Verstopfung (Obstipation) bei Kindern

Kinder leiden häufig unter einer Verstopfung (Obstipation). Bei einer eingetretenen Obstipation können Laxanzien Abhilfe schaffen. Außerdem können Ratschläge zur Vorbeugung von Verstopfungen hilfreich sein.

Wie ist Verstopfung (Obstipation) definiert?

Bei der Häufigkeit des Stuhlgangs bei Kindern gibt es eine große Variabilität. Gestillten Säuglingen können zwischen 1 x in 10–14 Tagen bis zu 12 x pro Tag Stuhlgang haben. Bei Kleinkindern liegt die Häufigkeit zwischen alle 2 Tage bis mehrmals täglich. Verstopfung, medizinisch Obstipation genannt, ist u. a. definiert als ≤ 2 x Stuhlgang/Woche über einen Zeitraum von einem bis zwei Monaten. Der Stuhl ist oft verhärtet, großvolumig und schmerzt beim ausscheiden. Kinder vermeiden es dann, Stuhlgang abzusetzen, was die Problematik verschlimmert. Die Obstipation kann sich auch darin äußern, dass Kinder bei jedem Stuhlgang nur geringe Mengen ausscheiden und die Entleerung nur unvollständig möglich ist. Eine Obstipation kann bei Kindern auch mit Einkoten (Enkopresis) oder Stuhlschmieren einhergehen.

Bis zu einem Drittel der Kinder im Kleinkind- und Schulalter leidet an Obstipationen. Oft beginnen die Symptome bereits im ersten Lebensjahr.

Was passiert dabei im Darm?

Die Darmfunktion ist von regelmäßigen Mahlzeiten und Entleerungen abhängig. Werden die natürlichen Entleerungsreflexe des Darms unterdrückt und der Stuhlgang hinausgezögert, stört dies die Darmfunktion. Eine unangenehme und unzureichende Entleerung sowie harter Stuhl können die Folgen sein. Der Transport von festem und/oder großen Mengen an Stuhl birgt die Gefahr von Rissbildungen im Enddarm (Analfissur).

Bei einer Verstopfung kann es passieren, dass trockene Kinder, die erlernt haben die Toilette zu benutzen, erneut einkoten. Dies kann daran liegen, dass der zurückgehaltene Stuhl von Bakterien zersetzt und dadurch flüssig wird, sodass es zu unfreiwilligem Stuhlschmieren, Einkoten oder Durchfall kommen kann.

Eine ballaststoffarme Ernährung und geringe körperliche Aktivität kann die Entstehung einer Obstipation fördern.

Ursachen

Man unterscheidet zwischen funktionellen und körperlichen Ursachen für eine Obstipation. Bei Kindern liegt bei 90–95 % eine funktionelle Ursache zugrunde. Der Mechanismus, der dahinter steckt, kann folgendermaßen beschrieben werden: Kinder spannen bewusst den Beckenboden bzw. den Schließmuskel an, um den Stuhlgang hinauszuzögern. Hierbei dehnen sich die unteren Darmanteile und der darüberliegende Darm stoppt den Weitertransport des Stuhls. Dem Stuhl wird im Darm Wasser entzogen und er verhärtet. Zudem kann es passieren, dass der Stuhldrang geringer wahrgenommen wird. Bei Kleinkindern können oft schlechte Erfahrungen z. B. nach Entzündungen des Darms, nach dem Fiebermessen mit einem Thermometer oder nach dem Einführen eines Zäpfchens dazu führen, dass der Stuhlgang verweigert wird und so eine Obstipation entsteht. Außerdem kann eine Obstipation durch die veränderten Alltagsbedingungen auf Reisen und in Situationen mit schlechten sanitären Anlagen (häufig an Schulen) auftreten. 

Als körperliche (organische) Ursache können beispielsweise vorliegen:

  • Schmerzhafte Schäden im Bereich des Afters, z. B. Analfissuren
  • Neurologische Schäden, z. B. Querschnittslähmungen, Zerebralparese
  • Mukoviszidose (meist bereits nach der Geburt auffällig)
  • Fehlbildungen
  • Stoffwechselerkrankungen
  • Nahrungsmittelunverträglichkeiten, z. B. Zöliakie
  • Medikamente.

Körperliche Ursachen sind in nur 5 % der Fälle für eine Obstipation verantwortlich. Auch psychiatrische Störungen können für eine Obstipation mitverantwortlich sein.

Behandlung

Neben dem Ausschluss und der Behandlung eventueller körperlicher oder psychischer Ursachen, sollten Ernährungs- und Aktivitätsgewohnheiten überprüft und ggf. umgestellt werden. Allerdings gibt es für die therapeutische Wirksamkeit der Erhöhung des Ballaststoffgehalts der Nahrung, der Flüssigkeitsaufnahme oder der Bewegung keine eindeutigen wissenschaftlichen Nachweis. Wenn eine Obstipation eingetreten ist, kann eine Laxanziengabe sinnvoll sein, um den Dickdarm zunächst komplett zu entleeren.

Erlernen eines Rhythmus

Von zentraler Bedeutung für die Behandlung von Obstipationen ist die Einführung regelmäßiger Abführgewohnheiten. Verfügen Kinder über keinen festen Abführrhythmus, sollte dieser eingeübt werden. Kinder sollten zirka 5–10 Minuten nach dem Essen zum Stuhlgang bewegt werden, zum Beispiel nach dem Frühstück oder nach dem Abendessen, denn der Magen wird durch die Nahrungsaufnahme stimuliert und gibt ein Signal zur Entleerung an den Dickdarm weiter. Es gibt keine eindeutigen Empfehlungen, ob Ablenkung durch Unterhaltungsmöglichkeiten wie Bücher oder Comics angeboten werden sollte oder ob dies kontraproduktiv ist. Achten Sie auf einen geeigneten Toilettensitz und die Möglichkeit, die Beine ggf. erhöht abzustellen. Eine angewinkelte Beinposition kann das Abführen erleichtern. Bei kleineren Kindern kann ein Töpfchen sinnvoll sein. Länger als 10 Minuten sollte nicht auf der Toilette verbracht werden, da es aus medizinischer Sicht keinen Sinn macht und die Frustration verstärkt werden kann. Gewöhnt sich das Kind – und der Darm – an diese regelmäßige, tägliche Routine, kann der Darm seine regelmäßige Funktion wieder aufnehmen, womit die wichtigste Voraussetzung für ein störungsfreies Abführen geschaffen ist. Wenn zu einem anderen Zeitpunkt Stuhldrang auftritt, können Kinder natürlich jederzeit die Toilette benutzen. Vermeiden Sie einen zwanghaften und mit Scham behafteten Charakter des Trainings und belohnen oder loben sie das Kind nach jedem Training.

Bei Schulkindern kann zusätzlich ein Stuhlprotokoll geführt werden, um Aufschluss über mögliche Auslöser zu geben.

Körperliche Aktivität

Passivität und Inaktivität tragen eventuell zu Obstipationen bei Kindern bei. Eine gesteigerte körperliche Aktivität kann empfehlenswert sein.

Ausreichende Ballaststoffe

Ballaststoffe können ggf. einer Obstipation vorbeugen. Wenn Kinder nicht gerne Vollkornbrot essen, kann beispielsweise Knäckebrot angeboten werden. Zerealien, rohes Gemüse oder Obst enthalten ebenfalls eine ausreichende Menge an Ballaststoffen. Der Ballaststoffanteil der Ernährung stellt selten das Problem dar.

Süßigkeiten, fettreiche Nahrung und Fastfood fördern die Verstopfung und sollten deshalb nicht regelmäßig bzw. in geringen Mengen konsumiert werden.

Ausreichende Trinkmenge

Eine ausreichende Trinkmenge sollte sichergestellt werden, vorzugsweise mit Wasser oder ungesüßtem Tee. Getränke mit hohem Zuckergehalt können die Obstipation verschlimmern. Deshalb sollten keine Säfte oder Softdrinks angeboten werden. Allerdings wird durch vermehrtes Trinken über den Bedarf hinaus hauptsächlich die Urinproduktion gesteigert. Es hat sich gezeigt, dass der übermäßige Verzehr von Milch eine Obstipation verschlechtern kann. Der Milchkonsum sollte also begrenzt werden.

Der Flüssigkeitsbedarf variiert je nach Alter und Aktivitätsniveau. Befragen Sie bei Unsicherheiten Ihren Kinderarzt.

Laxanzien

Laxanzien können eine bestehende Obstipation zunächst lösen. Ggf. müssen Laxanzien aber auch über einen längeren Zeitraum eingenommen werden. Bei Kindern ist zu beachten, dass Laxanzien keinesfalls ohne Absprache mit Ärzten verabreicht werden sollten. Laxanzien für Erwachsene können für Kinder ungeeignet sein. Besprechen Sie mit den betreuenden Kinderärzten, welches Laxanz in welcher Dosierung angewandt werden kann und was bei der Einnahme beachtet werden sollte.

Ggf. kann bei Kindern eine Klysmagabe oder ein Einlauf indiziert sein, wenn die Laxanziengabe über den Mund nicht ausreicht. Bitte beachten Sie, dass ein Klysma oder ein Einlauf bei einem Kind eine recht invasive Behandlungsmethode darstellt, die abschreckend wirken kann. Wägen Sie daher bitte in Absprache mit Ihrem Kinderarzt die Notwendigkeit ab. Ein Kind, das gut informiert ist und sich über den Zweck der Behandlung bewusst ist, nimmt durch eine derartige Behandlungsmethode in der Regel keinen Schaden.

Prognose

Oft ist eine langfristige Therapie mit enger ärztlicher Begleitung und langsamer Reduktion der medikamentösen Dauertherapie notwendig. Bei einem frühen Therapiebeginn (< 3 Monate nach Symptombeginn) ist der Therapieerfolg besser. Nach einem Jahr sind etwa 50–60 % der Kinder erfolgreich behandelt. Eventuell müssen Laxanzien über einen längeren Zeitraum verabreicht werden. Es kommt relativ häufig vor, dass Kinder einen Rückfall erleiden.

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  • Marleen Mayer, Ärztin, Mannheim

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Obstipation bei Kindern. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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