ist nur bei infektiöser Genese möglich. Bei Vorliegen einer entzündlichen Systemerkrankung kann lediglich antientzündlich behandelt werden.1
- Durch rechtzeitige Behandlung können dauerhafte Schäden am Auge verhindert werden.
- Bei zu spätem Therapiebeginn oder bei unzureichender Therapie können Komplikationen auftreten und zu einer dauerhaften Visusminderung bzw. zu einem Visusverlust führen.
- Ca. 10 % der Erblindungen in den USA sind auf Uveitiden zurückzuführen.5
- Das Risiko für ein Rezidiv nach einer akuten Entzündung beträgt 30 %.2
Verlaufskontrolle
- Engmaschige augenärztliche Kontrollen in der akuten Phase
- Bei chronisch rezidivierender Verlaufsform sollte alle 3 Monate eine augenärztliche Kontrolle erfolgen.2
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Illustrationen

Iridozyklitis
Quellen
Leitlinien
- Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft. Diagnostik und antientzündliche Therapie der Uveitis bei juveniler idiopathischer Arthritis. AWMF-Leitlinie Nr. 045-012. S2k, Stand 2021. www.awmf.org
- Berufsverband der Augenärzte Deutschlands, deutsche Opthalmologische Gesellschaft. Uveitis intermedia. BVA/DOG Leitlinie Nr. 24a. Stand 2020. augeninfo.de
- Berufsverband der Augenärzte Deutschlands, deutsche Ophthalmologische Gesellschaft. Nichtinfektiöse Uveitis posterior. Leitlinie Nr. 24b. Stand August 2017. augeninfo.de
Literatur
- Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft. Diagnostik und antientzündliche Therapie der Uveitis bei juveniler idiopathischer Arthritis. AWMF-Leitlinie Nr. 045-012. S2k, Stand 2021. www.awmf.org
- Berufsverband der Augenärzte Deutschlands, Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft. Uveitis anterior. BVA/DOG Leitlinie Nr. 14, Stand 2010. augeninfo.de
- Berufsverband der Augenärzte Deutschlands, Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft. Nichtinfektiöse Uveitis posterior. Leitlinie Nr. 24b. Stand August 2017. www.dog.org
- Berufsverband der Augenärzte Deutschlands, Deutsche Opthalmologische Gesellschaft. Uveitis intermedia. BVA/DOG Leitlinie Nr. 24a, Stand 2020. augeninfo.de
- Duplechain A, Conrady CD, Patel BC, Baker S. Uveitis. 2021 Aug 11. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2021 Jan–. PMID: 31082037. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Curi A, Matos K, Pavesio C. Acute anterior uveitis. Clin Evid. 2005 Dec;(14):739-43. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
Autor*innen
- Susanne Engelhardt, Dr. med., Ärztin in Weiterbildung für Allgemeinmedizin, Hof
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).