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Obstipation bei Kindern

Zusammenfassung 

  • Definition:Erschwerte oder verzögerte Stuhlentleerung im Verhältnis zur altersabhängigen physiologischen Stuhlfrequenz des Kindes über einen Zeitraum von mindestens 2 Wochen. Im Säuglingsalter häufig organisch bedingt, später meist funktionell.
  • Häufigkeit:1/3 aller Klein- und Schulkinder sind betroffen.
  • Symptome:Seltene und schmerzhafte Darmentleerung, Rückhaltemanöver, Appetitminderung, Gedeihstörung, Bauchschmerzen, Enkopresis, großes Stuhlvolumen, harter Stuhl.
  • Befunde:Tastbare Skyballa, geblähter Bauch, Fissuren, Hämorrhoiden, Entzündungen, stuhlgefülltes Rektum, ggf. Zeichen der zugrundeliegendenzugrunde liegenden organischen Erkrankung.
  • Diagnostik:Klinische Untersuchung, Anamnese. Weiterführende Diagnostik nur bei Hinweis auf organische Ursache: Labordiagnostik, Bildgebung.
  • Therapie:Information und Aufklärung, Toilettentraining, initiale Desimpaktion, medikamentöse Therapie.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Funktionelle Obstipation (Definition gemäß Rome-IIIIV-KonferenzKriterien)1
    • Ausschluss organischer Ursachen und Zutreffen von mindestens 2 der folgenden Kriterien mindestens 1  x  pro Woche über einen Zeitraum von 1 Monat (bei Kindern > 4 Jahre über 2 Monate):
      • ≤ 2 Defäkationen/Woche (Achtung: bei gestilltenKindern Säuglingenab normale4 Stuhlfrequenz zwischen 1 x in 10–14 Tagen bis zu 12 x pro Tag, bei Kleinkindern alle 2 Tage bis mehrmals täglich)Jahren
      • >  1 Episode mit Stuhlschmieren/Inkontinenz pro Woche nach Sauberwerden
      • (willkürliche) Stuhlretention
      • schmerzhafte Defäkation und harte Stühle
      • palpable Stuhlmassen im Rektum
      • großvolumige Stühle-
  • Organisch bedingte Obstipation
    • entsprechend den Rome–IV–Kriterien der Rome-III-Konferenz mit Nachweis einer organischen Grunderkrankung

Häufigkeit

  • Die weltweite Prävalenz weltweitliegt bei schätzungsweise 3 –15 %.2-4
  • 1/3 aller Klein- und Schulkinder sind betroffen35-46, in 17–40  % der Fälle Symptombeginn im ersten Lebensjahr5.
  • Häufiger Vorstellungsgrund mit Anteil von 3  % der Fälle in allgemeinen und  25  % der Fälle in gastroenterologischen pädiatrischen Ambulanzen3
  • Bei Kindern > 1 Jahr in über 90 % der Fälle funktionell bedingt45

Ätiologie und Pathogenese

  • 90–95  % der Fälle funktionell, 5  % organisch bedingt4,6

Ursachen funktioneller Obstipation7

  • Wahrscheinlich liegt eine multifaktorielle Genese mit konstitutionellen, genetischen, Lifestyle-bedingten und psychologischen Anteilen vor.8
  • Nicht selten kann ein mit dem Stuhlgang assoziiertes unangenehmes Ereignis (lokale Entzündungen, Nichtverfügbarkeit einer Toilette, anale Manipulation z. PathomechanismusB. beim Einführen eines Zäpfchens) ein Auslöser sein.4,8
    • bewusstesEs kommt in der Folge zu einem bewussten Anspannen des externen analen Sphinkters und der glutäalen Muskulatur bei Stuhldrang, Verzögerung der Defäkation, zunehmende Dehnung des Rektums, Abnehmendeabnehmende Propulsivität, letztlich geringere Wahrnehmung des Stuhldrangs.4
    • beiDie KleinkindernFolge Entwicklungist einer chronischen aus einer akuten Obstipation im Sinne einesein Circulus vitiosus nach unangenehmem Erleben der Defäkation aufgrund von lokalen Entzündungen, Nichtverfügbarkeitmit einer Toilettekonsekutiven chronischen Obstipation.8
    • Oft zeigen sich zudem psychosoziale Faktoren als Auslöser (Einschulung, analen Manipulationen (Zäpfchen, Thermometer etcTrennungen).)9
  • Prädisponierende Faktoren
    • konstitutionelle Faktoren
    • positive Familienanamnese für Obstipation

 Ursachen organischer Obstipation1,4,7-8

Ursachen akuter Obstipation

  • Fieber
  • Reisen
  • Änderungen der Lebenssituation
  • Analfissur
  • Mangelnde Verfügbarkeit oder inakzeptable Verhältnisse von Toiletten

ICPC-2

  • D12 Verstopfung

ICD-10

  • K59.0 Obstipation

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • ≤ 2 Defäkationen/Woche (
    • Achtung: bei gestillten Säuglingen normale Stuhlfrequenz zwischen 1  x  in 10–14 Tagen bis zu 12  x  pro Tag, bei Kleinkindern alle 2 Tage bis mehrmals täglich)9
  • >  1 Episode mit Stuhlschmieren/Inkontinenz pro Woche nach Sauberwerden
  • Stuhlretention
  • Schmerzhafte Defäkation und harte Stühle
  • Palpable Stuhlmassen im Rektum
  • Großvolumige Stühle

 Anamnese

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.8
  • Erfragen von Stuhlfrequenz, - konsistenz, - aussehen (ggf. Mithilfe von Bildern zur Beschreibungshilfe, Nutzung Bristol Stool Scale, Stuhlprotokoll führen lassen)
  • Symptombeginn, erster Stuhlgang nach Geburt (verzögerter Mekoniumabgang als Hinweis auf z. B. M. Hirschsprung)
  • Ernährungsanamnese
  • Sauberkeitsanamnese
  • Medikamentenanamnese
  • Psychosoziale Situation
  • Auch die Frage nach unangenehmen und unangemessenen Berührungen im Afterbereich sollte Kindern ab einem entsprechenden Alter in Abhängigkeit der Erfahrung und Befähigung der Untersuchenden gestellt werden.
  • Begleitsymptome
  • Hinweise auf eine organische Ursache können sein:
    • sehr früher Beginn der Obstipation, ggf. bereits mit verzögertem Mekoniumabgang > 48 h
    • bleistiftartiger Kaliber des Stuhls
    • begleitende anhaltende Harninkontinenz
    • Gedeihstörung
    • Fieber, Inappetenz
    • Polyurie, Polydipsie
    • positive Familienanamnese für M. Hirschsprung
    • blutige Stühle ohne anale Fissuren
    • galliges Erbrechen

 Klinische Untersuchung

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.8
  • Erfassung von Körpergröße und Gewicht, Beurteilung von Perzentilkurven im Verlauf
  • Palpation Abdomen, Inspektion Anus und Lumbosakralregion, evtl. digital-rektale Untersuchung (nicht routinemäßig!)89
  • Orientierende neurologische Untersuchung (Gangbild, Reflexe)
  • Untersuchung der Schilddrüse

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • Bei eindeutiger Anamnese und unauffälliger körperlicher Untersuchung ohne Hinweise auf eine organische Ursache, ist in den meisten Fällen eine weiterführende Diagnostik nicht zwingend notwendig.8
  • Ggf. Labordiagnostik: Blutbild, CRP, Elektrolyte (Na, K, Ca), Schilddrüsenhormone (TSH), Gliadin-Antikörper,Gewebstransglutaminase SchweißtestIgA–AK und Gesamt–IgA im Serum, Pankreaselastase im Stuhl, okkultes Blut im Stuhl, Urinstatus4,6,8-9
  • Ggf. Sonografie des Abdomens mit Messung des Rektumdiameters8

Diagnostik bei Spezialist*innen – im Krankenhaus

  • DerJe Abschnittnach basiertvermuteter aufGenese diesenstehen Referenzen.4,6,8
  • verschiedene weitere diagnostische Mittel zur Verfügung:
    • Biopsie
    • Rektomanometrie
    • Kolontransitzeitbestimmung
    • MRT der Wirbelsäule
    • ggf. Durchführung von Nahrungsmittelunverträglichkeitstestungen
  • Die Durchführung dieser Untersuchungen wird, ebenso wie eine abdominelle Röntgenuntersuchung, nicht routinemäßig empfohlen.8-9

Indikationen zur Überweisung

  • DerBei Abschnitt basiertHinweisen auf diesendas Referenzen.7-8
  • VerdachtVorliegen aufeiner M.organischen Hirschsprung
    • Mekoniumabgang später als 48 Stunden nach der Geburt bei Reifgeborenen
    • bleistiftdünner Stuhl
    • positive Familienanamnese für M. Hirschsprung, leere Rektumanpulle bei digital-rektaler Untersuchung
    • explosionsartige Stuhlentleerung nach Manipulation
  • Stark distendiertes Abdomen, Gedeihstörung, blutige Stühle, Erbrechen
  • Hinweise auf Fisteln, Fehlbildungen, fehlende ReflexeUrsache
  • Entwicklungsstörung, psychische Komorbidität
  • V.  a. Missbrauch (perianale Kondylome)

Therapie

Therapieziel

  • Schmerzfreie, regelmäßige Darmentleerung

Allgemeines zur Therapie

  • Es fehlen evidenzbasierte Therapiekonzepte.8
  • , die kindliche Obstipation wird tendenziell untertherapiert.9
  • Die Therapie basiert meist auf einer initialen Deimpaktion, einer anschließenden Erhaltungstherapie sowie einer ausführlichen Aufklärung der Eltern und des Kindes.1,4
  • Es sollte eine zügige Therapieeinleitung erfolgen.8

 Aufklärung und Verhaltenstherapie

  • Beraten und informieren über die Ursachen, insbesondere auch über den negativen Effekt des Zurückhaltens.4
  • Toilettentraining (postprandiales Toilettensitzen), angenehme Situation, entspanntes Sitzen, Lob46

Initiale Desimpaktion (komplette Entleerung)

  • DerDie Abschnittorale basiertGabe aufvon diesenPolyethylenglykol Referenzenist (auch zur Vermeidung einer Traumatisierung durch anale Manipulationen) Mittel der ersten Wahl.4,7-8
  • Makrogol (Polyethylenglykol 3350) 1.000–1.500 mg/kgKGkg KG/Tagd über 3–4 Tage oral – oder –8-9
  • Bei unzureichender Wirkung
    • 3  ml/kgKGkg KG Sorbitolklysma, bis zu 2-mal wiederholen (kontraindiziert.

Medikamentöse Dauertherapie

  • Der Abschnitt basiert auf dieserdiesen ReferenzReferenzen.8-9
  • Makrogol (Polyethylenglykol 3350) individuell austritriert, beginnend   mit 400  mg/kgKGkg KG/Tagd bis zu 800–1.000 mg/kgKGkg KG/d – oder –
  • Laktulose 1.000–2.000 mg ml/kg  KG/d in 1–3 Dosen – oder –
  • Paraffinöl 1–3 ml/kg  KG/d

 Weitere Therapien

  • Zeitweise Begrenzung der Trinkmenge für Milch7-8
  • Behandlung relevanter psychischer Komorbiditäten7
  • Keine Evidenz für Effekt von zusätzlicher Ballaststoffaufnahme, Bewegung, Probiotika, erhöhte Flüssigkeitsaufnahme, Psychotherapie8-9

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Eine chronische Obstipation kann im Sinne eines Circulus vitiosus zu verstärkter Stuhlretention, Distension des Rektums und abnehmender Wahrnehmung des StuhdrangsStuhldrangs führen.1
  • Die Erhaltungstherapie sollte für mindestens 6 Monate durchgeführt und dann schrittweise reduziert werden.8

Komplikationen

  • Chronifizierung, Verhaltensauffälligkeiten, psychische Auffälligkeiten

Prognose

  • LangfristigeOft ist eine langfristige Therapie mit enger ärztlicher Begleitung und langsamer Reduktion der medikamentösen Dauertherapie notwendig
  • Früher Therapiebeginn (< 3 Monate nach Symptombeginn) verbessert Therapieerfolg.8
    • Studien zeigen, dass nach 1 Jahr nur etwa 50–60 % %der Betroffenen erfolgreich behandeltvon nachLaxanzien einementwöhnt Jahrwerden konnten.81,9
    • Nach 6–12 Monaten 50 % beschwerdefrei ohne Laxanzien, 10 % beschwerdefrei mit Laxanzien, 40 % trotz Laxanzien weiter symptomatisch8
  • Hohe Rezidivrate9, mindestens 1 Rückfall innerhalb von 5 Jahren bei 50 % %  der Betroffenen8, 30–50 % der Patienten langfristig anhaltend symptomatisch109

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Weitere Informationen

Quellen

Literatur

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Autor*innen

  • AnneBonnie StraußStahn, ÄrztinDr. in Weiterbildung Pädiatriemed., ZentrumFachärztin für Kinder- und JugendmedizinAllgemeinmedizin, Universitätsklinikum FreiburgHamburg
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
K590
forstoppelse; Förstoppning; Obstipation; d12 förstoppning; Forstoppelse hos barn
D12
Obstipation bei Kindern
U-NH 25.01.18
BBB MK 27.07.2023 revidiert und aktualisiert, zahlreiche Änderungen. CCC MK 13.03.2018, komplett überarbeitet (ÄiW Kinderonkologie)
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Definition:Erschwerte oder verzögerte Stuhlentleerung im Verhältnis zur altersabhängigen physiologischen Stuhlfrequenz des Kindes über einen Zeitraum von mindestens 2 Wochen. Im Säuglingsalter häufig organisch bedingt, später meist funktionell.
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