Definition:Schwangerschaftsbedingt entstehende Glukosetoleranzstörung mit Diabetes mellitus als Folge.
Häufigkeit:Prävalenz nach Einführung des Screenings 13,2 % (Stand 2017).
Symptome:Typische Symptome wie Polyurie und Polydipsie fehlen oftmals.
Befunde:In der Regel keine klinischen Befunde.
Diagnostik:Bei vorliegenden Risikofaktoren Screening bei Erstvorstellung in der Frühschwangerschaft durch Blutzuckermessung. Bei fehlenden Risikofaktoren Screening zwischen 24+0 und 27+6 SSW mittels Glukosebelastungstest.
Therapie:Lifestyle-Modifikationen (Ernährung, körperliche Aktivität, Vermeidung starker Gewichtszunahme) häufig ausreichend. Falls nicht ausreichend, medikamentöse Therapie (1. Wahl Insulin).
Allgemeine Informationen
Definition
Cave: Abgrenzung des Gestationsdiabetes mellitus (GDM) von präexistentem Diabetes mellitus, der sich erstmalig in der Schwangerschaft manifestiert.
Gestationsdiabetes mellitus (GDM)
Synonym: Schwangerschaftsdiabetes
Diabetes mellitus verursacht durch eine Glukosetoleranzstörung, die erstmals in der Schwangerschaft mit einem 75-g-oralen Glukosetoleranztest (oGTT) diagnostiziert wird.1-2
Wenn auch nur einer der 3 folgenden Blutzuckerwerte im Plasma erreicht oder überschritten wird, wird die Diagnose GDM gestellt:
nüchtern: 92 mg/dl (5,1 mmol/l)
nach 1 Stunde: 180 mg/dl (10,0 mmol/l)
nach 2 Stunden: 153 mg/dl (8,5 mmol/l).
Glukosurie ist bei vielen Schwangeren nachzuweisen, erlaubt jedoch nicht die Diagnosestellung GDM.3
Manifester Diabetes in der Schwangerschaft
Definition des manifesten präexistenten Diabetes in der Schwangerschaft entspricht den Kriterien des 75-g-oGTT außerhalb einer Schwangerschaft.2
nüchtern: ≥ 126 mg/dl (7,0 mmol/l)
Zweitmessung am folgenden Tag oder HbA1c als Bestätigung nötig
Diabetische Mütter gebären große Kinder in 15–45 % der Fälle.7
positive Korrelation zwischen Geburtsgewicht und Glukosespiegel
Bedeutsamer als Grad der Hyperglykämie scheinen jedoch mütterliches Gewicht und starke Gewichtszunahme in Schwangerschaft zu sein.8
Ätiologie und Pathogenese
Hormonelle Veränderungen in der Schwangerschaft
Viele „Schwangerschaftshormone“ haben eine diabetogene Wirkung.
u. a. humanes Plazentalaktogen, Östrogen, Prolaktin und Kortison
Hormonelle Veränderungen bei Schwangeren führen zu höherer Glukosekonzentration, verminderter Glukosetoleranz, erhöhtem Plasmainsulin und Hypertrophie der Langerhans-Inseln.
Pathophysiologie
In normal verlaufenden Schwangerschaften muss sich die Insulinproduktion erhöhen, da in der 2. Schwangerschaftshälfte physiologischerweise Insulinresistenz einsetzt.2
Geschieht bei einigen Schwangere nicht in ausreichendem Maße (relativer Insulinsekretionsdefekt), was zu eingeschränkter Blutzuckerregulation führt.
Besonders nach Mahlzeiten kann der Blutzuckerspiegel zu hoch ansteigen.
Die Pathophysiologie des Gestationsdiabetes entspricht zu einem großen Teil der des Typ-2- Diabetes, auch Risikofaktoren entsprechen zumeist denen des Typ-2-Diabetes.
Auf Basis einer genetischen Prädisposition sind insbesondere Übergewicht und Lebensstil (hochkalorische Ernährung und Bewegungsmangel) relevant.2
Bereits geborenes Kind mit Geburtsgewicht > 4.500 g
ICPC-2
W85 Schwangerschaftsdiabetes
T89 Diabetes mellitus, primär insulinabhängig
T90 Diabetes mellitus, primär insulinunabhängig
ICD-10
O24.4 Diabetes mellitus, während der Schwangerschaft auftretend
Diagnostik
Jeder Schwangeren, die nicht bereits einen manifesten Diabetes hat, soll ein Screening auf Schwangerschaftsdiabetes angeboten werden.1
Betreuung schwangerer Frauen erfolgt in der Regel bei Gynäkolog*in oder diabetologisch qualifizierter Ärzt*in.
Parallel suchen viele Frauen jedoch auch ihre Hausarztpraxis für eine Beratung auf.
Richtlinien zur Diagnostik des Schwangerschaftsdiabetes
Ein generelles Screening wird erst ab 24. SSW empfohlen, in Ausnahmefällen vorher.
Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) sieht mit Einschränkungen potenziellen Nutzen eines Screenings, da ein Hinweis auf den Nutzen einer Gestationsdiabetes-spezifischen Therapie vorliegt. Screening auf Gestationsdiabetes kann zur Reduktion von perinatalen Komplikationen führen.11
Seit 2012 ist das Screening bei Frauen ohne vorbekannten Diabetes mellitus zwischen SSW 24 und 28 Kassenleistung.12
Screening
Cave: Bezüglich des Screenings gibt es Meinungsverschiedenheiten zwischen den Fachgesellschaften (Empfehlung zum primären 75g-oGTT)2 und der Mutterschaftsrichtlinie vom G-BA (Empfehlung zum zweizeitigen Vorgehen mit 50-g-Suchtest)!1
Bei Erstvorstellung im ersten Trimenon sollen Risikofaktoren für Diabetes abgeklärt werden.
Bei Vorliegen von Risikofaktoren soll primär eine Nüchternblutglukosebestimmung durchgeführt werden.
Bei einem durch Zweitmessung am folgenden Tag betätigten Nüchternglukosewert > 92 < 126 mg/dl (5,1–7,0 mmol/m) soll die Diagnose GDM in der Frühschwangerschaft gestellt werden und eine Ernährungsberatung und Blutzuckerselbstkontrolle stattfinden.
Screening zwischen 24+0 und 27+6 SSW
Nach den deutschen Mutterschaftsrichtlinien sollte primär ein Screening durch einen 50-g-Suchtest durchgeführt werden. Wegen fraglicher Validität entspricht dies nicht den Empfehlungen der Fachgesellschaften.
Empfehlung G-BA (Mutterschaftsrichtlinie) zum zweizeitigen Screening1
Bestimmung der Plasmaglukosekonzentration 1 Stunde nach oraler Gabe von 50 g Glukoselösung (unabhängig vom Zeitpunkt der letzten Mahlzeit, nicht nüchtern)
Schwangere mit Blutzuckerwerten ≥ 7,5 mmol/l (≥ 135 mg/dl) und ≤ 11,1 mmol/l (≤ 200 mg/dl) erhalten zeitnah einen 75-g-oralen-Glukosetoleranztest.
Nach der vorliegenden Evidenz soll bei Schwangeren ein 75-g-oGTT zwischen 24+0 SSW und 27+6 SSW durchgeführt werden.
Nach deutscher Arztrechtlage ist der primäre 75-g-Test nach entsprechender Aufklärung der Schwangeren zulässig (analog zu IGEL-Leistungen), nur kann er dann bei Kassenversicherten nicht abgerechnet werden.
Auswertung 75-g-oGTT
Blutzucker-Grenzwerte im venösen Plasma
nüchtern: ≥ 92 mg/d (≥ 5,1 mmol/l)
nach 1 h: ≥ 180 mg/dl (≥ 10,0 mmol/l)
nach 2 h: ≥ 153 mg/d (≥ 8,5 mmol/l)
Diagnosestellung Gestationsdiabetes
Erreichen bzw. Überschreiten von 1 pathologischen Wert ausreichend
Vorgesehenes Zeitfenster 24.–28. (24+0 bis 27+6) SSW
Der Test kann aber auch noch später durchgeführt werden.
Standardbedingungen
keine akute Erkrankung/Fieber/Hyperemesis/ärztlich verordnete Bettruhe
keine Einnahme oder parenterale Applikation kontrainsulinärer Medikation am Morgen vor dem Test (z. B. Kortisol, L-Thyroxin, Beta-Mimetika, Progesteron)
nach Induktion fetaler Lungenreife mit Glukokortikoiden
Mindesten 5 Tage nach der letzten Injektion warten.
keine Voroperation am oberen Magen-Darm-Trakt (z. B. bariatrische Chirurgie mit ablativ-malabsorptiven Verfahren)
keine außergewöhnliche körperliche Belastung
normale, individuelle Ess- und Trinkgewohnheiten mit der üblichen Menge an Kohlenhydraten in den letzten 3 Tagen vor dem Test
am Vorabend vor dem Test ab 22 Uhr Einhalten einer Nüchternperiode von mindesten 8 Stunden
Testbeginn am folgenden Morgen nicht vor 6 Uhr und nicht nach 9 Uhr (tageszeitliche Abhängigkeit der Glukosetoleranz)
Während des Tests möglichst wenig bewegen.
Rauchverbot vor und während des Tests
Testablauf
unmittelbar vor Testbeginn: Messung der Blutglukose
Trinken von 75 g wasserfreier Glukose gelöst in 300 ml Wasser oder ein vergleichbares Oligosaccharid-Gemisch schluckweise innerhalb von 3–5 min
Langsam trinken, kein „Sturztrunk“.
weitere Glukosemessungen nach Ende des Trinkens der Glukoselösung
Veränderter Insulinbedarf im Laufe der Schwangerschaft zu erwarten.
Im ersten Trimenon kann der Insulinbedarf fallen.
Bei gleichzeitigem Schwangerschaftserbrechen ist eine Regulation besonders schwierig.
in der Regel im 2. Trimenon Insulinbedarf stabil oder leicht ansteigend, im 3. deutlich erhöht
Klinische Untersuchung
In der Regel keine auffälligen klinischen Befunde
Diagnostik bei Spezialist*innen
Sonografie
Zum Ausschluss schwerer kongenitaler Fehlbildungen empfiehlt die Leitlinie folgende sonografische Kontrollen:2
Im 1. Trimenon bei Schwangeren mit früher durchgemachtem oder bereits diagnostiziertem GDM
Auf die Möglichkeit einer frühen detaillierten sonografischen Organdiagnostik und Echokardiografie im Zeitraum 11+0 bis 13+6 SSW hinweisen.
Im 2. Trimenon bei GDM mit Diagnose vor 24+0 SSW und mit zusätzlichen Risikofaktoren (erhöhte Blutglukose- und HbA1c-Werte, anamnestisch Herzfehlbildungen, Adipositas)
Eine differenzierte weiterführende Organdiagnostik und Echokardiografie des Feten auf DEGUM-Level II sollte erfolgen.
Im 3. Trimenon Biometrie in 3-wöchigen Abständen
Abdomenumfang wichtiger Parameter zur Erfassung einer diabetogenen Makrosomie
Kardiotokografie (CTG)
Für die Kardiotokografie empfiehlt die Leitlinie folgendes Vorgehen:2
Bei diätetisch eingestellten Schwangeren mit GDM
Wöchentliche CTG-Kontrolle ab 36+0 SSW mit auf die individuelle Situation angepasster Frequenz erwägen.
Bei Insulintherapie des GDM und bei Schwangeren mit Typ-1-Diabetes
ab 32+0 SSW mit auf die individuelle Situation angepasster Frequenz
Indikationen zur Überweisung
Schwangerschaftsdiabetes wird normalerweise von den Gynäkolog*innen im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge diagnostiziert. Diese entscheiden dann, ob eine Überweisung zur Diabetologie notwendig ist.
Therapie
Therapieziele
Komplikationen für Schwangere und Kind verhindern.
nüchtern, präprandial: 65–95 mg/dl bzw. 3,6–5,3 mmol/l
1 h postprandial: ≤ 140 mg/dl bzw. ≤ 7,8 mmol/l
2 h postprandial: ≤ 120 mg/dl bzw. ≤ 6,7 mmol/l
Allgemeines zur Therapie
Im ärztlichen Erstgespräch soll die Schwangere unmittelbar nach der Diagnose in angstabbauender Atmosphäre mit der Problematik und den geplanten therapeutischen Schritten vertraut gemacht werden.2
Durch Lifestyle-Modifikationen kann eine medikamentöse Therapie oft umgangen werden.
Falls eine medikamentöse Therapie nötig ist, ist Insulin das Medikament der Wahl.
Lifestyle-Modifikationen
Die folgenden Empfehlungen zur Lifestyle-Modifikation beziehen sich auf die S3-Leitlinie.2
Körperliche Aktivität
Sofern keine Kontraindikationen bestehen, sollen sich alle Schwangeren regelmäßig körperlich bewegen. Je nach Präferenzen der Schwangeren:
aerobes Ausdauertraining leichter bis mittlerer Intensität
Training mit elastischem Band
oder andere Varianten von Krafttraining.
Einfachste Art der körperlichen Bewegung ohne Hilfsmittel ist zügiges Spazierengehen von mindestens 30 min Dauer mindestens 3 x wöchentlich.
Ernährung
Empfohlene Nährstoffverteilung
Kohlenhydrate: 40–50 %
Protein: 20 %
Fett: 30–35 %
Bei der Auswahl kohlenhydrathaltiger Lebensmittel Bevorzugung solcher mit hohem Ballaststoffanteil und niedrigem glykämischem Index
Aufteilung der Nahrungsaufnahme auf 5–6 Mahlzeiten pro Tag einschließlich einer Spätmahlzeit
Eine Spätmahlzeit verhindert eine nächtliche überschießende Ketonkörperbildung.
Moderate Kalorienrestriktion kann bei übergewichtigen Schwangeren sinnvoll sein, Hungerketose soll jedoch vermieden werden.
Gewichtszunahme
Schwangere mit GDM sollen auf die negativen Auswirkungen einer übermäßigen Gewichtszunahme hingewiesen werden.
Eine Gewichtszunahme innerhalb der IOM-Grenzen soll angestrebt werden.
präkonzeptioneller BMI, Gewichtszunahme/Woche 2. und 3. Trimenon und Gewichtszunahme gesamt in der Schwangerschaft
BMI < 18,5 sollte 0,5–0,6 kg/Woche und 12,5–18 kg/gesamt zunehmen.
BMI 18,5–24,9 sollte 0,4–0,5 kg/Woche und 11,5–16 kg/gesamt zunehmen.
BMI 25–29,9 sollte 0,2–0,3 kg/Woche und 7–11,5 kg/gesamt zunehmen.
BMI ≥ 30 sollte 0,2–0,3 kg/Woche und 5–9 kg/gesamt zunehmen.
Bei Adipositas kann die Gewichtszunahme auch darunterliegen.
Einstellung durch in der Betreuung von diabetischen Schwangeren erfahrene Diabetolog*innen und Perinatalmediziner*innen mit entsprechenden Schwerpunkten
Die Modifikation der Blutglukose-Zielwerte in Abhängigkeit vom Wachstumsmuster des Feten soll sowohl Über- als auch Untertherapie der Schwangeren vermeiden.
Bei Schwangeren mit GDM und Verdacht auf ausgeprägte Insulinresistenz mit sehr hohem Insulinbedarf sowie nach individueller Indikationsstellung kann die Gabe von Metformin nach therapeutischer Aufklärung über den Off-Label-Use erwogen werden.2
Kurzfristige Komplikationen für Mutter oder Kind wurden bisher nicht gefunden.14-17
Evtl. Langzeitwirkungen nach Exposition in utero nicht bekannt, weitere Studien sind erforderlich, bevor Metformin in Routine empfohlen werden kann.14
Metformin mit Insulin in Bezug auf glykämische Kontrolle vergleichbar15-16
Behandlung mit Metformin (Off-Lable-Use) während der Schwangerschaft ist mit der Patientin zu besprechen.
Dabei ist sie zu informieren, dass Langzeitwirkungen von Metformin auf den Fetus nur in geringem Umfang dokumentiert sind.
Laut deutscher Leitlinie ebenfalls keine Anwendung von Alpha-Glukosidasehemmer, Glitazone, Glinide, DPP-4-Hemmer, SGLT-2-Inhibitoren und GLP-1-Analoga2
Frauen mit Diabetes mellitus sollen bereits in der Phase des Kinderwunsches und in der Frühschwangerschaft eine Folsäuresupplementierung (mindestens 0,4 mg/Tagd) erhalten.19
bei erhöhtem anamnestischem Risiko (Geburt eines Kindes mit Neuralrohrdefekt): Erhöhung der Dosis auf 4 mg Folsäure/d
Weitere Therapien
Frühzeitige Entbindung nur angezeigt bei instabilem oder schlecht eingestelltem Diabetes sowie bei Wachstumsretardierung des Fetus
vorzugsweise mit Oxytocin- oder Kalziumantagonisten
nicht mit Betamimetikum
Grund: hierunter Anstieg der mütterlichen Blutglukose
Nutzen der Behandlung eines Schwangerschaftsdiabetes
Die Behandlung eines Schwangerschaftsdiabetes kann schwere perinatale Morbidität reduzieren und die Lebensqualität der Mutter nach der Geburt verbessern.20
Die Behandlung reduziert das Risiko für großen Fetus, Schulterdystokie und Hypertonie in der Schwangerschaft, ohne das Risiko eines zu kleinen Fetus zu steigern.21-22
Reduktion mütterlicher und kindlicher Risiken außer Makrosomie und Schwangerschaftshypertonie konnte durch Behandlung eines GDM bislang nicht bewiesen werden.8
dem gegenüber Risiko einer vermehrten Diabetesentwicklung im späteren Leben der Kinder durch mütterliche Hypoglykämie durch Diät und insbesondere Insulintherapie23
Die große Bedeutung des Gestationsdiabetes für die Gesundheit von Kind und Mutter wird zunehmend angezweifelt.8
Mit Grad der mütterlichen Hyperglykämie steigt zwar das Risiko für makrosome Kinder und Schwangerschaftshypertonie.
Das Risiko besteht jedoch stärker bei mütterlichem Übergewicht und deutlicher Gewichtszunahme in Schwangerschaft.
Diabetische Embryopathie tritt vor allem bei prägravidem Diabetes mellitus auf und nicht beim Gestationsdiabetes.24
Gestationsdiabetes stellt wahrscheinlich eher Risikofaktor und weniger eigenständige Erkrankung dar.
Prävention
Bei Fällen mit erhöhtem Risiko (früherem Schwangerschaftsdiabetes bzw. BMI > 30 vor Schwangerschaft) reduziert eine einfache Intervention mit Ernährungs- und Bewegungsberatung die Häufigkeit von GDM von 21,6 % auf 13,9 %.25
Schwangere mit diätetisch eingestelltem GDM: Entbindung in einer Klinik mit besonderer diabetologischer Erfahrung und angeschlossener Neonatalogie angeraten.
Schwangere mit insulintherapiertem GDM: Entbindung richtlinienkonform in einem Perinatalzentrum Level 1 oder 2 erforderlich
Sectio
Bei geschätztem Gewicht von 4.500 g sollte bei Schwangeren mit GDM eine Sectio empfohlen werden.
Kontrolle und Dokumentation durch postpartale Blutglukose-Tagesprofile
Stillen
bereits vor Entbindung Stillberatung mit Hinweis auf Vorteile des Stillens für Mutter und Kind
Empfehlung einer ausschließlichen Stillzeit von mindestens 4–6 Monaten
Auch nach Einführung von Beikost – frühestens mit Beginn des 5. Monats, spätestens mit Beginn des 7. Monats – sollten Säuglinge möglichst lange weiter gestillt werden.
Adipöse Schwangere sollen für das Stillen besonders motiviert und unterstützt werden.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
Der Schwangerschaftsdiabetes normalisiert sich in der Regel nach der Geburt.
Etwa 20–30 % der Schwangeren mit GDM benötigen Insulin.2
Symptome der Makrosomie beruhen auf gesteigerter fetaler Insulinsekretion durch das erhöhte intrauterine Glukoseangebot.2
S2k-Leitlinie: Betreuung von Neugeborenen diabetischer Mütter24
Diabetische Embryopathie
Eine diabetische Stoffwechsellage während der Organogenese erhöht die Rate von Fehlbildungen (diabetische Embryopathie), das Fehlbildungsrisiko steigt linear mit dem Ausmaß perikonzeptioneller Hyperglykämien.
Fehlbildungsmuster der diabetischen Embryopathie unspezifisch (Neuralrohrdefekte, konotrunkale Herzfehler, Omphalozelen, Skelettanomalien, Fehlbildungen der Nieren und ableitenden Harnwege), nur bei einigen sehr seltenen Fehlbildungen (kaudales Regressionssyndrom, Small-Left-Colon-Syndrom) kann Assoziation mit mütterlichem Diabetes als charakteristisch gelten.
Während bei prägravidem Diabetes mellitus deutlich erhöhte Fehlbildungsrate zu verzeichnen ist, ist sie bei Schwangeren mit Gestationsdiabetes allenfalls geringfügig erhöht.
Diabetische Fetopathie
Mütterliche Hyperglykämien in der 2. Schwangerschaftshälfte führen zu Symptomen einer diabetischen Fetopathie.
Dazu zählen nach der Geburt Atemstörungen, Hypoglykämie, Polyglobulie mit Erythroblastose, Hypokalzämie, Hypomagnesiämie und Hyperbilirubinämie.
Das Ausmaß der Symptome korreliert mit der mütterlichen Stoffwechsellage; selbst grenzwertig erhöhte Blutglukose-Konzentrationen in der Schwangerschaft können mit erhöhtem Risiko für Makrosomie, Hypoglykämie und Hyperbilirubinämie einhergehen.
Neugeborene von Diabetikerinnen, die einer Insulinbehandlung bedürfen, weisen höhere Raten postnataler Hypoglykämien auf als Neugeborene, deren Mütter nur diätetisch behandelt werden mussten.
In Abhängigkeit von Stoffwechseleinstellung steigen zudem Raten von Frühgeburt, intrauterinem Fruchttod, Makrosomie und daraus resultierenden Geburtskomplikationen (Asphyxie, Schulterdystokie, Plexusparesen, Knochenfrakturen).
Quantitativ bedeutsamste Komplikation nach diabetischer Stoffwechsellage in der Schwangerschaft stellen Hypoglykämien des Neugeborenen dar.
Blutglukose-Konzentrationen nach der Geburt
Infolge der abrupten Unterbrechung der Glukosezufuhr nach Durchtrennung der Nabelschnur bei fortgesetzt tiefer Insulinsekretionsschwelle kommt es in den ersten zwei Lebensstunden zu einem Abfall der Blutglukosekonzentration.
Folgen neonataler Hypoglykämien
Nach schweren symptomatischen neonatalen Hypoglykämien sind permanente Schäden im Marklager und der grauen Substanz des ZNS möglich.
Aus diesen Veränderungen können später zentrale Sehstörungen, Zerebralparesen, psychomotorische Entwicklungsdefizite und Epilepsien resultieren.
Es ist nicht klar, ob die erhöhten Raten von Übergewicht und Adipositas im späteren Leben der Kinder auf GDM oder doch das häufig vorliegende Übergewicht der Eltern mit dem damit verbundenen Lebensstil zurückzuführen sind.2
Prognose
Bei Schwangerschaftsdiabetes endet die Schwangerschaft meistens normal mit spontaner Geburt, und die Blutzuckerwerte normalisieren sich postpartal.
Für Frauen europäischer Herkunft liegt das Rezidivrisiko für GDM in der 2. Schwangerschaft bei 40 %, bei Ethnizität mit hohem Diabetesrisiko (u. a. Asien) bei 50–84 %.2
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Autor*innen
Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Innere Medizin, Frankfurt
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
O244
Glukosuri; hyperglykemi
T89; T90; W85
Schwangerschaftsdiabetes; Diabetes; Glukosurie; Hyperglykämie; Gestation; Schwangerschaft; OGTT; OGT; oGTT; Diabetes in der Schwangerschaft; Insulin; Insulintherapie in der Schwangerschaft; GDM; DM; Diabetes mellitus
Gestationsdiabetes
CCC MK 02.02.2022 neue LL berücksichtigt.
DDD MK 27.01.2022 neue Mutterschaftsrichtlinien, keine Änderungen.
DDD MK 05.08.2019, Datum geändert, neue Mutterschafts-Richtlinien;
CCC MK 22.05.2018, neue Neugeborenenen LL
BBB MK 20.04.2021 revidiert, aktuelle LL.
Chk jt, go 24.6., MK 08.09.2017, aktualisiert und überarbeitet
Definition:Schwangerschaftsbedingt entstehende Glukosetoleranzstörung mit Diabetes mellitus als Folge. Häufigkeit:Prävalenz nach Einführung des Screenings 13,2 % (Stand 2017).