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Pulmonalatresie

Zusammenfassung

  • Definition:Pulmonalatresie mit intaktem Ventrikelseptum ist ein seltener angeborener Herzfehler mit vollständiger Obstruktion des rechtsventrikulären Ausflusstrakts und zumeist membranöser Atresie der Pulmonalklappe. Lungenperfusion über Ductus arteriosus (duktusabhängiger Herzfehler). Weitere Fehlbildungen, insgesamt große Heterogenität des Herzfehlers.
  • Häufigkeit:Inzidenz 4/100.000 Lebendgeburten. Weniger als 1 % der angeborenen Herzfehler.
  • Symptome:Rasche postnatale Manifestation mit Tachypnoe und Zyanose.
  • Befunde:Tachypnoe, Zyanose, kühle Haut, hebender Herzspitzenstoß.
  • Diagnostik:Diagnosestellung und Einschätzung der Therapiemöglichkeiten mithilfe von Echokardiografie und Herzkatheteruntersuchung. 
  • Therapie:Zur initialen Offenhaltung des Ductus arteriosus wird Prostaglandin verabreicht. In Abhängigkeit von der Ausprägung der strukturellen Veränderungen mehrzeitige Behandlung mit unterschiedlichen chirurgischen/katheterinterventionellen Verfahren. Teilweise Trennung der Kreisläufe möglich, teilweise nur Palliativeingriffe.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Pulmonalatresie mit intaktem Ventrikelseptum ist eine Fehlbildung rechtsseitiger Herzstrukturen gekennzeichnet durch:1
    • vollständige Obstruktion des rechtsventrikulären Ausflusstrakts
    • zumeist membranöse Atresie der Pulmonalklappe
    • intaktes Ventrikelseptum
    • Vorhofseptumdefekt
    • Hypoplasie der Trikuspidalklappe
    • Hypoplasie des rechten Ventrikels
    • Koronaranomalien
      • Bei 7–9 % RV-druckabhängige Koronarzirkulation durch große Fisteln bei gleichzeitigen proximalen Koronarstenosen
    • Lungenperfusion über Ductus arteriosus (duktusabhängiger Herzfehler)
    • insgesamt große Heterogenität der morphologischen Veränderungen
  • Die Pulmonalatresie mit Ventrikelseptumdefekt2 als Extremvariante der Fallot-Tetralogie (Pulmonalklappenatresie statt -stenose) wird hier nicht näher behandelt.

Häufigkeit

Ätiologie und Pathogenese

Ätiologie

  • Die Ursache ist nicht bekannt.
  • Inflammatorische und infektiöse Mechanismen werden diskutiert.3

Pathophysiologie1,3-4

  • Durch die Pulmonalatresie verschlossener rechtsventrikulärer Ausflusstrakt
  • Obligater Rechts-Links-Shunt auf Vorhofebene
    • bei restriktivem Foramen ovale Stauung mit Hepatomegalie
  • Hierdurch systemarterielle O2-Untersättigung mit Zyanose
  • Der pulmonalarterielle Fluss erfolgt nur durch den Ductus arteriosus.
    • akute klinische Verschlechterung bei sich verschließendem Ductus 
  • Trikuspidalklappe selten normal mit einem Kontinuum möglicher Veränderungen von hochgradiger Stenose bis hochgradiger Insuffizienz
    • deutliche RA-Dilatation mit evtl. Lungenkompression
  • Evtl. subendokardiale Ischämie abhängig vom Ausmaß der Koronaranomalien

Prädisponierende Faktoren

  • Möglicherweise Infektionen während der Schwangerschaft

ICPC-2

  • K73 Angeborene Anomalie Herz/Gefäßsystem

ICD-10

  • Q22 Angeborene Fehlbildungen der Pulmonal- und der Trikuspidalklappe
    • Q22.0 Pulmonalklappenatresie
    • Q22.1 Angeborene Pulmonalklappenstenose
    • Q22.3 Sonstige angeborene Fehlbildungen der Pulmonalklappe
  • Q25 Angeborene Fehlbildungen der großen Arterien
    • Q25.5 Atresie der A. pulmonalis

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Im Gegensatz zu vielen anderen angeborenen Herzfehlern ist die nichtinvasive Diagnostik mittels Echokardiografie für die initiale Beurteilung allein nicht ausreichend. 
  • Diagnosestellung
  • Entscheidende Kriterien für die Beurteilung und die weitere Therapieplanung sind:1
    • membranöse vs. infundibuläre Atresie
      • evtl. auch Atresie des apikalen RV
    • Ausprägung der RV-Hypoplasie
      • Trikuspidalklappendurchmesser als quantitativer Marker
    • Trikuspidalklappe: Morphologie und Größe
    • Koronaranomalien

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Im Allgemeinen verläuft die Schwangerschaft klinisch unauffällig und die Geburt erfolgt zum normalen Termin.
    • Die Diagnose wird evtl. schon im Rahmen der fetalen Echokardiografie gestellt.
  • Rasche postnatale Entwicklung von Tachypnoe und Zyanose, Trinkschwäche

Klinische Untersuchung

  • Zyanose
  • Tachypnoe
  • Kühle Haut
  • Hebender Herzspitzenstoß
  • Auskultation: häufig kein Geräusch bei der initialen Auskultation4
    • evtl. Systolikum 4. ICR rechts oder links durch Trikuspidalklappeninsuffizienz
    • evtl. systolisch-diastolisches Geräusch 2. ICR links durch Ductus arteriosus
    • Siehe auch Artikel Herzgeräusche bei Kindern.

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • Im Allgemeinen keine Indikation, da die Diagnose üblicherweise durch fetale Echokardiografie oder postnatal im Krankenhaus gestellt wird.
  • Allenfalls EKG (siehe auch die Artikel EKG, Check-Liste und EKG, Grundlagen)
    • häufig unspezifisch
    • evtl. P-pulmonale
    • evtl. Zeichen der linksventrikulären Hypertrophie

Diagnostik beim Spezialisten/in der Klinik

  • Pulsoxymetrie/Blutgasanalyse
    • Hypoxämie
    • Azidose
  • Echokardiografie: wichtigstes, wenn auch hier nicht allein entscheidendes diagnostisches Verfahren1
    • rechter Vorhof
    • rechter Ventrikel
      • Größe, Hypertrophie
    • Trikuspidalklappe
    • Pulmonalarterie
      • Größe des Stamms, der proximalen Äste
    • Koronaranomalien
      • Koronarfisteln, Myokardsinusoide
    • Ductus arteriosus
      • Größe, Verlauf
  • Ggf. Röntgenthorax
    • Herzvergrößerung
  • Herzkatheteruntersuchung
    • Koronarstenosen/-verschlüsse
    • Koronarfisteln
    • RV-abhängige Koronarperfusion

Indikationen zur Krankenhauseinweisung

  • Zyanotische/und oder kardial dekompensierte Kinder
    • Zyanose bedarf in jedem Alter einer umgehenden Abklärung.5

Checkliste zur Überweisung

Herzgeräusche bei Kindern

  • Zweck der Überweisung
    • Bestätigende Diagnostik? Behandlung? Sonstiges?
  • Anamnese
    • Gedeihstörung, Schwindel, Synkope, Atemnot, Atemwegsinfekte, Husten, Brustschmerz, Palpitationen
    • Familienanamnese: Herzfehler, plötzlicher Herztod
    • Schwangerschaft: Alkohol, teratogene Medikamente, Infektionen, Diabetes mellitus
    • Vor- und Begleiterkrankungen, die mit Herzfehlern assoziiert sind.
  • Klinische Untersuchung
    • Allgemeinzustand
    • Zyanose, Tachypnoe, Ödeme
    • Blutdruckdifferenz Arme/Beine
    • palpables Schwirren über Thorax, Lebervergrößerung
    • Herzgeräusch: zeitliches Auftreten innerhalb des Herzzyklus, Dauer, Frequenz, Klangcharakter, Punctum maximum, Fortleitung
  • Ergänzende Untersuchungen
    • EKG

Therapie

Therapieziel

  • In Abhängigkeit von der sehr unterschiedlichen Ausprägung der strukturellen Veränderungen unterscheiden sich die Behandlungsziele:
    • biventrikuläre Zirkulation mit Kreislauftrennung nur bei ca. 30–50 % der Kinder möglich1,6
      • RV-Hypoplasie darf nicht zu ausgeprägt sein.
    • alternativ chirurgische Palliativeingriffe mit univentrikulärer Zirkulation 

Medikamentöse Behandlung

  • Postnatal Verabreichung von Prostaglandin E zum Offenhalten des Ductus arteriosus

Chirurgische und interventionelle Behandlung

  • Abhängig von den individuellen strukturellen Veränderungen werden die Patienten in Gruppe A–C klassifiziert und unterschiedliche Behandlungsstrategien gewählt, die aus chirurgischen und/oder interventionellen Eingriffen bestehen.1
    • Von besonderer Bedeutung ist bei der Behandlungsplanung die Größe des rechten Ventrikels bzw. das Ausmaß der RV-Hypoplasie.7
  • Die Behandlungsstrategien bestehen üblicherweise aus einer initialen postpartalen Behandlung und Reinterventionen im Verlauf.1

Initiale postnatale Behandlung1 

  • Gruppe A: bei ausreichend großem rechtem Ventrikel Hochfrequenzperforation oder Kommissurotomie der atretischen Klappe
  • Gruppe B: Bei Hypoplasie des RV und dadurch Duktusabhängigkeit erfolgt – ergänzend zur Hochfrequenzperforation der Pulmonalklappe – eine Stentimplantation in den Ductus arteriosus.
  • Gruppe C: bei schwerer RV-Hypoplasie chirurgische Anlage eines aortopulmonalen Shunts oder alternativ Duktusstent + Ballonatrioseptostomie 

Reinterventionen

  • Gruppe A: meistens bei adäquatem Wachstum des RV in den ersten Jahren kein weiterer Eingriff notwendig
    • ggf. Dilatation des rechtsventrikuären Ausflusstrakts (RVOT), evtl. Verschluss des Vorhofseptumdefekts zur definitiven Trennung der Kreisläufe
  • Gruppe B: bei günstigem Verlauf keine Intervention
    • bei Infundibulumstenose RVOT-Ballondilatation, bei dauerhafter Zyanose Verschluss Vorhofseptumdefekt
  • Gruppe C: chirurgische Palliation, nur in Ausnahmefällen Interventionen (z. B. Dilatation, Duktusstent)

Prävention

  • Endokarditis-Prophylaxe vor Eingriffen mit potenzieller Bakteriämie 

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Komplikationen

  • Sowohl im kurz- als auch langfristigen Verlauf hohes Risiko für Komplikationen3
    • plötzlicher Herztod
    • Arrhythmien
    • myokardiale Ischämie/Angina
    • Herzinsuffizienz
    • prolongierte Hypoxämie/Zyanose

Verlauf und Prognose

  • Ohne chirurgische/interventionelle Behandlung frühzeitiger Tod der meisten Kinder
  • Auch bei den behandelten Kindern erhöhte Mortalität sowohl durch chirurgieassoziierte als auch nichtchirurgische Ursachen8
  • 5-Jahres-Überlebensrate 64–75 %3
    • Prognose abhängig von der spezifischen Anatomie und Art der Eingriffe
    • höchstes Sterberisiko bei Patienten mit:1
      • niedrigem Geburtsgewicht
      • begleitender Ebstein-Anomalie
      • RV-abhängiger Koronarzirkulation.
  • Auch nach biventrikulärer Korrektur bzw. definitiver Palliation häufig verminderte körperliche Leistungsfähigkeit1
    • Manche Kinder können dennoch eine recht gute Lebensqualität erreichen.9
  • Evtl. weitere chirurgische oder interventionelle Eingriffe bis ins Erwachsenenalter notwendig

Verlaufskontrollen im Erwachsenenalter

  • Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung bei gleichzeitig ungünstiger Prognose gibt es wenig Erfahrung mit Patienten im Erwachsenenalter.
  • Eine gute Kommunikation zwischen Hausarzt, niedergelassenem Kardiologen und EMAH-Zentrum (EMAH = Erwachsene mit angeborenem Herzfehler) sowie eine enge Zusammenarbeit zwischen Kinder- und Erwachsenen-Kardiologen sind für die optimale Behandlung erforderlich.10

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Patientenorganisationen

Illustrationen

Herz_abb1.jpg
Herz, Lage und Anatomie.jpg

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie. Pulmonalatresie mit intaktem Ventrikelseptum (PA-IVS) im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie 023-019. S2k, Stand 2015. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie. Pulmonalatresie mit Ventrikelseptumdefekt im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie 023-018. S2k, Stand 2013. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie. Abklärung einer Zyanose im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie 023-002. S2k, Stand 2017. www.awmf.org

Literatur

  1. Bertram H, Hofbeck M, Horke A (Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie). Pulmonalatresie mit intaktem Ventrikelseptum (PA-IVS) im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie 019-023. Stand 2015. www.awmf.org
  2. Eicken A, Bertram H, Sachweh J, et al. (Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie). Pulmonalatresie mit Ventrikelseptumdefekt im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie 023-018. Stand 2013. www.awmf.org
  3. Charpie J. Pulmonary Atresia With Intact Ventricular Septum. Medscape. Updated Nov 08, 2015. Zugriff 04.08.18. emedicine.medscape.com
  4. Burkholder H, Balaguru D. Pulmonary Atresia with Intact Ventricular Septum: Management Options and Decision-making. Pediat Therapeut 2012; S5: 007. doi:10.4172/2161-0665.S5007 DOI
  5. Kändler L, Haas N, Gorenflo M (Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie). Abklärung einer Zyanose im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie 023-002. Stand 2017. www.awmf.org
  6. Ashburn DA, Blackstone EH, Wells WJ, et al. Determinants of mortality and type of repair in neonates with pulmonary atresia and intact ventricular septum. J Thorac Cardiovasc Surg 2004; 127: 1000-7. pmid:15052196 PubMed
  7. Cleuziou J, Schreiber C, Eicken A, et al. Predictors for biventricular repair in pulmonary atresia with intact ventricular septum. Thorac Cardiovasc Surg 2010; 58: 339-44. PMID: 20824586 PubMed
  8. Leonard H, Derrick G, O'Sullivan J, Wren C. Natural and unnatural history of pulmonary atresia. Heart 2000; 84: 499-503. PubMed
  9. Ekman-Joelsson BM, Berntsson L, Sunnegårdh J. Quality of life in children with pulmonary atresia and intact ventricular septum. Cardiol Young 2004; 14: 615-21. pmid:15679997 PubMed
  10. Diller GP, Breithardt G, Baumgartner H. Congenital heart defects in adulthood. Dtsch Arztebl Int 2011;108: 452-459. doi:10.3238/arztebl.2011.0452 www.aerzteblatt.de

Autoren

  • Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg
  • Bjørnar Grenne, PhD, konst. overlege, Klinikk for hjertemedisin, St. Olavs-Hospital, Trondheim
  • Gudrun Björkhem, docent och överläkare, Barnhjärtcentrum, Skånes universitetssjukhus (Medibas)
hjertefeilQ22; hjärtfelQ220; MedföttQ221; hjärtfelQ223; Q25; Q255
hjertefeil; hjärtfel; Medfött hjärtfel
hjertefeil; hjärtfel; Medfött hjärtfelK73
Pulmonalatresie
CCC MK 10.08.2018, komplett überarbeitet (Kardiologe)
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Definition:Pulmonalatresie mit intaktem Ventrikelseptum ist ein seltener angeborener Herzfehler mit vollständiger Obstruktion des rechtsventrikulären Ausflusstrakts und zumeist membranöser Atresie der Pulmonalklappe. Lungenperfusion über Ductus arteriosus (duktusabhängiger Herzfehler). Weitere Fehlbildungen, insgesamt große Heterogenität des Herzfehlers.
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