Endokarditis-Prophylaxe

Die Endokarditis ist eine bakterielle Entzündung der innersten Wandschicht des Herzens (Endokard). Bei Patienten, die ein hohes Risiko für eine Endokarditis haben (z. B. durch eine angeborene Herzerkrankung) wird vor bestimmten Eingriffen empfohlen, vorsorglich Antibiotika einzunehmen (Prophylaxe).

Was ist eine Endokarditis?

Bei einer Endokarditis besteht durch Krankheitserreger eine Entzündung der innersten Herzschicht (Endokard). Dabei sind v. a. die Herzklappen betroffen. Meist sind Bakterien für die Infektion verantwortlich. Durch die Endokarditis können die Herzklappen und andere Organe schwer geschädigt werden. Die Erkrankung kann einen lebensbedrohlichen Verlauf annehmen.

Eine Endokarditis kann entstehen, wenn Bakterien in den Blutkreislauf gelangen. Mögliche Auslöser für diese sogenannte Bakteriämie können eine Manipulation an den Zähnen, ein operativer Eingriff, eine infizierte Venenverweilkanüle, eine unsterile Veneninjektion (z. B. bei Drogenmissbrauch) sowie eine bakterielle Infektion anderer Organe sein. Die Bakterien setzen sich meist auf vorgeschädigten Herzklappen ab. Dort vermehren sie sich und es kann zu warzenähnlichen Ablagerungen kommen. Diese Ablagerungen können sich lösen und beim Weitertransport durch den Blutkreislauf in anderen Organen Gerinnsel bilden (z. B. in der Lunge und im Gehirn).

Was ist eine Endokarditis-Prophylaxe?

Besonders gefährdet für eine bakterielle Endokarditis sind Patienten mit einer künstlichen Herzklappe, einer durchgemachten Endokarditis und angeborenen Herzfehlern. Deshalb kann es bei diesen Patienten sinnvoll sein, vorsorglich Antibiotika zu verabreichen, wenn sie einem erhöhten Risiko für eine Bakteriämie ausgesetzt sind. Dies ist z. B. bei bestimmten Zahnarzteingriffen sowie bei Eingriffen in infizierten Körperbereichen der Fall. Die vorbeugende Antibiotikaeinnahme wird Endokarditis-Prophylaxe genannt.

Risikogruppen

Jahrzehntelang wurde eine antibiotische Prophylaxe bei vielen Risikopatienten im Rahmen von Zahn- und anderen chirurgischen Behandlungen empfohlen. Aufgrund wissenschaftlicher Ergebnisse, die den Nutzen der Prophylaxe in Frage stellten, wurden diese Empfehlungen in den zurückliegenden Jahren stark eingeschränkt. Mittlerweile wird eine prophylaktische antibiotische Behandlung ausschließlich bei Höchstrisikopatienten empfohlen.

Zu den Höchstrisikogruppen gehören:

  • Patienten, die bereits eine Endokarditis überstanden haben
  • Patienten mit einem Herzklappenersatz (mechanisch und biologisch)
    • Bei einer Klappenrekonstruktion mit prothetischem Material in den ersten 6 Monaten
  • Patienten mit angeborenen Herzfehlern
    • Herzfehler, die mit einer Minderdurchblutung bzw. Blaufärbung der Haut (Zyanose) einhergehen (= zyanotische Herzfehler)
    • Alle behandelten Herzfehler in den ersten 6 Monaten, nachdem prothetisches Material eingebracht wurde
    • Herzfehler, bei denen nach dem Eingriff noch turbulente Strömungen im Bereich von prothetischem Material oder Restdefekten bestehen (lebenslang).

Situationen, in denen eine Endokarditis-Prophylaxe erfolgen sollte

Sinnvoll ist die Endokarditis-Prophylaxe bei Hochrisikopatienten im Rahmen von Zahnarzteingriffen, bei denen am Zahnfleisch oder um die Zahnwurzel manipuliert wird sowie bei einer Schädigung der Mundschleimhaut. Außerdem wird eine Antibiotikaprophylaxe empfohlen bei Eingriffen an Geweben, die eine Infektion aufweisen, z. B. im Magen-Darm-Trakt, in den Atemwegen, im Harn- und Genitaltrakt sowie an der Haut und den Weichteilen. Weisen Sie Ihre behandelnden Ärzte darauf hin, wenn bei Ihnen ein Risikofaktor für die Entwicklung einer Endokarditis vorliegt, um zu besprechen, ob eine Antibiotikagabe im Vorhinein sinnvoll ist.

Die Endokarditis-Prophylaxe läuft folgendermaßen ab: 30–60 Minuten vor dem Eingriff wird eine Einmaldosis eines Antibiotikums verabreicht. Je nach Eingriffsort wird das Antibiotikum ausgewählt, welches die am wahrscheinlichsten vorhandenen Erreger abtötet. In der Regel handelt es sich dabei um Amoxicillin oder Ampicillin. Bei einer Penicillinallergie kann alternativ Clindamycin gegeben werden.

Weitere vorbeugende Maßnahmen

Neben der Antibiotikaprophylaxe gibt es weitere Maßnahmen, die einer Endokarditis vorbeugen können. Hierzu zählt eine gute Mundhygiene sowie die Beseitigung einer bakteriellen Besiedlung der Haut oder des Harntrakts. Besteht eine bakterielle Infektion, sollte diese mit Antibiotika behandelt werden. Während jedes Eingriffs sollte zudem auf Sterilität und Desinfektion geachtet werden. Von Piercing und Tätowieren ist abzuraten.

Zahn- und Mundhygiene

Bakterien können schon durch alltägliche Aktivitäten zufällig in den Blutkreislauf gelangen, z. B. beim Kauen, beim Zähneputzen sowie beim Verwenden von Zahnseide oder Zahnstochern. Dennoch bedeutet dies nicht, dass auf Zähneputzen etc. verzichtet werden sollte. Je besser die Mundhygiene, desto geringer ist die Besiedlung mit Bakterien und damit das Risiko für eine Endokarditis. Eine gute Mundhygiene durch Zähneputzen und Interdentalbürsten/Zahnseide sowie regelmäßige zahnärztliche Kontrollen sind für die Vorbeugung einer infektiösen Endokarditis sogar bedeutsamer als eine Prophylaxe mit Antibiotika. Zahnärztliche Kontrollen sollten bei Hochrisikopatienten 2 x jährlich und bei allen anderen 1 x jährlich erfolgen.

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  • Marleen Mayer, Ärztin, Mannheim

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Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Endokarditis, infektiöse. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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